Transkript: Alexander Gerst – als Kommandant auf die ISS (250)

Transcript: omega tau 250 – Alexander Gerst: als Kommandant auf die ISS

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Im April habe ich in Köln am Europäischen Astronautenzentrum Alexander Gerst getroffen, der dort gerade für seinen zweiten Flug zur ISS im Jahr 2018 trainiert. Er wird dann als erster Deutscher im Rahmen der Expedition 56/57 “Horizons” die Aufgabe des Kommandanten übernehmen. Wir sprechen über die Aufgaben des Kommandanten, über die Ausbildung zum Astronaut generell und zum Kommandant im Speziellen, sowie über wissenschaftliche Experimente auf der ISS. Natürlich kommen auch seine Eindrücke während seines früheren Fluges 2014 zur Sprache.

 

[00:03:31] Hallo Alex!
[00:03:32] Hallo Markus! Willkommen am Europäischen Astronautenzentrum.
[00:03:36] Vielen Dank! Schön, dass das heute klappt. Wie du schon sagtest: Astronautenzentrum. Was tust du gerade hier konkret?
[00:03:44] Ganz konkret: Diese Woche habe ich ein paar Vorbereitungen auf Experimente, die ich bei meiner nächsten Mission durchführen werde. Das sind im Prinzip Erhebungen von Basisdaten, Gesundheitsdaten für humanphysiologische Experimente und so ein bisschen Training. Das habe ich hier ab und zu in Köln am Astronautenzentrum. Da trainieren wir auf den Modulen zu arbeiten, die die Europäische Raumfahrtagentur ESA zur Raumstation beisteuert. Das heißt, im Moment ist das hauptsächlich das Modul, Forschungsmodul Columbus. Und da habe ich schon viel drauf trainiert, weil ich bei meinem letzten Flug da schon Spezialist war, aber solche Fähigkeiten muss man natürlich aufrecht erhalten und deswegen habe ich jetzt immer wieder so ein bisschen so ein Delta-Training, nennen wir das, das heißt, wenn sich Dinge geändert haben am Modul oder einfach so ein Auffrischungstraining. Und das ist das, was ich meistens tue, wenn ich hier in Köln bin.
[00:04:40] Und wie viel deiner – also jetzt gerade, kann man das als Trainings- oder Missionsvorbereitungsphase bezeichnen, in der du dich befindest?
[00:04:48] Ja, definitiv. Also ich bin schon seit März 2016 zu dieser Mission nominiert, der nächsten, die jetzt kommen wird. Und seitdem bin ich eigentlich permanent im Training, unter anderem jetzt in Houston, in Moskau und hier in Köln.
[00:05:06] Das heißt, man trainiert bei den entsprechenden Raumfahrtagenturen für die betreffenden Teile oder Sektionen vor Ort dort?
[00:05:14] Ja, ganz genau, weil dort dann auch meistens die High-Fidelity Module stehen, die Trainingsmodule, die technisch den Modulen im Orbit am meisten ähneln. Das stellt immer die jeweilige Agentur bereit und das ist dann dafür natürlich auch der beste Trainingsort.
[00:05:33] Und wie muss man sich das vorstellen? Es ist sicherlich zum Teil CBT, Book Theorie Training, teilweise ist es an Mockups, teilweise unter Wasser. Wie spielt das zusammen?
[00:05:47] Ja, das CBT, also Computertraining, das ist eigentlich selten jetzt. Das war am Anfang mehr, als es so um generelle Vorbereitung ging. Im Astronauten-Grundtraining, da haben wir das viel gemacht, weil es da um die unterschiedlichsten Bereiche ging der Wissenschaft, der Technik. Aber jetzt ist das Training so konkret, dass eigentlich fast alles am Modul stattfindet. Das ist zum Beispiel in Russland so, dass wir trainieren, wie man die Sojus-Kapsel fliegt. Das ist ja das Sojus-Raumschiff, das auf der Sojus-Rakete startet. Die haben den gleichen Namen, sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Und wir müssen als Astronauten, Kosmonauten, lernen, wie man das Ding fliegt, mal salopp gesagt und wie man es auf der Raumstation einparkt. Das ist nicht ganz einfach. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, da habe ich jetzt das letzte Jahr quasi 60, 70 % meiner Zeit damit verbracht die Theorie zu lernen. Das ist eine sehr komplexe Theorie hinter all den Systemen, die es in dem Sojus-Raumschiff gibt. Also da gibt es unterschiedliche Systeme: Kühlsystem, Navigationssystem, Funksystem. Navigationssystem ist eins der wichtigsten natürlich, wenn man als Pilot oder Copilot da fliegt und das muss man schon in- und auswendig kennen, um auch in nicht nominellen Situationen, also Notfallsituationen oder Situationen, die zu Notfällen werden können, dass man da richtig reagiert, wenn man außerhalb der Handbücher operieren muss, dass man da weiß, was man tut. Und das nimmt schon viel Zeit in Anspruch.
[00:07:14] Big Picture: Mit Sojus hochfliegen, wahrscheinlich sechs Monate, drei Monate…
[00:07:21] Ja, um die sechs Monate.
[00:07:23] …und dann wieder mit Sojus runter. Die beiden Sojus-Flüge…also welche Rolle spielst du da? Das ist ja ein 3-Sitzer, hat drei Plätze. Das sind, glaube ich, der Kommandant, ein Pilot und wahrscheinlich ein Gast. Also wie funktioniert das da?
[00:07:36] Genau. Im Prinzip ist der Kommandant, der sitzt in der Mitte, das ist immer ein Russe. Der ist quasi der Chef des Raumschiffs, der ist der Pilot, kann man vielleicht am besten sagen. Und auf dem linken Sitz, das ist der Copilot. Das ist in dem Fall mein Sitz. Das heißt, Pilot und Copilot fliegen das Raumschiff zusammen. Und es ist auch so, dass einer den anderen ersetzen können muss. Das heißt, als Copilot muss ich absolut alle Prüfungen auch genauso gut ablegen wie der Kommandant. Das heißt, wenn dem Sojus-Kommandanten etwas passieren würde, dann müsste ich ganz genauso das Raumschiff fliegen können. Von unten bis oben und wieder zurück. Das heißt, man lernt eigentlich das Gleiche und man wechselt auch manchmal den Platz.
[00:08:22] Okay, also es ist nicht nur ein „Wir weisen dich mal in die Systeme ein, dass du nichts anlangst während des Flugs, wo du deine Finger weglassen sollst“, sondern es ist wirklich das Ding komplett…
[00:08:32] Ja, man muss das in- und auswendig können. Inzwischen ist es so, dass der rechte Sitz… Der ist jetzt ein bisschen so aufgebaut, dass man da Leute mitnehmen kann, die wirklich fast überhaupt kein Training haben.
[00:08:45] Genau, also ich erinnere mich, Charles Simonyi, den kenne ich aus beruflichen Gründen. Und der hat eben da so eine „Nichts anfassen“-Anweisung bekommen und mehr eben nicht.
[00:08:53] Genau, das kann man eben auch variieren. Also wenn man jetzt jemanden hat auf dem rechten Sitz, der sich auskennt mit den Systemen, dann kann man den auch mit als Kollegen benutzen, als Bordingenieur, das ist der Bordingenieur 2, ist der offizielle Titel. Und das war auch bei meinem letzten Flug so. Da war es noch so, dass man als Bordingenieur 2, was damals mein Sitz war, dass man da noch sehr viel mehr Training bekommen hat. Also ich habe fast alle Trainingssessions mit meinem Bordingenieur und meinem Commander zusammen damals gemacht. Und dadurch konnte ich denen dann auch sehr viel helfen während des Fluges. Also da haben wir die Aufgaben auf drei verteilt. Inzwischen ist es so, dass der Astronaut oder Kosmonaut, der auf dem rechten Sitz fliegt, nicht mehr so eine große Einweisung bekommt und das heißt, im Prinzip hat man die meisten Simulationen, Simulationsläufe, zu zweit, also der Commander und der Bordingenieur auf dem linken Sitz.
[00:09:46] Wie viel Prozent, ganz grob, der Simulation oder der Ausbildung betrifft Notfälle? Oder Contingencies, habe ich gelernt, ein anderes Wort.
[00:09:54] Das muss man vielleicht so unterscheiden: Unter Notfall bezeichnen wir eigentlich die schlimmeren Dinge. Also auf der Raumstation sind das Feuer, Depress, also das heißt der Verlust der Atmosphäre und ein Leck auf der Raumstation oder eine toxische Atmosphäre durch Ammonium, Ammoniak aus dem Kühlsystem. Das zählen wir als wirkliche Notfälle. In des Sojus ist das ähnlich, da könnten Feuer auftreten, was da sehr viel schlimmer ist, weil man keinen Feuerlöscher hat und man hat nur ganz wenige Möglichkeiten, das dann auszumachen. Im Prinzip muss man die Atmosphäre ablassen, dass ein Vakuum entsteht, wenn man es nicht anders aus kriegt. Und eben auch ein Leck im Raumschiff, was sehr viel schwerwiegender ist, weil das Volumen einfach der Sojus so viel kleiner ist, dass bei der gleichen Leckgröße das alles schneller geht. Alles andere sind dann, ja, Contingencies, einfach irgendwelche Systemfehler, die ganz schnell zu Notfällen werden können, wenn man nicht entsprechend handelt. Wenn man zum Beispiel auf dem Aufstieg auf der Rakete merkt, dass man nicht von der dritten Stufe abgetrennt wird automatisch, wenn man da nichts tut, dann würde man schnell wieder eintreten mit seinem gesamten Raumschiff nach dem Start. Und das will man natürlich nicht. Und das ist nur ein Beispiel für ganz viele von diesen Contingencies. Und ja, du hast gefragt, wie viel Prozent – im Prinzip fast 100 %. Also wenn wir so einen Trainingssimulationslauf haben, der dauert typischerweise in der Sojus vier Stunden, da simuliert man dann eine komplette Etappe. Also entweder vom Start bis zur Mitte des Fluges zur Raumstation oder von der Mitte des Fluges zur Raumstation bis zum Andocken oder das Abdocken und die Landung in einem Stück. Und da spielen unsere Instruktoren um die zehn, 15 Fehler ein, manchmal kritisch. Die fordern einen schon, also die machen das wirklich mit Absicht so, dass zum Beispiel das alles auf einmal kommt. Wenn man gerade das Triebwerk zündet, um den Wiedereintrittsschub zu vollführen, dass man überhaupt wieder zurück kommen kann zur Erde, dann bricht ein Feuer aus und dann merkt man, dass ein Treibstofftank ein Leck hat und gleichzeitig fällt noch die Elektrik aus. Und da kommt man wirklich ins Schwitzen. Also nach manchen von diesen Läufen, die man dann auch zum Teil im Raumanzug durchführt, was nochmal anstrengender ist körperlich, da bin ich komplett durchgeschwitzt, wenn ich da raus komme und auch mental wirklich fertig, weil man mit so vielen Dingen gleichzeitig arbeiten muss. Und man muss priorisieren: Was ist jetzt wichtig, was nicht? Was kann ich später erledigen, was muss ich sofort erledigen? Und vor allem, man muss sich so gut mit der Borddokumentation auskennen, dass man da außerhalb auch arbeiten können muss, weil für solche vielen Fehler zur gleichen Zeit ist die natürlich nicht ausgelegt, das heißt man keine Instruktionen mehr, sondern man muss genau wissen…
[00:12:54] System verstehen einfach.
[00:12:55] Das System verstehen, genau, manche Dinge auswendig können. Manchmal muss man dann wieder auf Teile der Instruktionen zurückgreifen können. Und das ist wirklich eins der komplexesten Dinge, die ich so mental im Training habe.
[00:13:07] Und alles auf Russisch, denke ich?
[00:13:09] Ja, alles komplett auf Russisch.
[00:13:11] Das heißt, das war Teil deiner Grundausbildung, wenn man so will: Erst mal Russisch nachholen. Oder hattest du es zufällig schon in der Schule?
[00:13:16] Nein, ich habe es tatsächlich in meiner Grundausbildung gelernt. Das war auch der härteste Teil meiner Ausbildung, muss ich sagen. Wir mussten innerhalb von drei Monaten Russisch lernen. Und wir haben das wirklich drei Monate, 24/7, die ganze Woche, den ganzen Tag nur Russisch gelernt und hatten am Schluss auch eine Prüfung. Das war schon hart. Also es ist eine wunderschöne Sprache, ich finde es toll, die zu können, weil ich sie sonst wahrscheinlich auch nicht gelernt hätte, wenn ich jetzt nicht diese Gelegenheit gehabt hätte. Aber es ist schon schwer.
[00:13:44] Ich hätte mich in der Schule statt Französisch für Russisch entscheiden können, hab aber Französisch gemacht. Und heute habe ich witzigerweise mit jeder Menge Russisch sprechenden Kollegen und Partnerfirmen zu tun, also hätte mir tatsächlich auch mehr gebracht.
[00:13:55] Ja, man weiß nie, wozu man es brauchen kann.
[00:13:57] Genau, aber das wahr wahrscheinlich auch nicht Teil deiner Planung als Schüler, irgendwann mal Astronaut zu werden und auf der Sojus zu fliegen.
[00:14:03] Nein, geträumt habe ich natürlich davon.
[00:14:05] Naja gut, das hat ja jeder, aber…
[00:14:06] Ja, genau, aber als Plan… Da war ich schon realistisch genug, das wird es wohl nicht sein.
[00:14:12] Man unterstellt der russischen Raumfahrt und ja auch der Sojus immer so ein bisschen…ja, so Traktor, robust, mechanisch, alles noch von vor dem Krieg, so ungefähr. Wie viel Automatisierung gibt es in den Systemen? Haben die da mal was modernisiert, oder ist wirklich noch sehr sehr viel Manuelles?
[00:14:31] Ja, ständig, das wird ständig modernisiert. Ich glaube, das ist einfach so ein Stereotyp, der bei Leuten herrscht, die sich eigentlich nicht damit auskennen. Also wenn man sich das anschaut, das ist eins der zuverlässigsten Vehikel, die es gibt. Das heißt, absolut, sehr viel sicherer als das Spaceshuttle zum Beispiel. Das Design ist so perfekt, dass ein Wiedereintritt selbst komplett unkontrolliert überlebt werden kann in diesem Vehikel.
[00:14:59] Das gab es doch erst vor ein paar Jahren mal. Also nicht komplett, aber so eine Contingency-Bahn mit mehr Gs.
[00:15:05] Ja, eben, aber das ist noch eins der geringsten Dinge, die das Ding aushalten kann. Und jedes Vehikel wird ja neu gebaut. Also jedes Raumschiff, Sojus-Raumschiff, ist nagelneu gebaut. Das wird nur einmal verwendet und da werden alle paar Jahre auch Systeme modernisiert. Die stellen dann zum Beispiel einen Computer von analog auf digital um, tauschen ein System aus. Das macht man konservativ, das ist auch sehr gut so, weil man möchte nicht im Orbit herausfinden, dass das System, was man gerade ausgetauscht hat, leider nicht funktioniert. Das heißt, man setzt auf bewährte Komponenten. Und dieses robuste Aussehen, das macht auch sehr viel Sinn. Also wenn man in dieses Cockpit reinschaut, da sieht man tatsächlich: Ja, die Knöpfe sind wirklich groß und da sind so Metallrahmen drum herum und das macht so ein bisschen einen kruden Eindruck. Aber wenn man auf so einer Rakete sitzt bei 4G und Vibrationen der zweiten Stufe und da versucht Knöpfe zu drücken, dann ist man sehr dankbar, wenn dieser Knopf…
[00:16:01] Mit dieser Verlängerung da auch noch, teilweise.
[00:16:03] Ja, das braucht der Commander, weil der sitzt so ein bisschen zurückgesetzt. Also auf dem linken Sitz braucht man das nicht. Aber man hat Handschuhe an, Raumanzug-Handschuhe, also das heißt, die Finger sind nicht gerade filigran. Und jeder, der schonmal versucht hat beim Autofahren eine SMS zu tippen, als Beifahrer natürlich… Aber selbst dann, wenn es ein bisschen holpert, dann realisiert man, wie schwierig das ist. Da ist man wirklich froh, wenn man große Knöpfe, einen Hebel, hat. Und genau deshalb ist dieses Design auch so. Das macht voll und ganz Sinn. Und ich muss wirklich sagen: Ich hab ein gutes Gefühl. Ich hatte das bei meinem letzten Flug schon und jetzt auch bei diesem. Also ich freue mich darauf da drauf zu fliegen, ich hab da keine Bedenken. Das ist eine gute Philosophie, die die russische Raumfahrt da vorantreibt.
[00:16:46] Lass uns noch ein bisschen weiter über das Training reden. Wir haben über die Systeme geredet, auch an den verschiedenen Standorten. Wir haben über Russisch-Lernen geredet. Eine Sache ist, glaube ich, auch noch das Überlebenstraining in Sibirien.
[00:17:00] Für mich ist Sibirien im Wald beim Sternenstädtchen. Da hat es aber auch -30 Grad, also das gibt sich dann nicht so viel.
[00:17:10] Das heißt, da werdet ihr irgendwie ausgesetzt für ein paar Tage mit einem Messer und einem fallschirmartigen Teil und dann dürft ihr da Tiere jagen und essen?
[00:17:20] Nein, Tiere jagen und essen darf man…braucht man zum Glück nicht mehr. Also das Überlebenstraining setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. Also man hat so ein Grundüberlebenstraining, das hatten wir bei unserer Grundausbildung. Das hatten wir auf Sardinien, wo wir fünf Tage fast nichts zu Essen bekommen haben. Da lernt man so grundsätzliche Überlebensstrategien. Dann hatten wir Überlebenstraining auf dem Wasser, das hatte ich jetzt schon dreimal, wo man lernt zum Beispiel auf so einem Rettungsfloß zu überleben, allgemein für Wasserüberlebenstraining. Und dann, zweimal hatte ich ein Training ganz speziell für die Sojus, wo man in der Sojus-Kapsel ins Wasser geworfen wird, quasi und dann muss man zum Beispiel simulieren, dass die Kapsel sinkt. Man muss sich schnell umziehen in dieser Kapsel, was wahnsinnig eng und heiß ist, muss man den Raumanzug ausziehen, den Wasserüberlebensanzug anziehen. Hauptsächlich, glaube ich, ist es dazu da, dass man sich daran gewöhnt, dass es da drin sehr eng und sehr heiß werden kann und dass man ruhig bleiben muss einfach in so einer Situation.
[00:18:21] Also das wird dann auch tatsächlich geübt, indem die Kapsel im Zweifelsfall irgendwo unters Wasser taucht?
[00:18:26] Nein, die wird mit dem Kran ins Wasser gehoben, die taucht selber schon halb ein und dann sind Taucher da, die das Ding schütteln und drehen, also um das zu simulieren. Das ist schon echt wirklich hartes Training. Also da drin hat es 40 Grad und man ist zwei Stunden da drin. Also man hat am Schluss eine Körperkerntemperatur, die um anderthalb Grad ansteigt. Wir müssen so Pillen schlucken mit einem Temperatursensor, dann überwachen das die Flugmediziner. Falls es wirklich schlimm wird, wenn die Temperatur über 40 Grad im Körper steigt, dann brechen sie das ab. Das war bei uns zum Glück nicht der Fall, aber man ist wirklich kaputt. Und dann das letzte Überlebenstraining, das hast du jetzt schon erwähnt, das ist im Winter. Da wird man mit einer Sojus-Kapsel und allem, was da drin ist, ausgesetzt im Wald. Und da muss man drei Tage überleben. Solche Situationen gab es schon. Es kann sein, wenn man eine Landung hat, die außerhalb des Landegebiets ist durch irgendein Problem zum Beispiel, dann kann es eben sein, dass die Rettungsmannschaften ein paar Tage brauchen, bis sie einen erreichen. Finden tun sie einen inzwischen relativ schnell. Man hat jetzt schon GPS-Sender, Satellitentelefon und alles an Bord. Das heißt, es ist nicht mehr das Problem wie früher, dass man vielleicht gar nicht wusste, wo die Kapsel gerade ist oder wo die landet, aber es kann halt immer sein, wenn das Wetter schlecht ist, dass die Helikopter nicht fliegen können, wenn man irgendwo im Wald landet, dass man drei Tage braucht, bis man erreicht wird. Und das gab es tatsächlich schon. Aleksej Leonov hatte das nach seinem Flug. Und das ist was, was man wirklich auch können sollte, da zu überleben, auch im Winter. Das heißt, man lernt, wie man seinen Fallschirm verwendet, um jetzt so ein Tipi zu bauen, wie man Bäume fällt, welche Bäume man fällt, wo man ein Lager baut, wie man das macht, wie man im Prinzip da überlebt. Also man hat keinen Schlafsack, man hat nur so ein bisschen Thermokleidung. Man hat ein bisschen was zu Essen dabei. Das heißt, man ist schon darauf angewiesen, dass man sofort handelt. Also man kann jetzt nicht einfach in der Kapsel sitzen bleiben. Das würde nicht gehen, da würde man erfrieren ziemlich schnell. Und das ist schon was, was man lernen muss. Also bei -30 Grad ist das kein Spaß. Und natürlich hilft es dazu auch noch, das macht man mit seiner Crew zusammen, mit der man in den Weltraum fliegt…
[00:20:40] Ah, Teambuilding.
[00:20:42] Genau, Teambuilding. Man weiß, wie die andere Person so tickt, wie die Leute reagieren, wenn es mal nicht gemütlich ist, wenn man mal genervt ist, wenn einem kalt ist. Und das sind Sachen, die man sonst im Training nicht so einfach rausfinden kann. Das hilft natürlich schon auch da in dem Fall.
[00:20:57] Da gäbe es aber schon die Notfallnummer, die ihr anrufen könntet und dann kommt in einer Viertelstunde der Hubschrauber ums Eck?
[00:21:03] Ja, das würde zur Not gehen. Also, ja. Das heißt, letztendlich ist es natürlich eine mentale Komponente, die einem dabei hilft, wenn man weiß, man könnte jederzeit abbrechen. Es ist schon etwas anderes, wenn man wirklich jetzt in Sibirien da draußen ist. Ja.
[00:21:19] Und Stichwort „man muss keine Tiere selber jagen“: Es gibt eben Vorräte in der Kapsel für drei Tage?
[00:21:25] Genau. Früher gab es in diesem Überlebenskit auch noch eine Pistole. Die war dafür da, glaube ich, dass man entweder Bären jagen oder sich gegen diese verteidigen konnte. Die ist inzwischen abgeschafft, also die gibt es nicht mehr. Es gibt die deswegen auch nicht mehr an Bord generell. Wir haben stattdessen so eine Leuchtrakete im Überlebenskit stattdessen. Das macht mehr Sinn, wenn man einem Helikopter signalisieren möchte. Und ich denke, der Grund war einfach, dass man gesehen hat, dass das relativ unwahrscheinlich ist sowieso, dass man da irgendwas fangen würde und man wahrscheinlich nur seine Energie dafür verschwendet, irgendwelche Tiere zu jagen. Das macht einfach keinen Sinn. Und inzwischen, das Essen, das man dabei hat, das reicht locker, um drei Tage zu überleben. Man könnte auch gar nichts essen in dieser Zeit. Das würde gehen. Ich denke, das kam noch aus der Zeit, wo man damit rechnen musste, dass man vielleicht diese Kapsel auch für Wochen nicht finden würde, als es keine moderne Satellitenkommunikation gab.
[00:22:27] Und die letzte Frage zu dem Thema: Das Wasserüberlebenstraining. Gibt es tatsächlich auch Fälle, wo die Kapsel im Wasser landen würde? Also ist es plausibel, dass sie so weit vom Kurs abkommt, dass sie in der großen geplanten kasachischen Wüste…dass die nicht ausreicht?
[00:22:45] Ja, das geht absolut dann, wenn man einen Notfall hat im Orbit, der einen sofortigen Abstieg in die Atmosphäre verlangt. Da gibt es wenige. Also vielleicht muss man da noch ein bisschen mehr ausholen. Man hat für jeden Orbit, der ja 90 Minuten dauert, hat man eine bestimmte Zeit, das ist eine Notfalltabelle, auf der steht für jeden Orbit eine bestimmte Zeit, zu der man das Triebwerk aktivieren kann und man landet einigermaßen sicher. Das sind, die Russen nennen das Polygone, das sind Landungszonen, die sind verteilt auf diesem Erdball in Regionen, wo man relativ sicher landen kann. Aber „relativ“ zeigt schon: Eine davon ist in Frankreich und in dieser Zone ist Paris. Das heißt, man sollte das tunlichst vermeiden. Aber das heißt, man hat alle 90 Minuten eine Zeit, in der man das Triebwerk einschalten kann und dann relativ sicher landen kann, irgendwo auf dieser Erde auf dem Festland. Es gibt aber eben Notfälle, die einen sofortigen Abstieg erfordern. Wenn zum Beispiel der Treibstofftank leckt und man merkt, man verliert all seinen Treibstoff. Das heißt, wenn ich weiß, ich kann in den nächsten 90 Minuten so viel Treibstoff verlieren, dass es mir nicht mehr reicht, meinen Wiedereintrittsschub zu bringen, dann würde ich im Orbit ersticken irgendwann. Das heißt, in so einem Fall muss man, egal was ist…
[00:24:14] Lieber nach Paris.
[00:24:15] Ja, nein, das ist ja… Lieber nach Paris ist dann einmal in 90 Minuten. Das ist schon eine sichere Variante. Es kann aber eben auch sein, dass das über dem Südpazifik passiert. Und dann muss man sofort das Triebwerk anschalten und dann kann man irgendwo landen auf diesem Planeten zwischen 52 Grad Nord und 52 Grad Süd. Und wenn es dumm läuft, dann ist das eben im Südpazifik in einem Sturm. Und da sieht es dann natürlich nicht mehr so gut aus. Das ist was, was man auf alle Fälle, wenn es irgendwie geht, vermeiden möchte. Aber man muss darauf vorbereitet sein.
[00:24:48] Soweit möglich. Ich meine, irgendwann ist vielleicht auch einfach der Punkt dann erreicht, wo es dann halt einfach dumm gelaufen ist und es dann halt nicht mehr funktioniert. Da gibt es dieses – Wie heißt das? – dieses Swiss Cheese Modell, wenn sich die Löcher alle mal aligned haben, irgendwann ist es dann halt einfach scheiße.
[00:25:01] Und es stimmt auch, das ist wirklich der fünfte Fehler, der hintereinander dafür auftreten muss. Aber die Fehler, die einen wirklich umbringen können in dieser Kategorie, auf die sollte man so ein bisschen vorbereitet sein.
[00:25:16] Du hattest ja auch bei deiner letzten Mission eine EVA, einen Weltraumspaziergang. Das wird dann im Pool trainiert, vor allem wahrscheinlich in den USA, denke ich?
[00:25:27] Genau, das ist in der Neutral Buoyancy Facility oder Laboratory, NBL. Das ist ein riesiger Tank, da ist die Raumstation in 1:1 nachgebaut. Die ist aber so riesig, dass auch nur ein Teil davon nachgebaut werden konnte, also nur das amerikanische Segment und da auch nur nicht alle Module, weil das einfach so riesig ist. Und da trainiert man eben alle möglichen Szenarien für den Außenausstieg. Also geplante Außenausstiege, wenn man schon vorher weiß, was man für eine Reparatur durchführen muss. Oder, es gibt so zehn große Notfälle, die auftreten können, die man unspezifisch trainiert, die immer wieder auftreten können im Orbit. Wenn zum Beispiel eine wichtige Kühlpumpe ausfällt, dass man die austauschen kann. Dass man das schonmal gesehen hat als Astronaut und dass man darauf vorbereitet ist, wenn es dann passiert, dass man zumindest ungefähr weiß, was da zu tun ist.
[00:26:20] Das heißt, dieses Training machen auch alle? Auch wenn keine EVAs für diesen Astronauten geplant wären?
[00:26:25] Ganz genau. Also zumindest alle, die auf dem amerikanischen Segment fliegen. Die Russen machen das auf ihrer Seite genauso, im Prinzip.
[00:26:33] Ich habe mich gerade mit Andreas da kurz drüber unterhalten, dass man, um in diesen NBL, in den Pool, rein zu dürfen, einen Tauchschein braucht als Trainer und vielleicht auch als Gast oder wie auch immer. Und wir haben uns überlegt, ob Astronauten dann vorher dann einen Tauchschein machen müssen, oder ob die den quasi automatisch mit dazu bekommen, wenn sie den Rest bestanden haben? Wie sieht das aus?
[00:26:56] Nein, den muss man machen. Ich hatte den sowieso schon und ich glaube, alle meine Kollegen auch. Ich denke, das ist auch etwas, worauf bei der Astronautenauswahl schon geachtet wird. Aber wenn jetzt jemand den nicht hat, dann macht er den. Tauchen ist wirklich etwas, was man oft machen muss, also weil, es ist auch so, dass man nicht immer im Raumanzug ist, sondern manchmal, am Anfang, schaut man sich das auch mal als sogenannter Gast-Taucher an, während zwei andere Kollegen im Raumanzug arbeiten. Und dann kann man denen so ein bisschen auf die Finger schauen, einfach, dass man nebenher taucht. Und da lernt man schon einiges dabei.
[00:27:28] Und da hat man dann normales Tauchequipment an eben und keinen Raumanzug?
[00:27:31] Ganz genau.
[00:27:33] Jetzt bei deiner kommenden Mission wirst du ja die Rolle des Commanders übernehmen. Da reden wir gleich noch ein bisschen drüber. Welche Commander-spezifischen Ausbildungsbestandteile gibt es denn?
[00:27:49] Ja, also vielleicht muss man da unterscheiden zwischen Sojus-Commander und ISS-Commander.
[00:27:54] Natürlich, ich meine jetzt ISS.
[00:27:55] Das verwechselt man oft, glaube ich. Also der Sojus-Commander ist für den Flug von der Erde bis zur ISS verantwortlich und dann auf der ISS hat der ISS-Commander das Sagen bis zum Rückflug.
[00:28:05] Genau, und Sojus-Commander ist immer ein Russe, wie du gesagt hast.
[00:28:07] Genau.
[00:28:08] Und bei ISS wechselt es eben durch.
[00:28:10] Genau, wechselt es durch. Letztendlich ist das kein großer Teil der Ausbildung, die man dafür verbringen muss, sondern man muss tatsächlich schon in dieser Funktion arbeiten, auch im Training. Also als ISS-Commander ist man verantwortlich, dass seine Crew richtig trainiert wird, das heißt, man arbeitet mit denen schon zusammen im Training. Man schaut, dass niemand überlastet ist, dass alles läuft, dass die unterschiedlichen Aufgaben auch gut verteilt werden. Das ist schon eine Aufgabe, die ziemlich viel Logistik erfordert. Man macht das natürlich mit dem Trainingsteam, mit dem Flugdirektor zusammen. Aber das ist schon wirklich der Anfang der Aufgabe als Commander. Und das geht dann weiter im Orbit, dass man auf der Raumstation dann dafür verantwortlich ist, dass die Crew im Prinzip vorbereitet ist auf alle Aufgaben, die man da hat. Dass man die Aufgaben gut verteilt, dass man schaut, dass niemand überlastet ist, dass die Stimmung gut ist und da muss man schon immer mal wieder auch mit dem Flugdirektor eine Konferenz halten. Also eigentlich steht man da täglich im Kontakt, dass man sagt: Okay, was sind die nächsten Aufgaben? Wie kann man die verteilen? Wie kann man die planen? Und dann wird das vom Flugkontrollteam dann auch so geplant am Boden, aber die brauchen schon immer wieder den Input auch vom Commander.
[00:29:24] Das ist sowieso etwas, was ich… Ja, ich will jetzt nicht sagen „nicht verstehe“, aber wo mir der konkrete Ablauf nicht ganz klar ist, also die Rollenverteilung zwischen Flight Director am Boden und Commander auf der ISS. Mein Eindruck war immer so ein bisschen, dass im Zweifelsfall der Boden gewinnt, also auch jetzt so historisch bei den Amerikanern, aber dass auf der anderen Seite du als derjenige, der vor Ort ist, natürlich letztendlich die Verantwortung für das Gesamtsystem Raumstation hast. Wie spielt das zusammen?
[00:29:59] Das ist eine Zusammenarbeit, Hand in Hand, also da geht es nicht darum, wer gewinnt oder wer Recht hat, sondern das ist eigentlich relativ harmonisch. Also das kenne ich ja aus meinem letzten Flug ja auch schon. Die Aufgaben sind schon ziemlich konkret verteilt. Also der Flugdirektor ist dafür verantwortlich, dass er praktisch definiert: Was sind die Aufgaben, die zu erledigen sind? Er priorisiert, er sagt so: Das Experiment ist uns wichtig, das als nächstes, das als nächstes und er macht dann einen Plan, teilt die Crew ein und hält dann aber Rücksprache mit dem Commander. Da geht es dann eben darum: Was implementieren wir wann? Wie viel Zeit braucht man, um ein Vehikel zu entladen? Wie viel Zeit kann man für die Experimente da abzweigen? Ist die Crew überlastet? Hat man noch ein bisschen Kapazitäten? Welches Experiment kommt auf den Zeitplan? Welches kommt auf die Taskliste? Das ist praktisch so eine Liste, von der man Aufgaben erledigen kann, wenn man ein bisschen Zeit zwischendurch hat. Dann kann ich einfach auf die Taskliste schauen und an dem arbeiten. Und das ist so eine Abstimmung. Also da sind beide Teile eigentlich sehr wichtig. Also wenn man…ja.
[00:31:07] Mit anderen Worten: Dadurch, dass die Aufgaben so klar getrennt oder definiert sind, gibt es wenig Overlap und damit auch wenig „Streit“, wer jetzt für eine konkrete Entscheidung dann letztendlich das Sagen hat?
[00:31:18] Ja, also wir sehen das als Crew eher so, dass wir der verlängerte Arm des Bodenteams sind. Das heißt, wir versuchen, so gut wie es geht, diese Experimente zu erledigen, die Aufgaben zu erledigen, weil die Bodenkontrolle hat natürlich einen viel besseren Überblick. Also das sind hunderte Leute, die daran arbeiten. Da sind Ingenieure, die sagen: Okay, dieses System braucht jetzt demnächst mal eine Wartung oder da eine Reparatur oder dieses Experiment ist jetzt plötzlich relevanter. Das entscheidet alles der Boden. Aber die Augen und die Ohren und das Gefühl für das Vehikel, das hat natürlich die Crew im Orbit. Und das heißt, manchmal braucht es da einfach Input: „Ja, was denkt ihr, wie lang braucht ihr, um an dem System zu arbeiten? Krieg ihr das noch dazwischen rein? Sollen wir da zwei von euch schedulen oder kriegt das einer hin?“ Und das sind einfach Abstimmungssachen, also Streit habe ich wirklich nicht erlebt, also bei meiner letzten Mission nicht. Da gibt es relativ wenig Potenzial für.
[00:32:19] Es gab, glaube ich, mal bei den Amerikanern bei einer Apollo-Mission irgendwie sowas, wo… Ich glaube, die Apollo-Crew war irgendwie erkältet und alle waren irgendwie schlecht gelaunt und dann… der Boden wollte irgendwas und dann „Nein, machen wir nicht“ und so. Also da kommt so ein bisschen die Frage her. Aber das ist natürlich auch eine…
[00:32:38] Gut, das ist halt auch schon ein paar Jahrzehnte her. Ich denke, inzwischen haben alle Seiten dazugelernt. Und gerade in so einer Situation, das habe ich auch gesehen bei meinem letzten Flug, wenn es mal einem nicht so gut geht, dann… Das ist eigentlich genauso eine gute Situation, ein gutes Beispiel dafür, wo dann der Commander mit dem Flugdirektor kurz sich beredet. Das macht man auch nicht über offenen Funk, sondern man telefoniert da einfach kurz miteinander und sagt so: „Hey, vielleicht können wir bei dem heute nachmittag so ein bisschen ein paar Stunden rausnehmen, damit der sich erholen kann.“ Und da ist Wohlwollen von allen Seiten da. Also das… da habe ich überhaupt nichts Schlimmes erlebt. Und das macht eigentlich total auch Spaß, also es ist auch schön, wenn man auf der Raumstation ist und so ein bisschen Kontakt mit dem Boden hat, dass man das Gefühl hat, man stimmt sich ab. Und man ist nicht nur…
[00:33:26] Ausführender.
[00:33:27] …nicht nur Ausführender, sondern man hat auch wirklich einen Einfluss darauf, dass man die Sache besser machen kann. Und das macht Spaß.
[00:33:35] Inwiefern hat der Commander vertiefteres Systemwissen über die Station als Ganzes?
[00:33:44] Das ist eigentlich umgekehrt. Man braucht als Commander nicht vertiefteres Systemwissen, sondern übergreifendes Systemwissen, genau. Das heißt, als Commander muss man jetzt nicht der Spezialist für jedes System sein. Es gibt ja drei Kategorien der Ausbildung für jedes System, das ist User, Operator und Specialist. Wenn man sich das mit… Das kann man vielleicht so vergleichen mit einer Waschmaschine. Als Waschmaschinen-User kriegt man die Tür auf und wieder zu und weiß, wo der Startknopf ist. Als Operator kann man die verschiedenen Waschprogramme einstellen. Und als Specialist kann man das Ding aufschrauben und reparieren. Und es wird geschaut, dass für jedes System auf der Raumstation mindestens ein Specialist zu jeder Zeit an Bord ist. Und der Rest wird dann je nachdem, wer damit arbeiten muss… User ist jeder im Prinzip, Operator sind manche und Specialist dann eben nur wenige. Und als Commander ist es wichtig, dass man den Überblick hat, das heißt, dass man für jedes System ungefähr weiß, was es tut. Ob man es reparieren kann oder nicht, ist dann nicht mehr so wichtig. Man muss nur wissen: Was sind die generellen Kapazitäten und was passiert, wenn ein System ausfällt? Was kann der nächste Schritt sein? Was kann passieren? Was bringt das mit sich?
[00:34:57] Also auch insbesondere die Interaktion zwischen verschiedenen Systemen?
[00:34:59] Ganz genau, das ist sehr komplex. Wenn zum Beispiel eine externe Kühlpumpe ausfällt, dann kann die manche elektrische Geräte nicht mehr kühlen. Und das könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass eine weitere Kühlpumpe ausfällt und so weiter und so fort. Und das kann irgendwann wirklich schlimm enden, dass man die Raumstation verlassen muss, wenn es ganz schlimm wird, wenn man da nicht die richtigen Entscheidungen trifft. Das macht auch natürlich wieder die Bodenkontrolle, die da die Ingenieure da hat, die das noch besser wissen. Aber als Commander muss man da schon wissen, was zu tun ist, vor allem auch, weil viele Notfälle passieren können, wenn man keine Kommunikation mit der Bodenkontrolle hat. Gerade die schlimmen, loss of altitude control, wenn die Raumstation zum Beispiel ihre Position verliert, also ihre Lage im Raum verliert, dann kann es sein, dass dadurch die Satellitenkommunikation ausfällt. Und man kann Stunden auf sich allein gestellt sein. Und dabei verliert man aber eben auch zum Beispiel die Ausrichtung der Solarpanele, das heißt Strom fällt aus und da muss man ganz genau wissen, was zu tun ist. Und da ist die Crew wirklich auf sich allein gestellt. Da gibt es keine Hilfe von der Bodenkontrolle. Und deswegen wird das auch mit trainiert. Und da ist man als Commander natürlich gefragt, dass man so ein bisschen den Überblick behält. Diese Entscheidung, jene Entscheidung. Wenn wir das tun, wie beeinflusst das das Gesamtvehikel? Kann es die Lage schlimmer machen oder nicht? Da muss man ab und zu mal so ein bisschen einen Schritt zurück gehen und überlegen, was jetzt gerade passiert, während zum Beispiel die Spezialisten aus der Crew dann die Prozeduren durchführen. Und das ist so ein bisschen da der Unterschied. Und noch mehr ist es natürlich der Fall, wenn jetzt ein Notfall ist, Feuer, Depress oder toxische Atmosphäre, da hat man auch erst mal oft keine Kommunikation mit der Bodenkontrolle. Und da trifft der Commander wirklich die Entscheidungen, die dann zum Teil wirklich lebenswichtig sind. Wenn man da eine falsche Entscheidung trifft und sich bei einem Leck auf der Station, wenn man die falsche Luke schließt und sich von seinem Rettungsvehikel abkapselt, kann das natürlich tödlich enden. Und das ist sehr komplex, also sowas passiert leichter, als man denkt, weil das ein absolut komplexes System aus verschiedenen Modulen ist. Man weiß natürlich erst mal nicht, wo das Leck ist. Das kann in ganz blöden Fällen in der Sojus sein oder im Modul direkt neben der Sojus, was ja unsere Rettungskapsel ist, die jederzeit startbereit an der Raumstation ist. Zwei davon, quasi. Und je nachdem, wo so ein Notfall auftritt, muss man da sehr komplexe Entscheidungen fällen.
[00:37:28] Nun gibt es ja den russischen Teil, den amerikanischen Teil und den europäischen Teil. Mir scheint, dass die… Also offensichtlich sind das verschiedene Systeme, mit verschiedenen Technologien gebaut, auch vielleicht mit unterschiedlichen Philosophien so ein bisschen. Auf der anderen Seite sind sie aber zusammengestöpselt, das heißt, sie haben zumindest mal Schnittstellen, die die ganzen zusammenspielen lassen. Wie viel der Komplexität, von der du sprichst, entsteht dadurch, dass es einfach drei verschiedene Welten sind? Oder ist das so weit integriert, dass der Aspekt eigentlich kein Problem mehr darstellt?
[00:38:01] Es geht eigentlich. Also ein paar Sachen sind dadurch schon komplexer, also zum Beispiel an den Bordspannungen ist 28 Volt auf dem russischen Teil, über 100 Volt auf dem amerikanischen Teil. Das ist aber eigentlich nicht jetzt ein Problem, das…
[00:38:19] Das betrifft Gerätehersteller halt.
[00:38:20] Ja. Letztendlich sehe ich das als einen Vorteil, dass diese Systeme so technisch unterschiedlich sind.
[00:38:27] Ah, Redundanz.
[00:38:28] Man hat Redundanz. Wenn man ein fundamentales Problem mit einem System hat, dann kann man immer noch auf das andere zugreifen. Es gab zum Beispiel einen Fall, an dem die komplette Flotte an amerikanischen Raumanzügen gegroundet war, die durften nicht verwendet werden, weil ein Batterieproblem festgestellt wurde. Bei einem Test auf der Erde kam raus: Die Batterien, die wir da oben im Weltraum haben, die können einen Kurzschluss haben in einem bestimmten Fall. Und die waren sofort alle gegroundet, das heißt, man hatte keine Kapazität mehr, Notfalloperationen durchzuführen auf der Außenhaut der Raumstation. Und dafür konnte man aber noch die russischen Raumanzüge verwenden. Die sind dafür nicht unbedingt komplett konzipiert. Also normalerweise verwendet man die amerikanischen Raumanzüge auf dem Außenteil des amerikanischen Segments und die russischen am russischen Segment, aber es geht natürlich. Man kann auch mit dem russischen Raumanzug auf dem amerikanischen Teil arbeiten. Und dafür hat man diese Redundanz. Und das finde ich eigentlich sehr interessant, dass das so gebaut worden ist. Das war nicht ein absichtliches Konzept, sondern die sind ja historisch gewachsen und dann einfach zusammengestöpselt worden, aber das sehe ich als Vorteil. Geht natürlich auch nur soundso weit, weil zum Beispiel die komplette Stromerzeugung auf dem amerikanischen Teil stattfindet. Und dieses gesamte Zusammenspiel zwischen Stromerzeugung mit den Solarpaneln, das Kühlsystem, elektrische System, die hängen alle komplett voneinander ab. Das ist an sich einfach sehr komplex, da kann man nichts machen und das ist eigentlich das komplexeste, was so das Überleben der Station angeht. Und das ist allein schon im amerikanischen System so. Da spielt dieser Unterschied zwischen den Systemen überhaupt keine Rolle.
[00:40:17] Das Ganze ist ja auch so aus Systems-Engineering-Perspektive ganz interessant, weil natürlich wird die Gesamtkomplexität des Systems dadurch höher und… also durch die verschiedenen Teilsysteme. Das will man ja eigentlich erst mal nicht, weil es natürlich eine größere Last auf den Operator, also auf euch letztendlich dann – also Verständnis, Debugging und so weiter – ablädt. Aber Raumfahrt, da ist quasi, dadurch dass man wenig Benutzer hat und dass man die eben auch gut ausbilden kann, kann man diesen Trade-off eben wieder eingehen und dadurch den Benefit bekommen, dass man die Redundanz bekommt, auch wenn das vielleicht nicht reindesignt war. Also das ist ganz interessant. Das könnte man bei kommerziellen, zum Beispiel Flugzeugen oder anderen Sachen, Systemen, könnte man das nie machen, weil das einfach in der Masse der Piloten nicht plausibel wäre, die Komplexität auf die abzuladen.
[00:41:02] Na gut, noch dazu muss man einfach auch sehen, dass so eine Raumstation in einem noch komplexeren Umfeld arbeiten muss. Also komplex im Hinblick auf Außentemperaturen, im Vakuum, Stromerzeugung. Man hat einen kleineren Safety-Margin eingebaut als jetzt in kommerziellen Systemen. Und das ist einfach eine komplexe Umgebung. Also Raumfahrt ist nicht einfach. Deswegen, man wird auch immer ein höheres Risiko haben in der Raumfahrt als jetzt in einem kommerziellen Flugzeug. Letztendlich ist es aber trotzdem etwas, was wir erforschen, wie wir das verbessern können, weil das ist etwas, was wir zum Beispiel auf dem Flug zum Mars noch besser kontrollieren können müssen. Im Moment ist es so, die Raumstation wird zum Großteil von Ingenieuren in der Bodenkontrolle überwacht. Und auch wenn da irgendein System nicht funktioniert, dann sehen die das sofort oder sehen die das zumindest sehr viel früher als die Crew oben oft und überlegen sich dann schon einen Plan, wie man das reparieren kann. Wenn man auf dem Weg zum Mars ist und 20 Minuten Zeitverzögerung hat zwischen den Signalwegen, dann geht das nicht mehr. Und dafür braucht man autonome Systeme, dafür braucht man Systeme, die selbst entscheiden können, ob sie kaputt sind oder nicht und die Crew mit einfachen Entscheidungen an die Reparatur rangehen kann. Und das ist etwas, das kann die ISS noch nicht. Aber wir lernen von ihr massiv, wie wir solche Systeme bauen in Zukunft, um weiter raus zu fliegen in den Weltraum.
[00:42:36] Also die ISS quasi als Labor auch für den Bau von Raumschiffen, wenn man so will.
[00:42:41] Ja, absolut. Also da gibt es auch sehr viele Experimente. Jetzt in meiner nächsten Mission werde ich wahrscheinlich ein neues Lebenserhaltungssystem testen, das die ESA gerade baut, das ACLS. Da freue ich mich schon sehr drauf. Das ist eben der nächste Schritt, den wir brauchen, um nachhaltig im Weltraum zu leben. Und interessanterweise eben auch: Wir entwickeln dabei Technologien, die wir brauchen, um auf der Erde nachhaltig mit Ressourcen umzugehen, was Wasser, Strom…
[00:43:06] Raumschiff Erde.
[00:43:07] Ja, tatsächlich. Und das macht natürlich Spaß, daran zu arbeiten und dann zu wissen, dass man so ein bisschen am Fundament arbeitet für zukünftige weitere Flüge in den Weltraum.
[00:43:17] Nur kurz als Überblick: Was ist an dem neuen System anders grundlegenderweise als an dem aktuellen?
[00:43:23] Es funktioniert viel integrierter, also man versucht, mehr Parameter mit einzubauen, die sich erneuern. Das heißt, dass man wirklich hingeht zu einem geschlossenen Kreislauf. Also auch das neue System wird das noch nicht komplett können, aber man arbeitet eben daran, Wasser, CO2, Sauerstoff, Temperatur, das alles im Prinzip nachhaltig zu behandeln, so dass man idealerweise irgendwann überhaupt keine Ressourcen mehr verschwendet und dadurch braucht man eben auch… Man kann zum Beispiel auf dem Flug zum Mars nur soundso viel Kilogramm Gepäck mitnehmen. Und man muss dann natürlich versuchen das zu minimieren und eben auch den Sauerstoff, den man mitnimmt, minimieren, Essen, Kohlenstoff auch minimieren. Und das ist was, was bisher wirklich noch Schwierigkeiten macht. Bisher gibt es nur ein System, das das wirklich kann und das ist unser Planet Erde, der hat das perfektioniert. Und wir versuchen das im Kleinen nachzubauen, was natürlich eben auch wichtig ist für unseren Umgang mit unserem Planeten Erde, dass wir den nicht irgendwann auslaugen, sondern lernen, wie wir nachhaltig hier operieren können.
[00:44:32] Da gab es ja auch diese Biosphere-Experimente mit diesen großen Glaskuppeln, da war ja auch das Ziel, die haben ja auch einige Monate mehr oder weniger autonom durchgehalten. Die genauen Daten habe ich jetzt nicht im Kopf.
[00:44:40] Ja, genau und die meisten davon sind gescheitert, eben weil es zu komplex ist, weil es ein sehr sehr sehr komplexes System ist, das leicht kippt, sehr instabil und…
[00:44:49] Chaotisch eben. Das ist genau der Begriff.
[00:44:50] Das kann man sich natürlich nicht leisten, wenn man zum Mars fliegt.
[00:44:54] Nochmal eine Frage zu der Integration der Systeme: Man sieht, wenn man so Videos anguckt von Arbeiten auf der ISS eigentlich ganz typischerweise diese IBM-Laptops oder Lenovo oder ist ja auch egal, wo eben die wahrscheinlich zum Systemmanagement verwendet werden, also quasi als Interface von euch mit der Station. Sind die integriert oder hat da jeder Teil seinen eigenen Rechner und wenn man die Temperatur in der Station verstellen will, muss ich an jeden Rechner und da jeweils eine andere Temperatur einstellen?
[00:45:24] Nein, das Kontrollsystem der Raumstation ist eigentlich erst mal komplett unabhängig von diesen Rechnern. Also man verlässt sich jetzt nicht auf einen herkömmlichen Off-the-shelf-Laptop…
[00:45:33] Nein, das sind UIs dafür eigentlich. Das ist schon klar.
[00:45:34] Genau, das ist das Interface dazu. Man hat ein relativ komplexes System aus Rechnern, ich glaube, das sind so um die 50 +/-, die die Station kontrollieren. Unterschiedliche Rechner sind verantwortlich für die Lage im Raum, die Steuerung und so und eben unter anderem auch für die Temperatur. Dann gibt es die sogenannten PCS-Laptops, ich weiß gerade gar nicht, wofür das Akronym steht, mit denen bindet man sich genau in dieses Kontrollsystem der Raumstation ein. Das ist so ungefähr die Hälfte der Laptops, die man auf den Videos sieht. Die haben ein Interface direkt zu diesem Kontrollsystem der Raumstation. Da kann ich die Temperatur steuern. Wenn ich wollte, könnte ich aber auch die Lage im Raum verändern oder ich könnte einen Re-Boost machen, also man hat da wirklich Zugriff auf elementare, kritische Systeme der Raumstation.
[00:46:27] Aber das betrifft eben die gesamte Station und nicht nur den amerikanischen oder russischen Teil?
[00:46:31] Ja, das betrifft die gesamte Station. Natürlich gibt es nochmal ein bisschen einen Unterschied. Die Russen haben noch einen eigenen Systemlaptop oder mehrere davon, die noch tiefer in das russische System eingreifen können, aber im Prinzip steuert man damit die komplette Station. Die andere Hälfte der Laptops, die man da sieht, das sind sogenannte SSCs. Ich glaube, das heißt Space Station Computer. Das ist ein komplett getrenntes Netzwerk, das überhaupt nicht in das kritische Netzwerk eingreift oder eingreifen kann. Da laufen dann Applikationen wie der Stundenplan, Procedure Viewers, wo man sich die Prozeduren anschauen kann, wo man zum Beispiel aber auch kommunizieren kann über Videotelefonie mit der Erde, wo man ein IP-Telefon hat, also wo man wirklich tatsächlich jedes Telefon auf der Erde anrufen kann. Das ist mit Absicht komplett getrennt von dem kritischen System, dass es da eben keine Sicherheitsfragen gibt. Und dann hat dazu noch jeder Astronaut nochmal einen privaten Computer im Prinzip, der einen PC auf der Erde einfach mit einem Remote Desktop widerspiegelt. Das heißt, man kann im Prinzip durch den sogar im Internet surfen, aber das ist ein relativ langsames System, einfach weil es ein Remote Desktop ist und man hat gesagt, man macht das auf diese Art und Weise, damit man eben nicht jetzt ein Sicherheitsleck einführt dadurch, dass man direkt mit dem Internet kommuniziert, sondern man steuert im Prinzip wirklich nur tatsächlich einen realen PC auf dem Boden und der Bildschirm wird dann angezeigt da oben. Und so ist das kein Sicherheitsproblem.
[00:48:10] Und die Bandbreite Erde-Station für solche Nicht-Mission-critical-Dinge ist eben begrenzt und daher die…
[00:48:16] Genau, die ist erstens begrenzt und zweitens auch nicht immer da, weil man ja immer wieder ein Handover hat zwischen den Satelliten, die die Kommunikation machen. Und das heißt, man hat zwischendurch auch immer wieder 20 Minuten oder 30 Minuten mal, wo man LOS hat, loss of signal heißt das, das heißt, man hat überhaupt keine Verbindung zur Bodenkontrolle. Und das ist auch so, wenn da was passiert in der Zeit, hat die Bodenkontrolle nicht die geringste Ahnung, dass irgendwie etwas schief geht auf der Raumstation.
[00:48:44] Das heißt, die Kunst ist, dafür zu sorgen, dass seine eigenen Pausenzeiten zu Zeitpunkten sind, wo man per Remote Desktop ins Internet kann.
[00:48:53] Nein, ehrlich gesagt hat mich das dann relativ schnell frustriert. Ich habe das am Anfang ab und zu mal probiert und dann habe ich gemerkt, dass ich das erstens gar nicht brauche und zweitens, ja, das war so ein bisschen frustrierend, weil es natürlich sehr viel langsamer ist. Und… Ja, ich hab das Ding die meiste Zeit komplett aus gehabt.
[00:49:13] Und stattdessen aus dem Fenster geguckt und den Planet angeschaut?
[00:49:15] Genau, Fotos gemacht.
[00:49:16] Wenn man schonmal die Gelegenheit hat.
[00:49:18] Genau, ich denke auch, es gibt Zeiten, wo man besseres zu tun hat als im Internet zu surfen. Und die Zeit ist natürlich sowieso begrenzt auf der Raumstation, also man hat nur wenig Freizeit. Man hat vielleicht so eine Stunde am Tag, die man für sich hat und da war es mir tatsächlich sehr viel wichtiger entweder aus dem Fenster zu schauen oder mit meiner Familie zu telefonieren oder beides gleichzeitig.
[00:49:39] Also eine Stunde Freizeit, acht Stunden schlafen.
[00:49:43] Genau.
[00:49:44] Zwölf Stunden arbeiten.
[00:49:45] Ja, und dann gibt es natürlich… Viel Zeit geht drauf für so tägliche Dinge wie Essen, morgens die Zähne putzen, sich rasieren, sich waschen.
[00:49:55] Das dauert alles etwas länger.
[00:49:56] Ja. Sport gehört zum Glück zur Arbeitszeit oder wie auch immer. Man muss es so oder so machen, man hat zweieinhalb Stunden Sport am Tag. Und letztendlich ist die Zeit dann ruck zuck weg, also so ein Tag ist schnell rum.
[00:50:10] Ich habe mir übrigens vorgenommen nicht nach der Space-Toilette zu fragen. Ich frage also nicht nach der Space-Toilette.
[00:50:14] Also gut, wir reden nicht über die Space-Toilette.
[00:50:15] Wir reden nicht über… Genau, das ist inzwischen zu Tode diskutiert. Lass uns mal kurz ein bisschen über deine letzte Mission reden und über das Leben auf der Station selber. Du hast schon gesagt, eine Stunde Freizeit pro Tag. Das heißt, das ist schon nicht nur Spaß, also natürlich macht das Spaß da oben zu sein, aber es ist schon erst mal prinzipiell ein durchgeplanter Arbeitstag.
[00:50:42] Ja, das ist harte Arbeit. Und auch Montag fühlen sich im Weltraum nicht so toll an wie Freitage.
[00:50:48] Wieso, Wochenende wird doch ganz normal durchgearbeitet?
[00:50:51] Nein, man hat tatsächlich den Sonntag frei.
[00:50:53] Aha, okay.
[00:50:54] Ja, also frei heißt natürlich, man muss trotzdem zum Beispiel Sport machen oder… Ja, so alltägliche Dinge muss man trotzdem erledigen.
[00:51:03] Ja, Stationsmanagement geht ja weiter, also das muss ja weiter funktionieren.
[00:51:06] Genau, und wenn irgendwie etwas repariert werden muss, dann ist es auch am Sonntag so. Aber es ist trotzdem ein Tag, wo man mal entspannen kann. Und das ist auch wichtig, weil gerade dadurch, dass man so einen hart durchgetakteten Tag hat unter der Woche… Um nachhaltig zu operieren, braucht man auch mal einen Tag frei. Das war beim Spaceshuttle anders. Die haben Missionen gehabt, die gingen nur zehn Tage. Da konnte man wirklich in dreimal Acht-Stunden-Schichten durcharbeiten und alle waren dann am Schluss kaputt, aber die Aufgaben waren erledigt. Wenn man ein halbes Jahr so arbeiten möchte, das funktioniert nicht. Da wäre man irgendwann kaputt. Das heißt, man muss nachhaltig operieren. Und deswegen gibt es eben auf der Raumstation keine Nachtschicht oder so, sondern alle arbeiten zur gleichen Zeit, alle schlafen zur gleichen Zeit. Man versucht im Prinzip, so einen Erdarbeitstag nachzustellen. Und dazu gehört auch, dass man am Wochenende ein bisschen Zeit hat. Samstags ist Putztag, das heißt man hat einen halben Tag, um die Raumstation…
[00:52:07] Ach, alles wie bei der Kehrwoche.
[00:52:08] Ja, genau. Wir haben leider kein Schild. Vielleicht sollte ich nächstes Mal eins mitnehmen. Aber es ist wirklich so, dass es sich sehr ähnlich anfühlt wie jetzt so eine Arbeitswoche auf der Erde auch.
[00:52:22] Das heißt, es gibt auch dann – weil du gerade sagtest, alle arbeiten und schlafen zur gleichen Zeit – es gibt dann auch keinen, der sozusagen Wache hält und die Systeme monitort 24 Stunden am Tag?
[00:52:35] Korrekt. Dafür haben wir die Bodenkontrolle, die haben auch drei Schichten und die Nachtschicht ist so ein bisschen weniger besetzt, aber die haben natürlich ein Auge da drauf. Und die Station warnt sich ja selbst oder warnt uns. Also sobald ein kritisches System ausfällt, wird ein Warnton abgespielt und da wird auch sichergestellt, dass man das nachts hört, zum Beispiel der Commander hat einen Lautsprecher direkt in seiner Kabine. Also wenn da irgendwas ist, der wacht mit Sicherheit auf und kann die anderen wecken. Aber es stimmt natürlich schon, es ist ein bisschen höheres Risiko. Also wenn man morgens um vier aufwacht, weil der Ammoniak-Alarm dröhnt, dann weiß man genau, man hat jetzt vielleicht eine Minute, um das Richtige zu tun, um zu überleben. Und man muss da wirklich auch in dieser Zeit direkt nach dem Aufwachen ganz genau wissen, was zu tun ist.
[00:53:25] Man schläft aber trotzdem gut und hat nicht immer den Hintergedanken: „Ups, wenn es jetzt klingelt, dann Panik.“ Also Panik sowieso nicht, aber…
[00:53:33] Nein, das passt schon. Also man denkt ja jetzt nicht irgendwie die ganze Zeit daran. Man braucht den Respekt dafür, dass man immer weiß, was zu tun ist. Aber letztendlich ist es ja auch hier auf der Erde so. Ich muss auch wissen, was zu tun ist, wenn es bei mir im Haus brennt, so in der Art. Und wo der Feuerlöscher ist, ist auch gut zu wissen. Aber das heißt trotzdem nicht, dass ich mir deswegen die ganze Zeit sorgen mache.
[00:53:53] Klar, das stimmt schon. Wird das trainiert? Also dass natürlich das Bekämpfen eines Ammoniak-Leaks trainiert wird, ist schon klar, aber dass man eben tatsächlich sagt: „Jetzt schlaf mal und wir wecken dich und dann musst du tatsächlich…“
[00:54:02] Ja, so weit geht es nicht.
[00:54:03] So weit geht es nicht?
[00:54:04] Das muss man sich schon selbst überlegen. Wäre vielleicht aber gar keine schlechte Idee mal.
[00:54:10] Naja, ich… Also wie gesagt, bei… Also seinerzeit, kalter Krieg, da war es ja teilweise eben so, dass die Crews ja auch diese Alarmdinger da hatten und halt innerhalb von zwei Minuten ihren Abfangjäger starten mussten. Und die hatten halt regelmäßig Übungen und das war eben auch während die geschlafen haben.
[00:54:27] Nein, also so unangekündigte Drills und Übungen gibt es nicht auf der Raumstation. Das macht man nicht. Ich denke, das ist zu gefährlich, zu kritisch, wenn… Diese Notfallübung, also diese Handlungen, die man da durchführen muss, die haben tatsächlich das Potenzial etwas zu beschädigen. Also das ist kein Spaß, also das ist auch nicht so ganz einfach oder nicht so ganz ohne, das als Übung durchzuführen. Wir haben Übungen regelmäßig an Bord, wo wir mit der gesamten Crew Notfälle durchspielen, wo wir dann auch wirklich Luken zumachen zum Teil und so, aber das… Man ist da schon vorsichtig. Also wenn man zum Beispiel allein schon den Alarmknopf drückt für einen der Notfälle, Feuer, Depress oder toxic atmosphere, reagiert die Station schon damit, dass sich alles Mögliche umkonfiguriert. Da werden Ventile geschlossen, die Systeme gehen in Notfallsysteme über. Das beschäftigt die Bodenkontrolle einen kompletten Tag, das wieder hinzurichten, dass das alles wieder funktioniert. So fundamental sind diese Notfälle, also die Eingriffe, die man da in das System macht, dass man das nicht aus Spaß durchführt.
[00:55:40] Ein Glück, dass das damals im kalten Krieg nicht so war. Da sind sie ja nur mit weiter unkritischen Atombomben rumgeflogen, also da gab es nicht viel kaputt zu machen. Ich weiß immer nicht so richtig, wie ich das fragen soll. Und ich weiß auch nicht so genau, was man da antwortet, aber das ist ja dann dein Problem. Wie… also kann man das überhaupt kommunizieren, wenn man den Planet von oben sieht? Und ich meine, man hört immer so: „Ja, man sieht keine Grenzen und der Planet und so“ und man hat ein Bewusstsein für den gesamten Planeten. Das sagt ja im Prinzip jeder Astronaut, wenn man ihn anpiekst nachts. Was war das… Was hat das mit dir gemacht, da oben zu leben? Wie gesagt, ich weiß nicht, wie ich die Frage stelle, aber ich glaube, du weißt, auf was ich hinaus will.
[00:56:28] Ja, ich kann es nur sagen, das ist nicht dahergesagt. Die Tatsache, dass das jeder Astronaut sagt, das zeigt schon, dass da was dran ist. Also ich war nicht so ganz darauf vorbereitet das zu sehen. Das hat schon was mit mir gemacht und ich war vielleicht noch am besten vorbereitet von vielen, weil ich bin Geophysiker. Ich wusste genau…
[00:56:54] Rund?
[00:56:55] Ja, rund, aber auch wie die Atmosphäre… Dass die so dünn ist und dass die blau aussieht, das haben auch viele vor mir gesagt. Und ich wusste, dass das so sein würde. Aber das Gefühl, wenn man es selbst sieht, das haut einen dennoch um. Also das sieht man auch auf dem Video vom Start. Wir hatten so eine kleine Kamera in der Kapsel an. Und ich habe mir das im Nachhinein angeschaut und ich habe selbst gelacht über mich, als ich zum ersten Mal den blauen Erdschein gesehen habe im Fenster. Man sieht den nicht direkt, weil man mit dem Kopf ja unterhalb des Fensters ist und die Kapsel ist so geneigt, dass man es nicht sehen kann. Man sieht aber so einen blauen Erdschein. Da ist die Rakete noch an, also man ist ja innerhalb von drei Minuten und zehn Sekunden über 100 Kilometer, das heißt, man ist da schon per Definition im Weltraum. Die Rakete ist aber an, ja, acht Minuten. Und da sieht man schon plötzlich, dass man von der Nacht in den Tag rein fliegt und dann plötzlich so ein blauer Erdschein im Fenster auftaucht. Und das, ich habe mich selbst da hin schauen sehen im Video dann und ich habe das meinen Kollegen gesagt und so beschrieben und ich hatte so ein Grinsen im Gesicht. Selbst das hat mich schon umgehauen. Und als ich es dann zum ersten Mal gesehen habe… Ja, es ist unbeschreiblich, wenn man das mit beiden Augen sieht. Dieses leuchtende Blau, das ist sehr viel intensiver, als man es auf jedem Foto irgendwie sehen kann. Und die Bewegung, die da drin ist, weil man ja mit dem Raumschiff da rumfliegt und dann so Dreidimensionalität sieht, also man sieht Wolken in dieser Atmosphäre, die sich dann relativ zueinander verschieben, also das ist ein wahnsinniges Bild. Und darauf war ich nicht vorbereitet. Und vor allem, wie hauchdünn diese Atmosphäre aussieht dadurch, das war was, was mich sofort umgehauen hat. Und dann gibt es aber auch, wenn man da eine Weile oben ist… Also es ist jetzt nicht so, dass man jedes Mal eine Träne im Auge hat, wenn man da rausschaut. Manchmal schon bei einem krassen Sonnenauf- oder -untergang. Aber die meiste Zeit ist das natürlich Routine, das heißt, man arbeitete irgendwas, fliegt am Fenster vorbei und denkt dann: „Ups, da ist ja die Erde.“ Oder man schaut raus und man registriert es gar nicht mehr so richtig. Ich habe mich schonmal dabei ab und zu erwischt, dass ich plötzlich so gesehen habe: „Ah, das ist ja Köln unter mir.“ Und, aber jetzt muss ich weiterarbeiten, weil ich bin gerade in der Mitte von einer komplexen Prozedur. Da schiebt man das auch beiseite und ignoriert es. Aber dann, wenn man dann eben am Sonntagabend doch mal wieder ein bisschen Zeit hat oder vielleicht dann sogar mit Leuten telefoniert auf der Erde, das hat mich immer wieder umgehauen, und dann deren Reaktion hört oder sieht, wenn man zum Beispiel per Videotelefonie einfach mal den Laptop umdreht und dann so ein Bild zeigt von der Laptopkamera aus dem Fenster raus und man merkt, wie das die Leute umhaut. Das hat mir auch wieder geholfen zu sehen, wie grandios das eigentlich ist, was ich da gerade sehe, auch obwohl ich es schon seit vier Monaten gesehen habe und daran gewöhnt war. Dieses Gefühl hat sich von meinen Freunden auf der Erde auf mich wieder übertragen und das hat mich wirklich immer wieder umgehauen.
[00:59:48] Wird das dann bei einem EVA nochmal krasser? Oder ist man da so im Adrenalinrausch, dass das dann irgendwie untergeht?
[00:59:58] Rein de facto wird es krasser. Also die Farben sieht man intensiver. Durch dieses Visier, das ist ja nur drei, vier Millimeter dick, ist man noch näher dran. Man hat so diesen Rundumblick.
[01:00:10] Und wahrscheinlich auch freier, man hat weniger Station um sich herum.
[01:00:13] Ja, gut, man ist es schon gewöhnt zu schweben zu dem Zeitpunkt. Und man hat die Cupola, was ja so ein 180-Grad-Fenster ist, das heißt, früher war das wahrscheinlich krasser, wenn man aus dem Spaceshuttle raus ging und dann dieses Gefühl dieses 180-Grad-Views hatte. Ich glaube, das war umwerfender. Wir auf der Raumstation waren es schon gewohnt vier Monate lang zu schweben und aus der Cupola zu schauen. Das heißt, das war nicht jetzt so grandios neu, aber wie du es auch schon gesagt hast, man hat eben diese Prozedur im Hinterkopf. Das ist weniger Adrenalin in dem Fall, sondern mehr so Druck zu wissen: „Okay, jetzt muss ich gut arbeiten, jetzt darf ich keine Fehler machen, jetzt müssen wir die…“ Man hat ja so diese 500-stufige Prozedur so ein bisschen im Kopf und jetzt muss es durchgearbeitet werden. Das bestimmt so ein bisschen die Stimmung und deswegen fand ich es jetzt nicht so umhauend, umwerfend am Anfang. Ich wusste nicht vorher, als ich zum ersten Mal raus bin, ich habe Vieles gehört, viele Reaktionen von meinen Kollegen, die unterschiedlich waren, die gesagt haben: „Das ist alles wie beim Training.“ bis hin zu „Boah, dich haut das um, du kannst nicht mehr loslassen.“ Dafür gibt es dann zum Beispiel fünf Minuten Adaptionszeit am Anfang bei unserem ersten Ausstieg.
[01:01:26] Doch so viel.
[01:01:28] Und ich bin dann dort raus und ich habe gemerkt so: „Okay, ich probier das jetzt einfach mal, ich lass jetzt einfach mal los, schaue, dass meine Sicherheitsleinen eingehängt sind, ungefähr 17 Mal. Und hab dann einfach losgelassen und wusste: „Okay, jetzt schwebe ich frei im Weltraum bis auf eine lose, durchhängende Sicherheitsleine, zwei davon. Aber ansonsten hält mich nichts. Ich bin quasi ein eigener kleiner Satellit. Ich habe wirklich eine eigene Umlaufbahn um das Zentrum dieses Planeten jetzt im Moment.“
[01:01:54] Genau genommen hast du die ja auch, wenn du in der Station bist.
[01:01:56] Ja, stimmt, aber man stößt sich öfter ab. Klar. Und das fand ich interessant, aber ich fand es erfrischend entspannt. Also ich habe gemerkt, das ist eigentlich überhaupt kein Problem so. Ich hab mich dann wieder zurückgehangelt an meiner Sicherheitsleine und hab dann angefangen zu arbeiten. Ich hatte das Glück dann, dass ich später in der EVA auf dem Roboterarm stationiert war und da musste ich eine Kühlpumpe von einer Seite der Station auf die andere tragen. Also das Ding hat so viel gewogen wie ein Kleinwagen und ich hab das aber in der Hand gehalten und der Roboterarm wurde drinnen von meinem Kollegen Butch Wilmore gesteuert und hat mich auf die andere Seite der Station transportiert. Und das hat so um die 20 Minuten gedauert. Und da hatte ich jede Menge Zeit einfach mich mal umzuschauen. Das heißt, ich hab mir die Raumstation von unten angeschaut, weil der Roboterarm unten herum geschwungen ist quasi. Ich hab die Erde ein paar Mal gesehen bei Tag, bei Nacht. Ich hab ein paar Fotos gemacht. Ich hab manchmal auch… Das Ding kann man auch mal kurz loslassen, um zu winken fürs Foto. Das ist ganz witzig, da schwebt so ein 500 Kilogramm schweres Kühlpumpenteil vor einem. Das fand ich schon toll, dass ich da so ein bisschen Zeit hatte. Aber dann, sobald man dann an seinem Zielort angekommen ist, dann geht es mit der Arbeit weiter. Und dann vergisst man das auch, da schaut man oft auch nicht runter.
[01:03:17] Dafür braucht man dann das Fitnesstraining, oder? Dass man die 500 Kilo heben kann.
[01:03:21] Nicht für die 500 Kilo, die sind easy.
[01:03:23] Das ist mir schon klar.
[01:03:25] Der Raumanzug selbst ist das, was so anstrengend ist, weil der ist ja mit 4 psi Druck gefüllt, also einem Drittel von der Atmosphäre ungefähr, ein bisschen weniger. Und das heißt, man muss gegen diesen Druck anarbeiten die ganze Zeit. Das heißt, jede Handbewegung, die man macht, fühlt sich so an, als ob man im Inneren von so einem LKW-Reifen eingesperrt ist und den von innen bewegen muss. Und das ist auf Dauer sehr anstrengend.
[01:03:51] Also da macht man eben auch tatsächlich Krafttraining dafür vorher?
[01:03:53] Ja, genau. Also wir machen ein spezielles Oberkörper-Krafttraining, weil es die Arme hauptsächlich sind, die am meisten belastet werden dadurch. Unterarme, Oberarme, das ist etwas, was man immer fit halten muss als Astronaut.
[01:04:05] Also nicht nur aus dieser Muskelschwund-im-Weltraum-Problematik, wo man ja seine zwei Stunden Sport pro Tag braucht, sondern eben spezifisch auch für die EVAs.
[01:04:15] Auch dafür, genau. Beides ist wichtig.
[01:04:17] Andreas hat vorhin erwähnt, dass du tatsächlich mit mehr Muskelmasse zurück gekommen bist. Das heißt, du hast sehr viel Sport gemacht.
[01:04:24] Ja, ich hab so viel Sport gemacht, wie es geplant war, aber ich hab schon auch drauf schaut, dass ich die loads, also die Belastungen mit Gewichten – gut, das ist so ein Seilzugsystem, also die Belastung mit Gewicht – dass ich die auch hoch halte. Und ich war tatsächlich einer der Ersten, die mit mehr Muskelmasse zurück kamen. Ich habe drei Kilo Muskelmasse dazugewonnen im Orbit. Das zeigt, dass die Geräte, die wir da seit Kurzem oben haben, inzwischen wirklich so perfektioniert sind dafür, dass man sich da wirklich auch fit halten kann. Also wir haben so ein Seilzugsystem, das heißt das ARED-System: Advanced Resistive Exercise Device. Mit dem kann man alle möglichen Übungen machen, die man hier in der Gym machen kann, also von Squads bis zu Benchpress, Oberkörper und Beine. Auf dem ist man jeden Tag anderthalb Stunden. Und das hält einen soweit fit, also ich hab fast keine Knochenmasse verloren und eben Muskelmasse aufbauen können.
[01:05:29] Stimmt, das sind ja zwei getrennte Paar Stiefel.
[01:05:31] Ja. Gut, kann man beides mit viel Übung, mit viel Sport ein bisschen kompensieren.
[01:05:36] Aber es sind zwei Parameter eben.
[01:05:37] Ja, genau. Und das ist natürlich eine gute Nachricht. Und auch meine Kollegen, die jetzt geflogen sind, denen ging das ähnlich. Also ich war dann nicht der Einzige, sondern das zeigt eher, dass jetzt die neue Generation von Trainingsgeräten da oben so weit ist, dass man das mehr in den Griff kriegen kann. Und das war ja eins der fundamentalen Probleme, die man hatte, wo man gesagt hat: „Wenn man zum Mars fliegt für anderthalb Jahre, die Leute können hinterher nicht mehr gehen, wenn die nicht wirklich da trainieren.“ Und das zeigt, dass wir das Problem jetzt mehr und mehr im Griff haben.
[01:06:10] Das heißt, die Geräte, die Sportgeräte wurden eben auch über die Zeit ausgetauscht auf der ISS?
[01:06:15] Genau, da gab es Generation um Generation. Am Anfang hat man angefangen mit ein paar Expandern mit so ein paar Gummizügen. Dann hat man die ersten Laufbänder eingeführt. Dann hat man gemerkt: Okay, man braucht was, um wirklich Muskeln zu belasten. Also nicht jetzt beim Laufen nur, sondern wirklich auch so richtige Kraftübungen. Und da gab es dann mehrere Geräte, die nach und nach komplexer geworden sind und auch angepasster den Anforderungen. Und jetzt ist es wirklich so weit, dass man eins hat, wo man sieht und kann die meisten Muskelgruppen trainieren. Es gibt immer noch ein paar, ich hatte so ein paar Körperkernmuskeln, die ein bisschen schwächer geworden sind. Das hat sich dann darin geäußert, dass ich die ersten zwei Wochen nach meiner Rückkehr einen ordentlichen Muskelkater der Bauchmuskulatur, Rumpfmuskulatur hatte. Aber das sind kleine Muskeln, die kann man relativ schnell wieder auftrainieren. Wichtig ist, dass man bei den großen Muskelgruppen nicht viel verliert, weil das wird einen wirklich länger beschäftigen, wenn man wieder zurück ist.
[01:07:13] Gut, dann lass uns mal ein bisschen über Wissenschaft reden. Bei deiner ersten Mission… Wie nennt sich das dann? Mission Specialist hieß es, glaube ich, bei der NASA, wenn man quasi nicht fliegend Pilotenastronaut war, sondern eben Payload oder Mission Specialist war.
[01:07:30] Genau, das gibt es aber nicht mehr. Das war eine Position, die man hatte für Wissenschaftler, die hauptsächlich Wissenschaftler waren und auch geblieben sind, die aber dann für eine Mission, für eine Payload mitgeflogen sind. Das waren damals Mission Specialists.
[01:07:45] Okay, wie nannte sich dann deine Rolle in der alten, also 40/41er Mission?
[01:07:51] Man ist Flight Engineer auf der Raumstation. Also es gibt Commander und Flight Engineer.
[01:07:56] Okay, deshalb eben auch, wie wir vorhin besprochen haben, damals schon die Ausbildung an vielen der Systeme der Station. Aber dein Schwerpunkt war ja schon die Arbeit mit Experimenten, vermutlich dann vor allem in Columbus?
[01:08:08] Ja, aber das ist für alle im Prinzip gleich. Das Missverständnis kommt vielleicht von der Zeit vom Spaceshuttle. Damals sind Astronauten für unterschiedliche Jobs ausgebildet worden. Da gab es den Piloten, den Commander, dann gab es den, der die Außenausstiege durchführte, dann gab es einen, der sich mit Wissenschaft und den Experimenten auseinandergesetzt hat. Und jeder hatte so seinen Job. Das geht, wenn man eine kurze, zweiwöchige Mission plant. Wenn man aber ein halbes Jahr da oben ist, dann weiß man nicht, was auf einen zukommt. Das heißt, jeder muss im Prinzip alles können. Deswegen dauert die Ausbildung für so einen Flug zur Raumstation auch mehr als doppelt so lang als damals fürs Spaceshuttle. Und das heißt, wir müssen sowohl die Raumstation reparieren können als auch Experimente durchführen können als auch Außenausstiege und so weiter. Und das gibt natürlich der Bodenkontrolle Flexibilität in der Planung. Das heißt, es ist jetzt nicht so, dass einer in der Crew mehr Experimente macht als der andere, sondern das wechselt im Prinzip durch. Ich war schon der Spezialist für das Columbus-Labor. Das war aber eben so, weil es die Einteilung gab der Astronauten, dass verschiedene Astronauten für verschiedene Systeme Spezialisten waren und ich war eben der Spezialist für das Columbus-Labor, das heißt, ich hab viele der Aufgaben dort durchgeführt. Aber Experimente der ESA finden auch im Columbus-Labor statt. Auch die NASA macht sogar Experimente im Columbus-Labor, auch wenn kein europäischer Astronaut fliegt. Also das heißt, da gibt es immer einen Spezialisten. Das ist natürlich dann, wenn ein europäischer Astronaut fliegt, dann meistens der oder die, aber das ist nicht jetzt zwingend so.
[01:09:46] Gut, nichtsdestotrotz, ein guter Teil deiner Tätigkeit war eben die Betreuung von Experimenten. Wollen wir da über ein paar reden? Welche sind dir da besonders im Kopf geblieben?
[01:09:58] Ach, da gibt es viele. Wir haben ja, je nachdem wie man zählt, über 100, 160 Experimente gemacht. Das heißt, da welche rauszupicken ist natürlich so ein bisschen unfair. Aber mir haben natürlich als Wissenschaftler gerade die Experimente am meisten Spaß gemacht, wo ich so ein bisschen auch meine eigene Intuition reinbringen konnte.
[01:10:19] Also wo du nicht nur Device Operator warst, sondern auch ein Gefühl für die Wissenschaft dahinter hattest?
[01:10:24] Genau. Ja, vielleicht muss man das nochmal grundsätzlich erklären. Also die Versuche da oben, die wir da machen, da sind nicht alle so, dass man da wirklich als Astronaut da wirklich mit den Händen ran muss und mit den Wissenschaftlern am Boden zusammen Sachen ausklügeln muss und „Wie reagiert das System jetzt?“ Das gibt es manchmal und das sind auch die, die am meisten Spaß machen, aber manche davon, das sind tatsächlich Dinge, die wir nur einschalten müssen und wieder ausschalten und wenn etwas kaputt ist, dann natürlich auch reparieren. Diese jenigen, die man nur ein- und ausschalten können muss, da kann man natürlich sagen: „Ja, die können wir doch auch auf einem Satellit fliegen.“ Das würde vielleicht auch gehen, nur ist das sehr viel komplexer, weil wenn etwas kaputt geht auf einem Satellit, kann man es nicht reparieren. Da muss man sagen, dann schickt man halt noch einen Satellit.
[01:11:09] „Bruce Willis“ ist da, glaube ich, immer die Antwort.
[01:11:11] Ja, genau. Aber auf der Raumstation profitiert man davon, dass man ganz viele von diesen autonomen Experimenten fliegen kann und man die Crew da hat, die reparieren kann, wenn etwas schief geht. Das heißt, es ist sehr viel einfacher sowas auf der Raumstation zu machen als auf einem autonomen Satellit. Und dann gibt es noch dazu die Experimente, wo man wirklich eingreifen muss, wo man auch so ein bisschen Intuition spielen lassen muss. Wir hatten zum Beispiel eins, das heißt Drug Metabolism. Das war ein Experiment, da ging es darum, wie sich Krebszellen verhalten. Das ist im Prinzip eine Immunforschung, Krebsforschung für die Erde. Also man versucht da krebskranken Patienten auf der Erde zu helfen und natürlich die Krankheit selbst erst mal zu verstehen. Und da musste ich ein Lösungsmittel in eine Experiment-Zelle einspritzen und dann schauen, wie das reagiert. Und da sind ein paar Sachen aufgetreten, die vorher nicht erwartet waren von der Bodenkontrolle. Also zum Beispiel, das Lösungsmittel hat sich nicht so gut vermischt mit dem Trägermittel da drin. Und letztendlich, wenn ich es so durchgeführt hätte, wie es trainiert war, wie die Bodenkontrolle das erwartet hatte, dann wäre das Experiment gescheitert. Aber in dem Fall kann man natürlich, wenn man Wissenschaftler ist, so ein bisschen seine Intuition auch spielen lassen und dann mit der Bodenkontrolle, mit den Wissenschaftlern besprechen: „Ja, wir sehen hier so ein bisschen eine andere Reaktion. Was können wir da machen?“ Letztendlich haben wir vorgeschlagen, wir spritzen so ein bisschen mehr Lösungsmittel rein und dann vermischt sich das besser. Und das haben wir dann auch gemacht und ich hab im Nachhinein dann gehört tatsächlich von dem Wissenschaftler, der für dieses Experiment zuständig war, dass das das Experiment gerettet hat. Und das macht natürlich dann Spaß, wenn man merkt, man ist nicht nur ausführender Roboter, sondern man kann seine Intuition da mit reinbringen. Und da gab es einige Experimente, die wir da so auch ein bisschen kreativ präparieren mussten und die wir aber auch weiter bringen konnten dadurch, dass wir als Menschen im Weltraum sind. Und das ist natürlich dann besonders zufriedenstellend. Viele davon sind natürlich auch humanphysiologische Experimente, das heißt, wo wir an uns selbst erforschen. Osteoporose zum Beispiel. Osteoporose ist ja Knochenschwund, eine Krankheit, die ganz viele Leute auf der Erde betrifft und die wir im Weltraum besonders gut erforschen können, weil das im Prinzip sowas ist wie eine beschleunigte Osteoporose, die wir da oben haben. Man kann zum Beispiel sehen, wie die Knochenstruktur reagiert, wie die Muskelstruktur auch reagiert. Und dadurch eignet sich das sehr gut, um das zu erforschen. Und da ist man selbst Versuchskaninchen und das macht natürlich auch irgendwie Spaß, also zu wissen: „Okay, ich trage jetzt dazu bei, dass es für die Menschen auf der Erde dann hinterher vielleicht besser geht.“
[01:13:56] Wobei diese Sich-selbst-Verkabelung mit diversen Sensoren ja auch nicht unbedingt immer, also auch historisch bei Astronauten, nicht immer nur auf Gegenliebe gestoßen ist. Also jetzt nicht nur zwecks Experimenten, sondern auch einfach Monitoring vom medizinischen Personal. Also will sagen: Je nach Experiment kann das auch mehr oder weniger angenehm sein dann an sich selber.
[01:14:19] Ja ja, das ist schon oft sehr unangenehm. Also dass es da manchmal an Gegenliebe mangelt, das kann ich sehr gut verstehen. Also man wird da schon auch gepiesackt. Da gibt es, das geht bis hin zu Muskelbiopsien, wo einem ein Stück Muskel rausgerissen wird und so. Das macht…
[01:14:32] Aber dann nach der Landung?
[01:14:33] Nein, vorher und nachher. Das macht eigentlich in den wenigsten Fällen Spaß, aber wir machen es trotzdem, einfach weil wir wissen: „Okay, das ist wichtig und wenn wir es nicht machen, wer dann?“ Also diese Experimente könnten sonst nicht stattfinden.
[01:14:46] Was war der…Also dass die Schwerelosigkeit im Zusammenhang mit Osteoporose ein nützliches Werkzeug ist, das ist irgendwie klar. Was war der Hintergrund bei diesem Krebsthema, das du angesprochen hattest? Was war da der Benefit der Schwerelosigkeit?
[01:15:03] Der Benefit in dem Fall war, dass man auf der Erde Krebszellen ja meistens auf so einer künstlichen Lösung in der Petrischale aufzüchtet. Das ist aber zweidimensional, das heißt, Tumore oder eben diese Krebszellen breiten sich zweidimensional aus. Die Idee davon ist: Wenn man das in der Schwerelosigkeit macht, dann kann man dieses Trägermedium als Flüssigkeit halten und dann ist das sehr viel ähnlicher, also dann breitet sich dieser Tumor oder diese Zellen breiten sich dann dreidimensional aus, was einem menschlichen Körper sehr viel mehr ähnelt. Das ist nicht so einfach auf der Erde nachzubauen, weil sich dieses Trägermedium zum Beispiel langsam setzt. Da fallen Dinge nach unten, steigen auf, also das zoniert sich dann so. In der Schwerelosigkeit hat man das Problem nicht. Und das ist einer der vielen Gründe, warum dieser Versuch wirklich nur in der Schwerelosigkeit geht. Und das ist auch wie immer so ein Langzeitversuch, das kann man auch nicht in einem Fallturm oder im Parabelflug simulieren, sondern da geht es wirklich darum, dass das Ding über Wochen wachsen muss.
[01:16:03] Inwiefern hat man da als Ausführender auf der Raumstation dann direkten Kontakt mit den Wissenschaftlern, entweder in der Vorbereitung oder auch während des Flugs?
[01:16:15] In der Vorbereitung hat man das oft, also beim Training für so einen Versuch sind die PIs, nennen wir das, die principle investigators, die sind da. Und bei manchen Versuchen hat man das auch im Weltraum. Ich hatte jetzt gerade letzte Woche von einer Arbeitsgruppe ein Paper zugeschickt gekriegt, das die jetzt veröffentlicht haben. Da ging es um einen Verbrennungsversuch, BAS hieß der. Und die haben eine riesige Liste von Veröffentlichungen, die jetzt gerade rauskommen. Da sieht man, das dauert natürlich immer ein paar Jahre nach so einem Versuch. Aber die haben ganz tolle Ergebnisse erhalten, wo es darum ging, wie Flammen sich im Weltraum ausbreiten, wo die aber dann natürlich fundamental auch Flammen besser verstehen können. Da geht es dann auch um Feuerfestigkeit von Materialien auf der Erde. Und in einem weiteren Versuch, an dem wir gearbeitet haben, das fand ich auch sehr interessant. Das war, ich glaube, Flex 2 hieß der, da ist eine neue Art von Flamme entdeckt worden. Das fand ich sehr interessant. Das haben die Wissenschaftler vorher auch nicht so vorausgesehen. Die haben Verbrennungsversuche gemacht, wo es darum ging, dass man Flammen untersucht hat. Die waren meistens so 1400 Grad heiß und beim Löschen von einer dieser Flammen hat man gesehen, das hat weiter gebrannt und zwar mit einer kalten Flamme, die nur 600 Grad heiß war. Und das hat dann, glaube ich, statt CO, also statt… Nein, statt Kohlendioxid hat es Kohlenmonoxid verbrannt. Und das war interessant, das hat keiner so erwartet. Und das hat man vorher noch nicht gesehen, auch nicht auf der Erde. Und diesen Effekt, den finden die natürlich jetzt am interessantesten, noch interessanter als das, was sie eigentlich untersuchen wollten, weil…
[01:17:52] So geht Wissenschaft.
[01:17:53] …weil die Idee ist, dass man das vielleicht als Vorbrennstufe für Automotoren verwenden kann. So als eine sauberere Verbrennung zu gewährleisten, dass man diese Art von Flamme vielleicht integriert auch in Motoren auf der Erde.
[01:18:08] Die Elektromotoren der Zukunft.
[01:18:10] Ja, wer weiß. Ich meine, klar, Elektromotoren werden nicht alles abdecken können, auch in der Zukunft. Ich finde es zumindest sehr interessant, dass man auch da oben, wenn man die Wissenschaft nur frei genug behandelt, wenn man nicht alles zu sehr in enge Schienen zwingt, dass man dann plötzlich auch Sachen entdeckt, die man nicht erwartet hätte und die vielleicht – und das war ja oft in der Wissenschaftsgeschichte so – sehr viel wertvoller sind als das, was man eigentlich gesucht hat.
[01:18:38] Haben die dich dann wenigstens als Co-Autor auf ihr Paper geschrieben?
[01:18:41] Nein, haben sie nicht. Aber gut, ich war ja im Prinzip nicht Autor, das ist schon korrekt so.
[01:18:46] Ja gut, aber irgendso ein CERN-Heini, der den Schalter einschaltet, steht auch drauf bei den 500 Autoren. Das ist unfair.
[01:18:52] Ja gut, das kann ich jetzt nicht beurteilen. Aber im Prinzip waren wir ja im Prinzip die Laborarbeiter und das ist schon fair, dass wir dann nicht mit drauf sind.
[01:18:59] Aber im Acknowledgement stand es dann drin?
[01:19:00] Im Acknowledgement stand es drin.
[01:19:01] Immerhin. Gut, gibt keine Academic Credit Points, aber die brauchst du, glaube ich, auch nicht mehr.
[01:19:05] Ich war aber Co-Autor bei einem Paper, das wir gemacht haben. Da ging es um Astronaut Photography von Aurora. Also wir haben da Nordlichter und Südlichter von oben fotografiert speziell für die Wissenschaftler, damit die die vermessen konnten. Und da ist ein Paper draus geworden, wo ich tatsächlich auch Co-Autor bin.
[01:19:24] Gab es… Du bist ja Geophysiker… Mit Medizin und Aurora weniger zu tun. Gab es Experimente, die mehr so in deinem eigenen Themengebiet zuhause oder angesiedelt waren, während du da oben warst?
[01:19:39] Es gab in der Zeit vor meiner Expedition ein paar Versuche, die wir gemacht haben, wo es darum ging, dass wir simuliert haben, wie die Strömungen im Erdinneren sind. Das war ein sehr interessanter Versuch, den man auch wirklich nicht auf der Erde durchführen kann, weil man im Prinzip für diesen Versuch ein kugelsymmetrisches Strömungsfeld braucht.
[01:20:01] Man braucht ein Planetenmodell.
[01:20:02] Genau, wo es in der Mitte warm ist, wo es außen kalt ist, wo dann die Strömungen entstehen. Auf der Erde geht das nicht, weil man eben immer diese Gravitation hat, die die Konvektion stört. Und das war ein sehr interessantes Experiment, Geoflow hieß das. Das hat leider Pause gehabt während meiner Mission, das heißt, ich konnte daran nicht arbeiten. Aber nichtsdestotrotz war es toll zu wissen, dass das an Bord ist. Und natürlich eben die Beobachtung von Weltraumwetter. Das sind Sachen, die man von der Raumstation auch gut machen kann.
[01:20:33] Weltraumwetter ist…?
[01:20:34] Auroras, Sonnenwind, Dinge, die uns auf der Erde massiv stören können. Die können zum Beispiel das gesamte elektrische System stören, also eines Landes, also das heißt die Energieversorgung. Und das besser zu verstehen ist sehr wichtig. Und da sind eben so Beobachtungen von der Raumstation aus wichtig, wo man zum Beispiel auch Sensoren testen kann, bevor man eigens einen Satellit dafür baut. Das haben wir oft, so Technologiedemonstrationen, wo man schauen kann: Funktioniert dieser Sensor? Den bringen wir erst mal auf der Raumstation außen an, bringen ihn wieder zurück, tauschen ihn vielleicht aus, reparieren irgendwie was und dann, wenn wir wissen: Okay, das funktioniert so, dann kann man einen eigenen Satellit dafür bauen. Und das ist auch wiederum so eine Synergie zwischen astronautischer und unbemannter Raumfahrt.
[01:21:21] Das heißt aber, die… Ich wollte gerade sagen, du bist Astronaut geworden nicht weil du Geophysiker bist, sondern trotzdem. Aber das ist natürlich vielleicht unfair… Also es ging weniger um deine konkrete Qualifikation als Geophysiker, sondern einfach als Wissenschaftler, als wissenschaftlich systematisch denkender Mensch?
[01:21:39] Genau, das Letztere sogar. Also Wissenschaftler ist nicht das Wichtigste. Ich habe viele Kollegen, die sind Ingenieure, die sind Piloten, die sind Mediziner oder auch Wissenschaftler. Letztendlich muss man für diesen Beruf sowieso alles neu lernen, das heißt, das Wichtige ist: Man denkt analytisch und man lernt gerne neue Sachen. Dann kriegt man die Aufgaben auch hin. Aber aus welcher Richtung man kommt, man kann es drehen und wenden, wie man will, man hat immer irgendwas, was man neu dazu lernen muss, fundamental. Also ich hab in dem Fall dann eben Fliegen gelernt und operationell…
[01:22:10] Also Raumschiffe fliegen?
[01:22:12] Ja, aber auch Flugzeuge fliegen.
[01:22:13] Ah, okay, cool. Gehört das auch zur Ausbildung?
[01:22:16] Ja, gehört auch zur Ausbildung. Ist ein gutes Training, also das Flugzeugfliegen selbst, das belastet einen mental in einer sehr ähnlichen Art und Weise, wie man es auch im Raumschiff braucht. Das heißt, man muss immer Kontrolle darüber haben, dass das Ding fliegt, oberste Priorität. Aber nebenbei muss man eben auch einen Plan lesen, Prozeduren lesen, kommunizieren mit der Bodenkontrolle…
[01:22:35] Aviate, navigate, communicate.
[01:22:37] Ganz genau. Und das zu lernen, das ist einfach ein gutes mentales Training und dafür machen wir das.
[01:22:46] Was habt ihr da? So ganz normal Single Engine Piston oder was habt ihr da?
[01:22:50] Für den Anfang, genau. Ich hab bei der Lufthansa in Phoenix angefangen zu fliegen. Viele meiner damaligen Kollegen fliegen jetzt bei der Lufthansa auch im Cockpit. Und ja, haben eben im Prinzip die Bonanza zu fliegen gelernt am Anfang, Single Engine Land und je nachdem, wie viel Zeit man hat, würden wir das auch weiter vorantreiben. Das nächste ist Aerobatik, IFR. Aber das… In meinem Fall ist das so ein bisschen ins Stocken geraten, weil ich auf zwei Missionen nominiert war direkt quasi nach meiner Ausbildung. Das heißt, ich fliege jetzt, ich halte mein Rating aufrecht, aber im Moment habe ich keine Zeit ein neues Rating zu machen.
[01:23:33] Also es gibt ja auch wenig Dinge, für die ich… Also ich fliege ja Segel. Und es gibt wenig Dinge, für die ich nachvollziehen kann, wenn jemand sagt: „Dann fliege ich halt nicht.“ Aber ein Raumflug, würde ich sagen, gehört in die Kategorie einsortiert. Würdest du sagen, dass dieses ganze Lernen von den technischen Systemen dahinter dir als Nicht-Ingenieur irgendwie schwer gefallen ist, oder kommt man da rein und man lernt es wie jedes andere auch?
[01:24:02] Ich denke, letztendlich ist das egal, aus welchem Hintergrund man kommt. Wenn man gerne lernt und ein technisches Verständnis hat, dann geht das eigentlich. Also wir lernen das ja auch nicht bis ins letzte Detail. Also jetzt ein Ingenieur, der so ein System baut, der kennt das hundertmal besser als wir. In manchen Systemen reicht es mir, wenn ich weiß, wo der Ein- und Ausschalter ist oder was das überhaupt tut. Bei anderen Systemen muss ich mich schon tiefer reinknien. Mir macht das riesig Spaß, also ich mochte das immer. Jetzt auch schon im letzten Jahr, allein schon zu lernen, wirklich bis in die tiefsten Windungen dieser Sojus-Kapsel, zu lernen, wie so ein Raumschiff funktioniert und wie man es mit zwei Joysticks rückwärts an der Raumstation anparkt, also das fand ich großartig, auch wenn ich weiß, dass das unwahrscheinlich ist, dass ich wirklich selbst machen muss, weil das eigentlich der Computer macht oder der Commander. Aber ich muss es trotzdem können und üben. Das ist ein riesiges Privileg und das macht Spaß, sowas zu lernen.
[01:24:58] Klar, also ich meine, im Prinzip ist es ja schon… Also, man muss da, glaube ich, ein bisschen aufpassen, dass man das nicht als zu spielerisch darstellt, aber es hat schon auch was von großem Abenteuerspielplatz, diese ganze Raumfahrt. Ganz viele komplexe Systeme, die man lernen muss und ich meine…
[01:25:14] Nein, ich meine, da würde man ja auch lügen, wenn man sagen würde, dass das keinen Einfluss hat. Also Astronauten sind alle davon fasziniert, dass das auch ein großes Abenteuer ist dabei. Das ist eben nur ein Teil von vielen.
[01:25:27] Wie bist du denn von der Geophysik in die Raumfahrt gekommen? Wie war da deine Karriere?
[01:25:33] Naja, das ging eigentlich über Nacht oder relativ schnell. Also ich hatte schon immer den Traum, dass ich mich einmal als Astronaut bewerben wollte.
[01:25:46] Also das war schon wirklich so ein Kindheitsding auch, oder…?
[01:25:49] Ja, genau. Ich bin nie davon ausgegangen, dass ich es werden würde. Ich wusste nur: Ich bin mir das selbst schuldig, das einmal probiert zu haben. Das war klar, das wusste ich auch schon während meinem Studium und ich hab mir immer irgendwie überlegt: Diese Entscheidungen, die ich hier und da treffen muss, die jeder von uns treffen muss, bei der Berufswahl und so weiter, verbaut mir das die Chance mich einmal zu bewerben? Ich hab das immer so gegengecheckt und das war dann eigentlich nie der Fall. Ich dachte immer so: „Okay, das passt.“ Und dann habe ich das eigentlich auch ruhen lassen. Ich wusste ja: Die ESA sucht gerade keine Astronauten. Man kann sich ja nicht einfach so initiativ bewerben, sondern da musste man warten, in dem Fall bis das Columbus-Labor an der Raumstation war. Da war dann klar: Die ESA sucht neue Astronauten. Und ich hatte dann über Jahre hinweg meinen Webbrowser so programmiert, dass er mir automatisch eine Meldung gegeben hat, wenn sich die Bewerbungsseite der ESA verändert hat. Und das ist dann auch jahrelang nicht passiert und irgendwann habe ich diese Warnung bekommen. Noch dazu gefühlt 100 E-Mails von Freunden von mir, die da diese Bewerbung da gesehen haben.
[01:26:43] Du hast auch alle geimpft vorher?
[01:26:45] Nein, habe ich noch nicht gemacht. Die wussten das einfach. Die wussten, das wär’ mein Ding. Ich hab eigentlich den meisten davon gar nichts erzählt. Aber vielleicht war das auch ein Zeichen, ich hab von ganz vielen von meinen Freunden gesagt so: „Hey, die ESA sucht Astronauten. Du musst dich bewerben! Du wirst das!“ Und ich so: „Ja, jetzt komm, mal langsam hier. Ich bewerbe mich da, aber realistisch gesehen habe ich da keine Chance.“ und habe mich dann aber beworben, weil mir das wichtig war. Und dann war ich erstaunt, dass ich am Anfang eingeladen wurde zu den ersten Tests. Ich war erstaunt, dass ich den ersten Test bestanden habe, erstaunt, dass ich den zweiten Test bestanden habe und war aber eigentlich relativ sicher: „Okay, es wird bald vorbei sein.“
[01:27:22] „Es wird ein Test kommen, den ich nicht bestehe.“
[01:27:24] Genau, und was auch überhaupt keine Schande ist, weil die waren sauschwer. Und ich war letztendlich, glaube ich, von allen wirklich am meisten erstaunt, dass es irgendwie gepasst hat. Also ich hab das versucht so lange wie es geht – dieser Bewerbungsprozess, der ging über ein Jahr hinweg – das versucht so lange wie es geht von mir fernzuhalten, weil ich nicht… Ja, ich wollte nicht dann enttäuscht sein, wenn es nicht klappt. Am Anfang geht das vielleicht noch, aber dann irgendwann später, je näher es dann zu diesen letztendlichen finalen Interviews kam, je geringer die Zahl wurde – ich kannte ja dann, wie viele Leute noch drin waren – als es so 40, 50 rum waren, da konnte ich das nicht mehr so richtig von mir fernhalten. Da wusste ich: „Hoppla, ich hab hier vielleicht echt eine Chance.“ Und damals sollten vier ausgewählt werden. Also es sind dann letztendlich sechs ausgewählt worden, aber der Plan war erst mal vier. Das heißt, für mich war die Chance so 1:10 dann zu diesem Zeitpunkt. Und da habe ich gedacht so: „Hoppla!“
[01:28:18] „Jetzt müsste ich mich mal anstrengen.“
[01:28:20] Ja, jetzt muss ich wirklich schauen, dass es… Zumindest anstrengen dafür, dass ich nicht mit mir unzufrieden wäre hinterher. Ob es klappt oder nicht, ist nicht so wichtig. Aber ich wollte nicht da rausgehen und denken so: „Ich hab’s verbockt.“ Das war mir wichtig, dass ich, egal wie es ausgeht, clean rauskomme und sagen kann: „Hey, ich hab’s probiert, ich hab mein Bestes gegeben. Ist nichts geworden, ist aber auch nicht schlimm.“ Und so ist dann mit Träumen im Leben. Man muss es einmal probiert haben und wenn es dann nicht klappt, na gut. Man kann nicht jeden Traum erfüllen, aber man ist es sich schuldig es mal zu probieren. Und vielleicht war das genau das Rezept, das mich hat entspannt genug sein lassen, um da durchzukommen, wer weiß.
[01:28:55] Okay. Und dann war… Deine erste Mission Expedition 40/41 war zweitausend-wieviel? 2010?
[01:29:03] 2014 von Mai bis November.
[01:29:05] Und da hast du vermutlich nicht alles falsch gemacht, sonst hätten sie dich jetzt nicht Richtung Commander weiter… Wie kam es dazu? Ist das einfach Glück oder muss man sich da auch wieder bewerben? Oder wie läuft sowas?
[01:29:21] Ja, das ist zum Teil natürlich auch Glück, weil man an der richtigen Zeit zur richtigen Stelle sein muss. Wie gesagt, du hast ja vorhin schon gemeint, der Job als Commander, der wechselt sich durch. Manchmal ist es ein Russe, manchmal ist es ein Amerikaner, jetzt gab es einen Europäer vor mir, der das war. Und ich glaube, ich war zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Aber man muss natürlich auch geeignet dafür sein. Das heißt, man wird nach so einem Flug auch schon bewertet. Da wird dann gesagt so: „Okay, das sind deine Stärken, das sind deine Schwächen.“ Und wenn man Glück hat, kriegt man eben diese Bewertung und sagt so: „Okay, wir schlagen dich als Commander vor für den nächsten Flug.“ Dann muss es eben aber noch dazu die Möglichkeit geben. Und wenn das alles zusammen passt und wenn die Leute einem da vertrauen, letztendlich ist es ja schon eine große Verantwortung, die man da hat für so eine Raumstation, die komplexeste Maschine der Welt, dann passt das. Also ich war da nicht… Also ich wusste nicht, dass das kommen würde. Es war natürlich eine sehr große Ehre für mich und ich versuche, den Job so gut es geht hinzukriegen. Aber es war nicht absehbar, dass das so kommen würde.
[01:30:27] Weißt du, was das für Kriterien sind, die einen dann als Commander geeignet erscheinen lassen? Du hast ja gerade erwähnt, mit den Bewertungen. Systemverständnis oder Kommunikationsfähigkeit oder… Weiß man das?
[01:30:40] Ich denke eher Letzteres. Also ich denke, das ist so ähnlich wie man jetzt auch auf der Erde jemanden aussuchen würde.
[01:30:46] …zum Chef macht.
[01:30:47] Ja, ich denke, man muss gut mit den Leuten kommunizieren können. Das ist auf der Raumstation das Allerwichtigste, dass man ein halbes Jahr lang auf so beengten Verhältnissen zusammen mit einem Team zusammen arbeiten kann, dass man eben auch Probleme lösen kann, wenn es mal ein Problem gibt. Das heißt, das Zwischenmenschliche ist, glaube ich, eines der wichtigsten Dinge und dann wahrscheinlich schon auch die Fähigkeit den Überblick zu behalten in Situationen. Also ich will mich da jetzt nicht sehr selbst loben, weil ich weiß nicht genau, was ich davon wirklich gut kann und was nicht. Ich denke nur, generell sind das so die Kriterien.
[01:31:26] Wann geht es los?
[01:31:28] Es geht im April oder Mai 2018 los. Das Startdatum ist im Moment noch im April, es ist aber noch nicht komplett fest, das heißt, in dem Zeitraum. Das ist fast genau vier Jahre nach meinem ersten Start.
[01:31:44] Die Tatsache, dass das Startdatum noch flexibel ist, hängt einfach an was?
[01:31:51] Es gab in der letzten Zeit ein paar Umplanungen auf der russischen Seite. Das hängt damit zusammen, dass das russische Forschungslabor MLM gestartet werden soll. Da ist das Startdatum noch nicht ganz klar. Und daran hängen logistisch auch ein paar Startdaten von anderen Missionen. Dann gab es einen Unfall letztes Jahr mit einer Progress Kapsel, wo nicht genau klar war, was der Grund war. Das wurde erforscht und bis dahin waren erst mal die Sojus-Starts auch auf Hold, weil man nicht wusste, ob das ein Problem ist, das vielleicht ein Triebwerk betrifft, das auch bei der Sojus schiefgehen kann. Da ist man dann konservativ und sagt so: „Okay, bis wir das rausfinden, sind die Sojus-Flüge auf Hold.“ Und das hat einfach so ein bisschen den Startplan verschoben. Aber das ist im Prinzip normal, da muss man auch mit rechnen.
[01:32:39] Und deine Crew, mit der du dann da oben sein wirst, die kennst du schon?
[01:32:42] Zum Teil ja, aber es ist noch nicht fix festgelegt eben dadurch, dass sich ein paar Sachen verschoben haben, gab es da immer mal wieder Änderungen. Aber letztendlich weiß ich, dass ich sie kenne, weil ich im Prinzip alle Astronauten und Kosmonauten kenne, ganz gut. Aber fix festgelegt ist es noch nicht.
[01:33:00] Das heißt, ihr trainiert auch noch nicht komplett jetzt als Crew?
[01:33:04] Das ist ja sowieso nie so, dass man immer alles als Crew trainiert. Also ich hab immer wieder Trainings, die ich mit manchen von meinen Crew-Kollegen mache. Das ist ja auch so, dass man nicht nur in der Sojus Dreiergruppe trainiert, sondern man hat auch Kollegen, die man auf der Raumstation trifft, vorher und nachher. Und mit denen muss man auch mal zusammen trainieren, dass man zum Beispiel Weltraumausstiege zusammen übt oder Notfallszenarien zusammen übt, auch mit den anderen drei vorher und drei danach. Also das heißt, man ist es eigentlich gewohnt, dass man eben mit unterschiedlichen Leuten zusammen arbeitet. Das ist auch wichtig, dass man, egal mit wem man es zu tun hat, dass man eine gute Kommunikationsfähigkeit entwickelt, dass man unabhängig davon ist, mit wem man zusammen arbeitet.
[01:33:48] Das heißt aber fast zwangsläufig, dass auch gewisse Prozeduren und vielleicht auch Kommunikationsmuster und Dinge, die man auf der ISS eben so tut, die müssen bis zu einem gewissen Punkt standardisiert oder checklistifiziert sein, dass das eben auch ohne direkten persönlichen Trainingskontakt funktionieren kann?
[01:34:05] Absolut. Das ist in Prinzip ja wie das Crew-Management in einem Flugzeug eben auch. Das heißt, man checkt sich gegenseitig. Man hat Methoden wie Challenge response, dass man Checklisten hat und dass man die Aufgaben einteilt. Ja, das ist relativ ähnlich.
[01:34:23] Was passiert bis dahin jetzt noch?
[01:34:26] Bis dahin werde ich sehr viel Training haben noch in der Sojus-Kapsel, das heißt, ich werde bis zu meinem Backup-Start – also ich bin ja Backup für die Mannschaft, die ein halbes Jahr vor mir startet, das ist im Dezember – bis zu meinem Backup-Start werde ich noch weitere Sojus-Simulationen haben, Andocken, auch das Wiedereintrittstraining mit der Sojus, also man fliegt das tatsächlich manuell, muss man es manuell fliegen können, wie man so eine Kapsel, Raumkapsel in die Atmosphäre steuert. Das werde ich weiterhin üben in Russland. Dann hier in Köln werde ich Systeme des Columbus-Labors trainieren, wissenschaftliche Versuche, die jetzt zum Teil erst definiert werden. Also die sind jetzt erst ausgesucht, das heißt, bisher habe ich noch nicht so viel auf konkreten wissenschaftlichen Experimenten trainiert, die in meiner nächsten Mission stattfinden werden. Das wird jetzt dann kommen, sehr viel in Köln. Und in Houston geht es eben auch um den amerikanischen Teil der Raumstation, Notfalltraining und Training im Raumanzug, Außenausstiege. Also es ist immer noch einiges zu tun. Es wird auf jeden Fall nicht langweilig.
[01:35:30] Ja. Ich höre aber heraus, dass wirklich ein signifikanter Teil des Trainings eben gerade nicht die Phase auf der ISS betrifft, sondern den Weg dorthin und von dort zurück. 50 Prozent, oder? Oder vielleicht nicht ganz, aber…
[01:35:44] Ja, ich würde sagen fast, ein bisschen weniger. Aber das hat die Weltraumfahrt so an sich. Das sind die dynamischen Phasen des Fluges, die sind die kritischsten. Wenn man da einen Fehler macht, dann kann es schnell gefährlich werden. Das ist wichtig, dass man da drauf vorbereitet ist. Aber es stimmt schon, das sind im Prinzip sechs Stunden Hinflug, drei Stunden Rückflug. Dafür trainiert man einen massiven Anteil der Zeit. Aber es ist ja auch so ähnlich wie mit Notfalltraining. Das passiert hoffentlich gar nicht und wir haben 40 Prozent unserer Zeit oder 30 Prozent unserer Zeit, die wir dafür trainieren. Man muss eben vorbereitet sein.
[01:36:20] Was hätte ich noch fragen sollen? Was habe ich vergessen zu fragen?
[01:36:24] Weiß nicht. Wir haben über einiges geredet, glaube ich.
[01:36:27] Ja, dann kannst du noch deine Oma grüßen.
[01:36:33] Mit der telefoniere ich oft genug. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie ein technisches Blog hört, aber vielleicht sollte ich ihr das mal vorschlagen. Die war tatsächlich bei meinem Start in Baikonur dabei. Also die war mit damals 82… hat sie mitgefiebert beim Start. Das fand ich toll.
[01:36:50] Ja, das glaube ich absolut.
[01:36:52] Die war auch mitverantwortlich mit meinem Opa zusammen für meine technische Laufbahn. Die waren beide Funkamateure, die waren sehr begeistert und haben, glaube ich, von klein auf in mir diese technische Begeisterung geprägt. Von dem her war es nur fair, dass sie da mit durfte.
[01:37:08] Hast du dann auch die entsprechenden Lizenzen, funkamateurmäßig?
[01:37:12] Ja, genau. Ich habe die Lizenz gemacht im Rahmen meiner Ausbildung. Ich habe eine amerikanische Lizenz, auf der Raumstation funken wir ab und zu mal mit Schulklassen.
[01:37:20] Das wollte ich gerade fragen. Das ist schon noch so, dass da oben ein HAM-Set rumsteht?
[01:37:25] Ja, wir haben da zwei an Bord. Zum größten Teil sind die für Kommunikationszwecke mit Schulklassen, also das heißt so ein bisschen Education.
[01:37:37] Also keinen operationellen…
[01:37:38] Ja doch, als Backup. Da muss schon viel schief gehen, aber es ist trotzdem gut das zu haben. Also als Backup haben wir die Notfallfrequenzen, mit denen wir dann auch zur Not die Bodenkontrolle erreichen können. Aber das war noch nie notwendig und man hat wirklich drei bis vier Plan A, B, C, D vorher, bevor man sowas machen muss.
[01:38:02] Klar. Gut, dann bedanke ich mich ganz herzlich fürs Dabeisein.
[01:38:07] Ja, freut mich. Hat Spaß gemacht.
[01:38:09] Absolut, mir auch. Cool.