179 – Umgang mit Abnormals in der Verkehrsfliegerei
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Gast: Stefan Host: Markus Völter Shownoter: Bastian Hundt
In dieser Episode sprechen wir mit einem Airline-Kapitän über Abnormals in der Verkehrsfliegerei und den Umgang damit. Der Fokus liegt dabei auf der weit verbreiteten Boeing 737, da unser Gast dieses Muster fliegt. Wir besprechen zunächst allgemeine Grundsätze der Crew Resource Management, und diskutieren dann eine Reihe von Abnormals, sowie Maßnahmen um die Situation sicher zu bewältigen, darunter Triebwerksausfall in verschiedenen Flugphasen, Ausfall der Hydraulik oder Ausfall einzelner Instrumente.
Nach der Aufnahme hat einer von Stefan’s Kollegen noch über die Episode drübergehört und ein paar Korrekturen/Anmerkungen gehabt. Diese finden sich (mit Timecode) in folgender Tabelle:
0:15:10 | “Sehenden Auges in den Tod” Ich weiß, was Du meinst, aber wir können m.E. nicht sicher sein, ob es wirklich so war. |
0:49:10 | “Squib abschießen” Keine Sprengladung – im B737-OM-B steht dazu: Rotating the engine fire switch electrically ‘fires’ a squib, puncturing the seal of the extingusher bottle. |
0:54:40 | Ich denke, Du meinst “Fail passive” / “Fail operational”? |
1:02:45 | “Wir sind zum Start vollgetankt” Ja, aber wir starten selten vollgetankt |
1:22:10 | “B737-Design von ’63” keine Ahnung, ob das stimmt, aber der offizielle Programmstart war 19.2.1965, Erstflug 9.4.67. |
1:28:10 | “STR EOSID” Die EOSID hat sich geändert, ‘TGO’ gibt’s nicht mehr |
1:32:05 | Wiederanlassen hat neue Kriterien: N1-rotation and no airframe vibration |
1:41:20 | “nearest suitable” iso “next suitable” (kommt an mehreren Stellen), dieses Wording gilt für praktisch alle Abnormals. “Next suitable” findet sich praktisch nicht. |
1:48:25 | Nicht das Flugzeug dreht, sondern das Triebwerk ;-) |
1:54:50 |
Das Landing Gear Transfer Valve ist in erster Linie für den Fall gedacht, dass beim Engine Failure #1 das A-System nicht ausfällt (Du schilderst den Fall, dass beim E/F #1 das Hyd-Sys A ausfällt – das ist zwar denkbar, aber nicht zwingend). Der Eingriff durch das B-System stellt beim E/F #1 (auch bei in der |
2:06:30 | Ich bin nicht sicher, ob das Vario noch geht (Tendenz eher nein) |
2:08:40 | Keine 4 Jahre; Boeing Vorgabe: “Boeing recommends all operators incorporate this training in their next training revision cycle, not to exceed 24 months.” |
2:14:00 | TCAS bedeutet “Traffic Alert and Collision Avoidance System” |
2:19:00 | “lost comm” iso “comm loss” |
2:23:40 | Zeit für Descent von FL370 auf FL100 eher Richtung 5 Minuten, vielleicht mehr |
2:35:00 |
Die Aussage bezüglich der Roll-Raten ist nicht korrekt: Die B747 lässt sich sportlicher fliegen, als die B737. Die Roll-Rate des Jumbos bei gleichem Aileron-Input ist erheblich größer (Außen-Querruder haben großen Hebel) als bei der B737, der Widerstand der Speedbrake und des Fahrwerks ist größer. |
2:42:00 | Stimmt, der G/A ist nur an der Destination, nicht am Alternate in der Spritberechnung enthalten. |
2:42:20 |
Die Erklärung der Spritberechnung stimmt nicht ganz. Bei der Sprit- & Zeitberechnung wird davon ausgegangen, das der G/A nicht wie veröffentlicht komplett abgeflogen wird, sondern Du am M/A-Punkt sofort auf die in der Streckenführung zum Alternate auf dem OFP beschriebene Abflugroute einschwenkst. Bsp: M/A FRA 25L, Alternate CGN würde bedeuten, dass Du nicht erst nach CHA fliegst, sondern der M/A sofort in eine Departure (vielleicht BIBTI) mündet. |
2:44:15 | Standardwert Taxi 200kg ist ein simplifizierter Wert für die -500, bei der -300 sind es 230kg. |
Arbeitsteilung im Cockpit
00:06:00Pilot Flying und Pilot Monitoring | Crew Resource Managment (CRM)
Nicht-Zeitkritische Abnormals
00:19:40Preflight Walk-around | Logbuch | ACARS | Minimum Equipment List | Inertial Reference System | NDB / ADF | Luftfahrt-Bundesamt (LBA) | Checklisten
CRM bei Normals und Abnormals
00:38:00Standard Operating Procedures | Boeing 737 Engine Fire Procedure Video | Boeing 737 Cockpit Erklärung | CAT-3 Anflug/Landung
Abnormals beim Start
00:57:50Entscheidungsgeschwindigkeit V1 | Rotationsgeschwindigkeit Vr | Vogelschlag | Autobrake | Störklappe / Spoiler | Autopilot | Yaw Damper | Engine Stall | Compressor Stall | Standard Instrument Departure | Funkfeuer | Schubumkehr
Abnormals im Reiseflug
01:41:00Triebwerksenteisung | Hydrauliksystem | Ram-Air-Turbine | Landeklappen | Flettner-Ruder | TCAS | Druckabfall | Time of useful consciousness
Abnormals bei der Landung
02:38:37Packs | Go-Around | Anti-Skid / ABS | Treibstoffreserven | Flughafen Madeira
Dank und Ende
03:02:45
Sehr gut Folge. Ich denke mit dieser Episode können sich viele Menschen mit Flugangst ein wenig beruhigen lassen. ;-)
Ja, von genau so einem habe ich auch schon entsprechendes gehört :-)
Sehr schöne Folge! Eine Anmerkung zum formellen und lautem Aufsagen von Checklist-Steps: Während einer Krisenmanagement-Schulung haben wir gelernt, dass das laute Vorsprechen solcher Schritte neben den angesprochenen psychologischen Effekten (Vorbereitung und Selbstordnung) vor allem dazu dient, dass beim Abhören der Cockpit-Voice-Rekorder im Rahmen einer Unfallermittlung genau nachvollzogen werden kann, was die Piloten gesehen und erkannt haben und zu tun gedachten. Man kann zwar aus dem Klicken bestimmter Bedienelemente nachvollziehen, was die Piloten faktisch getan haben, nicht aber wie viel sie von der gesamten Situation verstanden haben und was sie tun wollten, aber eben vielleicht nicht getan/geschafft haben.
Danke Matthias, guter Punkt! In welchem Zusammenhang hattest Du eine Krisenmanagement-Schulung?
@Matthias
Interessant Aspekt, das dies aber auch ein Grund für das laute vorlesen einer Checkliste ist, kann ich mir aber nicht vorstellen, eher ein Nebeneffekt
Generell arbeitet man im Cockpit nun mal als Team und dabei macht es einfach Sinn vor wichtigen Aktionen, gerade bei abnormals, den nächsten Schritt als PM laut vorzulesen und die ausgeführte Handlung verbal zu bestätigen. So wird der PF, ohne das er aktiv Schauen muss, direkt immer Loop gehalten wie denn gerade das Vorranschreiten des Procedures ist. Insbesondere die Schlüsselworte “Confirm” und “Procedure Completed” sind dabei hervorzuheben.
Selbst bei der Normal Checklist wird diese vom PM vorgelesen und vom PF beantwortet. Wichtige Dinge (Gear&Flaps) sogar von beiden. Dies dient IMHO nur dazu, damit beide aktiv Hören können, das beide als Team funktionieren und der Flieger den gewünschten Status hat.
Mit dem CVR hat das IMHO weniger zu tun, zumal mittlerweile die FDR so ziemlich jeden Handgriff aufzeichnen können.
Mehr über die verschiedenen Checklisten Stile kann man hier lesen:
http://ti.arc.nasa.gov/m/profile/adegani/Flight-Deck_Checklists.pdf
Sehr spannende und informative Folge mit nettem Gesprächspartner! Bitte nochmals einladen, und einfach erzählen lassen :) Wie wäre mal eine Folge über Flugunfälle ?
Hallo Andrea
Ja, ne Episode über Flugunfälle mit jemanden vom NTSB oder der BFU steht auf der Liste. Ist aber noch nicht konkret geplant.
Was unseren Gast angeht: das kann durchaus passieren!
ich habe Dich übrigens nicht vergessen :-)
Markus
Tolle Folge, macht weiter so. Danke für eure Zeit.
Bitte :-)
Das war wirklich eine der besten Folgen seit Langem! Spitze, ein sehr angenehmer und sympathischer Gesprächspartner, der die Sachlage auch einem Halbwissenden wie mir (Wissen primär aus FlightSims ;) extrem gut erklären konnte. Ich häng mich an Andrea an, mit der Bitte um noch eine Folge mit ihm.
Ich hab da ne Frage zu einem Abnormal, den wir mal auf einem Flug von JFK nach FRA miterleben “durften”.
Rund zwei Stunden nach Start (also schon auf Reiseflughöhe) ging der Flieger relativ rasch in den Sinkflug (bin davon aufgewacht, hab aber auch einen sensiblen Hintern ;) und hat dann bei (IIRC) rund 13000ft ausgelevelt. Dieser Sinkflug hat naturgemäß relativ lang gedauert wodurch die Leute schon ziemlich nervös wurden. Die Lage in der Kabine wurde durch extreme Vibrationen im Flieger beim Halten der Höhe nicht entspannter.
Über die Ursache wurden wir komplett im Dunkeln gelassen, einzig eine Stewardess hat mal so “nonchalant” gemeint, dass wir Treibstoff verlören und daher runtergegangen sind. (Klingte aber für mich nicht logisch, da die Triebwerke ja auf andere Höhen ausgelegt sind und weiter herunten eher mehr denn weniger Treibstoff verbrauchen).
Nach langer Zeit gab es dann eine Durchsage, dass wir technische Probleme hätten und daher die Reiseflughöhe verlassen mussten und wir durch die größeren Turbulenzen in dieser Höhe (daher auch die Vibrationen) wohl irgendwo in IRL/UK zwischenlanden müssen um Nachzutanken. Nähere Gründe gab es keine. Danach bin ich eingeschlafen und als ich in der Früh wieder aufgewacht bin, waren wir wieder auf normaler Reiseflughöhe über Belgien. Angeblich hatten wir doch weniger Treibstoff verbraucht als geplant. Der wahre Grund war immer noch nicht klar.
Irgendwann hieß es dann (ich erinnere mich nicht mehr, ob die Aussage aus dem Cockpit kam), dass ein Instrument/Device ausgefallen ist, das im Nicht-überwachten Luftraum zur Kommunikation/Überwachung der Flieger untereinander dient und wenn dies nicht funktioniert, dann muss man eben auf einen unbenutzten Flightlevel ausweichen.
Die Erklärung klingt plausibel (auch wieso man vor den Britischen Inseln wieder auf normale Reisehöhe zurückgekehrt war), aber eine Bestätigung hab ich bis heute nicht bekommen.
Meine Frage an Euch: kann das stimmen oder was wäre sonst noch eine mögliche Erklärung?
Sorry für die lange Antwort, aber das wollt ich immer schon mal wissen.
P.S.: der Vogel war eine MD-11 vom gleichen Typ, die wenige Wochen vorher aus damals noch unbekannter Ursache vor Rio abgestürzt war. Da war die Stimmung und Anspannung natürlich noch extra heftig.
Pingback: PG084 – Settings-Pain | Pausengespräche
Danke für den Podcast. Eine Frage ist bei mir offen geblieben: Könnte ein Pilot nach einem Triebwerksbrand bzw. -ausfall das Triebwerk wieder anfahren, auch wenn beide Löschtanks des Triebwerks verbraucht wurden? Das macht aus meiner laienhaften Sicht keinen Sinn, da bei einem erneuten Brand ja nicht mehr gelöscht werden könnte…
Ich glaube, Du hast sie Dir grade selbst beantwortet :-)
@Helmut
Basierend auf deinen Infos kann man nur vage Spekulation über die Gründe des eher ungewöhnlichen Fluges machen.
Zunächst mal Vibrationen: Meinst Du damit Turbulenzen? Es gibt natürlich Vibrationen von den Triebwerken, wenn diese kleine Defekte haben. Die wären in der Tat ein Grund dafür die Flughöhe zu verlassen, da manchmal dort die Vibrationen schwächer werden. Dann wärt Ihr aber auch nicht weitergeflogen. Also waren es doch eher Turbulenzen, schätze ich mal.
Dann der Ausfall von Instrumenten: Ja, da gibt es mehrere, teilweise recht unscheinbare Komponenten, die ausfallen könnten, die einen Weiterflug in einer niedrigeren Höhe erzwingen würden. TCAS als Beispiel (Flugzeug-Annäherungswarngerät). Oder ein Teil der Navigationsgeräte, die für einen Einflug in den oberen (höheren) Nordatlantischen Luftraum benötigt werden. Fliegen kann man bei einem derartigen Fehler ausgezeichnet, allerdings ist man nicht mehr für den oberen Luftraum zugelassen.
Beide rechtfertigen aber keinen Sinkflug auf 13.000 Fuß.
Bist Du Dir mit der Höhe Sicher?
In der Höhe Hätte der Sprit niemals für einen Weiterflug zum Ziel ausgereicht.
Um Dir also eine “richtige” Antwort geben zu können, bräuchte man mehr Infos.
Was mir das aber wieder zeigt, ist das man den Passagieren die Sachlage nicht genau genug erklären kann, sonst lässt man ratlose Menschen zurück.
Schöne Grüße Stefan
@Tom
Technisch ist es in der Tat möglich so ein Triebwerk wieder anzulassen. Wenn man den “Brandhahn” wieder zurücksetzt, ist das Triebwerk wieder normal “bedienbar”.
Man müsste aber wirklich sehr, sehr gute Gründe dafür haben.
Es gibt Komponenten an einem Flugzeug, die, nachdem man sie aktiviert hat, erst am Boden wieder gangbar gemacht werden können.
Beispiele dafür sind:
– Elektrische Generatoren, wenn deren “Drive” Ausgekuppelt (Disconnected) wurde.
– WTB (WingTipBrakes), Landeklappen/Bremsen die in Falle einer Asymmetrie automatisch ansprechen
– Manche vom Triebwerk angetriebenen hydraulischen Pumpen, wenn man diese ebenfalls nicht nur ausschalten, sondern auch “disconnecten” kann.
– und auch z.B. die RAT, die Ram Air Turbine. Die kann nur am Boden wieder eingefahren werden.
Danke für die Beantwortung der Fragen, Stefan!!
Puh, meine Güte, was habe ich da nur für eine schlechte Rechtschreibung gezeigt.
Ich hab mal von meinen Admin-Rechten gebraucht gemacht und die Rechtschreibfehler – soweit ich sie bemerkt habe :-) – korrigiert.
Pingback: Die letzten und nächsten 24h, Mittwoch, 02.09.2015 | die Hörsuppe
Grossartige Folge – sehr symphatischer Gast.
Bei letzterem stimme ich Dir definitiv zu :-)
Danke! Dies ist mein erster OmegaTau, ich beginne gerade mit dem Hören:
Mein Feedback:
Eure Audioqualität ist vielleicht etwas verbesserungswürdig, das würde meinen Genuß fördern.
Kapitelmarken im .mp3 wären für mich eine echte Aufwertung, VLC zeigt mir das während der Wiedergabe an.
Yet another enjoyable episode. Systems Engineering ist about the Product, Processes and People – and this episode looks into the effect of people i.e. pilots and the crew in flying.
Ich bin zwar kein Flieger, aber etwas wie das CRM kann man definitiv auch in anderen Berufen gebrauchen.
Gibt es dazu weiterführende Quellen?