Transkript: Geophysik (205)
Transcript: omega tau 205 – Geophysik
Wir sprechen über den Aufbau der Erde in Kern, Mantel und Kruste, sowie die dynamischen Vorgängen innerhalb und zwischen diesen Schichten. Unter anderem geht es auch um Plattentektonik und das Erdmagnetfeld und dessen Veränderung. Unser Gast ist Prof. Dr. Hans-Peter Bunge, der den Lehrstuhl für Geophysik an der LMU München leitet.
Thematisch verwandt sind auch noch die beiden Episoden von Nora zum Thema Gebirge und Seismologie verwiesen.
[00:02:48] | Mein Name ist Hans-Peter Bunge, ich leite den Lehrstuhl für Geophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Vielleicht sage ich ein bisschen was, wo ich her komme. |
[00:02:58] | Genau. |
[00:02:58] | Ich habe in Tübingen Geologie und Physik studiert, bin dann nach Amerika gegangen, hab dort mit einem Promotionsstipendium an der Universität Berkeley promoviert zu dem damals recht neuen Thema Globale Modelle der Erdmantelkonvektion. Großteil dieser Arbeit hat damals eigentlich stattgefunden am Los Alamos nationalen Labor, ich bin also ziemlich lange in Neu-Mexiko gewesen. Ein sehr schöner Bundesstaat, herrlich zum Leben. Danach bin ich für eine Assistenzprofessur nach Princeton gegangen, war dort also einige Zeit am Lehrkörper und hab dann vor guten 10 Jahren den Lehrstuhl hier in München angenommen. Das ist ungefähr, wo ich so ein bisschen her komme und was auch vielleicht ein bisschen motiviert, dass ich doch relativ lange auch außerhalb von Deutschland gelebt und gearbeitet habe und das natürlich auch heute versuche ein bisschen der Arbeit mitzubringen. |
[00:03:59] | Klar. Genau, und wir wollen uns heute unterhalten über die Erde an sich, also vor allem das unter der Erdoberfläche. Sollen wir mal damit anfangen die Erde von ihren Schichten her – weiß ja jeder, dass es verschiedene Schichten gibt – das mal grob zu strukturieren und dann über die weiter im Detail zu sprechen? |
[00:04:20] | Genau, machen wir. Und zwar, wenn man das klassisch so angeht, schneidet man die Erde so durch wie eine Kugel und dann sieht man, dass eigentlich vielleicht so zwei oder drei große Lagen da sind. Die äußere Lage ist der Erdmantel, Teil des Erdmantels im weiteren Sinne ist natürlich auch die festere äußere Hülle. Da gibt es oft ein bisschen ein Durcheinander, weil man spricht da manchmal von der Kruste, man spricht da manchmal von der Lithosphäre. Wir können das hinterher nochmal genauer aufteilen. Aber das sind eigentlich alles Bereiche, die aus den Gesteinen aufgebaut sind. Da nennen wir das Silikate. |
[00:04:58] | Und die sind auch fest dann? Oder ist es teilweise flüssig? |
[00:05:01] | Nein, eigentlich sind die alle fest. |
[00:05:04] | Das heißt, in der äußeren natürlich lithosphärischen Schicht, da sind sie auch wirklich geologisch fest. In dem darunter liegenden Erdmantel sind sie zwar immer noch fest, also es ist nicht so, dass da alles riesig geschmolzen mit Lavaseen ist, wie man das manchmal auch hört, sondern wir wissen aus seismischen Wellen, die durch das Erdinnere hindurch gehen, dass dort wirklich eine Scherfestigkeit herrscht. Aber natürlich sind die Temperaturen und auch die Drücke hoch genug, dass es über geologische Zeiträume dann nicht mehr fest ist. Das heißt, da muss man den Unterschied in der Zeit machen. Wenn ich jetzt wirklich ganz kurzfristig schaue, könnte man also wirklich solche Gesteine belasten, wenn ich aber vielleicht nach 10000 Jahren wiederkommen würde, hätten sie eine gewisse Verformung hinter sich. |
[00:05:56] | Ungefähr in der Hälfte des Erdradius, also 3000 Kilometer unter unseren Füßen, beginnt aber ein ganz anderes Regime, und zwar wechselt es dort zu den metallischen Stoffen und das ist der so genannte Erdkern, der im Wesentlichen aus Eisen aufgebaut ist. Und dieser Erdkern unterteilt sich dann nochmal ganz spezifisch in einen inneren und einen äußeren Kern. Der äußere Kern ist flüssig und der innere Kern ist dann wirklich fest. Auch das wissen wir wiederum aus Beobachtungen der Seismologie, seismischen Wellen, die durch das Erdinnere gehen. Das sind also sozusagen, die allererste Größenordnung ist im Prinzip ein metallischer innerer Teil unseres Planeten von null bis ungefähr 3000 Kilometer, die Hälfte. Und der ist sozusagen eingebettet in eine äußere Gesteinsschale, die dann die nächsten 3000 Kilometer ausmacht. Und das ist die grobe Struktur des Planeten. |
[00:06:58] | Wie kommt es, dass der innerste Kern fest ist? Man sollte ja denken, dass da aufgrund des wahrscheinlich größten Drucks und der größten Temperatur, da dann eher was flüssig ist. |
[00:07:07] | Ja, gute Frage. Und zwar, es gibt eigentlich immer so einen Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen Druck. Und die Temperatur nimmt natürlich mit der Tiefe nicht unbedingt linear zu, da können wir nachher nochmal schnell drüber gucken, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann, da kann man sehr sehr schnell abschätzen. Die Drücke nehmen aber im Prinzip – man würde dazu sagen – hydrostatisch, also in einer linearen Form gewissermaßen zu, so dass also auch gerade im innersten Teil des Planeten riesig hohe Drücke herrschen und dort dann eben auch wieder das Eisen, was sonst im Rest des Kernes flüssig bleibt, im Zentrum dann doch wieder eine feste Form annimmt. |
[00:07:49] | Aufgrund des Drucks einfach, das gewinnt. Und Eisen ist der Hauptbestandteil, hast du gerade schon gesagt. Was haben wir da sonst noch? Oder ist das vernachlässigbar? |
[00:08:00] | Die anderen sind im Wesentlichen vernachlässigbar. Es ist gar nicht so leicht, die anderen wirklich dingfest zu machen. Es gibt dann also im Prinzip so übliche Verdächtige und dazu gehört natürlich auf der einen Seite Sauerstoff. Der Planet hat viel Sauerstoff. Auf der anderen Seite Schwefel und auf der dritten Seite Silizium, auch Silizium natürlich wieder, weil ein großer Teil des Planeten ja aus Silikaten aufgebaut ist. Das sind so drei Hauptverdächtige, zwischen denen gibt es dann akademische Dispute, wie es so im Einzelnen ist. Und vielleicht für zehn Prozent sind diese Beimischungen im äußeren Kern. |
[00:08:37] | Woher ist das Eisen? Eigentlich im Wesentlichen ist auch das wieder letztendlich eine Frage der Chemie. Unter den schweren Elementen – und wir brauchen eigentlich aus Gravitations- und anderen Analysen einen schweren Kern – ist das Element Eisen natürlich das, was am ehesten wahrscheinlich ist. Man könnte sich ja vorstellen, dass da… |
[00:08:59] | Weil es ein relativ unedles oder ein relativ frühes in der Reaktionskette… |
[00:09:05] | Genau. Es ist ein relativ häufiges Element und von daher wäre es also wesentlich weniger sinnvoll anzunehmen, zum Beispiel, dass es Gold ist. |
[00:09:16] | Wäre wirtschaftlich interessant. |
[00:09:17] | Wäre wirtschaftlich interessant, genau. |
[00:09:19] | Aber so richtig wissen tun wir das demnach dann nicht, sondern wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung? |
[00:09:25] | Wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung und deswegen ist das vielleicht auch eine gute Art, das in unser Gespräch mit hinein zu bringen, weil es zeigt so ein bisschen, wie die Geowissenschaften oft aufgebaut sind. Die Geowissenschaften sind eigentlich ungewöhnlich relativ zu vielen anderen Wissenschaftsgebieten, indem sie sich eigentlich mit einem Thema beschäftigen – der Erde -, das sie weder kontrollieren noch wiederholen können. Das heißt, wir müssen oft im Prinzip sehr indirekte Fragen stellen. Und die Frage z.B. aus welchen Elementen der Kern aufgebaut ist – eine klassische Prüfungsfrage bei uns – denn jedes einzelne Argument, was man voranbringen könnte, ist nicht unbedingt sehr überzeugend. Interessant, aber nicht unbedingt für sich ausschlaggebend. Aber in der Summe wird es dann interessant. Zum Beispiel kann man beim Kern sich überlegen: Von der Dichte her passt Eisen ganz gut. |
[00:10:17] | Damit die Erdmasse zum Radius passt… |
[00:10:20] | Genau. |
[00:10:20] | …unter Berücksichtigung der Dinge, von denen, die oben sind, die wir kennen. |
[00:10:24] | Genau. Gleichzeitig ist Eisen ein relativ häufiges Element. Das passt auch schon mal ganz gut. Zusätzlich ist Eisen etwas, was bei diesen Temperaturen im Schmelzpunkt vorliegen müsste und aus Beobachtungen der seismischen Wellen wissen wir, dass der äußere Erdkern flüssig ist. Wenn man dann also solche Argumente aneinander reiht, dann stellt man fest, dass das vermutlich ein relativ überzeugender Vorschlag ist, aber natürlich bohren oder in irgend einer Form direkt hin gehen, können wir nicht… |
[00:10:54] | …so dass wir eigentlich dann immer auf solche indirekten Formen angewiesen sind. |
[00:10:58] | Das heißt, wie tief kann man denn gerade bohren, wo du es gerade erwähnt hast, wie tief ist so die aktuellste… |
[00:11:04] | Die tiefsten haben die Russen gemacht, das war auf der Kola-Halbinsel, so ungefähr, ich würde mal denken zwölf Kilometer, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe. |
[00:11:12] | In Deutschland gibt es das berühmte Kontinentale Tiefbohrprogramm, das KTB. Das war in Nordbayern, in Windischeschenbach und dort ist man, glaube ich, auf ungefähr knappe zehn Kilometer gekommen. |
[00:11:25] | Okay, also natürlich weit weit weit weit weg… |
[00:11:27] | Völlig jenseits von allem, was dafür relevant wäre. |
[00:11:31] | Und Lava, könnte man jetzt sagen, die Lava kommt von ganz innen, das gucken wir einfach, was da drin ist. Demnach kommt die Lava nicht von ganz innen. |
[00:11:38] | Eben. Sie kommt eben in der Tat nicht von ganz innen. Eigentlich, wir haben ja vorhin schon gesagt, ist in so einem Planeten immer ein Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen dem Druck. Der Druck nimmt relativ gleichmäßig zu. Vergleichbar so, wie wenn man in einem Schwimmbad oder in einem großen Becken abtauchen würde, auch im Ozean. |
[00:11:58] | Ja, das war das Stichwort “hydrostatisch” vorhin. |
[00:11:59] | Genau und das ist ja genau das, wo auch Taucher manchmal aufpassen müssen, dann, wenn sie auch wieder auftauchen. Die Temperatur nimmt in der Tat nicht gleichmäßig zu… |
[00:12:09] | …und hat im Wesentlichen eine Kurve, einen Verlauf, den man praktisch als “Z” sich vorstellen könnte. Und zwar anfänglich eine sehr sehr starke Zunahme, dann eine fast stetige, ja fast konstante Temperatur und dann – ich rede jetzt über den Mantel – wieder an der Unterseite des Mantels wieder eine sehr starke Zunahme. Das kann man aus verschiedenen Dingen sich klar machen. Das Erste ist einfach mal, wenn man sich jetzt ganz normal den oberflächennahen Gradienten anschauen würde der Temperatur, das sind so ungefähr, glaube ich, 30 Grad oder so pro Kilometer, Pi mal Daumen. |
[00:12:50] | Den man zum Beispiel durch Bohrungen dann tatsächlich messen kann. |
[00:12:52] | Bohrungen, in den Bergwerken, vielen anderen Bereichen, misst man sowas. Und jetzt stellen wir uns mal vor, wir würden 1000 Kilometer in die Erde rein gehen, da sind wir ja immer noch gerade höchstens ein Sechstel der Entfernung zum Erdinneren, da wären wir bei 30000 Grad. Die Oberflächentemperatur der Sonne ist 5000 Grad. |
[00:13:11] | Das macht also überhaupt gar keinen Sinn in dieser Art und Weise weiter zu denken. Es hat aber auch einen physikalischen Grund und zwar, wenn man sich jetzt einfach anschaut: Wie kann Wärme transportiert werden? – gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten des Wärmetransports, die wichtig sind. Und zwar, auf der einen Seite kann Wärme dadurch transportiert werden, dass es Temperaturunterschiede gibt. Und das nennen wir die Wärmeleitung, die Konduktion. Ein solcher Wärmetransport braucht immer große Temperaturunterschiede, gerade auch, wenn die Wärmeleitfähigkeit des Materials nicht sehr hoch ist. Im Falle der Erde oder Gesteinsmaterialien haben eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit. |
[00:13:47] | Das, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere an Thermodynamik damals, wird das glaube ich als Q-Punkt bezeichnet. Kann das sein? |
[00:13:53] | Das… |
[00:13:54] | Weiß ich nicht mehr, ist ja auch egal. |
[00:13:55] | Ja, aber die zweite Möglichkeit, wie man natürlich Wärme transportieren kann, ist, indem man einfach das Material selber transportiert. |
[00:14:04] | Das nennt man die Advektion. Und dann stellt es sich heraus, dass eigentlich von den thermischen Eigenschaften von Silikaten, Gesteinen, es unmöglich ist, per Konduktion wirklich tief in einen planetaren Körper einzudringen. Das, dieses klassische Argument, dass eigentlich größere Körper im Sonnensystem überhaupt gar nicht durch Konduktion zu kühlen sind. Sie müssten eigentlich konvektieren. |
[00:14:30] | Also Material austauschen, um es nochmal… |
[00:14:31] | Material austauschen, genau. Und das bedeutet, dass eigentlich unterhalb so einer – im Prinzip – thermischen Grenzschicht nahe der Oberfläche, ungefähr 100 Kilometer tief ist das. Das ist das Wort, was ich vorhin verwendet habe, technisch gesprochen die so genannte Lithosphäre. |
[00:14:46] | Aha, okay. |
[00:14:48] | Dieser Bereich ist der, in dem der Wärmetransport radial, also nach außen… |
[00:14:52] | Also sprich, sie strahlt Wärme ab und kühlt dadurch. |
[00:14:57] | Genau und hat im Prinzip so eine thermische Grenzschicht, die so ein bisschen in den Planeten hinein geht. Nun haben wir – da kommen wir nachher vielleicht noch dazu, zur Plattentektonik. |
[00:15:06] | Ja ja, klar. |
[00:15:06] | Diese Schicht wird natürlich auch regelmäßig wieder durch Subduktion und andere Sachen erneuert, aber zunächst erstmal einfach radial entlang dieser Schicht in den oberen 100 Kilometern wird der Wärmetransport primär über die Konduktion bewerkstelligt. Da drunter über die Advektion. Advektion vermischt aber das Ganze sehr gut, so dass also eigentlich tiefer im Planeten auf einmal die Temperatur gar nicht mehr so stark ansteigen braucht. Ich kann trotzdem alle Wärme, die ich abführen möchte, durch die Konvektionsströme selber abführen. |
[00:15:38] | Durch die Advektionsströme. |
[00:15:39] | Durch die Advektionsströme abführen und krieg dann, wie gesagt, in den oberen 100 Kilometern so eine konduktive Zone, da muss die Temperatur sehr stark anziehen. Dann geht es in den nächsten 3000 Kilometern im Mantelinneren eigentlich mit einem sehr geringen Gradienten weiter, eigentlich im Wesentlichen ist das ein so genannter adiabatischer Gradient, also durch den Druck selber wird das Gestein natürlich noch ein bisschen erhitzt. Und dann, erst wieder an der Grenze zwischen Kern und Mantel, kommt wieder so eine Zone, in der Konduktion stattfindet. |
[00:16:08] | Blöde Frage: Du sprichst gerade die Grenze zwischen Kern und Mantel an. Wodurch entsteht denn diese Grenze überhaupt? Ist es so, dass da die Temperatur sich so verändert, dass dadurch die Kernreaktionen entstehen? Nicht Kernreaktion im Sinne von Atom, sondern das physikalische Vorgehen im Erdkern. Oder ist es andersrum, dass quasi erst der Kern da war mit seinem flüssigen Eisen an der Stelle wahrscheinlich und dadurch dann die Temperatur sich ändert? Also wie kommt es da überhaupt zu dieser Grenze, die man da fest macht? |
[00:16:36] | Sehr sehr schöne Frage! Und zwar, der Kern ist wesentlich dichter als der Mantel und man kann das sich sehr leicht klar machen. An den Ozeanböden haben wir einen großen Dichteunterschied. Die Dichte von Wasser ist, sagen wir mal eins, Stein ist ungefähr drei, jetzt mal Pi mal Daumen genommen. Das heißt, hätte einen Dichteunterschied von zwei. Aber die Dichteunterschiede zwischen den Tiefengesteinen im Mantel selber, wo es so ungefähr fünf Gramm pro Kubikzentimeter sind, und dem Kern, wo es so ungefähr zehn sind, ist fünf Gramm pro Kubikzentimeter. Das heißt also, der größte Dichtesprung, den wir überhaupt irgendwo im Planeten haben, ist gar nicht zwischen Ozeanboden und Wasser, sondern eigentlich zwischen Kern und dem darüber liegenden Mantel. |
[00:17:21] | Aber warum ist da ein Sprung? |
[00:17:23] | Weil das Material natürlich anders ist. |
[00:17:24] | Und warum ist das Material anders? |
[00:17:25] | Ja, weil das, wie soll ich das sagen? Wenn man einen Planeten baut, hat man natürlich immer alle möglichen Komponenten dabei. Also man hat ein Eisen dabei, man hat Silikate, Sauerstoff, alles mögliche dabei. Die leichten Dinge wandern langsam nach oben, die schweren Dinge wandern nach unten, das heißt also, selbst wenn man die Erde mal ursprünglich gebaut hätte, wir wissen nicht genau, wie sie natürlich ursprünglich zusammen gekommen ist. |
[00:17:49] | Ja, klar. |
[00:17:50] | Aber dann müsste früher oder später sich das schwere Eisen einfach im Kern sammeln. Und dementsprechend bleibt natürlich dem Kern gar nichts weiter übrig, als gegenüber dem Mantel einen relativ hohen Temperaturunterschied aufzubauen, weil der Kern seine Wärme ja nicht durch Advektion in den Mantel abgeben kann. Er kann ja nicht rein konvektieren. |
[00:18:09] | Weil das leichte Zeug halt, weil das schwere Zeug ja unten bleibt. |
[00:18:12] | Genau das, ja. Und dementsprechend hast du genau das Gleiche wie an der Oberfläche auch. Die Erde kann ihre Temperatur ans Äußere ja nicht abgeben, indem sozusagen die Erde ins Universum hinaus advektiert, sondern nur noch, indem an der Oberseite sich eine Zone mit hohem Temperaturgradienten ausbildet. Und entlang des Gradienten kann ich dann die Wärme ableiten. Das Gleiche gilt für den Kern. Der Kern kann eigentlich seine Temperatur und seine Energie wirklich nur in den Mantel abgeben, indem sich an der Unterseite des Mantels jetzt wiederum eine solche Zone hoher Wärmeleitung, also Konduktion, ausbildet. |
[00:18:45] | Also sprich, indem der Kern abstrahlt. |
[00:18:47] | Indem der Kern dann da abstrahlt, genau das. |
[00:18:50] | Das heißt also, die Größe des Kerns hat nix damit zu tun, erstmal, wie da halt die Drücke sind, sondern hat mit der Menge an Eisen im Planet zu tun? |
[00:18:59] | Genau. |
[00:19:00] | Und dementsprechend gibt es natürlich manche Planeten, an denen wir denken, dass der Bereich des Eisens viel größer ist. Zum Beispiel die Vorstellungen für den Merkur sind, dass er einen wesentlich größeren prozentualen Anteil hat. Und bei der Erde ist es halt ungefähr so, dass man eben auf halbem Wege ins Erdinnere hinein eben den Kern hat. Das ist ungefähr das, was vom Volumen her dann für den Kern da war. |
[00:19:23] | Ja. Dieser Unterschied zwischen innerem und äußerem Kern, flüssig nach fest, der stand wahrscheinlich aber nicht sprunghaft, sondern das ist ein Kontinuum, das sich dann, weil ja da dann alles Eisen ist und damit quasi elementar gleich, da ändert sich dann eben nur der Druck. Und irgendwann mal gewinnt halt der Druck, wie wir vorhin gesagt haben. |
[00:19:40] | Ja, vermutlich. Wobei das im Prinzip mehr eine Erwartung ist, denn genau diese Zone des Überganges zu beproben, zum Beispiel durch seismische Wellen, ist extrem schwer. Das heißt also, wenn überhaupt, können wir das nur zu den Wellenlängen hin wissen und die Wellenlängen sind im Bereich von Zehnern von Kilometern. Das heißt, wir wüssten gar nicht, mit den Beobachtungen, die uns zur Verfügung stehen, ob solche Sachen noch viel schärfer oder nicht wären. Dementsprechend gibt es dazu alle möglichen Spekulationen. |
[00:20:13] | Okay. Ganz kurz zu dem Thema Experimente mit seismischen Wellen. Sollten wir vielleicht ganz kurz erklären, wie es funktioniert. Prinzipiell ist die Idee die, dass man irgendwo eine Welle einbringt, durch irgendeinen Stempel, Kompressor, Explosion, und die dann an verschiedenen Stellen an der Erde wieder einsammelt, darauf hört, sich das Wellenbild im Unterschied zum Original anguckt. Soweit ist glaube ich klar. |
[00:20:37] | Genau. Genau. |
[00:20:38] | Vielleicht auch mit natürlich auftretenden Explosionen, wenn man den Ort kennt, woher sie kommen. Die Frage ist jetzt: Wie kann man das ohne Bild halbwegs beschreiben, wie man aus solchen empfangenen Wellen jetzt irgendwas lernt über, zum Beispiel, flüssig, was ist fest, wie interpretiert man so was? |
[00:20:58] | Genau. Und zwar, also, wenn man die seismischen Wellen ein bisschen genauer hinweg anschaut, dann wird man feststellen, dass es im Wesentlichen vier Arten von Wellen gibt. Und zwar ist zum Ersten die Unterscheidung zwischen Oberflächenwellen und Raumwellen. Die Raumwellen können sich durch den ganzen Körper hinweg ausbreiten. Die Oberflächenwellen brauchen eine Oberfläche. In diesem Falle zum Beispiel die Erdoberfläche. Nun ist es aber auch so, dass diese beiden Wellen unterschieden werden können in Wellen, die primär Scheranteile haben und solche, die Kompressionsanteile haben. Wir nennen das bei den Raumwellen die so genannten P-Wellen und die so genannten S-Wellen. |
[00:21:36] | Scherwelle heißt in dem Fall, wenn wir mal auf der Erdoberfläche gucken, links – rechts quasi? |
[00:21:41] | Genau, die Welle breitet sich, sagen wir mal, in eine Richtung aus, aber die Bewegung innerhalb der Welle geht senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. |
[00:21:49] | Aha. |
[00:21:51] | Eine solche Welle braucht schlichtweg eine Scherfestigkeit im Körper, sonst kann sie sich nicht ausbreiten. |
[00:21:56] | Weil es sonst zu labberig wäre. |
[00:21:57] | Genau, es wäre einfach zu labberig. Die Welle hat gar keine Möglichkeit sich im Prinzip an irgendetwas aufzuhängen. Eine Druckwelle braucht das, die komprimiert einfach das Material. |
[00:22:06] | Die gibt es ja auch in Wasser und in Luft. |
[00:22:07] | Genau. Das heißt also, wenn wir uns zum Beispiel beide unterhalten, unterhalten wir uns nicht mehr in einer Scherwelle. |
[00:22:13] | Und dann ist es natürlich hinterher für einen Seismologen möglich, gerade wenn man…Wir haben vorhin gesagt, welche Quellen kann man nehmen? Die Quellen, die du angesprochen hast, sind menschliche Quellen, zum Beispiel indem man auf irgendetwas drauf haut oder zum Beispiel mit einem großen Fahrzeug versucht Vibrationen auszutun. Das wird im Augenblick gerade hier in München gemacht. Dann ist das natürlich etwas, was von der Energie her sehr gering ist. |
[00:22:39] | Die Wellen, die wir verwenden, um tief ins Erdinnere hinein zu schauen, sind eigentlich die großen Erdbeben. Wirklich also den großen Erdbeben, gerade den Erdbeben jenseits von fünf, sechs, sieben, kann man natürlich sehr viel über die tiefe Erde auch lernen. Wenn man sich dann solche Wellen anschaut, kann man zum Beispiel feststellen, dass in bestimmten Entfernungen, sogenannten Winkelentfernungen, epizentrale Distanzen, man muss sich das ja immer in einem Körper vorstellen bei der Erde, der ja rund ist. |
[00:23:06] | Ja, also sprich: Europa versus Afrika am gleichen Längengrad und wir messen an verschiedenen Breitengraden. |
[00:23:12] | Ja, ja, genau. Und da wäre es ja dann 30 Grad schon in der Winkelentfernung weg oder mehr. Und dann kann man zum Beispiel bei den Scherwellen Schattenzonen feststellen. Es gibt für bestimmte epizentrale Distanzen Bereiche, in denen dann einfach keine Scherwelle mehr ankommt, obwohl eine P-Welle zum Beispiel ankommt oder obwohl ich bei einer anderen epizentralen Distanz für das gleiche Erdbeben eine Scherwelle beobachte. Das war eine der frühen Beobachtungshinweise, dass es tief im Erdinneren einen Bereich geben muss, in dem sich Scherwellen nicht ausbreiten. |
[00:23:42] | Sprich: es kann nicht fest sein. |
[00:23:45] | Genau. |
[00:23:45] | Und wie kann ich jetzt nochmal von Winkelentfernung zurückschließen, in welcher Tiefe die Reflexion stattgefunden haben muss? Weil das hast du ja im Prinzip gerade gesagt. Wie, wo… |
[00:23:57] | Die Wellen gehen natürlich ins Erdinnere hinein, aber wie bei jedem anderen optischen Medium auch, wenn die Geschwindigkeiten mit der Tiefe zunehmen, dann werden die Wellen wieder heraus gebogen. |
[00:24:10] | Wie aus einem optischen Medium auch. Und dementsprechend sind also die Wellen, die in das Erdinnere hinein dringen, Wellen, die eigentlich immer wieder aus der Erde heraus gebogen werden. Sie gehen…zum Beispiel, hätten wir jetzt ein Erdbeben hier in München, dann würden sie sich also zum Beispiel ins Erdinnere hinein bringen, würden aber gleich wiederum aus dem Erdinneren heraus gebrochen werden an die Oberfläche und zum Beispiel irgendwo in Moskau raus kommen oder irgendwo in Nordafrika oder an anderen Orten. Und je weiter ich jetzt weg gehe, epizentral in der Distanz, umso mehr schaue ich auf Erdbebenwellen, die tiefer eingedrungen sind. |
[00:24:47] | Da muss ich aber irgendetwas über den Brechungsindex mit der Tiefe wissen. |
[00:24:49] | Genau. Das müsste ich dann heraus finden und das haben Seismologen in den letzten 100 Jahren sehr gut gemacht. Das heißt, man kann ja dann sehr systematisch vermessen. Wenn ich eine bestimmte Quelle habe, gucke ich mir eben bei jeder epizentralen Distanz die Ankunftszeit heraus und kann dann eigentlich ein Problem aufstellen, das ich auch lösen kann. Dass ich sagen muss: Wie muss die Tiefengeschwindigkeitsverteilung sein, damit ich das hinterher heraus kriege? |
[00:25:11] | Und die hängt letztendlich unter anderem vom Material, von seiner Dichte ab. Und dieses Scherwellen-versus-P-Wellen-Ding hat halt damit zu tun, dass, wenn ich Scherwellen gar nicht empfange, dann muss da irgendwo was sein, was flüssigkeitsmäßig… |
[00:25:23] | Genau. Und um das eben noch mal ganz deutlich zu sagen: Im Erdmantel ist eigentlich nichts flüssig. Mit ganz ganz wenigen Ausnahmen ist dort alles fest. Und wenn wir also von dieser Schattenzone sprechen, dann meinen wir wirklich den äußeren Kern. |
[00:25:36] | Okay. Okay. Die künstlichen Wellen, die wir mit Explosionen oder mit irgendwelchen Unimogs mit Stempeln dran produzieren, wie weit kommen wir da ungefähr runter? Eine Hausnummer? |
[00:25:46] | Vielleicht ein paar Kilometer. |
[00:25:48] | Also auch eigentlich Kindergarten für die geophysikalischen… |
[00:25:51] | Das macht man eigentlich, wenn überhaupt, eben für die Erdölexploration. Im Augenblick ist natürlich sehr viel für die Geothermie. Das heißt, da sind viele Sachen, in denen man natürlich dann da genau schauen kann. Nun tut man natürlich gerade bei solchen obeflächennahen Prospektionen oft natürlich sehr viel genauer anschauen. Das heißt, man nimmt höherfrequente Wellen. Die können dann natürlich viel feiner etwas abbilden, aber natürlich sind die Energien einfach nicht so hoch, dass sie dann sehr tief eindringen. |
[00:26:19] | Ja, okay. Wir haben schon gesagt, dass der Kern später mäßig, also vor allem, was seine Eigenschaften angeht, eben dominant aus Eisen besteht. Drastisch sozusagen mehr oder weniger egal. Aus was bestehen dann die weiter außen liegenden Schichten? Also haben wir schon gesagt: Silikate, Steine. Kann man das näher… |
[00:26:43] | Man kann es jetzt näher natürlich aufbringen. Also zunächst erstmal wichtig, die dominanten chemischen Komponenten sind Silizium, Magnesium, Sauerstoff. Die Mineralnamen, die man dafür verwenden könnte, zum Beispiel in den oberen paar hundert Kilometern in der Erde sind das zum Beispiel Minerale wie die sogenannten Olivine. Es gibt auch sogennante Pyroxene. Diese Minerale sind eigentlich das, was auch sonst zum Beispiel bei uns zu finden wäre an der Erdoberfläche. Wenn ich jetzt aber weiter ins Erdinnere hinein gehe, sind diese Kristallstrukturen nicht mehr stabil. Das heißt also, was eigentlich ab bestimmten Tiefen zu erwarten ist, ist, dass die Kristallstrukturen zusammen brechen, sich umformen, andere Strukturen annehmen. |
[00:27:33] | Ist das temperaturbedingt dann wieder, oder…? |
[00:27:35] | Druck. Vor allem druckbedingt. Und aus sehr vielen Vergleichen von seismischen Beobachtungen und dann Experimenten im Labor, in denen man zum Beispiel Olivine oder Pyroxene nimmt und sie zum Beispiel hohen Drücken aussetzt, hat man daraus gelernt, dass dann eine Mineralphase auftaucht, die wir das sogenannte Pyroxen nennen. Und das Pyroxen ist dann das, was eigentlich den allergrößten Volumenanteil des Mantels ausmacht, nämlich alles mehr oder weniger unterhalb von 600 Kilometern. Von 600 Kilometern bis zur Kern-Mantel-Grenze liegen dann eigentlich diese Vielzahl von anderen Mineralformen, die wir näher an der Oberfläche sonst stabil halten können, in diesen Pyroxen-Formen vor. |
[00:28:19] | Okay. Die nächste offensichtliche Frage ist natürlich die der Struktur des Mantels. Das wird ja keine homogene Masse ohne jedwede weitere Struktur sein. Aber ich würde das nochmal ein bisschen verschieben wollen und nochmal auf den Kern zurück kommen. Ich hatte eine Frage von einem Hörer: Was den Kern antreibt? Also, die Hitze, die da entsteht. Und, das ist glaube ich klar, dass das keine Radio-Atom-Reaktion ist wie in der Sonne. |
[00:28:50] | Sagen wir mal so, es ist nicht ganz klar. |
[00:28:53] | Okay. Dann ist es doch gar nicht so blöd, dass ich die Frage doch stelle. Ich wollte es gerade sagen, es ist halt der Druck und die Hitze und der macht halt das Eisen flüssig oder hart und das war es dann. |
[00:29:00] | Ja gut, aber damit ist man natürlich…hat man ja noch keine Energiequelle. Damit hat man ja nur gesagt: Ich war jetzt unter hohem Druck und sehr großer Wärme, aber der Kern muss ja in gewisser Weise auch sozusagen den Energieverlust, den er zum Erdmantel hin hätte, versuchen auszugleichen. |
[00:29:16] | Ich hätte jetzt einfach naiv gesagt, der verliert einfach Energie und irgendwann in 3,5 Millionen Jahren ist die Erde halt erkaltet und gut. Aber das ist vielleicht falsch. |
[00:29:23] | Ja und dafür gibt es natürlich eine Menge von sehr interessanten geophysikalischen Fragen, Aspekten und Beobachtungen. Und ich nenne mal ein paar. Das Eine ist natürlich, was könnte denn überhaupt den Kern antreiben? Was gibt es alles mögliches? |
[00:29:39] | Das Eine ist natürlich, da kann es eine Entmischung geben, denn natürlich die leichten Elemente im Proto-Kern, als es noch keinen inneren Kern gibt, sind natürlich überall gleichmäßig verteilt. Irgendwann natürlich fängt der innere Kern an sich auszubilden. Als Konsequenz geht natürlich auch dort jetzt wieder eine gravitative Entmischung vor. |
[00:30:00] | Ja, Sortierung nach Dichte oder Gewicht. |
[00:30:02] | Genau. Und das heißt also, eine der Ideen ist, dass das zum Beispiel ein wichtiger Anteil sein kann für das, was eigentlich den Kern sozusagen antreibt. Das Zweite ist, dass man natürlich sich auch genauso vorstellen kann, bei jeder Phasenreaktion sind natürlich auch latente Wärmen, die frei werden. |
[00:30:20] | Exotherm. |
[00:30:21] | Und das heißt also einfach: Indem ich einen festen Kern, einen festen inneren Kern erzeuge, wird natürlich auch da wieder latente Wärme frei. |
[00:30:29] | Weil sich das flüssige Eisen zum Beispiel zu Eisen-irgendwas-Oxid umwandelt. Ich habe keine Ahnung von dem Zeug. Das war gerade… |
[00:30:35] | Genau. Nicht Eisenoxid, aber einfach zu einem festen Eisen. |
[00:30:38] | Aber festes Eisen, passiert da, ist es nicht einfach so, dass es durch die…was passiert da eigentlich? Also was passiert, wenn Eisen aus flüssiger…ist das nicht eine Änderung vom Aggregatzustand? Warum passiert da…aber warum passiert da, was hat das mit der chemischen Reaktion zu tun? |
[00:30:50] | Was hat das…nein, nicht mit einer chemischen Reaktion, sondern mit einer latenten Wärme. Da wird ja eine latente Wärme frei. |
[00:30:55] | Weil es abkühlt. Dadurch wird es fest, ja okay, klar, so rum. Ja, okay. |
[00:30:58] | Und auch das könnte einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus ist es nicht geklärt, ob zum Beispiel nicht doch radioaktive Elemente im inneren Kern, nein im äußeren Kern wichtig sind, also ob einfach auch eine erhebliche Energiemenge dadurch geleistet wird, dass eben dort Zerfallsprodukte bestehen. Das ist eine relativ schwierige Frage zu beantworten, weil es natürlich chemische Betrachtungen gibt. Die Chemiker sagen uns, es ist eigentlich von der Art der Verbindungen her unwahrscheinlich, dass sich zum Beispiel die typischen radioaktiven Elemente Potassium oder Uran oder anderes überhaupt in den Kern hinein bringt. Das ist aber eine schwierige Frage, weil es damit zu tun hat, hat sich der Kern unter flüssigen Bedingungen gebildet oder unter festen Bedingungen? Das ist eigentlich, wenn man da hinein bohrt, eine sehr sehr spannende Frage. |
[00:31:48] | Im übertragenen Sinne “hinein bohren”. |
[00:31:50] | Genau. Im übertragenen Sinne. |
[00:31:51] | Gefährlich. |
[00:31:52] | Ich will damit einfach nur sagen: Das ist eigentlich eine sehr spannende Frage, bei der sehr viele sehr kluge Gedanken geäußert werden. Es gibt aber gerade zum inneren Kern in meinen Augen eine sehr sehr schöne Sache, die ich auch immer in der Vorlesung nenne. Und zwar kann man sich ja ein bisschen fragen: Wenn es einen inneren Erdkern gibt, hat sich dann eigentlich zu dem Zeitpunkt die Temperatur im Kern selber dramatisch verändert seit dem Zeitpunkt, dass es den inneren Kern gibt? Und die Antwort ist erstaunlicherweise nein. Und zwar ganz einfach: Wenn man morgens zum Beispiel Wasser kocht über dem Ofen, dann verdampft natürlich eine mögliche Menge von Wasser, während man das tut. Trotzdem bleibt aber die Temperatur innerhalb des Topfes bei 100 Grad. |
[00:32:36] | Bis der Phasenübergang abgeschlossen ist. Der Kern befindet sich im Prinzip in einem äquivalenten Zustand. Er hat beide Phasen da, er hat das Flüssige und er hat das Feste. Und so lange dieser Phasenübergang nicht vollständig abgeschlossen wird, also sozusagen der gesamte Kern fest geworden ist, bleibt eigentlich die Temperatur zunächst erstmal wirklich an diesem Fixpunkt aufgehängt. |
[00:32:58] | Mit einer leichten Korrektur für eine Adiabate, die man sich da hinein denken muss. Aber im Prinzip bedeutet das, dass eigentlich, solange der innere Erdkern besteht, sich die Temperatur des Kernes selber gar nicht so viel verändert haben kann. Jetzt kommt man aber natürlich auf die Frage, die stelle ich mal einfach für dich: Wie lange gibt es den inneren Kern? |
[00:33:16] | Genau, wie lange gibt es den schon? |
[00:33:17] | Und die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Es gibt sehr sehr unterschiedliche Vorschläge. Es gibt zum Beispiel auf der einen Seite Betrachtungen zur Energie, die würden dann was sagen. Wenn ich im Augenblick sehr sehr viel Wärme aus dem Kern heraus nehme, die muss ja dann zum Beispiel durch latente Wärme oder anderes eben auch wieder erneuert werden. Dann würde das zu einem sehr schnellen Wachsen des inneren Kerns und umgekehrt aus der Schlussfolgerung dann zu einem jungen Alter führen. Es gibt aber auch Vorstellungen, das ist auch genauso interessant und spannend, dass man sagt, dass eigentlich für die Form des Magnetfeldes, vor allem diesen starken Dipol, den die Erde hat, ein innerer Kern notwendig ist. Nun gibt es aber Beobachtungen, zum Beispiel von sehr alten Gesteinen aus Bereichen, die weit weit in die Erdgeschichte zurück gehen, die sagen, dass es auch schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ein im Prinzip dem heutigen Feld nicht unähnliches Erdmagnetfeld gab. Daraus würde man jetzt umgedreht wieder schließen, dass der innere Kern gar nicht mal so jung ist, sondern im Gegenteil relativ alt sein muss. |
[00:34:18] | Also sprich: Eine langsame Reaktion stattfinden muss. |
[00:34:20] | Genau. Und da steht im Augenblick die Forschung. Wir wissen es nicht wirklich, aber beide Sachen haben interessante Argumente jeweils für sich. |
[00:34:29] | Da muss ich an drei Stellen kurz nachhaken. Erstens: Woher wissen wir irgendwas über das Erdmagnetfeld? Indem wir Steine angucken? Hast du gerade erwähnt. |
[00:34:36] | Genau. Wir schauen im Wesentlichen Gesteine an, Gesteine frieren das Erdmagnetfeld ein durch etwas, was wir die so genannte Curie-Temperatur nennen. Und zwar, wenn ein Gestein sehr heiß ist, dann hat es natürlich so viel innere Molekularbewegung, dass es natürlich das Magnetfeld nicht wirklich einfrieren kann, auch wenn es natürlich jeweils sozusagen sich in einem Feld befindet. Aber ab einer bestimmten Temperatur, unterhalb der kann es das jeweils umgebende Magnetfeld einfrieren. Das sind ungefähr so 500-600 Grad für typische Gesteine. |
[00:35:10] | Da richtet sich irgendwas irgendwie aus. |
[00:35:12] | Genau. Und dann kann so etwas potenziell über geologische Zeiträume erhalten bleiben. Hier in München am Lehrstuhl haben wir eine sehr sehr lange Tradition durch meinen Vorgänger Professor Soffel, der sich sehr sehr stark mit Gesteinsmagnetismus beschäftigt hat. Es gibt auch ein Observatorium hier in München, das sich sehr stark mit dem Erdmagnetfeld beschäftigt. Auch Laboratorien, in denen das sehr genau untersucht wird. Und diese Art von Gesteinsuntersuchungen haben ja unter anderem auch damals in den 60er-Jahren, als die Plattentektonik sozusagen revolutionär anerkannt wurde, zu einem großen Teil darauf beruht, dass man merkte, dass der Ozeanboden zum Beispiel diese regelmäßigen Abfolgen von verschiedenen Magnetisierungen hat. Positiv – negativ – positiv – negativ. Man nennt das so ein bisschen Tonbandstruktur auf dem Ozeanboden, die einfach dadurch stattfindet, dass natürlich Ozeanboden sich am Rücken bildet, zur Seite weg wandert, das Feld dreht sich zwischenzeitlich um und dementsprechend wird eine andere Polarität eingefroren. Und das ist also etwas, was man sehr sorgfältig untersuchen kann. In Ozeanen ist das vergleichsweise jung. Die Ozeane sind ja im Schnitt nicht viel mehr als 100-200 Millionen Jahre alt von ihren Gesteinen her. Die Kontinente sind wesentlich älter. Es gibt Bereiche in den Kontinenten, die gehen bis zweieinhalb oder drei Milliarden Jahre zurück. Auch in solchen sehr alten Teilen des Kontinents findet man magnetisierte Gesteine und aus denen kann man dann natürlich Rückschlüsse über das Magnetfeld zu sehr frühen Zeiträumen machen. |
[00:36:48] | Jetzt können wir natürlich fragen: Woher wissen wir, dass Steine alt sind? Und können dann damit den Zeitstempel für das Magnetfeld definieren. Aber wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht völlig vom Hundertsten ins Tausendste kommen. |
[00:36:57] | Dann sagen wir dazu nur ganz kurz, dass man das natürlich über solche sogenannten radioaktiven Zerfallsreihen sagen kann. |
[00:37:02] | Okay, alles klar. Und ich glaube, das Stichwort sagt den meisten was. |
[00:37:04] | Genau und dann wissen die meisten auch wahrscheinlich, wo das hingehen wird. |
[00:37:06] | Nochmal ganz kurz zum Kern. Du sagtest: “…den Kern antreiben”. Was passiert da außer dieser Advektion, wie wir gesagt haben, wo sich Material austauscht und wo sich auch aufgrund der Dichteunterschiede das Leichte nach außen…der innere Kern wird fetter. Das ist das, was da passiert. |
[00:37:22] | Genau. Das ist im Wesentlichen eine große Konvektionsströmung, so nehmen wir das an. Also auch nicht viel anders als im Prinzip in den Ozeanen auch. Dichteunterschiede treiben da sehr sehr große Konvektionsströme an. Vielleicht der Unterschied natürlich zu den Ozeanen. Zwei sind natürlich evident. Das Eine ist: Der Ozean ist für seine räumliche Ausdehnung vergleichsweise flach. Die Ozeane sind tausende von Kilometern weit, aber natürlich nur im Schnitt vielleicht zwei, drei, vier Kilometer tief. Der Kern ist fast genauso tief, wie er sich räumlich ausdehnt. Das Zweite ist, dass natürlich der Kern, dadurch, dass er elektrisch leitend ist, da natürlich auch elektromagnetische Kräfte aushalten muss. |
[00:38:01] | …die er sich selber quasi auferlegt. |
[00:38:03] | …die er sich…genau, die er sich selber auferlegt. |
[00:38:06] | Und natürlich auch Ursache für das Erdmagnetfeld ist. Das kommt später nochmal, deshalb frage ich da jetzt auch nicht weiter. Das heißt, wir gehen jetzt in unserem Gespräch davon aus, dass da innen drin radioaktive Reaktionen stattfinden, oder nicht? |
[00:38:21] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:22] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:23] | Wir wissen einfach nur, dass es vermutlich – nicht vermutlich, es ist offensichtlich – offensichtlich gibt es genug Energiequellen, die die Konvektionsströme anhalten oder antreiben können, so dass das Magnetfeld als solches erhalten bleibt. Denn wenn ich jetzt die Konvektionsströme ausstellen würde, also wenn sich ab morgen jetzt nichts mehr bewegen würde, dann würde natürlich auch das Magnetfeld langsam abklingen. Es würde nicht sofort abklingen, es würde also nicht sofort zu Null gehen, sondern der Kern hat natürlich ein gewisses Erinnerungsvermögen, vor allem dadurch, dass die Magnetfelder natürlich in den inneren Kern hinein diffundieren. Und dort würden sie natürlich eine Weile lang sozusagen wiederhallen, bis dann natürlich auch dort das dann langsam weg diffundiert. Das sind ungefähr Zeitgrößen von der Größenordnung vielleicht ein paar Tausend Jahre. |
[00:39:09] | Da frage ich jetzt nicht weiter, weil wir kommen später nochmal auf das Magnetfeld zurück. Die Frage, warum ich gerade nochmal Richtung Nuklearreaktionen gekommen bin, war eben eine Folgefrage, hier wo die Spaltprodukte, sofern es denn welche gibt, wo die hingehen? Sprich: Ist der Kern radioaktiv? Es gibt ja Radon-Gas, das da irgendwie ja nach oben geht. Frage ist aber: Kommt das aus dem Kern oder kommt das aus anderen Schichten? |
[00:39:31] | Nein, also das Radon-Gas, was man an der Oberfläche sieht, das ist vergleichsweise immer in sehr oberflächennahen Schichten der Kruste. Weil man eben immer sagen muss: Die Kruste ist der Teil, der eben chemisch leichter ist als der darunter liegende Mantel. Auch das ist in der Grundvorlesung immer für die Studenten ein gewisser Hiccup. Die Lithosphäre wird definiert rein über eine Temperatur und eine Festigkeit. Da mache ich keinen Unterschied, ob das im Prinzip ein leichtes Gestein ist oder ein schweres Gestein. Die Kruste ist eine Definition nur über die Dichte. |
[00:40:02] | Was ist nochmal das größere? Die Lithosphäre ist ein Teil der Kruste oder die Kruste ein Teil der Lithosphäre? |
[00:40:05] | Die Kruste ist ein Teil der Lithosphäre. |
[00:40:06] | Okay, alles klar. |
[00:40:07] | Das heißt: Innerhalb der Lithosphäre gibt es dann die Kontinente. Also, zum Beispiel, wenn wir uns die afrikanische Platte anschauen, dann sehen wir, dass die afrikanische Platte umgeben ist von vielen ozeanischen Bereichen. Die sind immer noch Teil derselben afrikanischen Lithosphäre, nur im Zentrum steckt der afrikanische Kontinent und dieser Kontinent kann deswegen an der Oberfläche so lange bleiben, weil sein Material wirklich leichter ist. So und in diesen Krustenmaterialien sind natürlich radioaktive Elemente etwas angereichert. Und der Zerfall dieser Elemente führt dann natürlich zum Rausgeben von Radon-Gas. Vermutlich müssten und wären Spaltprodukte auch im Kern vorhanden, nur sind halt so weit von uns weg, dass wir…wir würden es nie wissen. |
[00:40:51] | Ja. Wie schnell sind denn diese advektiven Strömungen? Kann man sich das irgendwie vorstellen? |
[00:40:57] | Das ist eine sehr schöne Frage. Und zwar müssten oder könnten wir unterscheiden, ob man die advektiven Ströme im Mantel anschaut oder die advektiven Ströme im Kern. |
[00:41:07] | Gucken wir gerade mal im Kern, über den reden wir glaube ich gerade mehr oder weniger. Und dann… |
[00:41:10] | Genau und im Kern ist es zunächst erst mal überhaupt nicht einfach, irgendetwas dazu zu sagen. Denn die Frage, die Geschwindigkeiten von solchen advektiven Strömungen haben müssten, ist natürlich eine Frage: Wie hoch ist die Viskosität? |
[00:41:24] | Ja, genau. |
[00:41:25] | Und die Viskosität, also die Scherfestigkeit… |
[00:41:28] | Der Widerstand… |
[00:41:28] | …der Widerstand zur Deformation, der ist natürlich für Eisen unter diesen Temperaturen und unter diesen Drücken gar nicht mal so leicht wirklich quantitativ feststellbar. Man kann aber natürlich sagen, das Eisen wäre geschmolzen. Und dann wäre es vielleicht so wie geschmolzenes Eisen an der Oberfläche auch. Das ist aber nicht klar, ob das unter den Drücken wirklich der Fall wäre. Dementsprechend muss man zunächst erst mal definieren, dass es gar nicht klar ist, wie hoch die Viskosität wäre. Das ist eine sehr spannende geodynamische Frage, die wir eigentlich nicht wirklich beantworten können. |
[00:41:56] | Es gibt aber ein ganz faszinierendes Phänomen. Und zwar das, dass das Erdmagnetfeld auf den – sozusagen neben dem großen Dipolfeld Unterstrukturen aufweist, die auch sehr genau kartiert sind. Also sogenannte räumliche Variationen, die dann nicht mehr axensymmetrisch sind. Und diese räumlichen Bewegungen wurden relativ früh, als die Menschen sich in der Aufklärung mit dem Magnetfeld beschäftigt haben, festgestellt. Und dabei hat man festgestellt, dass manche dieser räumlichen Anomalien sich bewegen. Gerade auf der afrikanischen Hemisphäre bewegen sie sich nach Westen. Und es gibt mehrere solcher Anomalien, die man also ganz eindeutig im Laufe der Hunderten von Jahren westwärts hat sehen können. |
[00:42:48] | Jetzt kann natürlich der Hörer fragen: Woher wissen wir das? Die britische Marine hat im 17. und 18. Jahrhundert versucht, diese Art von Anomalie zur Navigation zu verwenden. Und hat dementsprechend systematisch Protokolle geführt für jedes Schiff, was irgendwo hin ging. Jeden Tag wurde eine Magnetfeldmessung gemacht. |
[00:43:07] | Und heute macht das das Militär zum U-Boote-Erkennen. |
[00:43:09] | Genau. |
[00:43:09] | MADs. |
[00:43:10] | Und diese Aufzeichnungen sind nach wie vor vorhanden und sind von Kollegen, wie zum Beispiel meinem Kollegen Bloxham an der Harvard Universität, dazu verwendet worden, diese Magnetfeldbewegungen in der Zeit rückwärts zu rekonstruieren. Und aus den Bewegungsraten würde man schließen, dass das sich im Bereich von Zehnern von Kilometern, vielleicht Hundert von Kilometern pro Jahr sein müssen. |
[00:43:36] | Okay, das ist ganz schön ordentlich. |
[00:43:37] | Also das ist schon ganz schön ordentlich. |
[00:43:39] | Okay. Die Drücke im Kern simulieren oder hier auf der Erde erzeugen mit irgendwelchen Pressen, Experimenten, irgendwas, können wir vergessen? |
[00:43:48] | Im Kern ist es wirklich schwer. Für den Rest des Erdinneren, gerade für den Mantel, sind in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden. Und zwar ist ja ein Druck zunächst nichts weiter als eine Kraft pro Fläche. |
[00:44:04] | Das heißt also, wenn ich die Fläche klein mache, kann ich auch für relativ gegebene Kräfte hohe Drücke erzeugen. Eines der berühmtesten Institutionen dafür überhaupt in der Welt ist das Bayerische Institut für Geowissenschaften, das BGI in Bayreuth. Dort sind sehr große Pressen, entweder wirklich große Pressen, in denen man dann auch relativ voluminöse Proben vielleicht zu einem Kubikzentimeter hinweg hohen Drücken aussetzen kann. Ansonsten macht man das in sogenannten Diamantstempelzellen, in denen man also Diamanten aufeinander drückt und dann vielleicht so im Bereich von ein paar Mikrometern versucht, Proben auseinander zu nehmen. Und dort kann man dann wirklich Drücke erzeugen, die, sagen wir mal, im Bereich von 1000, 2000, 2500 Kilometer Tiefe entsprechen. Und viele unserer Vorstellungen, wie die Mineralogie im Erdinneren funktioniert, basieren auf solchen Experimenten. |
[00:45:00] | Okay, also man kann da sozusagen Reaktionen auf diesem kleinen Raum simulieren und dann eben die Mineralogie verstehen, aber irgendwelche dynamischen Prozesse gehen mit solchen kleinen Zellen natürlich nicht. |
[00:45:13] | Ja. Und zwar, A natürlich, weil die dynamischen Prozesse auf viel viel größeren Räumen hinweg ablaufen. Das ist das Eine. Das Zweite ist natürlich auch: Diese Deformationen, denen man dort solche Materialien aussetzen würde, sind natürlich jenseits von allen Deformationsraten, die geologisch sinnvoll sind. |
[00:45:31] | Ah ja, klar. |
[00:45:32] | Das ist immer das, was auch einen erwischt, dass man im Prinzip denkt: Naja, ich kann doch jetzt so ein Ding mal einfach kurz zusammen pressen. Das ist aber nicht, was in der Erde stattfinden würde. Die Erde würde sich dazu eine Millionen Jahre Zeit nehmen und dann würden unter Umständen andere Deformationsmechanismen… |
[00:45:45] | …weil sich gewisse Dinge ausgleichen können und ausrichten. |
[00:45:48] | …genau das. Ja. Und deswegen sind viele dieser Experimente immer nur sehr indirekt übertragbar auf das, was wirklich stattfindet. Das ist eigentlich der Grund, wenn wir hinterher zum Schluss noch hin kommen, warum man Computersimulationen macht. Weil natürlich hinter solchen Sachen wirklich letztendlich in den entsprechenden Parameter-Regimen irgendwann numerisch abgehandelt werden müssen. |
[00:46:09] | Nochmal ganz kurz die Frage zu diesen magnetischen Anomalien in der Erde, wo ich kurz erwähnt habe, dass das Millitär diese Daten ganz gern hätte um dann Störungen in diesem Feld wieder als Signal für U-Boote zu identifizieren. Gibt das Militär diese Daten raus? Also gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Militär und Geologen, um dieses zu kartieren? |
[00:46:32] | Normalerweise wenig. Denn also, viele solcher Sachen sind natürlich zurecht unter Verschluss. Manchmal hört man natürlich was, aber das ist etwas, in dem natürlich in gewisser Weise Forschung und militärische Anwendung schon relativ strikt getrennt sind. |
[00:46:47] | Okay. Das heißt im Endeffekt Doppelarbeit. Die Forscher machen das Gleiche, um…ja, okay, alles klar. |
[00:46:51] | Ja. |
[00:46:53] | Lass uns mal ein bisschen über das Erdmagnetfeld reden. Das haben wir jetzt schon so oft erwähnt, ich kann es nicht weiter verschieben. Es entsteht dadurch… |
[00:47:01] | Oh! Es…ja. Also, ich kann eine im Prinzip abweisende Antwort geben. Es entsteht dadurch, dass es Gleichungen gibt, die das Magnetfeld schlichtweg aus der Bewegung heraus hervorsagen. |
[00:47:15] | Also das ist irgendwie hier da der Kollege Lorentz, oder? |
[00:47:17] | Genau. Das heißt also, letztendlich bewegen sich natürlich dort wie bei den Lorentz-Kräften auch, hinterher elektrische Leiter und damit wird dann durch einen komplizierten Dynamo-Prozess, wie am Fahrrad auch, ein Dynamo erzeugt. Letztendlich ist es nicht sehr intuitiv, das wirklich zu beschreiben. Man muss im Prinzip eine Lösung der Gleichungen herbeiführen. |
[00:47:38] | Aber es ist genau der Prozess einfach. Es bewegen sich geladene Teilchen, die produzieren ein Magnetfeld. Das steht im Physikbuch, warum das so ist. |
[00:47:44] | Genau. Ja. Und erst dann spezifisch durchzuteilen ist im Prinzip letztendlich das Ergebnis der letzten 20 Jahre. Vor ungefähr 20 Jahren, ziemlich genau, ich glaube 1995, war einer meiner Doktorväter, der Herr Glatzmaier, einer der Ersten, der in einem 3D-sphärischen Computermodell ganz selbstkonsistent ein Magnetfeld für den Erdkern hat berechnen können. Das dann einfach aufgrund der Strömung…es gibt also eine Energiequelle, die führt zu Strömungen, die Strömungen erzeugen dann die Bewegungen. Diese Bewegungen führen dann über Lorentz-Kräfte und anderes dazu, dass sich das Magnetfeld entwickelt. Das war also damals eine ganz ganz beeindruckende Leistung, die auch sicher für später im Prinzip in den Bereich von Nobelpreisen gehört. Auch Einstein hat damals eigentlich im 20. Jahrhundert gesagt, das Verständnis des Magnetfelds ist eines der zehn wichtigsten physikalischen Probleme des 20. Jahrhunderts. Und war also natürlich eine ganz außergewöhnliche Leistung. |
[00:48:44] | Heute gibt es natürlich viele von solchen Computermodellen, in denen man versucht, genaue Einzelheiten dieser Magnetfeldentstehung zu machen. Das ist aber ein relativ komplexer Prozess, der nicht so einfach intuitiv zu verstehen ist. |
[00:48:56] | Aber ohne flüssigen Kern kein Magnetfeld, weil ohne Bewegung kein Magnetfeld. |
[00:49:00] | Genau. Genau das. Das braucht man. Das heißt also, man braucht wirklich Strömungsbewegungen innerhalb eines relativ großen planetaren Körpers, um dann hinterher solche Magnetfelder zu erzeugen. |
[00:49:10] | Und die Tatsache, dass das Magnetfeld eine Ausrichtung hat und sich nicht durch viele kleine Magnetfelder irgendwie wieder auflöst – aufhebt, wollte ich sagen – heißt ja, dass die Strömung in irgendeiner Art und Weise im Kern gerichtet sein muss. |
[00:49:22] | Genau. Da gibt es auch ein paar Sachen, die vielleicht wiederum etwas überraschend und unintuitiv sind. Wir beobachten das Magnetfeld ja eigentlich aus einer erheblichen Entfernung. Wir sind ja 3000 Kilometer weg. |
[00:49:34] | Und das heißt also, wenn man jetzt eine mathematische Analyse anwenden würde, indem man zum Beispiel jetzt einfach extrapoliert, wie das Magnetfeld zunehmen müsste pro Kugelfunktionsgrad – das ist jetzt ein technisches Wort, was ich verwende. Aber im Prinzip pro Struktur. Dann nimmt das für die verschiedenen Komponenten im Magnetfeld, die feinen und die langwelligen, unterschiedlich stark zu. Und wenn ich das jetzt extrapoliere direkt an die Kern-Mantel-Grenze, ist an der Kern-Mantel-Grenze wesentlich mehr feinskalige Struktur. Das ist zum Beispiel das Erste, was man sich klar machen muss. Wir sehen diesen großen Dipolanteil des Feldes nur deswegen so dominant, weil wir eben 3000 Kilometer weg sind und viele dieser kleineren Anteile sind eigentlich da schon… |
[00:50:18] | …haben sich schon ausgeglichen. |
[00:50:19] | …haben sich schon ausgeglichen, ja. |
[00:50:21] | Und dann ist natürlich das Zweite, dass es natürlich im Kern auch im Prinzip eine gewisse Motivation gibt, große Ströme auszubilden, weil der Kern die Rotation der Erde sehr deutlich mitkriegt. |
[00:50:32] | Ah ja klar, logisch. |
[00:50:34] | Und dann kommen natürlich Rotationsbewegungen hinein, die im Prinzip zu einer gewissen Überorganisation der Konvektionsströme führen, die dann wiederum helfen, lange Strukturen eben besonders auszubilden. |
[00:50:47] | Ist dann vielleicht die Rotation ein Teil der Energie, die da im Kern dann halt verbraten wird? Weil da wird ja durch die Rotation Reibung erzeugt und so weiter. |
[00:50:54] | Die Reibungen sind aber zu vernachlässigen. |
[00:50:56] | Das ist einfach was, was an Reibungskräften im Kern drin ist, ist so gering, dass das hinterher eigentlich dafür keine wirkliche Rolle spielt. Aber die Rotation ist natürlich wichtig für die Art, welche Geometrien von Konvektionsströmen sich überhaupt ausbilden können. |
[00:51:11] | Die Tatsache, dass wir da flüssiges Material haben, das sozusagen schwappt – sage ich mal – bremst das die Rotation dann mit ab oder ist das aufgrund des gleichen Arguments mit der irrelevanten Bewegung auch egal? |
[00:51:22] | Das ist vergleichsweise irrelevant. |
[00:51:23] | Okay. Wenn jetzt der innere Kern, der feste, größer wäre, dann würde weniger flüssiges Zeug da in der Gegend herum advektieren. Das würde bedeuten, wir hätten ein kleineres Magnetfeld? |
[00:51:35] | Ja. Also wenn man einfach die Stärke, das ist natürlich nicht ganz offensichtlich, aber wenn man jetzt mal naiv sagen würde, das hängt im Prinzip mit dem Volumenanteil zusammen. Wenn natürlich erstmal der gesamte Volumenanteil aufgebraucht ist und es gibt nur noch einen festen Kern, dann gibt es natürlich auch kein Magnetfeld. |
[00:51:50] | Und dieses Rumdrehen des Erdmagnetfeldes und das Wandern des Pols…als Flieger weiß man, dass man alle paar Jahre neue Missweisungstabellen haben muss, weil sich wieder irgendwas verschoben hat. |
[00:52:02] | Genau, genau. |
[00:52:02] | Woher kommt das? Hängt das auch damit zusammen, dass da irgendwas anders strömt und dadurch sich das Magnetfeld anders ausrichtet? |
[00:52:09] | Also auf der einen Seite gibt es diese sogenannten säkularen Variationen. Also der Winkel des Magnetfeldes relativ zur Rotationsachse varriert so ein bisschen, so ungefähr zehn Grad oder so etwas. Das ist das, was du vorhin angesprochen hast. Das hat einfach damit zu tun, dass eben die Konvektionsströme sich ein bisschen verändern. Die Umpolarisierung des Feldes, dass also Nord Süd wird und Süd wird Nord, ist zunächst erstmal nicht unbedingt mit einer Umorientierung der Strömungen in Verbindung zu bringen, weil natürlich die Lösung, die mathematische Lösung der Gleichung ist für B- oder B+ … B ist das Magnetfeld – hinterher genau das Gleiche. Das heißt also, es ist erstmal nicht unbedingt zu erwarten…da muss man natürlich vorsichtig sein, das muss man natürlich im Computermodell auch noch mehr verifizieren, dass erstmal die Strömungen sich dramatisch umändern, sondern leichte Veränderungen in der Strömung können dann einfach dazu führen, dass auf einmal B- hinterher eine gleiche Lösung darstellen würde, wie es vorher B+ getan hätte. |
[00:53:12] | Das heißt, man kann auch nicht wirklich vorhersagen, wann oder wie oft sich das Erdmagnetfeld rumdreht? |
[00:53:19] | Nein, man kann natürlich in die Vergangenheit zurück gucken und… |
[00:53:21] | …wieder Steine, tralala. |
[00:53:23] | Genau. Und da sieht man, dass das so im Schnitt typischerweise so 100000 oder 1 Million Jahre für lange Zeiten hinweg war. Es gibt dann ganz besondere Perioden, die sind nicht besonders gut verstanden, die sogenannten Super-Chrons – Chron ist eine Zeiteinheit -, in denen sich das Magnetfeld manchmal für 30, 40 Millionen Jahre nicht mehr umpolt. Die letzte berühmte solche fand in der Kreidezeit statt, also als die Dinosaurier noch auf der Erde waren, gab es einen gewissen Zeitraum, in dem 30, 40 Millionen Jahre lang sich das Erdmagnetfeld überhaupt nicht mehr umgepolt hat. Die Vermutung, woran das liegt, ist, dass sich zum Beispiel an der Kern-Mantel-Grenze dort bestimmte Zustände ausbilden, die dann besonders begünstigen, dass das Magnetfeld stabil ist. Das ist aber auch nicht gut verstanden. |
[00:54:11] | Gibt es Vermutungen, wann sich jetzt quasi aus unserer Sicht das nächste Mal die Kompasse umkehren müssen? |
[00:54:18] | Nein, man müsste im Prinzip natürlich sagen, wenn ich es jetzt weiter extrapoliere von den vergangenen Raten, könnte ich sagen, wann ich es erwarten würde. Auch dort gibt es zum Beispiel etwas, was oft in den Nachrichten genannt wird. Es gibt im Augenblick eine relativ starke Abnahme des Magnetfelds, das hast du vielleicht auch mal gelesen, dass das zum Beispiel in den Zeitungen drin steht. Diese Abnahme kann man natürlich quantifizieren und kann sich fragen: Hat die einfach damit zu tun, dass das Magnetfeld zum Beispiel irgendwie seine Energie verloren hat und das klingt jetzt nur noch ab? |
[00:54:49] | Achso, dass gar kein neues entsteht? |
[00:54:53] | Genau. Das wäre ja eine Hypothese, die man machen könnte. Dem ist aber nicht so. Die Abfallrate ist so stark, dass das eigentlich ein aktiver Prozess sein muss und das heißt also, das Magnetfeld nimmt im Augenblick in der Amplitude einfach nur deswegen ab, weil der Dipolanteil – also Nord-Süd – sich im Augenblick versucht unter Umständen umzudrehen. Das geschieht aber so häufig und selten klappt es dann wirklich, dass es nicht klar ist, ob dieser Prozess einfach vielleicht nach 100 Jahren auch wieder aufhören wird. |
[00:55:18] | Sprich, das ist kein sicheres Anzeichen dafür, dass wir… |
[00:55:20] | Es ist nicht klar, dass das hinterher eine volle Umpolung werden wird. So etwas nennt man dann manchmal die sogenannten Exkursionen. Das heißt, das Magnetfeld versucht, so eben in der Exkursionsform auf die andere Seite zu kommen, schafft es aber nicht und geht dann wieder zurück. |
[00:55:34] | Okay. Aber es ist kein akutes Thema? |
[00:55:37] | Ich würde es nicht als akut nennen. Mit einer Ausnahme, und zwar, wenn man sich zum Beispiel dann die Raumfahrtprogramme anschaut. Der Ort, an dem das besonders dramatisch im Augenblick geschieht, ist der Südatlantik. Und zum Beispiel die Astronauten – ich unterrichte auch ein bisschen manchmal Geophysik für die europäischen Astronauten… |
[00:55:59] | Cool. |
[00:56:00] | …dass man da also zum Beispiel besonders aufpassen muss für die Einwirkung von elektrischen Strahlungen auf entweder die Satelliten selber oder die Raumschiffe selber. |
[00:56:10] | Weil das Magnetfeld die natürlich weg hält. |
[00:56:12] | Genau. Und an dieser Stelle im Südatlantik ist der halt besonders gering und da hat es ganz praktische unmittelbare Auswirkungen, wo man auch dran denken muss, wo auch zum Beispiel regelmäßig bei der Planung von Satellitenbahnen dran gedacht wird: Wie muss man das bauen, dass das eben unter Umständen solche Sachen aushalten kann? Und dieser Bereich, gerade im Südatlantik, der ist also sehr sehr bekannt und sehr berühmt. |
[00:56:34] | Interessant. Lass uns mal über den Mantel reden, über den Kittel, die Jacke, haha. Was passiert da? Erstmal vielleicht die Struktur, haben wir ja gesagt, es gibt Kontinente, es gibt diese großen Platten. Fang du mal an mit der Struktur. |
[00:56:50] | Ja, ja. Gut. Zunächst erstmal natürlich muss man sich überlegen: Was wissen wir über den Mantel und woher wissen wir es? |
[00:56:57] | Das meiste, was wir eigentlich über den Mantel wissen, ist aus der Seismologie. Das Ausbreiten von seismischen Wellen. Und diese seismischen Wellen geben uns natürlich hinterher im Zusammenhang mit Überlegungen – Welche Mineralien könnten das denn überhaupt sein? – eine gewisse Vorstellung über die Drücke und die Temperaturen. Aus dem kann man abnehmen, dass ein großer Teil des Mantels in gewisser Weise erster Größenordnung eine im Prinzip gut durchmischte Chemie hat. Das heißt also, das ist ziemlich uniform. Dieses sogenannte Pyrolit, was ich vorhin gerade genannt hatte. |
[00:57:33] | Nun müssten aber eigentlich in so einer Struktur – ich habe vorhin schonmal naiv gesagt – Planeten sind einfach zu groß, um ihre Temperaturen einfach oder ihre Energie über Konduktion, Wärmeleitung, abzugeben. Sie müssten eigentlich konvektieren. Jetzt kann man ein bisschen genauer darüber nachdenken: Wie geschieht so etwas eigentlich? Und dazu hat man natürlich lange immer Laborexperimente gemacht. Heute macht man natürlich viel auch Computerexperimente. Und da kann man ein bisschen besser verstehen, wie das eigentlich technisch ablaufen muss. Und zwar, direkt an der Oberfläche, wo natürlich die Erde im Kontakt mit dem Universum ist, da ist natürlich eine Zone sehr sehr kalter Temperatur. Und das nennen wir dann hinterher die tektonischen Platten. Und diese ungefähr 100 Kilometer des äußersten Teils der Erde sind natürlich durch ihre tiefe Temperatur dann vergleichsweise dicht und werden gravitativ unstabil und sinken eben früher oder später einfach zurück in den Planeten. |
[00:58:34] | Das geschieht auf der Erde und da muss man die Erde natürlich unterscheiden von den anderen Planeten Venus und Mars, die machen das anders. An den Stellen, wo das zurück sinkt, ist das dieser sogenannte Subduktionsprozess. |
[00:58:48] | Und jetzt muss man sich aber vorstellen, dass das also doch wirklich große große Mengen an Gesteinen sind. Also zum Beispiel das Äquivalent des gesamten Pazifiks, also die Hälfte der Erdoberfläche ist ungefähr in den letzten 150 Millionen Jahren um den Pazifik herum, also in den Subduktionszonen des sogenannten Feuerrings wieder in die Erde hinein gegangen. Also die halbe Erdoberfläche hat sich alleine an der Hemisphäre völlig erneuert. |
[00:59:19] | Und das war in 150 Millionen Jahren… |
[00:59:23] | 150 Millionen Jahren. |
[00:59:24] | …das sind ungefähr wie viel Prozent der Erdexistenz? Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf. |
[00:59:28] | Genau. Sagen wir mal, wir machen es der Einfachheit halber mit 4,5 Milliarden Jahre. 450 Millionen Jahre wären 10%. Und jetzt haben wir ein Drittel davon. |
[00:59:36] | Also 3%, die Hälfte der Erd… |
[00:59:37] | Drei Prozent. |
[00:59:38] | Okay. Das ist dann schon Dynamik. |
[00:59:40] | Ja. Also da geschieht wirklich viel. Und diese Platten, die sinken natürlich dann immer weiter ab. Und jetzt kann man sich natürlich fragen: Gibt es bestimmte Bereiche, an denen sie sozusagen aufgehalten werden? Gibt es etwas, was das Ganze stoppt beim Absinken? Das hat sehr sehr viel zu geophysikalischen Forschungen in den 70ern, 80ern, beigetragen. Und eigentlich entwickelt sich so ein Konsens, zu sagen: Nein, im Prinzip gehen diese Platten letztendlich früher oder später bis zur Kern-Mantel-Grenze runter. Mit Geschwindigkeiten, die vermutlich so ungefähr plattentektonische Geschwindigkeiten sind, also ein paar Zentimeter pro Jahr. Und dann kannst du dir ja überlegen, wie lange das dauern müsste. Wenn ich also ein paar Zentimeter pro Jahr 3000 Kilometer gehen will, brauche ich 100 Millionen Jahre. |
[01:00:25] | Und das ist erstmal natürlich ein riesiger Antreiber, denn, also diese äußere Schicht, also man nennt so etwas eine thermische Grenzschicht, diese äußere thermische Grenzschicht des konvektierenden Mantelsystems, die erneuert sich halt die ganze Zeit. Irgendwo, wo Platten einsinken, muss natürlich das Äquivalent an anderen Stellen, am mittelozeanischen Rücken, neu gebildet werden und dementsprechend erneuern sich die Ozeanböden permanent, die ganze Zeit. |
[01:00:48] | Und ist das dann alles vulkanische Aktivität? Also, ich habe verstanden, das Zeug, was jetzt oben ist, sinkt einfach nach unten. Damit ist es quasi weg. Wie kommt jetzt etwas anderes nach oben? Ist das einfach auch so ein…taucht da, bildlich gesprochen, etwas auf? Oder sind das Vulkane, Lava, die dadurch Material wieder abladen? |
[01:01:08] | Nein, im Prinzip kann man sich das so ein bisschen wie einen passiven Prozess vorstellen. Zunächst erstmal in dieser allgemeinen Betrachtung der Erneuerung der Oberfläche ist der Vulkanismus gar nicht mal besonders ausgezeichnet, sondern einfach nur an der Stelle, wo der Mantel sozusagen jetzt freigelegt würde, indem zum Beispiel – nehmen wir uns den mittelatlantischen Rücken vor – die beiden Platten würden auseinander gehen, im Zentrum kommt natürlich dann neues Material nach oben. |
[01:01:33] | Das Material kühlt sich sofort aus und wird dann sofort der Platte angegliedert, wird also Teil der Platte. Das ist zunächst erstmal ein Prozess, den man sich abstrakt – und so macht das ja der Geophysiker – abstrakt zunächst einmal völlig ohne Vulkanismus vorstellen kann. Der Vulkanismus spiegelt einfach die komplizierte Chemie von Silikaten wider, dass natürlich dann hinterher in solchen polymineralischen Gemischen Bestandteile eher ausfrieren oder später ausfrieren. Das heißt, wenn ich jetzt zum Material nahe an die Oberfläche gehe, gibt es einen gewissen Prozentsatz, der natürlich einen leichteren, früheren Schmelzpunkt hat. Der fängt an natürlich leichter erstmal zu schmelzen, bildet vulkanischen Teil davon. Das macht es hinterher petrologisch spannend, macht es hinterher natürlich… |
[01:02:19] | Öl…tralala. Petrologisch. |
[01:02:20] | Genau. Nein, petrologisch im Sinne von Gesteinen. |
[01:02:23] | Ah, ok. |
[01:02:23] | Ja. Also… |
[01:02:25] | Petrifiziert, ja, okay. |
[01:02:26] | Genau, genau, genau. Aber in einer ganz einfachen physikalischen Betrachtungsweise ist es nur so, dass das kalte Erdoberfläche irgendwann gravitativ zu schwer wird, wieder zurück sinkt und natürlich an den Orten, wo dann sozusagen Raum gebildet wird, einfach neues Material vom Inneren nach oben dringt und sich dort auch wieder abkühlt… |
[01:02:49] | …weil da weniger drauf drückt, also kann etwas raus. |
[01:02:50] | Genau, genau. |
[01:02:51] | Das heißt aber sozusagen, Vulkanismus ist jetzt geophysikalisch aus der Perspektive, wie wir es gerade diskutieren, eigentlich egal. |
[01:02:57] | Im Prinzip ja. Muss ich natürlich aufpassen, wenn ich dir das im Blog sage. Natürlich muss ich sagen, dass der Vulkanismus essenziell ist. |
[01:03:04] | Weil du hast Kollegen, die das wichtig finden. |
[01:03:06] | Genau und ich finde das ja auch wichtig. Ja. Aber natürlich, wenn man es ganz einfach unter planetaren Aspekten anschaut und in der großen Dynamik, kann man zunächst erstmal unter dem Aspekt von Dichteunterschieden, Temperaturunterschieden, diese Komplikation ein bisschen weg denken und kann einfach sozusagen außerhalb dessen erstmal fragen: Wie sieht das generell eigentlich in einem strömenden System aus? Und das ist einfach dieser Aspekt der Grenzflächen, an denen eben durch die Konduktion sehr große Temperaturunterschiede – dementsprechend Dichteunterschiede – erzeugt werden, die dann wieder zurück sinken ins Innere des konvektiven Systems. Jetzt gibt es spiegelbildlich dazu genau das Gleiche natürlich an der Kern-Mantel-Grenze. Aber an der Kern-Mantel-Grenze ist es jetzt nicht ein Bereich, der ungewöhnlich kühl ist relativ zum Rest des Mantels, sondern er ist ungewöhnlich heiß relativ zum Rest des Mantels. Weil an der Stelle ist ja der heiße Kern in Kontakt mit dem Mantel und dort geschieht jetzt genau das Gleiche, allerdings eben durch Aufströme. |
[01:04:02] | Das heißt, dort gibt es ebenfalls wieder eine Grenzschicht, auch vermutlich so ungefähr 100 Kilometer weit, in der das Material bis zu 1000 Grad vermutlich heißer ist… |
[01:04:10] | Das Mantelmaterial? |
[01:04:11] | Das Mantelmaterial…als das darüber liegende Mantelmaterial. Und dort führt es dann wiederum ebenfalls zu gravitativen Aufströmen. Auch zunächst nicht unbedingt geschmolzen, vielleicht, aber nicht…das sehen wir als keinen primären Aspekt des Prozesses. Und diese heißen Gesteine haben dann ebenfalls wieder so viel Auftrieb, dass sie sich bis an die Erdoberfläche heraus bringen können. Die sogenannten Plumes, von denen du vielleicht gehört hast, sind genau dieser Aspekt. Also wenn ich mir jetzt Hawaii vorstelle im Pazifik, dann liegt Hawaii gerade über einem Bereich, in dem vermutlich von der Kern-Mantel-Grenze durch den gesamten Mantel im Pazifik durch sich Material bis nach oben arbeitet. Und natürlich, weil es schon signifikant wärmer ist als das umgebende Gestein, dann dort einen lokalen Schmelzprozess bewirkt, so dass sich dann wirklich die hawaiischen Inseln bilden können. In Nordeuropa ist das Äquivalent Island. Dann haben wir so etwas natürlich in den Azoren. Es gibt Réunion, das ist im indischen Ozean, eine Übersee-Provinz von Frankreich. Und so gibt es also mehrere solcher sogenannten Hotspots, die Material vermutlich widerspiegeln, das wirklich von der Kern-Mantel-Grenze bis zu uns an die Oberfläche bringt. |
[01:05:30] | Das heißt, die haben dann auch, wenn man da hin geht und Steine klopft, findet man da anderes Material als in Indien nebendran, zum Beispiel? |
[01:05:35] | Genau. Aber man muss natürlich schon sehr genau gucken. In der Grobchemie, also der sogenannten, der allgemeinen Chemie, sind die Gesteine gar nicht mal so unterschiedlich. Man kann sich aber die Isotopen heraus holen. Und an den Isotopen kann man feststellen, dass dann in diesen Nebenelementen signifikante chemische Unterschiede sind relativ zu dem, was man zum Beispiel am mittelozeanischen Rücken finden würde und kann also auf die Art und Weise auch chemisch darauf rückschließen, dass das doch nochmal eine andere Quelle haben muss als das, was am Rücken stattfindet. |
[01:06:06] | Du hast vorhin leichtsinnigerweise gesagt, Venus und Mars machen das anders. Willst du mit zwei Sätzen kurz sagen, wie? |
[01:06:11] | Ja. Und zwar haben beide Planeten keine Plattentektonik im Sinne der Erde. |
[01:06:15] | Dann sollten wir, glaube ich, erstmal kurz Plattentektonik nochmal erklären. |
[01:06:18] | Gut. |
[01:06:19] | Weil, also, wir haben verstanden, du hast von der afrikanischen, pazifischen Platte geredet. Wenn ich Platten habe, muss ich sie irgendwie abgrenzen, das heißt, da gibt es Risse oder Grenzen oder Gräben oder wie auch immer. |
[01:06:28] | Ja. |
[01:06:29] | Wieso haben wir überhaupt verschiedene Platten? Wieso gibt es da nicht eine homogene Fläche mit random Stellen, wo halt irgendetwas auseinander bricht – haben wir ja gerade gesagt – wo es subduktiert und aufsteigt. Wieso gibt es da identifizierbare Platten? Oder ist das einfach gerade aktuell die zufällige Situation? |
[01:06:44] | Nein, also die Erde hat vermutlich schon relativ lange Plattentektonik. Die Plattentektonik ist aber in meinen Augen auch etwas, was ich oft in der Grundvorlesung sage, eine der komischsten wissenschaftlichen Hypothesen, die wir haben. Und zwar, wenn ich auf den Stachus gehen würde und die Leute frage, ob sie jemals davon gehört haben, würden die meisten vermutlich sagen: Ja. Wenn ich die zehn – sagen wir mal – besten Geophysiker in der Welt in einen Raum setzen würde und frage: “Wissen wir, wie es technisch funktioniert?”, muss die Antwort sein: “Nein”. |
[01:07:11] | Also wir verstehen es nicht wirklich. Die Plattentektonik ist ja zunächst erstmal nur eine kinematische Beschreibung. Die sagt einfach nur: Wenn ich das Geschwindigkeitsfeld an der Oberfläche messe, … |
[01:07:19] | Da fährt irgendetwas in der Gegend rum. |
[01:07:20] | …stelle ich fest, dass das nicht völlig zufällig ist, sondern dass bestimmte Blöcke kohärent sich bewegen. Das ist das Einzige, was eigentlich die Plattentektonik zunächst erstmal sagt. Warum ein Planet es so macht und ein anderer Planet so, ist nicht wirklich klar. Es gibt natürlich relativ gute Ideen dazu. Eine Idee ist, dass gerade in der Erde an der Unterseite der Platten eine Zone besonderer Mobilität besteht, die sogenannte Asthenosphäre. Diese Asthenosphäre ist uns zum Beispiel deswegen bekannt, weil ein großer Teil der Kontinente im isostatischen Gleichgewicht ist. |
[01:07:55] | Was heißt das? |
[01:07:56] | Isostatisch heißt, sie sind einfach eben in einer Tiefe, die einfach ihrem Gewicht entspricht. |
[01:08:00] | Achso, sie schwimmen einfach ganz… |
[01:08:02] | Sie schwimmen. |
[01:08:02] | Ja, okay. |
[01:08:02] | Ja. Das muss aber bedeuten, dass darunter ein Niveau liegt, das eigentlich solche Schwimmbewegungen zulässt. Und wenn man also so eine Asthenosphäre hat, dann ist das vermutlich eine Bedingung, um hinterher sehr sehr großflächig Strömungen auszubilden unterhalb der Platten, die sehr kohärent Spannungsfelder orientieren können. Jetzt spreche ich schon ein bisschen von meiner eigenen Forschung, da kommen wir zum Schluss hin. |
[01:08:31] | Ja, ja, klar. |
[01:08:31] | Aber das ist eigentlich eine sehr attraktive Vorstellung, dass die Erde unter Umständen eben diese Asthenosphäre hat und die anderen Planeten sie unter Umständen nicht haben aus Gründen, die nicht ganz klar sind. |
[01:08:42] | Wollte ich gerade fragen. |
[01:08:43] | Könnte zum Beispiel…eine Möglichkeit, warum die Erde eine Asthenosphäre hat, ist, dass die Subduktion eben Wasser wieder einträgt in den Planeten und Wasseranteile – unser Planet ist ja ein sehr sehr feuchter Planet – … |
[01:08:57] | Ja. Das sind die anderen beiden nicht. |
[01:08:59] | …dass die in diesen Fällen, gerade in den oberen paar hundert Kilometern des Erdmantels oder des Venusmantels oder des Marsmantels, dass sie also bei der Erde dafür sorgen, dass diese obere Zone besonders stabil, mobil, ist. Entschuldigung, besonders mobil ist, da muss ich aufpassen. |
[01:09:18] | Während das unter Umständen bei Venus und Mars nicht der Fall ist. Das ist aber natürlich, jetzt ist man weit in der Forschung drin. |
[01:09:24] | Jetzt ist man also wirklich an dem, was wir eigentlich versuchen zu erforschen. Und wo die Forschungsmeinung noch nicht fertig gebildet ist. |
[01:09:33] | Okay. Gut, also zurück, wir haben diese Platten und wir identifizieren die Zugehörigkeit eines Punktes auf der Erde zu der Platte dadurch, wie sich dieser Punkt im Laufe der Zeit durch Messungen wahrscheinlich… |
[01:09:46] | Genau. |
[01:09:47] | Laser…tralala. Oder? |
[01:09:48] | Ja. Also wenn wir zum Beispiel ein GPS verwenden würden, dann würden wir feststellen, dass überall im Bereich der europäischen Platte dann ein bestimmtes Bewegungsfeld stattfindet. Wenn wir jetzt aber uns über den mittelatlantischen Rücken hinweg bewegen würden, würden wir uns mit der Geschwindigkeit der nordamerikanischen Platte bewegen. |
[01:10:09] | Das heißt, man macht das auch tatsächlich so? Man stellt da einen Messpunkt auf, hängt ein GPS hin und das sind ja Zentimeter pro Jahr… |
[01:10:15] | Genau. |
[01:10:15] | …GPS kann das, wenn man es entsprechend…assisted… |
[01:10:17] | Genau, heutzutage…Genau, heute kann man das also über GPS sogar relativ in Echtzeit nachbilden. Natürlich war das früher sehr viel schwerer, da hätte man natürlich dann einfach die geologischen Hinweise verwendet, die es dazu gab. GPS ist ja auch erst ungefähr seit 10, 15 Jahren da. |
[01:10:35] | Ja. Unverschlüsselt, so dass es auch genau genug ist. |
[01:10:37] | Ja, ja. |
[01:10:38] | Okay. Das beantwortet aber jetzt noch nicht meine Frage. Ich weiß auch gar nicht, ob es da eine Antwort gibt, ob wir die kennen. Warum ist das so, warum gibt es einzelne Platten? Warum gibt es nicht das Ding oder warum gibt es nicht viele viele viele kleine Dinger, die dann gar nicht mehr sinnvoll unterscheidbar sind? |
[01:10:54] | Ja. Genau. Und die Antwort, die ich nennen würde, ist: Weil wir eben auf der Erde die Asthenosphäre haben. Das ist aber meine persönliche Meinung, das heißt also die Asthenosphäre innerhalb der Erde, da gibt es eine ganze Menge Annahmen die man dazu machen kann. Man kann zum Beispiel Computermodelle rechnen, in denen es eine Asthenosphäre gibt und in denen es keine gibt. Und sie führen zu völlig unterschiedlichen Mustern in der Konvektionsströmung. Also das ist schon mal ein sehr interessanter Hinweis, ja. Man kann sich natürlich aber auch überlegen, wie zum Beispiel einfach durch mathematische Analyse die Wellenlängen von konvektiven Instabilitäten verändern würden. Wenn zum Beispiel in einer Flüssigkeit eine ganz ganz leicht deformierbare Lage oben drüber liegt. Auch die geben einem einen Hinweis darauf, das sind sehr sehr schöne Arbeiten von einem sehr berühmten deutschen Kollegen, dem Fritz Busse in Bayreuth. Einer der Mitglieder in der nationalen Akademie of Science in Amerika, der sich also sehr sehr theoretisch damit beschäftigt hat. Und diese Hinweise sind natürlich deswegen spannend, weil sie im Prinzip schon sagen, dass also solche dünnen und sehr mobilen Schichten zu etwas führen, was zunächst erstmal in einer Konvektion ja gar nicht sein sollte. Eine Konvektion ist immer ein Dichteunterschied. Ein Dichteunterschied wird durch die Gravitation immer in eine vertikale Bewegung… |
[01:12:12] | Genau, ja. |
[01:12:12] | Ja. Also zunächst ist erstmal überhaupt gar nicht klar, warum ich horizonal mich bewegen sollte. |
[01:12:16] | …und warum dadurch identifizierbare, abgrenzbare Platten entstehen. |
[01:12:19] | Genau. Und jetzt kannst du dir aber vorstellen, was geschieht, wenn in so einer Strömung nahe der Oberfläche jetzt eine sehr sehr leicht verformbare Schicht besteht. Sagen wir mal 200, 300 Kilometer dick, wie sie vermutlich für die Erde ist. Dort werden die konvektiv bedingten Aufströme und Abströme, vor allem die Aufströme aber, sofort zur Seite abgelenkt, weil das Material zur Seite einfach weg muss. Ja? Und so ein Prozess kann dazu führen, dass die Spannungen kohärent – und das ist der Punkt – kohärent über sehr sehr große Distanzen hinweg aufgebaut werden können. Über sehr große, weite Distanzen hinweg kann ich die Spannungen in ein kohärentes Spannungsfeld umwandeln. Und dann ist es natürlich so, dass die Kohärenz zu einer Aufintegration der Spannungen führt, so dass ich unter Umständen in der Lage bin die Lithosphäre zu brechen. |
[01:13:12] | Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, dass der Planet so etwas nicht hätte, dann würden die Aufströme einfach nur zu vertikalen Spannungen an der Plattenunterseite führen, aber sich nicht groß kohärent über Tausende von Kilometern zum Beispiel in eine bestimmte Richtung ausbreiten können. Und dann wäre die Lithosphäre einfach zu stark, um zerbrochen zu werden. Dann sind zwar Spannungen jederzeit da, die aber sich eigentlich letztendlich zu Null aufaddieren. Und das ist vermutlich eine sehr spannende Überlegung, die man hinterher sich überlegen könnte, dass Plattentektonik wirklich sich auf der Erde so ausbildet. |
[01:13:48] | Also sozusagen die Plattenstruktur und die Grenzen reflektieren die vertikalen Strömungen im Erdmantel oder Aufströmungsverhalten, Austauschbewegungen in gewisser Weise? |
[01:14:00] | Ja. Ja. Und diese Aufströmungen – wie gesagt – führen also zunächst erstmal ganz unmittelbar zu den horizontalen Bewegungen, die die Plattentektonik macht. Aber implizit in dem, was ich gesagt habe, kannst du ja schon feststellen, dass da letztendlich auch eine Vertikalspannung drin stecken muss, weil zunächst muss ja erstmal… |
[01:14:19] | … zum Beispiel steigt so ein Plum innerhalb der Erde auf, irgendwann kommt er in den Bereich der Asthenosphäre, dort wird das Material sehr sehr schnell zur Seite abgegeben, weil es einfach sehr mobil ist. Trotzdem ist aber immer noch ein Auftrieb in dem Bereich drin und dieser Auftrieb kann natürlich hinterher die Oberfläche erheblich auslenken. Und das ist genau das, was uns die Geologen sagen. Ich selber habe in den letzten sechs Jahren ein Schwerpunktprogramm geführt der deutschen Forschungsgemeinschaft über den Südatlantik. Und der Südatlantik ist zum Beispiel ein Bereich, in dem man das ganz ganz eindeutig sieht. Also man merkt, dass der Südatlantik zum Beispiel sowohl auf dem Ozeanboden selber als aber auch zum Beispiel in den darum liegenden Kontinenten erhebliche Vertikalbewegungen durchführt. Also, schau dir zum Beispiel Johannesburg an. Wenn du in Johannesburg landest, landest du in ungefähr einem Kilometer Höhe. Nun ist es aber eigentlich so, dass Kontinente üblicherweise mehr oder weniger in der Nähe vom Meeresniveau liegen sollten, weil sie einfach erodiv abgetragen werden. |
[01:15:14] | Ja. Trotzdem sieht aber das südliche Afrika als etwas aus, was wirklich fast einen Kilometer über dem Meeresspiegel liegt. |
[01:15:21] | Also hier steht gerade so eine überhöhte Erdkugel neben uns. |
[01:15:25] | Genau. |
[01:15:25] | Und du hast gerade darauf gezeigt und das ist alles braun. Braun heißt hoch. |
[01:15:28] | Genau das. Und was wirklich spannend ist, ist: Die Geologen wissen eigentlich aus einer Vielzahl von Beobachtungen, dass das vermutlich gar nicht so alt ist. Vielleicht ist es 40 Millionen Jahre alt, vielleicht ist es 80 Millionen Jahre alt. Aber es gab mit Sicherheit eine Zeit im südlichen Afrika, in der ein Großteil des südlichen Afrikas wesentlich näher am Meeresspiegel war. Zum Beispiel gibt es marine Sedimente in diesen Regionen, die aber jetzt einen Kilometer überhalb vom Meeresspiegel liegen. Das heißt also, die Konvektion des Mantels äußert sich eben nicht nur darin, dass sie Plattentektonik erzeugt. Unter Umständen eben durch diese Bewegungen der Asthenosphäre, die die Spannung kohärent über große Bereiche hinweg ausrichten. Sondern sie äußert sich auch in den Vertikalbewegungen, das heißt also, dass Bereiche angehoben werden, dann aber auch wieder Bereiche abgesenkt werden. Und gerade diese absenkenden Bereiche sind zum Beispiel die Bereiche, die dann als sogenannte Becken sehr sehr viele Sedimente aufnehmen. |
[01:16:24] | In den Sedimenten ist oft organisches Material drin, das heißt also, das sind auch die Bereiche, in denen sehr große Ölförderungen stattfinden. Das heißt also, der Mantel hat da ganz erstaunliche Einflüsse, die zunächst erstmal gar nicht evident sind. Um dir ein Beispiel zu nennen, nun ist ja wieder der Globus neben uns, aber wir erzählen das mal unseren Zuhörern. Vor ungefähr 80 Millionen Jahren konnte man auf dem nordamerikanischen Kontinent von Alaska nach Houston mit dem Schiff durchfahren. Der gesamte Kontinent war mit Ausnahme des westlichsten und östlichsten Teils vom Meer überflutet. |
[01:17:01] | Das sind die ganzen Bereiche, in denen zum Beispiel heute die texanischen Ölförderungen stattfinden. Oklahoma oder, wenn man dann weiter nach Norden geht, die kanadischen Teersande. Das sind alles Bereiche, die in diesem Becken abgelagert wurden mit sehr sehr viel natürlich organischem Material, was heute zu Öl führt. Aber diese Vertikalbewegung von Hunderten von Metern ist zunächst ja sonst gar nicht zu verstehen. Warum soll der Kontinent das tun? Der ist ja im isostatischen Gleichgewicht. Er erfährt aber zusätzlich zu dieser Isostasie Spannungsbewegungen, die aus der Konvektion des Erdmantels selber heraus kommen. Das heißt also, da äußert sich die Konvektion in einer Art und Weise, die gerade für jemanden – wenn man da natürlich auch historische Geologie gehört hat – ich habe in Tübingen sehr viel auch mir Vorlesungen zur historischen Geologie angehört, die eigentlich sehr spannend sind und man hört, dass es also Flachmeere gibt, die die Kontinente überfluten. Und man wundert sich zunächst einmal, warum soll das eigentlich geschehen? |
[01:17:55] | Wo kommt das ganze Wasser her? |
[01:17:56] | Wo kommt das Wasser her? |
[01:17:57] | Aber tatsächlich gehen die Kontinente runter. |
[01:17:59] | Genau und stattdessen aber eigentlich, was geschieht, ist, dass die Kontinente sich einfach vertikal bewegen. |
[01:18:03] | Ja, ja. Okay. |
[01:18:05] | So, und das heißt also, gerade solche Ideen, wie also solche Plattentektonik stattfindet, die sind natürlich sehr sehr schwierig und sind sehr kompliziert. Was vielleicht noch schwieriger ist – ich kann es vielleicht für unsere Zuhörer nur andeuten – ist: Selbst wenn ich mir vorstellen könnte, ich könnte ein Computermodell zur Plattentektonik machen – manche Gruppen versuchen das – dann ist das natürlich besonders schwer zu testen. Denn ich meine, es gibt ja viele Möglichkeiten, wie ich so etwas erzeugen könnte. |
[01:18:32] | Ja, klar. |
[01:18:33] | Nun ist es aber nicht klar, ob die Möglichkeit, die ich gewählt habe, hinterher der tatsächlichen entspricht. Und das heißt also, gerade das Testen von geologischen Modellen wird in der Zukunft gerade für die theoretische Geophysik eine ganz spannende Frage werden, weil wir das wahrscheinlich sehr neu angehen müssen vergleichsweise dem, wie das traditionell gemacht wird. Denn natürlich letztendlich, ein Computermodell ist zunächst erstmal nur eine logisch konsistente Darstellung, es ist nicht unbedingt die richtige. |
[01:19:00] | Die Parametrierung ist halt üblicherweise frei. |
[01:19:01] | Genau. Also in gewisser Weise kann man fast sagen, ist es wie Philosophie auch. Im besten Fall ist sie logisch konsistent. |
[01:19:07] | Ja, ja, genau. |
[01:19:08] | Wenn sie inkonsistent ist, ist sie sowieso falsch. |
[01:19:10] | Aber selbst wenn sie in sich konsistent und stimmig ist, muss sie noch nicht richtig sein. |
[01:19:15] | Ja, ja. |
[01:19:15] | Und diese Art von Testen ist natürlich gerade für die Geophysik schwierig, weil natürlich unsere Beobachtungen in der Vergangenheit liegen. |
[01:19:23] | Ich hätte es jetzt gar nicht mal als Testen bezeichnet, sondern als Verankerung. Also man braucht quasi ein paar Fixpunkte, wo man tatsächlich Daten hat, an denen man dann quasi ansonsten den freien Parameter-Raum irgendwo fixieren kann. |
[01:19:34] | Ja. |
[01:19:35] | So kann man es vielleicht auch sagen. |
[01:19:36] | Ja, ja. Wobei man sich immer überlegen muss: Was tut man eigentlich in einem Modell? In einem Modell sagt man: Es gibt eine bestimmte Art von Physik, die bilde ich durch die Gleichungen ab und dann nehme ich Parameter, von denen ich denke, dass sie sozusagen das Material gut widerspiegeln. |
[01:19:48] | Genau. |
[01:19:49] | Und dann würde ich eine Vorhersage machen und würde sie mit der Beobachtung machen. |
[01:19:52] | Ja, ja, klar. Ja. |
[01:19:53] | Und jetzt habe ich ein Problem, denn zum Beispiel die Vorhersagen, die man innerhalb der Geophysik in der Plattentektonik macht, spielen sich mindestens auf Zeiträumen von Tausenden von Jahren, eigentlich mehr Zehntausende oder Hundertausende von Jahren ab. Das heißt, weder du noch ich sind hier, um je zu wissen, was gerechnet wurde, ob es richtig ist. |
[01:20:10] | Ja, logisch, ja. |
[01:20:11] | So, und dieses Problem wird nicht weg gehen, das heißt da gibt es sehr sehr spannende Fragen – sich zu überlegen: Kann man das unter Umständen anders machen? |
[01:20:18] | Nicht mal EU-Forschungsprojekte gehen so lang. Die dauern zwar auch oft ewig, aber… |
[01:20:24] | Vor allem haben sie sehr viel Papierkram. |
[01:20:26] | Richtig. Vielleicht, wenn man die Beantragungs- und Genehmigungszeit verwenden würde, das würde in diese Größenordnung vielleicht passen. |
[01:20:33] | Genau. Genau. |
[01:20:33] | Die Laufzeit nicht. Sind diese Plattenstrukturen stabil oder ändern die sich über die Zeit? Also ich will sagen: Hatten wir früher mal andere Platten? |
[01:20:40] | Ja. Und zwar, Platten kommen und gehen die ganze Zeit. |
[01:20:44] | Also natürlich… |
[01:20:45] | Achso, muss eigentlich, weil sich die Strömungen ja ändern. |
[01:20:47] | Genau. Nun fangen wir mal mit den ozeanischen Platten an, da ist es am einfachsten. Es gibt gesamte ozeanische Platten, wie zum Beispiel die sogenannte Farallon-Platte. Die Farallon-Platte war fast so groß wie heute die pazifische Platte. Die ist völlig weg. Es gibt ein paar kleine Überreste, zum Beispiel nördlich der Küste von Oregon. Da kommt auch der Name her. Es gibt kleine Inseln vor der Küste von San Francisco, wo du jetzt neulich warst. |
[01:21:13] | Alcatraz. |
[01:21:14] | Die sogenannten…nicht Alcatraz, das ist noch auf der Kontinentsache. Die Farallon-Inseln sind ungefähr 50 Kilometer raus. Aber ziemlich aus der Golden Gate Bridge raus. Und die sind der Namensgeber für diese Platte, die man heute eigentlich nur noch deswegen identifizieren kann, weil natürlich an der Plattentektonik, an einem Rücken, immer ein Spiegelbild entsteht. Eine Platte kreiere ich, aber eine andere kommt ja auch dazu. |
[01:21:38] | Weil sich das quasi so auseinander splittet. |
[01:21:40] | Genau. Und wenn ich heute mir die pazifische Platte anschaue, dann sehe ich, dass eigentlich die Platte sich nur so geformt haben kann, wie sie heute ist, wenn es weiter östlich einen Rücken gab. |
[01:21:49] | Aha, okay. |
[01:21:50] | Und östlich von diesem Rücken muss ja dann die spiegelbildliche Platte gewesen sein. |
[01:21:53] | Und diese Platte ist die Farallon-Platte. Und die ist also riesengroß, oder war riesengroß. Und die ist heute völlig verschwunden. Also da sieht man, dass Platten zum Beispiel völlig kommen und auch wieder gehen können. Die pazifische Platte war vor 150 Millionen Jahren nur ein ganz kleiner Teil des pazifischen Ozeans. Also wirklich nur ein ganz kleiner Splitter-Teil im Zentralbereich des Ozeans. Zumindest nimmt man das durch Rückkonstruktionen an. Und ist heute aber die größte Platte der Erde. Gleichzeitig, bei den Kontinenten ist es ein bisschen kompliziert. Die Kontinente als solche bleiben natürlich an der Oberfläche aufgrund ihrer leichteren Gesteine. Aber man sieht bei den Kontinenten zum Beispiel, dass ja vor 200 Millionen Jahren alle Kontinente im Urkontinent drin waren, im Pangaea. Und auch Pangaea hat sich ja dann heute völlig aufgelöst und ist jetzt in den einzelnen Kontinenten. |
[01:22:48] | Der sogenannte Südkontinent Gondwana ist ein anderes schönes Beispiel dafür, wo also die Einzelteile von Gondwana, zum Beispiel Indien, Antarktika, Australien, Südamerika, Afrika, heute ja einzelne Kontinente darstellen. |
[01:23:01] | Woher wissen wir das? Wie können wir das zurückverfolgen? Sind das Rückrechnungen über die Bewegungen oder kann man da aufgrund der Gesteine, Mineralien, irgendwas zur Zugehörigkeit… |
[01:23:08] | Vieles. Wegener hat ja viel dazu gemacht. Also, heute würden wir natürlich im Wesentlichen versuchen, das über die Magnetisierung der Gesteine zu machen. Und solange der Ozeanboden zwischen zwei auseinander driftenden Kontinenten da ist, kann man das auch sogar sehr sehr genau machen. Schwieriger ist es, wenn man eine Subduktionszone irgendwo drin hat, weil dann ist das Material, was dazu gehört, ja nicht mehr vorhanden. Aber gerade bei Gondwana ist das sehr schön, da kann man also die ganzen Ozeane um Afrika herum ja wieder sozusagen zurück bringen in die ursprüngliche Form. Wegener hat aber sehr viel breiter darüber nachgedacht. Beeindruckend, also das ist ein Buch, was ich wirklich allen Zuhörern empfehle. Wenn man also das Buch durchliest, dann wird man feststellen, dass Wegener also mit vergleichsweise wenig Beobachtungen erstaunlich sorgfältige Rückschlüsse gemacht hat. Das ist eigentlich das, was in meinen Augen besonders beeindruckend ist. Wenn eine Sachlage vollkommen klar ist, dann ist sie natürlich für jeden offensichtlich. Für Wegener waren viele Dinge offensichtlich, obwohl die Sachlage gar nicht so klar war. Das ist eigentlich… |
[01:24:10] | Also hat der nur Glück gehabt mit seinen Vorhersagen, oder… |
[01:24:12] | Nein, also wenn man das Buch liest – und deswegen will ich es auch wirklich sagen, ich nehme es auch manchmal in der Vorlesung für Studenten durch – es wird klar, dass ihm jede dieser Beobachtungen in ihrer Tragweite klar ist. Also zum Beispiel ein Beispiel: Es gibt bestimmte Beobachtungen für Oberflächenwellen, eine oder zwei hatte er damals zur Verfügung, die über den Südatlantik gehen. Aus denen schloss er auf eine Asthenosphäre. Und klar, heute wissen wir das aus Tausenden von Beobachtungen ziemlich offensichtlich, aber dass er damals diesen Rückschluss schon machen konnte, sprach einfach für die Tiefe, mit der er über das Problem nachgedacht hat. Aber Wegener hat auch paleontologische Sachen verwendet, sedimentologische Beobachtungen, Beobachtungen zum Klima, vieles, was er einfach dann zusammen gebracht hat. |
[01:24:57] | Pangaea und Gondwanaland waren ja, wie du gerade gesagt hast, diese Superkontinente. Wenn man so will, so eine Art Platten…das ist völlig beknackt, der Begriff, aber so eine Art plattentektonischer Urknall. Wir können da nicht davor gucken, oder? Weil wir ja nicht wissen können, ob es davor schon mal andere Platten gab, die sich dann zusammen getan haben und diese Megaplatten produziert haben. |
[01:25:17] | Ja, ja. |
[01:25:18] | Das heißt, die Frage, was davor war, kannst du nicht beantworten? |
[01:25:21] | Ja, sagen wir mal so: 30 Prozent der Oberfläche sind ja Kontinente, die bleiben ja. 70 Prozent sind die Ozeane. Das heißt also, wenn ich jetzt vor Pangaea schauen möchte, dann fehlt mir natürlich zu einem allergroßen Teil diese 70 Prozent des Ozeanbodens. Aber das, wo die Kontinente sich zumindest innerhalb des Dipolfeldes im Magnetfeld bewegt haben – das ist natürlich jetzt von der Longitude her nicht bestimmt – aber wenn sie sich zum Beispiel in Nord-Süd-Richtung bewegt haben, das ist natürlich nach wie vor messbar. Und das führt dazu, dass es Spekulationen gibt, dass auch vor Pangaea mindestens ein oder zwei weitere Superkontinente vorhanden waren. Einer trägt den Namen Rodinia, zum Beispiel. |
[01:26:07] | Das heißt also, man kann auch dort – und das wird in der Paleomagnetik auch eigentlich sehr klug gemacht – schon technisch spekulieren, ob es da vorher etwas gab. Und die Antwort ist: Vermutlich ja. |
[01:26:19] | Und entwickelt sich unsere jetzige Kontinentstruktur wieder in Richtung einem Superkontinent oder strömen wir gerade noch auseinander? Oder wie kann man das… |
[01:26:29] | Im Augenblick strömen wir auseinander. Manche Leute würden natürlich sagen, wenn das weiter anhält, wird natürlich alles auf der anderen Seite… |
[01:26:33] | Klar, dann stoßen wir drüben wieder an, klar. |
[01:26:37] | Der Grund, warum ich da mich normalerweise nicht so beteilige, ist: Wir sind ja alle nicht da, um es zu wissen, ob es stimmt. Das heißt, wir könnten Vorhersagen machen, aber da diese Vorhersagen kraft Definitionum ja gar nicht testbar sind – das wären 100 Millionen Jahre von heute – ist das natürlich in gewisser Weise müßig. |
[01:26:56] | Ich hatte letztes Jahr im September eine Episode zu String Theory mit dem Alexander Westphal und da gibt es ja auch viele Dinge, die man gar nicht per Definition testen kann. Und da war eben auch die Frage: Ist es dann überhaupt noch Wissenschaft? Ab wann bezeichnet man es vielleicht nicht mehr so, oder ab wann sollte man sich als Wissenschaftler vielleicht einfach nicht mehr darum kümmern und sagen: Wir wissen es nicht, können wir nicht wissen, Ende der Diskussion? Das ist wieder so ein Punkt hier. |
[01:27:21] | Ja. Und ich halte das einfach deswegen für wichtig, weil natürlich – wie ich vorhin gesagt habe – auch in den Erdwissenschaften wir eben dieses fundamentale Problem haben, dass bestimmte Dinge für uns einfach nicht beobachtbar sind. Offensichtlich Prozesse in der Zukunft, gerade bei solchen langsamen Prozessen, wie wir sie betrachten. Aber auch vieles, was zum Beispiel tief im Erdinneren ist, ist für uns einfach auf absehbare Zeit, wenn nicht absolut Dinge geschehen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können, nicht beobachtbar. Und dann ist es für den Zuhörer wichtig zu sagen, auch an der Stelle können wir einfach ganz grundsätzlich nicht ewarten, dass wir etwas sagen könnten. |
[01:27:54] | Ja. Ich habe noch zwei Fragen, die von einem Hörer kommen, der sich augenscheinlich auskennt mit der Materie. Das Eine ist eine Frage Richtung Antikontinente. |
[01:28:02] | Sehr schön, ja das geht zurück auf einen Kollegen, Wysession, im mittleren Westen, das ist die…also, frag erstmal deine Frage, dann werden wir sehen. |
[01:28:12] | Ja, was ist das, gibt es die wirklich, warum gibt es die, was sind das? Also das hast du richtig angefangen. |
[01:28:16] | Genau, genau, genau. Mein Kollege Mike Wysession, den ich sehr schätze, hat eigentlich mal vor zehn, 15 Jahren eine Serie von Papern darüber geschrieben. Man kann sich ja Kontinente vorstellen, wie im Prinzip das leichte Material, was oben aufströmt. Umgedreht ist es aber natürlich genauso vorstellbar, dass es natürlich auch dichtere Komponenten gibt, einfach chemisch dichtere Komponenten, nicht unbedingt thermisch. Das kann ja kommen und gehen. Aber einfach intrinsisch dicht und die würden früher oder später nach unten absinken. Und diese, denen hat Mike, der sie versucht hat, oder zumindest der in den seismischen Wellen Dinge gesehen hat, die ein bisschen komisch sind, an der Kern-Mantel-Grenze, denen hat er versucht, diesen Begriff zu geben. Das heißt also, schwerere Bereiche, auch vielleicht 100 Kilometer dick auf vielleicht viele Hunderte Kilometer ausgedehnt, die sozusagen auf der Kern-Mantel-Grenze aufschwimmen und die man sich dann sozusagen gedanklich schön mit diesem Begriff vorstellen kann. Also im Prinzip schwere Teile, die im Mantel absinken und dann eben diesen Antikontinent oder mehrere Antikontinente an der Unterseite des Mantels bilden, so wie die Kontinente an der Oberseite des Mantels sind. |
[01:29:26] | Kann man das durch die üblichen seismischen Mittel irgendwie…also war das eine Theorie, oder kann man das irgendwie belegen? |
[01:29:31] | Nein, ursprünglich war es…nein, belegbar ist es natürlich bisher nur sehr schwer, weil natürlich die seismischen Beobachtungen in diesem Bereich immer sehr schwierig machbar sind. Da gibt es viele Fortschritte, da könnten wir lange darüber reden. Von daher denke ich mir, das wird man in Zukunft auch wesentlich besser wissen können. Aber zunächst waren eigentlich die…der Anstoß für das, was Mike Wysession da angeschaut hatte, seismische Beobachtungen. Und dann hat man sich überlegt, okay, diese seismischen Beobachtungen könnten damit zusammen hängen, dass da zum Beispiel chemisch anderes Material ist. |
[01:30:01] | Okay. Also es war quasi ein theoretisches Modell für bestimmte Beobachtungen, die man gemacht hat. |
[01:30:05] | Ja, genau, genau. |
[01:30:06] | Zweite Frage aus dieser Richtung, die ist ein bisschen nahe liegender: Inwiefern führt die Plattentektonik auf der Erde noch zu nennenswerten Änderungen, zum Beispiel bei Gebirgen? Wird der Himalaya mal 10000 Meter hoch, oder…kann man da irgendwie etwas sagen? |
[01:30:27] | Ja, sehr sehr schöne Frage. Und zwar, also natürlich geht die Plattentektonik die ganze Zeit jetzt weiter. Das hört ja nicht auf, das sind einfach nur langsame Geschwindigkeiten. Das heißt also, eigentlich können natürlich an Rändern, wie zum Beispiel zwischen Indien und Asien, wo zwei Platten kollidieren – ich muss das vorsichtig wählen – zumindest, wo sie eben aneinander kommen, wo dann eben solche Gebirge aufgefaltet werden, können natürlich Gebirge weiter hoch gehen. Die Frage ist aber eigentlich schon sehr interessant. Und zwar ist es hier nicht einfach nur eine Frage des Drucks, ja? Komme ich jetzt noch weiter im Druck und kann ich sozusagen noch weiter Dinge aufschieben? Sondern sie hat letztendlich früher oder später etwas mit der mechanischen Festigkeit und wiederum der Isostasie der sogenannten kontinentalen Kruste zu tun. Das heißt also, wenn ich jetzt versuche, extrem hohe Gebirge aufzufalten, dann brauchen diese Gebirge, um natürlich isostatisch ausgeglichen zu sein, und das sind sie, das wissen wir aus der Gravitation, tiefe Wurzeln. Aber diese Wurzeln sind unter Umständen irgendwann so tief, dass sie in Bereiche eindringen, die einfach so heiß sind, dass sie gar nicht mehr stabil bleiben können. |
[01:31:38] | In der Hinsicht interpretiere ich die Frage – und so verwende ich sie auch manchmal in meinen Vorlesungen – als eine Frage, könnte es zu irgendeinem Zeitpunkt in der Erdgeschichte Gebirge gegeben haben, die signifikant anders in der Höhe waren als heute? Und die Antwort ist: Vermutlich nein. |
[01:31:54] | Einfach, weil ihre Krusten das früher oder später, also ihre Wurzeln früher oder später limitieren. |
[01:31:59] | Weil die abschmelzen? |
[01:32:01] | Genau. |
[01:32:04] | Nochmal kurz zu den Messverfahren, das habe ich vorhin vergessen. Auch von einem Hörer, der ganz offensichtlich da schonmal etwas darüber gehört, oder zumindest meint, gelesen zu haben. Er fragt, ob für die Plattentektonik auch VLBI, also Very Large Baseline Interferometry… |
[01:32:18] | Ja. |
[01:32:19] | …willst du da zwei Sätze dazu sagen? Weil ich glaube, außer dem Hörer weiß keiner, was das ist. |
[01:32:24] | Gut, also das ist…auf der einen Seite heißt das das Very Long Baseline Inteferometry. Dazu müssten wir meinen Kollegen Roland Beil drüben in der Geodäsie bei der Technischen Universität fragen. Eines der wenigen Stationen, die es dafür gibt, es gibt ca. zehn, glaube ich, ist hier zum Beispiel in Wettzell, in Bayern, eine der Fundamentalstationen. Man misst dort im Wesentlichen die Wellenausbreitung von ganz weit entfernten sogenannten Quasaren und versucht dann aus der Kohärenz zwischen verschiedenen Stationen und der Phasenunterschied, der dann natürlich im Laufe der Zeit entstehen würde, wenn sich die Stationen selber gegenseitig bewegen, eine Bewegung relativ zueinander heraus zu tun. Das war in den 80ern und 90ern natürlich ein faszinierendes Verfahren. |
[01:33:12] | Wo es noch kein GPS gab. |
[01:33:13] | Aber heute gibt es halt GPS. Und dann ist das natürlich wesentlich leichter über GPS zu machen. |
[01:33:17] | Eine andere Frage, die ich auch vorhin…die hatte ich nicht gut genug sortiert hier. Inwieweit sind denn die…ist der Mond und seine gravitatorischen Auswirkungen auf die Erde und den Erdkern möglicherweise eine Energiequelle für den Kern und die da vorhandene… |
[01:33:35] | Wenig, wenig. |
[01:33:36] | Wenig, kann man auch vergessen. |
[01:33:37] | Ja. |
[01:33:37] | Okay. Also die Gezeiten sind sozusagen…also der Erdkern hat keine Gezeiten. |
[01:33:44] | Ja. |
[01:33:44] | Okay. Gut, dann lass uns mal ein bisschen über dein Spezialgebiet reden. |
[01:33:51] | Gut. |
[01:33:52] | Also, rechnergestützte Verfahren. Ich sehe hier Mathematica-Bücher und so, das ist natürlich schonmal ein Hinweis. |
[01:33:58] | Genau, genau, genau. Und früher hätte ich dich auch in einen großen Rechenbereich mitgenommen. Wir haben drüben auf dem Stockwerk natürlich auch sehr sehr große Rechenanlagen. Wir haben hier am Lehrstuhl sicher sehr sehr weite Rechencluster, nennt man sowas, mit vielen Tausenden von Prozessoren. |
[01:34:17] | Wir sind natürlich auch sehr stark am Leibniz-Rechenzentrum involviert. Das ist also das bundesdeutsche Höchstleistungsrechenzentrum. Die grundsätzliche…was meine Arbeit im Prinzip kennzeichnet, ich bin sozusagen ein theoretischer Geophysiker. Das heißt also, im Gegensatz zu Geophysikern, die sehr viel im Feld sind und messen, ist meine Arbeitsgruppe eine, die sich natürlich im Wesentlichen theoretisch mit den Fragen zusammen beschäftigt. Ich bezeichne uns manchmal im Prinzip als das Äquivalent der Kosmologie. Die Kosmologie hat ja auch den Auftrag in Prinzip all die Beobachtungen, die man über die Sterne macht, in einen Zusammenhang zu bestellen. Das ist eigentlich die Aufgabe der theoretischen Geophysik und ganz spezifisch gibt es dort einen Bereich, der sich mit den Kräften, also wirklich der Dynamik, beschäftigt. Das ist die sogenannte Geodynamik. |
[01:35:01] | Und die Geodynamik hat in den letzten 20 Jahren sehr sehr viel Fortschritt gemacht, weil natürlich geodynamische Prozesse nicht linear sind. Das heißt also, wenn ich zum Beispiel eine bestimmte Kenngröße verändere um den Faktor zwei, dann ist oft das Ergebnis eben nicht um den Faktor zwei anders, sondern um irgendwelche Potenzen davon. Und diese Art von Nichtlinearität lässt sich mit den klassischen, analytischen, mathematischen Verfahren oft nur sehr schwer darstellen. Das heißt also, gerade in Bereichen, die sich mit solchen nichtlinearen Prozessen, wie Konvektion, beschäftigen, haben natürlich in den letzten 20 Jahren von Rechnern enorm profitiert. Ich nenne die Meteorologie… |
[01:35:40] | …natürlich die Ozeanologie, all solche Felder, die davon sehr stark profitieren können. Und das, was natürlich die Geodynamik im Globalen versucht zu tun, ist das Äquivalent eines Zirkulationsmodells, so wie es für die Atmosphäre und die Ozeane besteht. Solche Zirkulationen durchzurechnen war sicher eine der ganz ganz großen Aufgaben in den letzten 30 Jahren, Pi mal Daumen. Man hat vielleicht in den späten 80ern angefangen, 3D-sphärisch rechnen zu können, zunächst natürlich mit sehr groben Auflösungen, ist dann hinterher zu sehr viel feineren Auflösungen gekommen, ist heute an einem Punkt, wo man fast die realen Parameterregime verwenden kann. Und dann in sogenannten Szenario-Simulationen einfach mal versucht zu sagen: Okay, wenn ich zum Beispiel die Temperatur, an der Kern-Mantel-Grenze verändere, was passiert? Oder wenn ich jetzt eine Asthenosphäre ganz spezifisch mit berücksichtige, was passiert im Strömungsmuster? Oder was geschieht, wenn ich mir vorstelle, dass bestimmte Bereiche in der Konvektion chemisch ausgezeichnet und anders sind, was geschieht dann? |
[01:36:45] | Diese Szenario-Simulationen geben einem sehr sehr viel eine Vorstellung davon, wie ein Planet überhaupt funktionieren kann. Was ist möglich, was ist nicht möglich? Zum Beispiel, wenn ich vorhin gesagt habe, dass der Temperaturverlauf innerhalb der Erde vermutlich so einer Z-Kurve entspricht, also sehr sehr starker Anstieg in den oberen 100 Kilometern, dann ein konstanter Bereich über Tausende von Kilometern, dann wieder ein sehr sehr starker Anstieg, da ist natürlich auch vieles an Modellvorstellungen, die da hinein geflossen sind, aus denen man hinterher klar merkt: Aha, das sind die darunter liegenden Prozesse, so muss das eigentlich geschehen. Das ist eigentlich das, was viel in meiner Gruppe über lange Jahre hinweg versucht wurde zu untersuchen. Wir haben uns aber eigentlich in den letzten zehn Jahren aufgrund dieses fundamentalen Problems, was ich am Anfang schon ein bisschen geschildert habe, nämlich, dass es eigentlich schwer ist, Modelle explizit zu testen, versucht, mathematisch in eine neue Richtung zu entwickeln. |
[01:37:41] | Und zwar kann man natürlich anstatt von Szenario-Simulationen, die einfach sagen: Wenn ich das verändere, geschieht das oder wenn ich das verändere, geschieht das, die Frage stellen: Naja, ich weiß ja ganz genau, was der Südatlantik gemacht hat oder ich weiß ja ganz genau, wie sich zum Beispiel Europa in den letzten 30 Millionen Jahren entwickelt hat. Wie viel davon hat jetzt explizit mit Mantelkonvektion zu tun? Das ist aber jetzt eben eine Frage, in der ich wissen muss: Wie ist die Historie der Mantelkonvektion explizit gewesen? Das heißt also, wie sieht der Mantel vor 30 Millionen Jahren aus? Wie sieht der Mantel vor 80 Millionen Jahren aus? Und das ist ganz überraschend, dass man dazu eine mathematische Gleichung aufstellen kann, die ein Problem löst. Die sagt: Wenn der Mantel heute so aussieht, muss er vorher so ausgesehen haben. |
[01:38:28] | Das heißt, man macht im Prinzip…versuchen wir mal den Unterschied zwischen dem Klassischen und dem, was ihr jetzt macht, auf den Punkt zu bringen. |
[01:38:35] | Gut. |
[01:38:35] | Was ist da vom mathematischen Vorgehen her anders? Also, es sind ja, irgendwelche andere Dinge werden als gegeben genommen. |
[01:38:40] | Genau. |
[01:38:40] | Und irgendwas anderes als unbekannt. |
[01:38:42] | Genau. |
[01:38:42] | Ich hab das noch nicht so richtig… |
[01:38:43] | Genau, nein, ist auch richtig. Es ist auch kompliziert. Es ist wirklich kompliziert. Auf den Punkt gebracht, und dann müssten wir es aber nochmal ein bisschen heraus arbeiten. |
[01:38:51] | Es ist der Unterschied zwischen einem sogenannten Vorwärtsproblem und einem sogenannten inversen Problem. |
[01:38:56] | Ah ja, okay. |
[01:38:57] | Das Vorwärtsproblem sagt: Ich kenne die Parameter und ich kriege die Lösung hinterher heraus. |
[01:39:01] | Ja. Okay. Ich fange an einem Startpunkt an, habe Formeln, die sagen: f(x) ist so und so, und ich rechne einfach vorwärts. |
[01:39:09] | Genau. |
[01:39:09] | Und im inversen Problem ist die Frage: Ich kenne den Endzustand, was ist eine Formel, die mir den errechnen kann unter Voraussetzung, ich kenne den Startzustand auch? |
[01:39:17] | Genau das. |
[01:39:18] | Den muss ich natürlich erstmal irgendwoher kennen. |
[01:39:19] | Genau das. So und was motiviert das? Wie gesagt, grundsätzlich wird das natürlich motiviert durch die Tatsache, dass du mir zwar sagen könntest, du glaubst, du weißt alle Parameter und ich würde dann eine Vorhersage machen, wie die Erde in 30 Millionen Jahren aussieht. |
[01:39:33] | Aber wir beide wüssten nie, ob wir jeweils Recht hatten. |
[01:39:36] | Ja, ja. |
[01:39:36] | Ja. Also kann man diesen Weg ganz grundsätzlich nicht gehen. |
[01:39:39] | Der wird früher oder später nicht weiter führen. |
[01:39:43] | Und das gilt für viele Aspekte, einschließlich dessen, dass man auch die Plattentektonik so wird nicht testen können. |
[01:39:50] | Also muss man sich fragen: Was muss ich eigentlich anders angehen, als Theoretiker? Ganz grundsätzlich theoretisch. Und dann setze ich halt das inverse Problem ab und das Schöne ist natürlich, in der Strömungsmechanik, oder einfach grundsätzlich eben, in theoretischen Bereichen der Physik kann man natürlich oft von einem Gebiet zum anderen übertragen. Es gibt ein ganz klassisches Beispiel für dieses Problem. Das kommt aus der Hydrogeologie. Es gibt verseuchtes Grundwasser, drei Tankstellen und die Frage wäre: Wer war jetzt eigentlich derjenige, der das verursacht? Da ist zum Beispiel ein Großteil der Mathematik schon in den 80ern dafür ausgearbeitet worden, die dann einfach iterativ sagt: Zu dem Endzustand und den gegebenen Formeln passen die und die Parameter am besten. Und dann kann ich ja sehen, okay, es war Tankstelle A. |
[01:40:41] | Und dann macht man wahrscheinlich auch so eine Sensitivitätsanalyse, wo man dann sagt: Wir variieren den mal ein bisschen, gucken, ob dann überhaupt im Ergebnis sich etwas ändert und kann damit auch Vertrauen schaffen in das Ergebnis? |
[01:40:52] | Genau das. So und jetzt kannst du dir natürlich vorstellen, es ist natürlich ein Schritt das zu machen von etwas, was vielleicht mehr so im Bereich von zwei, fünf, sieben Kilometern ist, für ein Grundwasserproblem auf einen Planeten zu übertragen. |
[01:41:03] | Das führt zum Beispiel a) dazu, dass wir beliebig viel Rechenleistung aufsaugen können. Also wenn uns das LRZ einen Computer geben würde, der zehnmal so groß ist, würden wir den auch benutzen. |
[01:41:13] | Fünf Jahre. |
[01:41:14] | Genau. Ja. Das ist natürlich für Rechenzentren sehr faszinierend, weil es natürlich wichtig ist, Probleme zu finden, die wirklich ganz große Rechner benutzen können und das ist natürlich eins, wo das eine ganz ganz wichtige Sache ist, wo das halt entsprechend möglich ist. Es führt aber auch natürlich dazu, dass man sich dann hinterher überlegt: Unter den verschiedenen Szenarien, wie die Vergangenheit ausgesehen haben kann, welches dieser Szenarien ist hinterher am ehesten mit unabhängigen anderen Beobachtungen abgleichbar? Vor allem, was ich jetzt vorher schon einmal gesagt habe, den ganzen Vertikalbewegungen, die man an der Oberfläche beobachtet. Und auf diese Art und Weise ist des theoretisch möglich, Planeten rückwärts in der Zeit zu rekonstruieren. Das ist eigentlich die Motivation, die vieles von dem, was wir am Lehrstuhl machen, motiviert, bei denen wir auch weltweit sehr stark mit vielen Gruppen zusammen arbeiten und die natürlich alle möglichen Aspekte beinhaltet. Wir unterhalten uns natürlich sehr viel mit Kollegen in Bayreuth zu Mineralphysik. |
[01:42:12] | Klar, ja. |
[01:42:13] | Wir unterhalten uns sehr viel mit Kollegen, die die seismischen Messungen machen, um genau zu interpretieren: Was bedeutet denn so eine Messung technisch? |
[01:42:21] | Ja. Und hinterher wird vermutlich die Möglichkeit bestehen, zumindest für eine gewisse Zeit, ganze Filme ablaufen lassen zu können, wie die Erde eigentlich ausgesehen haben könnte zu früheren Zeiten. Und dementsprechend dann testen und herausfinden: An welcher Stelle können wir einfach nicht weiter unterscheiden? Also, verschiedene Möglichkeiten, die dann ungefähr gleich ähnlich wären. |
[01:42:43] | Was geht in so ein Modell rein? Welche physikalischen Vorgänge? Also irgendwelche Dichte, Reibungsgeschichten, Temperatur… |
[01:42:49] | Ja. Also zunächst, ganz einfach ausgedrückt, sind das natürlich die sogenannten Erhaltungsgleichungen. |
[01:42:54] | Ja, klar. |
[01:42:55] | Vor allem Erhaltung für den Impuls, es gibt Erhaltung für die Energie, es gibt eine Erhaltung für die Masse. Diese Erhaltungsgleichungen beinhalten natürlich manche der Prozesse, die du schon genannt hast. Also Reibung zum Beispiel wäre natürlich in der Impulserhaltungsgleichung mit drin. |
[01:43:07] | Und diese Gleichungen löst man. Dann gehen natürlich normalerweise in solche Gleichungen Anfangsbedingungen und Randbedingungen hinein. Die Anfangsbedingung ist uns aber zum Beispiel nicht bekannt, wenn wir zum Beispiel aus der Kreidezeit heraus sagen würden: Die Erde sah so in der Tiefe in der Kreide aus und hat sich so weiter fort entwickelt. Diese Information ist uns aber im Erdinneren nicht bekannt. Wir wissen nicht, wie das Erdinnere in der Kreidezeit ausgesehen hat. Wir wissen vielleicht, wie die Erdoberfläche ausgesehen hat, aber nicht unbedingt das Erdinnere. Randbedingungen sind dann natürlich Fragen, ob man zum Beispiel weiß, dass sich die Oberfläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt hat. Naja, dann kann ich natürlich eine Randbedingung wählen, die diese Oberflächengeschwindigkeit wieder mit abbildet. Das ist eine Form von Assimilierung. Man nimmt schon eine gewisse Information zusätzlich in das Modell hinein, weil man sie ja unabhängig davon hat. An der Kern-Mantel-Grenze macht man oft die Annahme, dass die Reibung zwischen Kern und Mantel vernachlässigbar ist, weil der Kern natürlich de facto sehr sehr niedrige Viskositäten hat. |
[01:44:09] | So etwas nennt man dann eine spannungsfreie Randbedingung. Und dann kann man natürlich – und muss – Annahmen zu den Parametern machen, zum Beispiel: Wie hoch ist die Viskosität von Gesteinen? Dazu gibt es Beobachtungen, die zum Beispiel aus dem Abschmelzen der Gletscher gewonnen werden. Also, als die Gletscher abgeschmolzen sind in Skandinavien, haben die natürlich eine Depression hinterlassen. Heute ist das die Ostsee, die natürlich aber auch langsam wieder aufsteigt. Aus den Aufsteigbewegungen kann man eine gewisse Vorstellung für die Mobilität und die Festigkeit des Gesteins ableiten und die Zahl – das ist natürlich für unsere Zuhörer eine sehr abstrakte Zahl – ist 10^21 Pascalsekunden. |
[01:44:49] | Okay. Pascal ist Druck… |
[01:44:50] | Wasser hat ungefähr…Pascal ist natürlich ein Druck und Sekunde ist Zeit. Warum ist das so? Das ist im Prinzip eine Verbindung zwischen einer Spannung und einer Deformationsrate. Und da kommt dann der Proportionalitätskonstant hinein. |
[01:45:08] | Also es ist so eine klassische Einheit, die sich durch Kürzen ergibt? |
[01:45:11] | Genau. |
[01:45:11] | Wenn man es nicht gekürzt hätte, würde wahrscheinlich mehr der Physik aus der Einheit erkennbar werden. |
[01:45:15] | Genau. Genau. Aber der Grund, warum ich es nenne, ist: Diese Einheit für die Viskosität, die wäre zum Beispiel für Wasser im Bereich 10^-1 Pascalsekunden. |
[01:45:23] | Oh, okay. |
[01:45:24] | Also wir sind 20 Größenordnungen weg in der Festigkeit des Materials. Trotzdem kann man aber nominell eine Viskosität definieren und kann dann eben sagen, das wäre eine Annahme, die man im Modell braucht. Man kann natürlich dann sich auch ein Modell überlegen: Was sind zum Beispiel Temperaturen an der Oberfläche? Die kenne ich ja, die kann ich dann reingeben. Was wären die Temperaturen vielleicht an der Kern-Mantel-Grenze? Auch dafür hat man relativ technische Vorstellungen und kann dann einfach rechnen: Was geschieht in solchen Modellen? |
[01:45:54] | Die Mathematik, die da rein geht…du hattest vorhin mal irgendwas von Mathematik erwähnt, ich weiß nicht genau in welchem Zusammenhang, aber ist das irgendwie besonders anspruchsvoll oder wird da jetzt naiv einfach ein Stückchen Raum genommen, so ein Quader, und dann werden einfach diese Gleichungen, die den physikalischen Prozessen, die du gerade erwähnt hast, entsprechen, dort einfach durchgerechnet? |
[01:46:18] | Ja. |
[01:46:18] | Oder ist da mathematisch noch irgend eine mathematische Herausforderung? Es gibt immer drei Aspekte: Es gibt das richtige Modell und Parameter finden, es gibt die Frage: Wie nähere ich diese Dinge an? Und dann: Was muss ich mathematisch noch cleveres tun, damit ich es vereinfache und effizient rechenbar mache? |
[01:46:34] | Ja, ja. Lass mich mal ein bisschen schmunzelnd antworten. Wenn ich in der Grundvorlesung herum gucke, habe ich das Gefühl, naiv ist es nicht. |
[01:46:45] | Also muss man auf die Art und Weise natürlich ein bisschen aufpassen. |
[01:46:47] | Ja, klar. |
[01:46:48] | In gewisser Weise sind das natürlich sehr klassische Erhaltungsgleichungen. Von daher müsste man sagen: Ein Großteil, wie grundsätzlich solche Gleichungen zu formulieren sind, sind natürlich verstanden. Dann kommen natürlich aber sehr spannende Fragen ins Spiel. Also die Frage der Inversion ist zum Beispiel eine, wo ich dir erzählt habe, also, das ist das Problem rückwärts in die Zeit. Dazu publifizieren wir in mathematischen Journalen. Also das ist auch gar nicht mal geophysikalisch, sondern es ist also wirklich zum Beispiel das Journal für Geomathematik, in dem einfach wirklich überlegt wird: Wie sieht so ein inverses Problem aus? Hat es eine eindeutige Lösung? Ist das stabil? Solche Fragen, die man natürlich dann ganz technisch sich überlegen muss. Es gibt natürlich aber auch viele Fragen zur Numerik, also zum Beispiel gibt es bestimmte Verfahren, die besser sind als andere. Die müsste man sich sehr sorgfältig durchlesen. |
[01:47:38] | Aber das ist schon eigentlich eher Grundlagenforschung in der numerischen Simulation, das heißt Analyse, und hat nicht unbedingt ganz dringend etwas mit eurem Problem zu tun? |
[01:47:47] | Genau. Also wir würden nicht unbedingt erwarten, dass die Massenerhaltungsgleichung morgen ganz anders ist. |
[01:47:52] | Ja. Klar, ja. Das heißt also, okay, das heißt, die Formulierung eures physikalischen Problems in mathematischen Gleichungen ist erstmal nicht das Problem, wenn man das richtige Modell mal sich ausgedacht hat. Und dann kann man natürlich – das ist ja das Schöne bei numerischer Mathematik – dass die Lösungsalgorithmen ja relativ entkoppelt sind. Oder die (unverständlich) Algorithmen relativ entkoppelt sind von der… |
[01:48:18] | Genau. Ja. So dass man die im Prinzip sehr weit unabhängig davon betrachten kann… |
[01:48:22] | Genau. |
[01:48:23] | …und dann sagen: Für diese Klasse von Problemen sind diese Lösungsalgorithmen besser geeignet. |
[01:48:27] | Ja. Habt ihr ein Wolkenproblem? Also, was ich damit sagen will, ist: Die Meteorologen, die gerade ja am Klima rumrechnen – oder eigentlich sollte man sagen Klimaforscher – die haben ja oft…oder sind sich, glaube ich, historisch nicht so richtig sicher gewesen, welche Bedeutung Wolkenbildung und die damit vorhandene Reflexion auf die Klimaveränderung hat. Gibt es bei euch auch so Probleme, von denen ihr nicht so richtig wisst, ob und wie weit ihr die mit rein rechnen müsst, um dann zu wissen, ob das Ergebnis stimmt? Weißt du, auf was ich hinaus will? |
[01:48:55] | Ja. Ich übersetze mal, wie ich es vielleicht – wie ich es in meiner Sprache nennen würde. |
[01:48:59] | Ja, ja, ja. |
[01:49:01] | Das Problem in der Meteorologie bei solchen Prozessen ist, dass es Dinge gibt, die auf Skalen stattfinden, die unterhalb der Gitter liegen. |
[01:49:08] | Subskalige Prozesse,… |
[01:49:10] | …die man dann natürlich parametrisiert… |
[01:49:13] | …annähert… |
[01:49:14] | …genau, annähert. Und auf die Art und Weise in gewisser Weise – und das ist ein echtes Problem – zusätzliche Informationen ins Modell hinein steckt. Weil das ist eine Annahme, die in dem Sinne im Modell nicht mehr drin ist. Die muss ich schon hinein geben. Wir haben zum Beispiel Fragestellungen hinsichtlich unterschiedlicher chemischer Vermischungseigenschaften in Gesteinen, die auf diese Art und Weise zum Beispiel eine Frage werden können. Ich glaube, ich hatte auch in einer der Fragen gelesen: Vermischt sich hinterher das Gestein nach einer gewissen Zeit wieder? Das ist natürlich in diesem Falle nicht der Fall, weil das Gestein in dem Sinne überhaupt keine Turbulenzen durchgeht. Diese Strömung ist rein laminar. |
[01:49:58] | Und weil sie natürlich laminar ist, können chemische Anomalien unter Umständen für Hunderte von Millionen Jahren nebeneinander einfach mit hergezogen werden. Die Frage, wie man diese Art von Anomalien im Modell darstellt, ist im Augenblick eine Frage, die auch bei vielen Gruppen gemacht wird. Wo man also zum Beispiel durch sogenannte Partikelmethoden versucht, diese subskaligen Prozesse in den Rechnungen mitzunehmen, obwohl sie im Kontinuum nicht abgebildet ist. |
[01:50:29] | Aber man macht das quasi in einer separaten Rechnung, um damit wieder einen Parameter für die großskalige Rechnung zu kriegen. |
[01:50:35] | Genau. |
[01:50:35] | Alles gemeinsam zu rechnen wäre zu teuer. |
[01:50:36] | Genau. Genau. Und auf diese Art und Weise sind wir eigentlich den Meteorologen dann wiederum gar nicht so unähnlich, auf dieser abstrakten Weise, weil wir natürlich dann diese Fragen auch haben. Wobei man vielleicht immer wieder bei uns betonen soll: Bei uns ist natürlich immer wieder auch die Beobachtung eben der gerade solche feinskaligen Prozesse als solche schon wieder ein Problem. Nun ist es auch für die Meteorologie nicht leicht, Wolken sorgfältig technisch zu beobachten, aber bei uns ist natürlich vieles noch sehr viel indirekter nur erfassbar… |
[01:51:05] | …und hat natürlich dementsprechend wiederum einen Rückfluss dessen, was man überhaupt im Modell rechnen sollte und was nicht. |
[01:51:10] | Willst du nochmal kurz sagen, was das mathematische Problem, oder die mathematische Herausforderung bei inversen Problemen ist? Du sagtest, ihr publiziert in dem Umfeld auch im mathematischen Bereich. |
[01:51:20] | Ja. |
[01:51:21] | Was ist der Knackpunkt, oder warum sind inverse Probleme mathematisch anders zu behandeln als Vorwärtsprobleme? |
[01:51:27] | Ja. Zunächst erstmal ganz grundsätzlich ist natürlich ein inverses Problem immer im Prinzip die Lösung von vielen Vorwärtsproblemen. Das ist einfach erstmal die…das ist also, man bestimmt einen Gradienten. Um einen Gradienten zu bestimmen, muss ich natürlich erstmal an verschiedenen Stellen gerechnet haben. Das ist erstmal ganz grundsätzlich das Problem, warum ein inverses Problem erstmal aufwändiger ist als ein Vorwärtsproblem. Und inverse Probleme gibt es natürlich in vielen Bereichen, also in der Geophysik klassisch ist das die Seismologie, die eben solche inversen Probleme hat. Aber man kann sich natürlich die Frage stellen, ob das inverse Problem für Konvektion überhaupt eine eindeutige Lösung hat. |
[01:52:02] | Also ist das generell das Problem überhaupt erstmal zu wissen, ob es überhaupt eine Lösung gibt? |
[01:52:07] | Genau. Und wir haben uns damit in den letzten Jahren sehr sehr viel damit beschäftigt und das überraschende ist: Die Antwort ist ja. |
[01:52:15] | Und das ist wirklich überraschend, also die meisten meiner Kollegen würden das vermutlich gar nicht mal unbedingt erwarten. |
[01:52:21] | Woher wisst ihr das? Wie seid ihr darauf gekommen? |
[01:52:23] | Ja gut, es gibt natürlich in der Literatur dazu sehr sehr viele ganz grundsätzliche mathematische Analysen und Thesen. Es gibt einen Kollegen in der Mathematik in Amerika in den 50er Jahren, der sich sehr eindeutig damit beschäftigt hat. Das heißt also, damit gibt es eine theoretische Grundlage. Wie wir das in dem Sinne erforschen, ist, dass wir natürlich zum Beispiel mit sehr unterschiedlichen Startannahmen in das inverse Problem hinein gehen und dann schauen, ob die Endergebnisse die gleichen sind. |
[01:52:51] | Auch das Sensitivitätsding. |
[01:52:53] | Genau. Ja. Und auf diese Art und Weise kann man das eigentlich sehr technisch überlegen und dann hinterher Beiträge leisten, in denen solche Fragen heraus gearbeitet werden müssen. |
[01:53:03] | Und das macht es eben einfach sehr neu. Und solche Fragen müssen erstmal ganz grundsätzlich untersucht werden. Da will man noch gar nicht einfach sagen, die Erde sieht zu dem Zeitpunkt so aus… |
[01:53:13] | Ja, klar. |
[01:53:13] | …sondern man sagt einfach nur ganz generell in einem Modell: Wenn ich die Annahmen mache, passiert das und das. Und ich kann unter Umständen eben eine Eindeutigkeit, ich kann eine Stabilität, ich kann andere Dinge dabei festigen, die jetzt zu kompliziert wären, wo ich dann aber sagen würde: Das kann man natürlich in den Papern nachlesen. |
[01:53:28] | Ja, ja, klar, logisch. Kann man vielleicht auch ein paar verlinken. Lassen sich diese Art von Problemen gut parallelisieren? Weil es ist ja heutzutage wichtig, weil Moore’s Law ja nur noch über die Menge der Kerne läuft. |
[01:53:37] | Genau, genau, genau. Die unmittelbare Antwort zunächst muss erstmal lauten: Im Prinzip nicht, denn die entsprechende Bewegungsgleichung, die dahinter steckt, das ist eine sogenannte Stokes-Gleichung, ist eine Gleichung, die sehr weite Bereiche innerhalb der Domäne koppelt. Dementsprechend ist also Parallelisierung erstmal etwas, was in dem Sinne nicht zu erwarten ist. Es gibt aber Verfahren, in denen man zum Beispiel die Domänen aufsplittet in Unterdomänen und dann eben durch Parallelaustausch von Informationen die Domänen dann wieder miteinander koppelt, in denen man das doch noch relativ effizient hinkriegt. |
[01:54:13] | Das heißt also, die Parallelausführbarmachung von dem vielleicht möglicherweise relativ einfachen Algorithmus ist an sich schon eine Herausforderung,… |
[01:54:21] | Ja. |
[01:54:21] | …die ihr dann neben der Modellbildung noch betrachten müsst. |
[01:54:23] | Ja, also es ist nicht das, was man sonst zum Beispiel trivial parallel nennen würde. Es ist nicht einfach, dass ich sozusagen 100 Instanzen gleichzeitig nebeneinander laufen lassen kann, sondern das ist wirklich alles eng gekoppelt. |
[01:54:34] | Ja. Mit welchen Sprachen macht ihr…ich habe vorhin schon gesagt, da steht ein Mathematica-Buch herum, mehrere sogar. Mathematica ist ja erstmal, oder historisch ja vor allem deshalb interessant, weil es analytisch rechnen kann. Das ist jetzt ja hier nur in der Modellbildung vielleicht interessant? |
[01:54:51] | Nein, also was wir natürlich hinterher wirklich tun, ist Hardcore-Rechnen. Und für Hardcore-Rechnen ist nach wie vor eigentlich Fortran… |
[01:55:00] | Immer noch. |
[01:55:00] | …eine der bevorzugten Sprachen. |
[01:55:03] | Ich hatte Hoffnung, weil ich habe kein Buch gefunden hier. Oder gesehen. |
[01:55:06] | Da müsstest du in das andere Zimmer gehen, da stehen die. |
[01:55:09] | Da stehen die Bücher, die du wirklich brauchst. Okay. Okay. Also immer noch. Das ist schade. Okay. Das heißt, in deinem Arbeitsalltag bist du dann durchaus öfter mal am Programmieren, oder machen das deine Mitarbeiter und du bist mehr der Modellbuilder? |
[01:55:28] | Ja, das variiert natürlich im Laufe der Karriere, denn… |
[01:55:31] | Okay, heute. |
[01:55:32] | …als ich…heute bin ich leider natürlich viel in Sitzungen… |
[01:55:36] | Ja, okay. Ja gut, lass… |
[01:55:37] | …und dementsprechend bin ich natürlich heute vielleicht nur noch einmal oder zweimal in der Woche wirklich am Rechner. Als Doktorand hat man natürlich zwölf Stunden am Tag dafür Zeit. |
[01:55:47] | Von daher ist natürlich heute in gewisser Weise meine Aufgabe in der Gruppe mehr die, zu sagen: Das sind die Probleme, die wir machen müssen, hier wäre mein Vorschlag, wie wir es tun würden, ich würde natürlich gegenchecken, aber natürlich hat man eine Familie, ich leite einen Lehrstuhl, natürlich nicht mehr die Zeit, die man hat, als man früher selbstständig als Doktorand an der Promotion arbeitet. |
[01:56:08] | Aber deine Kollegen dann hier in deiner Arbeitsgruppe, die verbringen einen Großteil ihrer Zeit tatsächlich am Rechner, indem sie Algorithmen bauen, parallel, habt ihr das Know-How zur Parallelisierung selber? Oder redet ihr für den Parallelisierungsaspekt auch mit Leuten, zum Beispiel vom Rechenzentrum, die sich dann mit euch zusammen an einen Rechner hinhocken und sagen: Hier haben wir einen Algorithmus, den habt ihr euch ausgedacht, den müssen wir jetzt parallelisieren, das machen wir gemeinsam? |
[01:56:30] | Klassisch immer so. |
[01:56:31] | Immer so, okay. |
[01:56:31] | Das heißt also, auch schon damals, als ich mit solchen Verfahren angefangen habe, vor vielen vielen Jahren, Mitte der 90er, war das natürlich immer im Zusammenhang mit den Informatikern. |
[01:56:44] | Denn man geht dann hin und sagt: Was habt ihr für solche Sachen? Oder oft ist es ja vielleicht sogar umgedreht. Die Informatiker haben im Prinzip schon Dinge ausgearbeitet, die funktionieren könnten und man sieht nachher, im Prinzip ist es eine ähnliche Art von Lösungsstruktur. |
[01:56:55] | Sie suchen einen Anwendungsfall für das Paper? |
[01:56:56] | Genau. Und das ist ja völlig legitim. |
[01:56:58] | Ja, ja, klar. |
[01:56:58] | Ja. Und von daher ist das eine sehr sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Auch jetzt bin ich – oder sind wir eigentlich mit der Gruppe – in einem Schwerpunktprogramm, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat, ein sehr sehr international sichtbares, das nennt sich Exascale Computing, wird also auch in der Welt sehr stark bewundert, weil es natürlich Deutschland mit dem Instrumentarium des Schwerpunktprogramms ein Instrumentarium hat, das in vielen anderen Ländern so gar nicht geht. |
[01:57:22] | Es wird also zentral von der DFG ein Programm in den letzten drei Jahren, jetzt die nächsten drei Jahre, weiter gefördert, in denen vorbereitet werden soll: Wie werden wir auf den Maschinen in den nächsten zehn Jahren rechnen? Also Maschinen, die erst in zehn Jahren überhaupt kommen, die jetzt im Prinzip schon gedanklich natürlich klar sind, wie werden die aussehen, für die wir aber noch gar keine Algorithmen wirklich haben. Also zum Beispiel, es ist ja nicht klar, wie ich ein Computermodell rechnen soll, wenn man auf 100000 Kernen arbeitet. Was passiert, wenn ein Kern ausfällt? |
[01:57:56] | Ja, klar. |
[01:57:56] | Resilienz. Also Fragen, die dann kommen. Und in diesem Projekt, und das rechne ich der DFG sehr hoch an, der Kollege, der das leitet, ist der Kollege Bungartz, der leitet einen Lehrstuhl für Informatik hier an der Technischen Universität, werden also ganz bewusst Computerscientists, Informatiker, Naturwissenschaftler zusammen gebracht, um dann in Verbundprojekten, zum Beispiel für die Astrophysik oder unser Projekt ist eines für die Erdwissenschaften, ganz spezifisch versucht wird, Algorithmen für diese zukünftigen Maschinen schon vorzubereiten. |
[01:58:35] | Cool. Schön, wenn man so ein Thema hat, wo man sowohl an den Grundlagen der Numerik oder der Computerei etwas beitragen, publizieren, contributen kann und aber auch auf einer fachlichen Geschichte. Das ist bestimmt eine spannende Kombination. |
[01:58:48] | Naja also die Geophysik ist, glaube ich, etwas – ich hoffe ja, vielleicht hören auch ein paar junge Kollegen zu oder Zuhörer – die glaube ich, durch ihre Mischung sehr sehr faszinieren. Sie spricht also gerade diejenigen an, die im Prinzip sehr breit denken wollen. Man braucht natürlich auf der einen Seite Grundlagen aus der Geophysik und der Mechanik und der Physik. Man macht natürlich auch sehr viel einfach in der Theorie, die dann zusammen kommt. |
[01:59:11] | Aber es ist letztendlich immer ein Bereich, in dem die Interdisziplinarität einen besonderen Stellenwert hat. Also, wer über verschiedene Grenzen hinweg denken kann, kann eigentlich in der Geophysik im Zweifel immer sehr sehr gut voran kommen. Plus, was natürlich die Geophysik auch bisher spannend macht, ist, das ist ein vergleichsweise Fach. |
[01:59:30] | Und weil sie klein ist, ist sie natürlich sehr international. Also unsere Kollegen, man kann sie vielleicht…Geophysik der tiefen Erde, wenn ich es mal sagen würde, sind vielleicht 5000 Leute. Das heißt, überall auf der Welt kennt man eigentlich fast jeden nach einer gewissen Zeit, was zum Beispiel auch für die Studenten bedeutet: Wenn man einfach mal zum Beispiel in Australien ein Jahr verbringen will, dann ist das für uns ein Telefonanruf und dann ruft man bei den Kollegen in Canberra an und sagt: Habt ihr was? Und dann gibt es meistens irgendetwas. Das macht das Fach natürlich sehr angenehm. In Deutschland ist es ein Fach, was vergleichsweise natürlich oft so einen Orchideen-Charakter hat. Muss man immer ein bisschen gucken, obwohl die Geophysik eigentlich in Deutschland de facto erfunden wurde. Der erste Lehrstuhl für Geophysik war der Lehrstuhl vom Kollegen Wiechert in Göttingen. |
[02:00:19] | Aber natürlich in anderen Ländern, nehmen wir uns Kalifornien an, ist es natürlich ganz offensichtlich… |
[02:00:24] | Naja, die haben da ja auch ganz egoistisch ein Interesse daran. |
[02:00:26] | Genau. Ja. Das heißt also, man sieht da auch, wie das dann natürlich von Ort zu Ort extrem anders ist. Trotzdem ist natürlich die Geophysik in Deutschland eine, die einen sehr sehr hohen Stellenwert und Ruf in der Welt hat. |
[02:00:39] | Cool. Ich habe keine Fragen mehr. |
[02:00:42] | Sehr schön. |
[02:00:43] | Hast du noch ein Wort zum Ausklang, einen Appell an die Weltbevölkerung, der kleine Teil, der zuhört? Keine Ahnung, irgendein… |
[02:00:50] | Also, zunächst erstmal muss ich gestehen, das Gespräch hat mir sehr gut gefallen. |
[02:00:53] | Das ist gut, mir auch. |
[02:00:53] | Ich war natürlich nicht darauf vorbereitet, wie das jetzt alles geht und deswegen mussten wir uns so ein bisschen treiben lassen. Generell, was ich natürlich hier den Zuhörern vermitteln möchte, ist, wie spannend und faszinierend Geophysik ist. Was wirklich in meinen Augen die Geophysik ungewöhnlich macht, ist, dass sie so unintuitiv ist. Viele Dinge, die man normalerweise aus den Längenskalen und Zeitskalen des menschlichen Bewusstseins annimmt, stellen sich auf den Zeitskalen und Längenskalen eines Planeten als falsch heraus. Und das macht die Geophysik so ungewöhnlich. Man muss also wirklich versuchen, sich immer ganz bewusst technisch zu trainieren und über ein Problem nachzudenken und dann oft so ein bisschen wie ein Detektiv versuchen: Wo sind die entsprechenden Beobachtungen, die ich verwenden kann, um dann hinterher zu entscheiden, ob das Eine oder das Andere richtig war? Diese Faszination natürlich auch im Gespräch mit dir ein bisschen rüber zu bringen und natürlich auch da auch wieder mal Interesse zu wecken, ist eigentlich das, was ich ein bisschen hoffe, was unser Gespräch heute erreichen wird. |
[02:01:52] | Ja. Also mir hat es extrem viel Spaß gemacht. Ich fand es echt spannend und mir ging es eben genauso, es war – ich will jetzt nicht sagen interessanter als ich gedacht hätte – wenn ich es nicht interessant gefunden hätte, wäre ich nicht da, aber es ist facettenreicher, als ich geglaubt hätte. Also vielen herzlichen Dank, war echt klasse. |
[02:02:07] | Gerne, du auch. Tschüs. |
Transcript: omega tau XXX – YYY
COPY EPISODE ABSTRACT HERE
[00:02:48] | Mein Name ist Hans-Peter Bunge, ich leite den Lehrstuhl für Geophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Vielleicht sage ich ein bisschen was, wo ich her komme. |
[00:02:58] | Genau. |
[00:02:58] | Ich habe in Tübingen Geologie und Physik studiert, bin dann nach Amerika gegangen, hab dort mit einem Promotionsstipendium an der Universität Berkeley promoviert zu dem damals recht neuen Thema Globale Modelle der Erdmantelkonvektion. Großteil dieser Arbeit hat damals eigentlich stattgefunden am Los Alamos nationalen Labor, ich bin also ziemlich lange in Neu-Mexiko gewesen. Ein sehr schöner Bundesstaat, herrlich zum Leben. Danach bin ich für eine Assistenzprofessur nach Princeton gegangen, war dort also einige Zeit am Lehrkörper und hab dann vor guten 10 Jahren den Lehrstuhl hier in München angenommen. Das ist ungefähr, wo ich so ein bisschen her komme und was auch vielleicht ein bisschen motiviert, dass ich doch relativ lange auch außerhalb von Deutschland gelebt und gearbeitet habe und das natürlich auch heute versuche ein bisschen der Arbeit mitzubringen. |
[00:03:59] | Klar. Genau, und wir wollen uns heute unterhalten über die Erde an sich, also vor allem das unter der Erdoberfläche. Sollen wir mal damit anfangen die Erde von ihren Schichten her – weiß ja jeder, dass es verschiedene Schichten gibt – das mal grob zu strukturieren und dann über die weiter im Detail zu sprechen? |
[00:04:20] | Genau, machen wir. Und zwar, wenn man das klassisch so angeht, schneidet man die Erde so durch wie eine Kugel und dann sieht man, dass eigentlich vielleicht so zwei oder drei große Lagen da sind. Die äußere Lage ist der Erdmantel, Teil des Erdmantels im weiteren Sinne ist natürlich auch die festere äußere Hülle. Da gibt es oft ein bisschen ein Durcheinander, weil man spricht da manchmal von der Kruste, man spricht da manchmal von der Lithosphäre. Wir können das hinterher nochmal genauer aufteilen. Aber das sind eigentlich alles Bereiche, die aus den Gesteinen aufgebaut sind. Da nennen wir das Silikate. |
[00:04:58] | Und die sind auch fest dann? Oder ist es teilweise flüssig? |
[00:05:01] | Nein, eigentlich sind die alle fest. |
[00:05:04] | Das heißt, in der äußeren natürlich lithosphärischen Schicht, da sind sie auch wirklich geologisch fest. In dem darunter liegenden Erdmantel sind sie zwar immer noch fest, also es ist nicht so, dass da alles riesig geschmolzen mit Lavaseen ist, wie man das manchmal auch hört, sondern wir wissen aus seismischen Wellen, die durch das Erdinnere hindurch gehen, dass dort wirklich eine Scherfestigkeit herrscht. Aber natürlich sind die Temperaturen und auch die Drücke hoch genug, dass es über geologische Zeiträume dann nicht mehr fest ist. Das heißt, da muss man den Unterschied in der Zeit machen. Wenn ich jetzt wirklich ganz kurzfristig schaue, könnte man also wirklich solche Gesteine belasten, wenn ich aber vielleicht nach 10000 Jahren wiederkommen würde, hätten sie eine gewisse Verformung hinter sich. |
[00:05:56] | Ungefähr in der Hälfte des Erdradius, also 3000 Kilometer unter unseren Füßen, beginnt aber ein ganz anderes Regime, und zwar wechselt es dort zu den metallischen Stoffen und das ist der so genannte Erdkern, der im Wesentlichen aus Eisen aufgebaut ist. Und dieser Erdkern unterteilt sich dann nochmal ganz spezifisch in einen inneren und einen äußeren Kern. Der äußere Kern ist flüssig und der innere Kern ist dann wirklich fest. Auch das wissen wir wiederum aus Beobachtungen der Seismologie, seismischen Wellen, die durch das Erdinnere gehen. Das sind also sozusagen, die allererste Größenordnung ist im Prinzip ein metallischer innerer Teil unseres Planeten von null bis ungefähr 3000 Kilometer, die Hälfte. Und der ist sozusagen eingebettet in eine äußere Gesteinsschale, die dann die nächsten 3000 Kilometer ausmacht. Und das ist die grobe Struktur des Planeten. |
[00:06:58] | Wie kommt es, dass der innerste Kern fest ist? Man sollte ja denken, dass da aufgrund des wahrscheinlich größten Drucks und der größten Temperatur, da dann eher was flüssig ist. |
[00:07:07] | Ja, gute Frage. Und zwar, es gibt eigentlich immer so einen Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen Druck. Und die Temperatur nimmt natürlich mit der Tiefe nicht unbedingt linear zu, da können wir nachher nochmal schnell drüber gucken, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann, da kann man sehr sehr schnell abschätzen. Die Drücke nehmen aber im Prinzip – man würde dazu sagen – hydrostatisch, also in einer linearen Form gewissermaßen zu, so dass also auch gerade im innersten Teil des Planeten riesig hohe Drücke herrschen und dort dann eben auch wieder das Eisen, was sonst im Rest des Kernes flüssig bleibt, im Zentrum dann doch wieder eine feste Form annimmt. |
[00:07:49] | Aufgrund des Drucks einfach, das gewinnt. Und Eisen ist der Hauptbestandteil, hast du gerade schon gesagt. Was haben wir da sonst noch? Oder ist das vernachlässigbar? |
[00:08:00] | Die anderen sind im Wesentlichen vernachlässigbar. Es ist gar nicht so leicht, die anderen wirklich dingfest zu machen. Es gibt dann also im Prinzip so übliche Verdächtige und dazu gehört natürlich auf der einen Seite Sauerstoff. Der Planet hat viel Sauerstoff. Auf der anderen Seite Schwefel und auf der dritten Seite Silizium, auch Silizium natürlich wieder, weil ein großer Teil des Planeten ja aus Silikaten aufgebaut ist. Das sind so drei Hauptverdächtige, zwischen denen gibt es dann akademische Dispute, wie es so im Einzelnen ist. Und vielleicht für zehn Prozent sind diese Beimischungen im äußeren Kern. |
[00:08:37] | Woher ist das Eisen? Eigentlich im Wesentlichen ist auch das wieder letztendlich eine Frage der Chemie. Unter den schweren Elementen – und wir brauchen eigentlich aus Gravitations- und anderen Analysen einen schweren Kern – ist das Element Eisen natürlich das, was am ehesten wahrscheinlich ist. Man könnte sich ja vorstellen, dass da… |
[00:08:59] | Weil es ein relativ unedles oder ein relativ frühes in der Reaktionskette… |
[00:09:05] | Genau. Es ist ein relativ häufiges Element und von daher wäre es also wesentlich weniger sinnvoll anzunehmen, zum Beispiel, dass es Gold ist. |
[00:09:16] | Wäre wirtschaftlich interessant. |
[00:09:17] | Wäre wirtschaftlich interessant, genau. |
[00:09:19] | Aber so richtig wissen tun wir das demnach dann nicht, sondern wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung? |
[00:09:25] | Wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung und deswegen ist das vielleicht auch eine gute Art, das in unser Gespräch mit hinein zu bringen, weil es zeigt so ein bisschen, wie die Geowissenschaften oft aufgebaut sind. Die Geowissenschaften sind eigentlich ungewöhnlich relativ zu vielen anderen Wissenschaftsgebieten, indem sie sich eigentlich mit einem Thema beschäftigen – der Erde -, das sie weder kontrollieren noch wiederholen können. Das heißt, wir müssen oft im Prinzip sehr indirekte Fragen stellen. Und die Frage z.B. aus welchen Elementen der Kern aufgebaut ist – eine klassische Prüfungsfrage bei uns – denn jedes einzelne Argument, was man voranbringen könnte, ist nicht unbedingt sehr überzeugend. Interessant, aber nicht unbedingt für sich ausschlaggebend. Aber in der Summe wird es dann interessant. Zum Beispiel kann man beim Kern sich überlegen: Von der Dichte her passt Eisen ganz gut. |
[00:10:17] | Damit die Erdmasse zum Radius passt… |
[00:10:20] | Genau. |
[00:10:20] | …unter Berücksichtigung der Dinge, von denen, die oben sind, die wir kennen. |
[00:10:24] | Genau. Gleichzeitig ist Eisen ein relativ häufiges Element. Das passt auch schon mal ganz gut. Zusätzlich ist Eisen etwas, was bei diesen Temperaturen im Schmelzpunkt vorliegen müsste und aus Beobachtungen der seismischen Wellen wissen wir, dass der äußere Erdkern flüssig ist. Wenn man dann also solche Argumente aneinander reiht, dann stellt man fest, dass das vermutlich ein relativ überzeugender Vorschlag ist, aber natürlich bohren oder in irgend einer Form direkt hin gehen, können wir nicht… |
[00:10:54] | …so dass wir eigentlich dann immer auf solche indirekten Formen angewiesen sind. |
[00:10:58] | Das heißt, wie tief kann man denn gerade bohren, wo du es gerade erwähnt hast, wie tief ist so die aktuellste… |
[00:11:04] | Die tiefsten haben die Russen gemacht, das war auf der Kola-Halbinsel, so ungefähr, ich würde mal denken zwölf Kilometer, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe. |
[00:11:12] | In Deutschland gibt es das berühmte Kontinentale Tiefbohrprogramm, das KTB. Das war in Nordbayern, in Windischeschenbach und dort ist man, glaube ich, auf ungefähr knappe zehn Kilometer gekommen. |
[00:11:25] | Okay, also natürlich weit weit weit weit weg… |
[00:11:27] | Völlig jenseits von allem, was dafür relevant wäre. |
[00:11:31] | Und Lava, könnte man jetzt sagen, die Lava kommt von ganz innen, das gucken wir einfach, was da drin ist. Demnach kommt die Lava nicht von ganz innen. |
[00:11:38] | Eben. Sie kommt eben in der Tat nicht von ganz innen. Eigentlich, wir haben ja vorhin schon gesagt, ist in so einem Planeten immer ein Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen dem Druck. Der Druck nimmt relativ gleichmäßig zu. Vergleichbar so, wie wenn man in einem Schwimmbad oder in einem großen Becken abtauchen würde, auch im Ozean. |
[00:11:58] | Ja, das war das Stichwort “hydrostatisch” vorhin. |
[00:11:59] | Genau und das ist ja genau das, wo auch Taucher manchmal aufpassen müssen, dann, wenn sie auch wieder auftauchen. Die Temperatur nimmt in der Tat nicht gleichmäßig zu… |
[00:12:09] | …und hat im Wesentlichen eine Kurve, einen Verlauf, den man praktisch als “Z” sich vorstellen könnte. Und zwar anfänglich eine sehr sehr starke Zunahme, dann eine fast stetige, ja fast konstante Temperatur und dann – ich rede jetzt über den Mantel – wieder an der Unterseite des Mantels wieder eine sehr starke Zunahme. Das kann man aus verschiedenen Dingen sich klar machen. Das Erste ist einfach mal, wenn man sich jetzt ganz normal den oberflächennahen Gradienten anschauen würde der Temperatur, das sind so ungefähr, glaube ich, 30 Grad oder so pro Kilometer, Pi mal Daumen. |
[00:12:50] | Den man zum Beispiel durch Bohrungen dann tatsächlich messen kann. |
[00:12:52] | Bohrungen, in den Bergwerken, vielen anderen Bereichen, misst man sowas. Und jetzt stellen wir uns mal vor, wir würden 1000 Kilometer in die Erde rein gehen, da sind wir ja immer noch gerade höchstens ein Sechstel der Entfernung zum Erdinneren, da wären wir bei 30000 Grad. Die Oberflächentemperatur der Sonne ist 5000 Grad. |
[00:13:11] | Das macht also überhaupt gar keinen Sinn in dieser Art und Weise weiter zu denken. Es hat aber auch einen physikalischen Grund und zwar, wenn man sich jetzt einfach anschaut: Wie kann Wärme transportiert werden? – gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten des Wärmetransports, die wichtig sind. Und zwar, auf der einen Seite kann Wärme dadurch transportiert werden, dass es Temperaturunterschiede gibt. Und das nennen wir die Wärmeleitung, die Konduktion. Ein solcher Wärmetransport braucht immer große Temperaturunterschiede, gerade auch, wenn die Wärmeleitfähigkeit des Materials nicht sehr hoch ist. Im Falle der Erde oder Gesteinsmaterialien haben eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit. |
[00:13:47] | Das, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere an Thermodynamik damals, wird das glaube ich als Q-Punkt bezeichnet. Kann das sein? |
[00:13:53] | Das… |
[00:13:54] | Weiß ich nicht mehr, ist ja auch egal. |
[00:13:55] | Ja, aber die zweite Möglichkeit, wie man natürlich Wärme transportieren kann, ist, indem man einfach das Material selber transportiert. |
[00:14:04] | Das nennt man die Advektion. Und dann stellt es sich heraus, dass eigentlich von den thermischen Eigenschaften von Silikaten, Gesteinen, es unmöglich ist, per Konduktion wirklich tief in einen planetaren Körper einzudringen. Das, dieses klassische Argument, dass eigentlich größere Körper im Sonnensystem überhaupt gar nicht durch Konduktion zu kühlen sind. Sie müssten eigentlich konvektieren. |
[00:14:30] | Also Material austauschen, um es nochmal… |
[00:14:31] | Material austauschen, genau. Und das bedeutet, dass eigentlich unterhalb so einer – im Prinzip – thermischen Grenzschicht nahe der Oberfläche, ungefähr 100 Kilometer tief ist das. Das ist das Wort, was ich vorhin verwendet habe, technisch gesprochen die so genannte Lithosphäre. |
[00:14:46] | Aha, okay. |
[00:14:48] | Dieser Bereich ist der, in dem der Wärmetransport radial, also nach außen… |
[00:14:52] | Also sprich, sie strahlt Wärme ab und kühlt dadurch. |
[00:14:57] | Genau und hat im Prinzip so eine thermische Grenzschicht, die so ein bisschen in den Planeten hinein geht. Nun haben wir – da kommen wir nachher vielleicht noch dazu, zur Plattentektonik. |
[00:15:06] | Ja ja, klar. |
[00:15:06] | Diese Schicht wird natürlich auch regelmäßig wieder durch Subduktion und andere Sachen erneuert, aber zunächst erstmal einfach radial entlang dieser Schicht in den oberen 100 Kilometern wird der Wärmetransport primär über die Konduktion bewerkstelligt. Da drunter über die Advektion. Advektion vermischt aber das Ganze sehr gut, so dass also eigentlich tiefer im Planeten auf einmal die Temperatur gar nicht mehr so stark ansteigen braucht. Ich kann trotzdem alle Wärme, die ich abführen möchte, durch die Konvektionsströme selber abführen. |
[00:15:38] | Durch die Advektionsströme. |
[00:15:39] | Durch die Advektionsströme abführen und krieg dann, wie gesagt, in den oberen 100 Kilometern so eine konduktive Zone, da muss die Temperatur sehr stark anziehen. Dann geht es in den nächsten 3000 Kilometern im Mantelinneren eigentlich mit einem sehr geringen Gradienten weiter, eigentlich im Wesentlichen ist das ein so genannter adiabatischer Gradient, also durch den Druck selber wird das Gestein natürlich noch ein bisschen erhitzt. Und dann, erst wieder an der Grenze zwischen Kern und Mantel, kommt wieder so eine Zone, in der Konduktion stattfindet. |
[00:16:08] | Blöde Frage: Du sprichst gerade die Grenze zwischen Kern und Mantel an. Wodurch entsteht denn diese Grenze überhaupt? Ist es so, dass da die Temperatur sich so verändert, dass dadurch die Kernreaktionen entstehen? Nicht Kernreaktion im Sinne von Atom, sondern das physikalische Vorgehen im Erdkern. Oder ist es andersrum, dass quasi erst der Kern da war mit seinem flüssigen Eisen an der Stelle wahrscheinlich und dadurch dann die Temperatur sich ändert? Also wie kommt es da überhaupt zu dieser Grenze, die man da fest macht? |
[00:16:36] | Sehr sehr schöne Frage! Und zwar, der Kern ist wesentlich dichter als der Mantel und man kann das sich sehr leicht klar machen. An den Ozeanböden haben wir einen großen Dichteunterschied. Die Dichte von Wasser ist, sagen wir mal eins, Stein ist ungefähr drei, jetzt mal Pi mal Daumen genommen. Das heißt, hätte einen Dichteunterschied von zwei. Aber die Dichteunterschiede zwischen den Tiefengesteinen im Mantel selber, wo es so ungefähr fünf Gramm pro Kubikzentimeter sind, und dem Kern, wo es so ungefähr zehn sind, ist fünf Gramm pro Kubikzentimeter. Das heißt also, der größte Dichtesprung, den wir überhaupt irgendwo im Planeten haben, ist gar nicht zwischen Ozeanboden und Wasser, sondern eigentlich zwischen Kern und dem darüber liegenden Mantel. |
[00:17:21] | Aber warum ist da ein Sprung? |
[00:17:23] | Weil das Material natürlich anders ist. |
[00:17:24] | Und warum ist das Material anders? |
[00:17:25] | Ja, weil das, wie soll ich das sagen? Wenn man einen Planeten baut, hat man natürlich immer alle möglichen Komponenten dabei. Also man hat ein Eisen dabei, man hat Silikate, Sauerstoff, alles mögliche dabei. Die leichten Dinge wandern langsam nach oben, die schweren Dinge wandern nach unten, das heißt also, selbst wenn man die Erde mal ursprünglich gebaut hätte, wir wissen nicht genau, wie sie natürlich ursprünglich zusammen gekommen ist. |
[00:17:49] | Ja, klar. |
[00:17:50] | Aber dann müsste früher oder später sich das schwere Eisen einfach im Kern sammeln. Und dementsprechend bleibt natürlich dem Kern gar nichts weiter übrig, als gegenüber dem Mantel einen relativ hohen Temperaturunterschied aufzubauen, weil der Kern seine Wärme ja nicht durch Advektion in den Mantel abgeben kann. Er kann ja nicht rein konvektieren. |
[00:18:09] | Weil das leichte Zeug halt, weil das schwere Zeug ja unten bleibt. |
[00:18:12] | Genau das, ja. Und dementsprechend hast du genau das Gleiche wie an der Oberfläche auch. Die Erde kann ihre Temperatur ans Äußere ja nicht abgeben, indem sozusagen die Erde ins Universum hinaus advektiert, sondern nur noch, indem an der Oberseite sich eine Zone mit hohem Temperaturgradienten ausbildet. Und entlang des Gradienten kann ich dann die Wärme ableiten. Das Gleiche gilt für den Kern. Der Kern kann eigentlich seine Temperatur und seine Energie wirklich nur in den Mantel abgeben, indem sich an der Unterseite des Mantels jetzt wiederum eine solche Zone hoher Wärmeleitung, also Konduktion, ausbildet. |
[00:18:45] | Also sprich, indem der Kern abstrahlt. |
[00:18:47] | Indem der Kern dann da abstrahlt, genau das. |
[00:18:50] | Das heißt also, die Größe des Kerns hat nix damit zu tun, erstmal, wie da halt die Drücke sind, sondern hat mit der Menge an Eisen im Planet zu tun? |
[00:18:59] | Genau. |
[00:19:00] | Und dementsprechend gibt es natürlich manche Planeten, an denen wir denken, dass der Bereich des Eisens viel größer ist. Zum Beispiel die Vorstellungen für den Merkur sind, dass er einen wesentlich größeren prozentualen Anteil hat. Und bei der Erde ist es halt ungefähr so, dass man eben auf halbem Wege ins Erdinnere hinein eben den Kern hat. Das ist ungefähr das, was vom Volumen her dann für den Kern da war. |
[00:19:23] | Ja. Dieser Unterschied zwischen innerem und äußerem Kern, flüssig nach fest, der stand wahrscheinlich aber nicht sprunghaft, sondern das ist ein Kontinuum, das sich dann, weil ja da dann alles Eisen ist und damit quasi elementar gleich, da ändert sich dann eben nur der Druck. Und irgendwann mal gewinnt halt der Druck, wie wir vorhin gesagt haben. |
[00:19:40] | Ja, vermutlich. Wobei das im Prinzip mehr eine Erwartung ist, denn genau diese Zone des Überganges zu beproben, zum Beispiel durch seismische Wellen, ist extrem schwer. Das heißt also, wenn überhaupt, können wir das nur zu den Wellenlängen hin wissen und die Wellenlängen sind im Bereich von Zehnern von Kilometern. Das heißt, wir wüssten gar nicht, mit den Beobachtungen, die uns zur Verfügung stehen, ob solche Sachen noch viel schärfer oder nicht wären. Dementsprechend gibt es dazu alle möglichen Spekulationen. |
[00:20:13] | Okay. Ganz kurz zu dem Thema Experimente mit seismischen Wellen. Sollten wir vielleicht ganz kurz erklären, wie es funktioniert. Prinzipiell ist die Idee die, dass man irgendwo eine Welle einbringt, durch irgendeinen Stempel, Kompressor, Explosion, und die dann an verschiedenen Stellen an der Erde wieder einsammelt, darauf hört, sich das Wellenbild im Unterschied zum Original anguckt. Soweit ist glaube ich klar. |
[00:20:37] | Genau. Genau. |
[00:20:38] | Vielleicht auch mit natürlich auftretenden Explosionen, wenn man den Ort kennt, woher sie kommen. Die Frage ist jetzt: Wie kann man das ohne Bild halbwegs beschreiben, wie man aus solchen empfangenen Wellen jetzt irgendwas lernt über, zum Beispiel, flüssig, was ist fest, wie interpretiert man so was? |
[00:20:58] | Genau. Und zwar, also, wenn man die seismischen Wellen ein bisschen genauer hinweg anschaut, dann wird man feststellen, dass es im Wesentlichen vier Arten von Wellen gibt. Und zwar ist zum Ersten die Unterscheidung zwischen Oberflächenwellen und Raumwellen. Die Raumwellen können sich durch den ganzen Körper hinweg ausbreiten. Die Oberflächenwellen brauchen eine Oberfläche. In diesem Falle zum Beispiel die Erdoberfläche. Nun ist es aber auch so, dass diese beiden Wellen unterschieden werden können in Wellen, die primär Scheranteile haben und solche, die Kompressionsanteile haben. Wir nennen das bei den Raumwellen die so genannten P-Wellen und die so genannten S-Wellen. |
[00:21:36] | Scherwelle heißt in dem Fall, wenn wir mal auf der Erdoberfläche gucken, links – rechts quasi? |
[00:21:41] | Genau, die Welle breitet sich, sagen wir mal, in eine Richtung aus, aber die Bewegung innerhalb der Welle geht senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. |
[00:21:49] | Aha. |
[00:21:51] | Eine solche Welle braucht schlichtweg eine Scherfestigkeit im Körper, sonst kann sie sich nicht ausbreiten. |
[00:21:56] | Weil es sonst zu labberig wäre. |
[00:21:57] | Genau, es wäre einfach zu labberig. Die Welle hat gar keine Möglichkeit sich im Prinzip an irgendetwas aufzuhängen. Eine Druckwelle braucht das, die komprimiert einfach das Material. |
[00:22:06] | Die gibt es ja auch in Wasser und in Luft. |
[00:22:07] | Genau. Das heißt also, wenn wir uns zum Beispiel beide unterhalten, unterhalten wir uns nicht mehr in einer Scherwelle. |
[00:22:13] | Und dann ist es natürlich hinterher für einen Seismologen möglich, gerade wenn man…Wir haben vorhin gesagt, welche Quellen kann man nehmen? Die Quellen, die du angesprochen hast, sind menschliche Quellen, zum Beispiel indem man auf irgendetwas drauf haut oder zum Beispiel mit einem großen Fahrzeug versucht Vibrationen auszutun. Das wird im Augenblick gerade hier in München gemacht. Dann ist das natürlich etwas, was von der Energie her sehr gering ist. |
[00:22:39] | Die Wellen, die wir verwenden, um tief ins Erdinnere hinein zu schauen, sind eigentlich die großen Erdbeben. Wirklich also den großen Erdbeben, gerade den Erdbeben jenseits von fünf, sechs, sieben, kann man natürlich sehr viel über die tiefe Erde auch lernen. Wenn man sich dann solche Wellen anschaut, kann man zum Beispiel feststellen, dass in bestimmten Entfernungen, sogenannten Winkelentfernungen, epizentrale Distanzen, man muss sich das ja immer in einem Körper vorstellen bei der Erde, der ja rund ist. |
[00:23:06] | Ja, also sprich: Europa versus Afrika am gleichen Längengrad und wir messen an verschiedenen Breitengraden. |
[00:23:12] | Ja, ja, genau. Und da wäre es ja dann 30 Grad schon in der Winkelentfernung weg oder mehr. Und dann kann man zum Beispiel bei den Scherwellen Schattenzonen feststellen. Es gibt für bestimmte epizentrale Distanzen Bereiche, in denen dann einfach keine Scherwelle mehr ankommt, obwohl eine P-Welle zum Beispiel ankommt oder obwohl ich bei einer anderen epizentralen Distanz für das gleiche Erdbeben eine Scherwelle beobachte. Das war eine der frühen Beobachtungshinweise, dass es tief im Erdinneren einen Bereich geben muss, in dem sich Scherwellen nicht ausbreiten. |
[00:23:42] | Sprich: es kann nicht fest sein. |
[00:23:45] | Genau. |
[00:23:45] | Und wie kann ich jetzt nochmal von Winkelentfernung zurückschließen, in welcher Tiefe die Reflexion stattgefunden haben muss? Weil das hast du ja im Prinzip gerade gesagt. Wie, wo… |
[00:23:57] | Die Wellen gehen natürlich ins Erdinnere hinein, aber wie bei jedem anderen optischen Medium auch, wenn die Geschwindigkeiten mit der Tiefe zunehmen, dann werden die Wellen wieder heraus gebogen. |
[00:24:10] | Wie aus einem optischen Medium auch. Und dementsprechend sind also die Wellen, die in das Erdinnere hinein dringen, Wellen, die eigentlich immer wieder aus der Erde heraus gebogen werden. Sie gehen…zum Beispiel, hätten wir jetzt ein Erdbeben hier in München, dann würden sie sich also zum Beispiel ins Erdinnere hinein bringen, würden aber gleich wiederum aus dem Erdinneren heraus gebrochen werden an die Oberfläche und zum Beispiel irgendwo in Moskau raus kommen oder irgendwo in Nordafrika oder an anderen Orten. Und je weiter ich jetzt weg gehe, epizentral in der Distanz, umso mehr schaue ich auf Erdbebenwellen, die tiefer eingedrungen sind. |
[00:24:47] | Da muss ich aber irgendetwas über den Brechungsindex mit der Tiefe wissen. |
[00:24:49] | Genau. Das müsste ich dann heraus finden und das haben Seismologen in den letzten 100 Jahren sehr gut gemacht. Das heißt, man kann ja dann sehr systematisch vermessen. Wenn ich eine bestimmte Quelle habe, gucke ich mir eben bei jeder epizentralen Distanz die Ankunftszeit heraus und kann dann eigentlich ein Problem aufstellen, das ich auch lösen kann. Dass ich sagen muss: Wie muss die Tiefengeschwindigkeitsverteilung sein, damit ich das hinterher heraus kriege? |
[00:25:11] | Und die hängt letztendlich unter anderem vom Material, von seiner Dichte ab. Und dieses Scherwellen-versus-P-Wellen-Ding hat halt damit zu tun, dass, wenn ich Scherwellen gar nicht empfange, dann muss da irgendwo was sein, was flüssigkeitsmäßig… |
[00:25:23] | Genau. Und um das eben noch mal ganz deutlich zu sagen: Im Erdmantel ist eigentlich nichts flüssig. Mit ganz ganz wenigen Ausnahmen ist dort alles fest. Und wenn wir also von dieser Schattenzone sprechen, dann meinen wir wirklich den äußeren Kern. |
[00:25:36] | Okay. Okay. Die künstlichen Wellen, die wir mit Explosionen oder mit irgendwelchen Unimogs mit Stempeln dran produzieren, wie weit kommen wir da ungefähr runter? Eine Hausnummer? |
[00:25:46] | Vielleicht ein paar Kilometer. |
[00:25:48] | Also auch eigentlich Kindergarten für die geophysikalischen… |
[00:25:51] | Das macht man eigentlich, wenn überhaupt, eben für die Erdölexploration. Im Augenblick ist natürlich sehr viel für die Geothermie. Das heißt, da sind viele Sachen, in denen man natürlich dann da genau schauen kann. Nun tut man natürlich gerade bei solchen obeflächennahen Prospektionen oft natürlich sehr viel genauer anschauen. Das heißt, man nimmt höherfrequente Wellen. Die können dann natürlich viel feiner etwas abbilden, aber natürlich sind die Energien einfach nicht so hoch, dass sie dann sehr tief eindringen. |
[00:26:19] | Ja, okay. Wir haben schon gesagt, dass der Kern später mäßig, also vor allem, was seine Eigenschaften angeht, eben dominant aus Eisen besteht. Drastisch sozusagen mehr oder weniger egal. Aus was bestehen dann die weiter außen liegenden Schichten? Also haben wir schon gesagt: Silikate, Steine. Kann man das näher… |
[00:26:43] | Man kann es jetzt näher natürlich aufbringen. Also zunächst erstmal wichtig, die dominanten chemischen Komponenten sind Silizium, Magnesium, Sauerstoff. Die Mineralnamen, die man dafür verwenden könnte, zum Beispiel in den oberen paar hundert Kilometern in der Erde sind das zum Beispiel Minerale wie die sogenannten Olivine. Es gibt auch sogennante Pyroxene. Diese Minerale sind eigentlich das, was auch sonst zum Beispiel bei uns zu finden wäre an der Erdoberfläche. Wenn ich jetzt aber weiter ins Erdinnere hinein gehe, sind diese Kristallstrukturen nicht mehr stabil. Das heißt also, was eigentlich ab bestimmten Tiefen zu erwarten ist, ist, dass die Kristallstrukturen zusammen brechen, sich umformen, andere Strukturen annehmen. |
[00:27:33] | Ist das temperaturbedingt dann wieder, oder…? |
[00:27:35] | Druck. Vor allem druckbedingt. Und aus sehr vielen Vergleichen von seismischen Beobachtungen und dann Experimenten im Labor, in denen man zum Beispiel Olivine oder Pyroxene nimmt und sie zum Beispiel hohen Drücken aussetzt, hat man daraus gelernt, dass dann eine Mineralphase auftaucht, die wir das sogenannte Pyroxen nennen. Und das Pyroxen ist dann das, was eigentlich den allergrößten Volumenanteil des Mantels ausmacht, nämlich alles mehr oder weniger unterhalb von 600 Kilometern. Von 600 Kilometern bis zur Kern-Mantel-Grenze liegen dann eigentlich diese Vielzahl von anderen Mineralformen, die wir näher an der Oberfläche sonst stabil halten können, in diesen Pyroxen-Formen vor. |
[00:28:19] | Okay. Die nächste offensichtliche Frage ist natürlich die der Struktur des Mantels. Das wird ja keine homogene Masse ohne jedwede weitere Struktur sein. Aber ich würde das nochmal ein bisschen verschieben wollen und nochmal auf den Kern zurück kommen. Ich hatte eine Frage von einem Hörer: Was den Kern antreibt? Also, die Hitze, die da entsteht. Und, das ist glaube ich klar, dass das keine Radio-Atom-Reaktion ist wie in der Sonne. |
[00:28:50] | Sagen wir mal so, es ist nicht ganz klar. |
[00:28:53] | Okay. Dann ist es doch gar nicht so blöd, dass ich die Frage doch stelle. Ich wollte es gerade sagen, es ist halt der Druck und die Hitze und der macht halt das Eisen flüssig oder hart und das war es dann. |
[00:29:00] | Ja gut, aber damit ist man natürlich…hat man ja noch keine Energiequelle. Damit hat man ja nur gesagt: Ich war jetzt unter hohem Druck und sehr großer Wärme, aber der Kern muss ja in gewisser Weise auch sozusagen den Energieverlust, den er zum Erdmantel hin hätte, versuchen auszugleichen. |
[00:29:16] | Ich hätte jetzt einfach naiv gesagt, der verliert einfach Energie und irgendwann in 3,5 Millionen Jahren ist die Erde halt erkaltet und gut. Aber das ist vielleicht falsch. |
[00:29:23] | Ja und dafür gibt es natürlich eine Menge von sehr interessanten geophysikalischen Fragen, Aspekten und Beobachtungen. Und ich nenne mal ein paar. Das Eine ist natürlich, was könnte denn überhaupt den Kern antreiben? Was gibt es alles mögliches? |
[00:29:39] | Das Eine ist natürlich, da kann es eine Entmischung geben, denn natürlich die leichten Elemente im Proto-Kern, als es noch keinen inneren Kern gibt, sind natürlich überall gleichmäßig verteilt. Irgendwann natürlich fängt der innere Kern an sich auszubilden. Als Konsequenz geht natürlich auch dort jetzt wieder eine gravitative Entmischung vor. |
[00:30:00] | Ja, Sortierung nach Dichte oder Gewicht. |
[00:30:02] | Genau. Und das heißt also, eine der Ideen ist, dass das zum Beispiel ein wichtiger Anteil sein kann für das, was eigentlich den Kern sozusagen antreibt. Das Zweite ist, dass man natürlich sich auch genauso vorstellen kann, bei jeder Phasenreaktion sind natürlich auch latente Wärmen, die frei werden. |
[00:30:20] | Exotherm. |
[00:30:21] | Und das heißt also einfach: Indem ich einen festen Kern, einen festen inneren Kern erzeuge, wird natürlich auch da wieder latente Wärme frei. |
[00:30:29] | Weil sich das flüssige Eisen zum Beispiel zu Eisen-irgendwas-Oxid umwandelt. Ich habe keine Ahnung von dem Zeug. Das war gerade… |
[00:30:35] | Genau. Nicht Eisenoxid, aber einfach zu einem festen Eisen. |
[00:30:38] | Aber festes Eisen, passiert da, ist es nicht einfach so, dass es durch die…was passiert da eigentlich? Also was passiert, wenn Eisen aus flüssiger…ist das nicht eine Änderung vom Aggregatzustand? Warum passiert da…aber warum passiert da, was hat das mit der chemischen Reaktion zu tun? |
[00:30:50] | Was hat das…nein, nicht mit einer chemischen Reaktion, sondern mit einer latenten Wärme. Da wird ja eine latente Wärme frei. |
[00:30:55] | Weil es abkühlt. Dadurch wird es fest, ja okay, klar, so rum. Ja, okay. |
[00:30:58] | Und auch das könnte einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus ist es nicht geklärt, ob zum Beispiel nicht doch radioaktive Elemente im inneren Kern, nein im äußeren Kern wichtig sind, also ob einfach auch eine erhebliche Energiemenge dadurch geleistet wird, dass eben dort Zerfallsprodukte bestehen. Das ist eine relativ schwierige Frage zu beantworten, weil es natürlich chemische Betrachtungen gibt. Die Chemiker sagen uns, es ist eigentlich von der Art der Verbindungen her unwahrscheinlich, dass sich zum Beispiel die typischen radioaktiven Elemente Potassium oder Uran oder anderes überhaupt in den Kern hinein bringt. Das ist aber eine schwierige Frage, weil es damit zu tun hat, hat sich der Kern unter flüssigen Bedingungen gebildet oder unter festen Bedingungen? Das ist eigentlich, wenn man da hinein bohrt, eine sehr sehr spannende Frage. |
[00:31:48] | Im übertragenen Sinne “hinein bohren”. |
[00:31:50] | Genau. Im übertragenen Sinne. |
[00:31:51] | Gefährlich. |
[00:31:52] | Ich will damit einfach nur sagen: Das ist eigentlich eine sehr spannende Frage, bei der sehr viele sehr kluge Gedanken geäußert werden. Es gibt aber gerade zum inneren Kern in meinen Augen eine sehr sehr schöne Sache, die ich auch immer in der Vorlesung nenne. Und zwar kann man sich ja ein bisschen fragen: Wenn es einen inneren Erdkern gibt, hat sich dann eigentlich zu dem Zeitpunkt die Temperatur im Kern selber dramatisch verändert seit dem Zeitpunkt, dass es den inneren Kern gibt? Und die Antwort ist erstaunlicherweise nein. Und zwar ganz einfach: Wenn man morgens zum Beispiel Wasser kocht über dem Ofen, dann verdampft natürlich eine mögliche Menge von Wasser, während man das tut. Trotzdem bleibt aber die Temperatur innerhalb des Topfes bei 100 Grad. |
[00:32:36] | Bis der Phasenübergang abgeschlossen ist. Der Kern befindet sich im Prinzip in einem äquivalenten Zustand. Er hat beide Phasen da, er hat das Flüssige und er hat das Feste. Und so lange dieser Phasenübergang nicht vollständig abgeschlossen wird, also sozusagen der gesamte Kern fest geworden ist, bleibt eigentlich die Temperatur zunächst erstmal wirklich an diesem Fixpunkt aufgehängt. |
[00:32:58] | Mit einer leichten Korrektur für eine Adiabate, die man sich da hinein denken muss. Aber im Prinzip bedeutet das, dass eigentlich, solange der innere Erdkern besteht, sich die Temperatur des Kernes selber gar nicht so viel verändert haben kann. Jetzt kommt man aber natürlich auf die Frage, die stelle ich mal einfach für dich: Wie lange gibt es den inneren Kern? |
[00:33:16] | Genau, wie lange gibt es den schon? |
[00:33:17] | Und die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Es gibt sehr sehr unterschiedliche Vorschläge. Es gibt zum Beispiel auf der einen Seite Betrachtungen zur Energie, die würden dann was sagen. Wenn ich im Augenblick sehr sehr viel Wärme aus dem Kern heraus nehme, die muss ja dann zum Beispiel durch latente Wärme oder anderes eben auch wieder erneuert werden. Dann würde das zu einem sehr schnellen Wachsen des inneren Kerns und umgekehrt aus der Schlussfolgerung dann zu einem jungen Alter führen. Es gibt aber auch Vorstellungen, das ist auch genauso interessant und spannend, dass man sagt, dass eigentlich für die Form des Magnetfeldes, vor allem diesen starken Dipol, den die Erde hat, ein innerer Kern notwendig ist. Nun gibt es aber Beobachtungen, zum Beispiel von sehr alten Gesteinen aus Bereichen, die weit weit in die Erdgeschichte zurück gehen, die sagen, dass es auch schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ein im Prinzip dem heutigen Feld nicht unähnliches Erdmagnetfeld gab. Daraus würde man jetzt umgedreht wieder schließen, dass der innere Kern gar nicht mal so jung ist, sondern im Gegenteil relativ alt sein muss. |
[00:34:18] | Also sprich: Eine langsame Reaktion stattfinden muss. |
[00:34:20] | Genau. Und da steht im Augenblick die Forschung. Wir wissen es nicht wirklich, aber beide Sachen haben interessante Argumente jeweils für sich. |
[00:34:29] | Da muss ich an drei Stellen kurz nachhaken. Erstens: Woher wissen wir irgendwas über das Erdmagnetfeld? Indem wir Steine angucken? Hast du gerade erwähnt. |
[00:34:36] | Genau. Wir schauen im Wesentlichen Gesteine an, Gesteine frieren das Erdmagnetfeld ein durch etwas, was wir die so genannte Curie-Temperatur nennen. Und zwar, wenn ein Gestein sehr heiß ist, dann hat es natürlich so viel innere Molekularbewegung, dass es natürlich das Magnetfeld nicht wirklich einfrieren kann, auch wenn es natürlich jeweils sozusagen sich in einem Feld befindet. Aber ab einer bestimmten Temperatur, unterhalb der kann es das jeweils umgebende Magnetfeld einfrieren. Das sind ungefähr so 500-600 Grad für typische Gesteine. |
[00:35:10] | Da richtet sich irgendwas irgendwie aus. |
[00:35:12] | Genau. Und dann kann so etwas potenziell über geologische Zeiträume erhalten bleiben. Hier in München am Lehrstuhl haben wir eine sehr sehr lange Tradition durch meinen Vorgänger Professor Soffel, der sich sehr sehr stark mit Gesteinsmagnetismus beschäftigt hat. Es gibt auch ein Observatorium hier in München, das sich sehr stark mit dem Erdmagnetfeld beschäftigt. Auch Laboratorien, in denen das sehr genau untersucht wird. Und diese Art von Gesteinsuntersuchungen haben ja unter anderem auch damals in den 60er-Jahren, als die Plattentektonik sozusagen revolutionär anerkannt wurde, zu einem großen Teil darauf beruht, dass man merkte, dass der Ozeanboden zum Beispiel diese regelmäßigen Abfolgen von verschiedenen Magnetisierungen hat. Positiv – negativ – positiv – negativ. Man nennt das so ein bisschen Tonbandstruktur auf dem Ozeanboden, die einfach dadurch stattfindet, dass natürlich Ozeanboden sich am Rücken bildet, zur Seite weg wandert, das Feld dreht sich zwischenzeitlich um und dementsprechend wird eine andere Polarität eingefroren. Und das ist also etwas, was man sehr sorgfältig untersuchen kann. In Ozeanen ist das vergleichsweise jung. Die Ozeane sind ja im Schnitt nicht viel mehr als 100-200 Millionen Jahre alt von ihren Gesteinen her. Die Kontinente sind wesentlich älter. Es gibt Bereiche in den Kontinenten, die gehen bis zweieinhalb oder drei Milliarden Jahre zurück. Auch in solchen sehr alten Teilen des Kontinents findet man magnetisierte Gesteine und aus denen kann man dann natürlich Rückschlüsse über das Magnetfeld zu sehr frühen Zeiträumen machen. |
[00:36:48] | Jetzt können wir natürlich fragen: Woher wissen wir, dass Steine alt sind? Und können dann damit den Zeitstempel für das Magnetfeld definieren. Aber wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht völlig vom Hundertsten ins Tausendste kommen. |
[00:36:57] | Dann sagen wir dazu nur ganz kurz, dass man das natürlich über solche sogenannten radioaktiven Zerfallsreihen sagen kann. |
[00:37:02] | Okay, alles klar. Und ich glaube, das Stichwort sagt den meisten was. |
[00:37:04] | Genau und dann wissen die meisten auch wahrscheinlich, wo das hingehen wird. |
[00:37:06] | Nochmal ganz kurz zum Kern. Du sagtest: “…den Kern antreiben”. Was passiert da außer dieser Advektion, wie wir gesagt haben, wo sich Material austauscht und wo sich auch aufgrund der Dichteunterschiede das Leichte nach außen…der innere Kern wird fetter. Das ist das, was da passiert. |
[00:37:22] | Genau. Das ist im Wesentlichen eine große Konvektionsströmung, so nehmen wir das an. Also auch nicht viel anders als im Prinzip in den Ozeanen auch. Dichteunterschiede treiben da sehr sehr große Konvektionsströme an. Vielleicht der Unterschied natürlich zu den Ozeanen. Zwei sind natürlich evident. Das Eine ist: Der Ozean ist für seine räumliche Ausdehnung vergleichsweise flach. Die Ozeane sind tausende von Kilometern weit, aber natürlich nur im Schnitt vielleicht zwei, drei, vier Kilometer tief. Der Kern ist fast genauso tief, wie er sich räumlich ausdehnt. Das Zweite ist, dass natürlich der Kern, dadurch, dass er elektrisch leitend ist, da natürlich auch elektromagnetische Kräfte aushalten muss. |
[00:38:01] | …die er sich selber quasi auferlegt. |
[00:38:03] | …die er sich…genau, die er sich selber auferlegt. |
[00:38:06] | Und natürlich auch Ursache für das Erdmagnetfeld ist. Das kommt später nochmal, deshalb frage ich da jetzt auch nicht weiter. Das heißt, wir gehen jetzt in unserem Gespräch davon aus, dass da innen drin radioaktive Reaktionen stattfinden, oder nicht? |
[00:38:21] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:22] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:23] | Wir wissen einfach nur, dass es vermutlich – nicht vermutlich, es ist offensichtlich – offensichtlich gibt es genug Energiequellen, die die Konvektionsströme anhalten oder antreiben können, so dass das Magnetfeld als solches erhalten bleibt. Denn wenn ich jetzt die Konvektionsströme ausstellen würde, also wenn sich ab morgen jetzt nichts mehr bewegen würde, dann würde natürlich auch das Magnetfeld langsam abklingen. Es würde nicht sofort abklingen, es würde also nicht sofort zu Null gehen, sondern der Kern hat natürlich ein gewisses Erinnerungsvermögen, vor allem dadurch, dass die Magnetfelder natürlich in den inneren Kern hinein diffundieren. Und dort würden sie natürlich eine Weile lang sozusagen wiederhallen, bis dann natürlich auch dort das dann langsam weg diffundiert. Das sind ungefähr Zeitgrößen von der Größenordnung vielleicht ein paar Tausend Jahre. |
[00:39:09] | Da frage ich jetzt nicht weiter, weil wir kommen später nochmal auf das Magnetfeld zurück. Die Frage, warum ich gerade nochmal Richtung Nuklearreaktionen gekommen bin, war eben eine Folgefrage, hier wo die Spaltprodukte, sofern es denn welche gibt, wo die hingehen? Sprich: Ist der Kern radioaktiv? Es gibt ja Radon-Gas, das da irgendwie ja nach oben geht. Frage ist aber: Kommt das aus dem Kern oder kommt das aus anderen Schichten? |
[00:39:31] | Nein, also das Radon-Gas, was man an der Oberfläche sieht, das ist vergleichsweise immer in sehr oberflächennahen Schichten der Kruste. Weil man eben immer sagen muss: Die Kruste ist der Teil, der eben chemisch leichter ist als der darunter liegende Mantel. Auch das ist in der Grundvorlesung immer für die Studenten ein gewisser Hiccup. Die Lithosphäre wird definiert rein über eine Temperatur und eine Festigkeit. Da mache ich keinen Unterschied, ob das im Prinzip ein leichtes Gestein ist oder ein schweres Gestein. Die Kruste ist eine Definition nur über die Dichte. |
[00:40:02] | Was ist nochmal das größere? Die Lithosphäre ist ein Teil der Kruste oder die Kruste ein Teil der Lithosphäre? |
[00:40:05] | Die Kruste ist ein Teil der Lithosphäre. |
[00:40:06] | Okay, alles klar. |
[00:40:07] | Das heißt: Innerhalb der Lithosphäre gibt es dann die Kontinente. Also, zum Beispiel, wenn wir uns die afrikanische Platte anschauen, dann sehen wir, dass die afrikanische Platte umgeben ist von vielen ozeanischen Bereichen. Die sind immer noch Teil derselben afrikanischen Lithosphäre, nur im Zentrum steckt der afrikanische Kontinent und dieser Kontinent kann deswegen an der Oberfläche so lange bleiben, weil sein Material wirklich leichter ist. So und in diesen Krustenmaterialien sind natürlich radioaktive Elemente etwas angereichert. Und der Zerfall dieser Elemente führt dann natürlich zum Rausgeben von Radon-Gas. Vermutlich müssten und wären Spaltprodukte auch im Kern vorhanden, nur sind halt so weit von uns weg, dass wir…wir würden es nie wissen. |
[00:40:51] | Ja. Wie schnell sind denn diese advektiven Strömungen? Kann man sich das irgendwie vorstellen? |
[00:40:57] | Das ist eine sehr schöne Frage. Und zwar müssten oder könnten wir unterscheiden, ob man die advektiven Ströme im Mantel anschaut oder die advektiven Ströme im Kern. |
[00:41:07] | Gucken wir gerade mal im Kern, über den reden wir glaube ich gerade mehr oder weniger. Und dann… |
[00:41:10] | Genau und im Kern ist es zunächst erst mal überhaupt nicht einfach, irgendetwas dazu zu sagen. Denn die Frage, die Geschwindigkeiten von solchen advektiven Strömungen haben müssten, ist natürlich eine Frage: Wie hoch ist die Viskosität? |
[00:41:24] | Ja, genau. |
[00:41:25] | Und die Viskosität, also die Scherfestigkeit… |
[00:41:28] | Der Widerstand… |
[00:41:28] | …der Widerstand zur Deformation, der ist natürlich für Eisen unter diesen Temperaturen und unter diesen Drücken gar nicht mal so leicht wirklich quantitativ feststellbar. Man kann aber natürlich sagen, das Eisen wäre geschmolzen. Und dann wäre es vielleicht so wie geschmolzenes Eisen an der Oberfläche auch. Das ist aber nicht klar, ob das unter den Drücken wirklich der Fall wäre. Dementsprechend muss man zunächst erst mal definieren, dass es gar nicht klar ist, wie hoch die Viskosität wäre. Das ist eine sehr spannende geodynamische Frage, die wir eigentlich nicht wirklich beantworten können. |
[00:41:56] | Es gibt aber ein ganz faszinierendes Phänomen. Und zwar das, dass das Erdmagnetfeld auf den – sozusagen neben dem großen Dipolfeld Unterstrukturen aufweist, die auch sehr genau kartiert sind. Also sogenannte räumliche Variationen, die dann nicht mehr axensymmetrisch sind. Und diese räumlichen Bewegungen wurden relativ früh, als die Menschen sich in der Aufklärung mit dem Magnetfeld beschäftigt haben, festgestellt. Und dabei hat man festgestellt, dass manche dieser räumlichen Anomalien sich bewegen. Gerade auf der afrikanischen Hemisphäre bewegen sie sich nach Westen. Und es gibt mehrere solcher Anomalien, die man also ganz eindeutig im Laufe der Hunderten von Jahren westwärts hat sehen können. |
[00:42:48] | Jetzt kann natürlich der Hörer fragen: Woher wissen wir das? Die britische Marine hat im 17. und 18. Jahrhundert versucht, diese Art von Anomalie zur Navigation zu verwenden. Und hat dementsprechend systematisch Protokolle geführt für jedes Schiff, was irgendwo hin ging. Jeden Tag wurde eine Magnetfeldmessung gemacht. |
[00:43:07] | Und heute macht das das Militär zum U-Boote-Erkennen. |
[00:43:09] | Genau. |
[00:43:09] | MADs. |
[00:43:10] | Und diese Aufzeichnungen sind nach wie vor vorhanden und sind von Kollegen, wie zum Beispiel meinem Kollegen Bloxham an der Harvard Universität, dazu verwendet worden, diese Magnetfeldbewegungen in der Zeit rückwärts zu rekonstruieren. Und aus den Bewegungsraten würde man schließen, dass das sich im Bereich von Zehnern von Kilometern, vielleicht Hundert von Kilometern pro Jahr sein müssen. |
[00:43:36] | Okay, das ist ganz schön ordentlich. |
[00:43:37] | Also das ist schon ganz schön ordentlich. |
[00:43:39] | Okay. Die Drücke im Kern simulieren oder hier auf der Erde erzeugen mit irgendwelchen Pressen, Experimenten, irgendwas, können wir vergessen? |
[00:43:48] | Im Kern ist es wirklich schwer. Für den Rest des Erdinneren, gerade für den Mantel, sind in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden. Und zwar ist ja ein Druck zunächst nichts weiter als eine Kraft pro Fläche. |
[00:44:04] | Das heißt also, wenn ich die Fläche klein mache, kann ich auch für relativ gegebene Kräfte hohe Drücke erzeugen. Eines der berühmtesten Institutionen dafür überhaupt in der Welt ist das Bayerische Institut für Geowissenschaften, das BGI in Bayreuth. Dort sind sehr große Pressen, entweder wirklich große Pressen, in denen man dann auch relativ voluminöse Proben vielleicht zu einem Kubikzentimeter hinweg hohen Drücken aussetzen kann. Ansonsten macht man das in sogenannten Diamantstempelzellen, in denen man also Diamanten aufeinander drückt und dann vielleicht so im Bereich von ein paar Mikrometern versucht, Proben auseinander zu nehmen. Und dort kann man dann wirklich Drücke erzeugen, die, sagen wir mal, im Bereich von 1000, 2000, 2500 Kilometer Tiefe entsprechen. Und viele unserer Vorstellungen, wie die Mineralogie im Erdinneren funktioniert, basieren auf solchen Experimenten. |
[00:45:00] | Okay, also man kann da sozusagen Reaktionen auf diesem kleinen Raum simulieren und dann eben die Mineralogie verstehen, aber irgendwelche dynamischen Prozesse gehen mit solchen kleinen Zellen natürlich nicht. |
[00:45:13] | Ja. Und zwar, A natürlich, weil die dynamischen Prozesse auf viel viel größeren Räumen hinweg ablaufen. Das ist das Eine. Das Zweite ist natürlich auch: Diese Deformationen, denen man dort solche Materialien aussetzen würde, sind natürlich jenseits von allen Deformationsraten, die geologisch sinnvoll sind. |
[00:45:31] | Ah ja, klar. |
[00:45:32] | Das ist immer das, was auch einen erwischt, dass man im Prinzip denkt: Naja, ich kann doch jetzt so ein Ding mal einfach kurz zusammen pressen. Das ist aber nicht, was in der Erde stattfinden würde. Die Erde würde sich dazu eine Millionen Jahre Zeit nehmen und dann würden unter Umständen andere Deformationsmechanismen… |
[00:45:45] | …weil sich gewisse Dinge ausgleichen können und ausrichten. |
[00:45:48] | …genau das. Ja. Und deswegen sind viele dieser Experimente immer nur sehr indirekt übertragbar auf das, was wirklich stattfindet. Das ist eigentlich der Grund, wenn wir hinterher zum Schluss noch hin kommen, warum man Computersimulationen macht. Weil natürlich hinter solchen Sachen wirklich letztendlich in den entsprechenden Parameter-Regimen irgendwann numerisch abgehandelt werden müssen. |
[00:46:09] | Nochmal ganz kurz die Frage zu diesen magnetischen Anomalien in der Erde, wo ich kurz erwähnt habe, dass das Millitär diese Daten ganz gern hätte um dann Störungen in diesem Feld wieder als Signal für U-Boote zu identifizieren. Gibt das Militär diese Daten raus? Also gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Militär und Geologen, um dieses zu kartieren? |
[00:46:32] | Normalerweise wenig. Denn also, viele solcher Sachen sind natürlich zurecht unter Verschluss. Manchmal hört man natürlich was, aber das ist etwas, in dem natürlich in gewisser Weise Forschung und militärische Anwendung schon relativ strikt getrennt sind. |
[00:46:47] | Okay. Das heißt im Endeffekt Doppelarbeit. Die Forscher machen das Gleiche, um…ja, okay, alles klar. |
[00:46:51] | Ja. |
[00:46:53] | Lass uns mal ein bisschen über das Erdmagnetfeld reden. Das haben wir jetzt schon so oft erwähnt, ich kann es nicht weiter verschieben. Es entsteht dadurch… |
[00:47:01] | Oh! Es…ja. Also, ich kann eine im Prinzip abweisende Antwort geben. Es entsteht dadurch, dass es Gleichungen gibt, die das Magnetfeld schlichtweg aus der Bewegung heraus hervorsagen. |
[00:47:15] | Also das ist irgendwie hier da der Kollege Lorentz, oder? |
[00:47:17] | Genau. Das heißt also, letztendlich bewegen sich natürlich dort wie bei den Lorentz-Kräften auch, hinterher elektrische Leiter und damit wird dann durch einen komplizierten Dynamo-Prozess, wie am Fahrrad auch, ein Dynamo erzeugt. Letztendlich ist es nicht sehr intuitiv, das wirklich zu beschreiben. Man muss im Prinzip eine Lösung der Gleichungen herbeiführen. |
[00:47:38] | Aber es ist genau der Prozess einfach. Es bewegen sich geladene Teilchen, die produzieren ein Magnetfeld. Das steht im Physikbuch, warum das so ist. |
[00:47:44] | Genau. Ja. Und erst dann spezifisch durchzuteilen ist im Prinzip letztendlich das Ergebnis der letzten 20 Jahre. Vor ungefähr 20 Jahren, ziemlich genau, ich glaube 1995, war einer meiner Doktorväter, der Herr Glatzmaier, einer der Ersten, der in einem 3D-sphärischen Computermodell ganz selbstkonsistent ein Magnetfeld für den Erdkern hat berechnen können. Das dann einfach aufgrund der Strömung…es gibt also eine Energiequelle, die führt zu Strömungen, die Strömungen erzeugen dann die Bewegungen. Diese Bewegungen führen dann über Lorentz-Kräfte und anderes dazu, dass sich das Magnetfeld entwickelt. Das war also damals eine ganz ganz beeindruckende Leistung, die auch sicher für später im Prinzip in den Bereich von Nobelpreisen gehört. Auch Einstein hat damals eigentlich im 20. Jahrhundert gesagt, das Verständnis des Magnetfelds ist eines der zehn wichtigsten physikalischen Probleme des 20. Jahrhunderts. Und war also natürlich eine ganz außergewöhnliche Leistung. |
[00:48:44] | Heute gibt es natürlich viele von solchen Computermodellen, in denen man versucht, genaue Einzelheiten dieser Magnetfeldentstehung zu machen. Das ist aber ein relativ komplexer Prozess, der nicht so einfach intuitiv zu verstehen ist. |
[00:48:56] | Aber ohne flüssigen Kern kein Magnetfeld, weil ohne Bewegung kein Magnetfeld. |
[00:49:00] | Genau. Genau das. Das braucht man. Das heißt also, man braucht wirklich Strömungsbewegungen innerhalb eines relativ großen planetaren Körpers, um dann hinterher solche Magnetfelder zu erzeugen. |
[00:49:10] | Und die Tatsache, dass das Magnetfeld eine Ausrichtung hat und sich nicht durch viele kleine Magnetfelder irgendwie wieder auflöst – aufhebt, wollte ich sagen – heißt ja, dass die Strömung in irgendeiner Art und Weise im Kern gerichtet sein muss. |
[00:49:22] | Genau. Da gibt es auch ein paar Sachen, die vielleicht wiederum etwas überraschend und unintuitiv sind. Wir beobachten das Magnetfeld ja eigentlich aus einer erheblichen Entfernung. Wir sind ja 3000 Kilometer weg. |
[00:49:34] | Und das heißt also, wenn man jetzt eine mathematische Analyse anwenden würde, indem man zum Beispiel jetzt einfach extrapoliert, wie das Magnetfeld zunehmen müsste pro Kugelfunktionsgrad – das ist jetzt ein technisches Wort, was ich verwende. Aber im Prinzip pro Struktur. Dann nimmt das für die verschiedenen Komponenten im Magnetfeld, die feinen und die langwelligen, unterschiedlich stark zu. Und wenn ich das jetzt extrapoliere direkt an die Kern-Mantel-Grenze, ist an der Kern-Mantel-Grenze wesentlich mehr feinskalige Struktur. Das ist zum Beispiel das Erste, was man sich klar machen muss. Wir sehen diesen großen Dipolanteil des Feldes nur deswegen so dominant, weil wir eben 3000 Kilometer weg sind und viele dieser kleineren Anteile sind eigentlich da schon… |
[00:50:18] | …haben sich schon ausgeglichen. |
[00:50:19] | …haben sich schon ausgeglichen, ja. |
[00:50:21] | Und dann ist natürlich das Zweite, dass es natürlich im Kern auch im Prinzip eine gewisse Motivation gibt, große Ströme auszubilden, weil der Kern die Rotation der Erde sehr deutlich mitkriegt. |
[00:50:32] | Ah ja klar, logisch. |
[00:50:34] | Und dann kommen natürlich Rotationsbewegungen hinein, die im Prinzip zu einer gewissen Überorganisation der Konvektionsströme führen, die dann wiederum helfen, lange Strukturen eben besonders auszubilden. |
[00:50:47] | Ist dann vielleicht die Rotation ein Teil der Energie, die da im Kern dann halt verbraten wird? Weil da wird ja durch die Rotation Reibung erzeugt und so weiter. |
[00:50:54] | Die Reibungen sind aber zu vernachlässigen. |
[00:50:56] | Das ist einfach was, was an Reibungskräften im Kern drin ist, ist so gering, dass das hinterher eigentlich dafür keine wirkliche Rolle spielt. Aber die Rotation ist natürlich wichtig für die Art, welche Geometrien von Konvektionsströmen sich überhaupt ausbilden können. |
[00:51:11] | Die Tatsache, dass wir da flüssiges Material haben, das sozusagen schwappt – sage ich mal – bremst das die Rotation dann mit ab oder ist das aufgrund des gleichen Arguments mit der irrelevanten Bewegung auch egal? |
[00:51:22] | Das ist vergleichsweise irrelevant. |
[00:51:23] | Okay. Wenn jetzt der innere Kern, der feste, größer wäre, dann würde weniger flüssiges Zeug da in der Gegend herum advektieren. Das würde bedeuten, wir hätten ein kleineres Magnetfeld? |
[00:51:35] | Ja. Also wenn man einfach die Stärke, das ist natürlich nicht ganz offensichtlich, aber wenn man jetzt mal naiv sagen würde, das hängt im Prinzip mit dem Volumenanteil zusammen. Wenn natürlich erstmal der gesamte Volumenanteil aufgebraucht ist und es gibt nur noch einen festen Kern, dann gibt es natürlich auch kein Magnetfeld. |
[00:51:50] | Und dieses Rumdrehen des Erdmagnetfeldes und das Wandern des Pols…als Flieger weiß man, dass man alle paar Jahre neue Missweisungstabellen haben muss, weil sich wieder irgendwas verschoben hat. |
[00:52:02] | Genau, genau. |
[00:52:02] | Woher kommt das? Hängt das auch damit zusammen, dass da irgendwas anders strömt und dadurch sich das Magnetfeld anders ausrichtet? |
[00:52:09] | Also auf der einen Seite gibt es diese sogenannten säkularen Variationen. Also der Winkel des Magnetfeldes relativ zur Rotationsachse varriert so ein bisschen, so ungefähr zehn Grad oder so etwas. Das ist das, was du vorhin angesprochen hast. Das hat einfach damit zu tun, dass eben die Konvektionsströme sich ein bisschen verändern. Die Umpolarisierung des Feldes, dass also Nord Süd wird und Süd wird Nord, ist zunächst erstmal nicht unbedingt mit einer Umorientierung der Strömungen in Verbindung zu bringen, weil natürlich die Lösung, die mathematische Lösung der Gleichung ist für B- oder B+ … B ist das Magnetfeld – hinterher genau das Gleiche. Das heißt also, es ist erstmal nicht unbedingt zu erwarten…da muss man natürlich vorsichtig sein, das muss man natürlich im Computermodell auch noch mehr verifizieren, dass erstmal die Strömungen sich dramatisch umändern, sondern leichte Veränderungen in der Strömung können dann einfach dazu führen, dass auf einmal B- hinterher eine gleiche Lösung darstellen würde, wie es vorher B+ getan hätte. |
[00:53:12] | Das heißt, man kann auch nicht wirklich vorhersagen, wann oder wie oft sich das Erdmagnetfeld rumdreht? |
[00:53:19] | Nein, man kann natürlich in die Vergangenheit zurück gucken und… |
[00:53:21] | …wieder Steine, tralala. |
[00:53:23] | Genau. Und da sieht man, dass das so im Schnitt typischerweise so 100000 oder 1 Million Jahre für lange Zeiten hinweg war. Es gibt dann ganz besondere Perioden, die sind nicht besonders gut verstanden, die sogenannten Super-Chrons – Chron ist eine Zeiteinheit -, in denen sich das Magnetfeld manchmal für 30, 40 Millionen Jahre nicht mehr umpolt. Die letzte berühmte solche fand in der Kreidezeit statt, also als die Dinosaurier noch auf der Erde waren, gab es einen gewissen Zeitraum, in dem 30, 40 Millionen Jahre lang sich das Erdmagnetfeld überhaupt nicht mehr umgepolt hat. Die Vermutung, woran das liegt, ist, dass sich zum Beispiel an der Kern-Mantel-Grenze dort bestimmte Zustände ausbilden, die dann besonders begünstigen, dass das Magnetfeld stabil ist. Das ist aber auch nicht gut verstanden. |
[00:54:11] | Gibt es Vermutungen, wann sich jetzt quasi aus unserer Sicht das nächste Mal die Kompasse umkehren müssen? |
[00:54:18] | Nein, man müsste im Prinzip natürlich sagen, wenn ich es jetzt weiter extrapoliere von den vergangenen Raten, könnte ich sagen, wann ich es erwarten würde. Auch dort gibt es zum Beispiel etwas, was oft in den Nachrichten genannt wird. Es gibt im Augenblick eine relativ starke Abnahme des Magnetfelds, das hast du vielleicht auch mal gelesen, dass das zum Beispiel in den Zeitungen drin steht. Diese Abnahme kann man natürlich quantifizieren und kann sich fragen: Hat die einfach damit zu tun, dass das Magnetfeld zum Beispiel irgendwie seine Energie verloren hat und das klingt jetzt nur noch ab? |
[00:54:49] | Achso, dass gar kein neues entsteht? |
[00:54:53] | Genau. Das wäre ja eine Hypothese, die man machen könnte. Dem ist aber nicht so. Die Abfallrate ist so stark, dass das eigentlich ein aktiver Prozess sein muss und das heißt also, das Magnetfeld nimmt im Augenblick in der Amplitude einfach nur deswegen ab, weil der Dipolanteil – also Nord-Süd – sich im Augenblick versucht unter Umständen umzudrehen. Das geschieht aber so häufig und selten klappt es dann wirklich, dass es nicht klar ist, ob dieser Prozess einfach vielleicht nach 100 Jahren auch wieder aufhören wird. |
[00:55:18] | Sprich, das ist kein sicheres Anzeichen dafür, dass wir… |
[00:55:20] | Es ist nicht klar, dass das hinterher eine volle Umpolung werden wird. So etwas nennt man dann manchmal die sogenannten Exkursionen. Das heißt, das Magnetfeld versucht, so eben in der Exkursionsform auf die andere Seite zu kommen, schafft es aber nicht und geht dann wieder zurück. |
[00:55:34] | Okay. Aber es ist kein akutes Thema? |
[00:55:37] | Ich würde es nicht als akut nennen. Mit einer Ausnahme, und zwar, wenn man sich zum Beispiel dann die Raumfahrtprogramme anschaut. Der Ort, an dem das besonders dramatisch im Augenblick geschieht, ist der Südatlantik. Und zum Beispiel die Astronauten – ich unterrichte auch ein bisschen manchmal Geophysik für die europäischen Astronauten… |
[00:55:59] | Cool. |
[00:56:00] | …dass man da also zum Beispiel besonders aufpassen muss für die Einwirkung von elektrischen Strahlungen auf entweder die Satelliten selber oder die Raumschiffe selber. |
[00:56:10] | Weil das Magnetfeld die natürlich weg hält. |
[00:56:12] | Genau. Und an dieser Stelle im Südatlantik ist der halt besonders gering und da hat es ganz praktische unmittelbare Auswirkungen, wo man auch dran denken muss, wo auch zum Beispiel regelmäßig bei der Planung von Satellitenbahnen dran gedacht wird: Wie muss man das bauen, dass das eben unter Umständen solche Sachen aushalten kann? Und dieser Bereich, gerade im Südatlantik, der ist also sehr sehr bekannt und sehr berühmt. |
[00:56:34] | Interessant. Lass uns mal über den Mantel reden, über den Kittel, die Jacke, haha. Was passiert da? Erstmal vielleicht die Struktur, haben wir ja gesagt, es gibt Kontinente, es gibt diese großen Platten. Fang du mal an mit der Struktur. |
[00:56:50] | Ja, ja. Gut. Zunächst erstmal natürlich muss man sich überlegen: Was wissen wir über den Mantel und woher wissen wir es? |
[00:56:57] | Das meiste, was wir eigentlich über den Mantel wissen, ist aus der Seismologie. Das Ausbreiten von seismischen Wellen. Und diese seismischen Wellen geben uns natürlich hinterher im Zusammenhang mit Überlegungen – Welche Mineralien könnten das denn überhaupt sein? – eine gewisse Vorstellung über die Drücke und die Temperaturen. Aus dem kann man abnehmen, dass ein großer Teil des Mantels in gewisser Weise erster Größenordnung eine im Prinzip gut durchmischte Chemie hat. Das heißt also, das ist ziemlich uniform. Dieses sogenannte Pyrolit, was ich vorhin gerade genannt hatte. |
[00:57:33] | Nun müssten aber eigentlich in so einer Struktur – ich habe vorhin schonmal naiv gesagt – Planeten sind einfach zu groß, um ihre Temperaturen einfach oder ihre Energie über Konduktion, Wärmeleitung, abzugeben. Sie müssten eigentlich konvektieren. Jetzt kann man ein bisschen genauer darüber nachdenken: Wie geschieht so etwas eigentlich? Und dazu hat man natürlich lange immer Laborexperimente gemacht. Heute macht man natürlich viel auch Computerexperimente. Und da kann man ein bisschen besser verstehen, wie das eigentlich technisch ablaufen muss. Und zwar, direkt an der Oberfläche, wo natürlich die Erde im Kontakt mit dem Universum ist, da ist natürlich eine Zone sehr sehr kalter Temperatur. Und das nennen wir dann hinterher die tektonischen Platten. Und diese ungefähr 100 Kilometer des äußersten Teils der Erde sind natürlich durch ihre tiefe Temperatur dann vergleichsweise dicht und werden gravitativ unstabil und sinken eben früher oder später einfach zurück in den Planeten. |
[00:58:34] | Das geschieht auf der Erde und da muss man die Erde natürlich unterscheiden von den anderen Planeten Venus und Mars, die machen das anders. An den Stellen, wo das zurück sinkt, ist das dieser sogenannte Subduktionsprozess. |
[00:58:48] | Und jetzt muss man sich aber vorstellen, dass das also doch wirklich große große Mengen an Gesteinen sind. Also zum Beispiel das Äquivalent des gesamten Pazifiks, also die Hälfte der Erdoberfläche ist ungefähr in den letzten 150 Millionen Jahren um den Pazifik herum, also in den Subduktionszonen des sogenannten Feuerrings wieder in die Erde hinein gegangen. Also die halbe Erdoberfläche hat sich alleine an der Hemisphäre völlig erneuert. |
[00:59:19] | Und das war in 150 Millionen Jahren… |
[00:59:23] | 150 Millionen Jahren. |
[00:59:24] | …das sind ungefähr wie viel Prozent der Erdexistenz? Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf. |
[00:59:28] | Genau. Sagen wir mal, wir machen es der Einfachheit halber mit 4,5 Milliarden Jahre. 450 Millionen Jahre wären 10%. Und jetzt haben wir ein Drittel davon. |
[00:59:36] | Also 3%, die Hälfte der Erd… |
[00:59:37] | Drei Prozent. |
[00:59:38] | Okay. Das ist dann schon Dynamik. |
[00:59:40] | Ja. Also da geschieht wirklich viel. Und diese Platten, die sinken natürlich dann immer weiter ab. Und jetzt kann man sich natürlich fragen: Gibt es bestimmte Bereiche, an denen sie sozusagen aufgehalten werden? Gibt es etwas, was das Ganze stoppt beim Absinken? Das hat sehr sehr viel zu geophysikalischen Forschungen in den 70ern, 80ern, beigetragen. Und eigentlich entwickelt sich so ein Konsens, zu sagen: Nein, im Prinzip gehen diese Platten letztendlich früher oder später bis zur Kern-Mantel-Grenze runter. Mit Geschwindigkeiten, die vermutlich so ungefähr plattentektonische Geschwindigkeiten sind, also ein paar Zentimeter pro Jahr. Und dann kannst du dir ja überlegen, wie lange das dauern müsste. Wenn ich also ein paar Zentimeter pro Jahr 3000 Kilometer gehen will, brauche ich 100 Millionen Jahre. |
[01:00:25] | Und das ist erstmal natürlich ein riesiger Antreiber, denn, also diese äußere Schicht, also man nennt so etwas eine thermische Grenzschicht, diese äußere thermische Grenzschicht des konvektierenden Mantelsystems, die erneuert sich halt die ganze Zeit. Irgendwo, wo Platten einsinken, muss natürlich das Äquivalent an anderen Stellen, am mittelozeanischen Rücken, neu gebildet werden und dementsprechend erneuern sich die Ozeanböden permanent, die ganze Zeit. |
[01:00:48] | Und ist das dann alles vulkanische Aktivität? Also, ich habe verstanden, das Zeug, was jetzt oben ist, sinkt einfach nach unten. Damit ist es quasi weg. Wie kommt jetzt etwas anderes nach oben? Ist das einfach auch so ein…taucht da, bildlich gesprochen, etwas auf? Oder sind das Vulkane, Lava, die dadurch Material wieder abladen? |
[01:01:08] | Nein, im Prinzip kann man sich das so ein bisschen wie einen passiven Prozess vorstellen. Zunächst erstmal in dieser allgemeinen Betrachtung der Erneuerung der Oberfläche ist der Vulkanismus gar nicht mal besonders ausgezeichnet, sondern einfach nur an der Stelle, wo der Mantel sozusagen jetzt freigelegt würde, indem zum Beispiel – nehmen wir uns den mittelatlantischen Rücken vor – die beiden Platten würden auseinander gehen, im Zentrum kommt natürlich dann neues Material nach oben. |
[01:01:33] | Das Material kühlt sich sofort aus und wird dann sofort der Platte angegliedert, wird also Teil der Platte. Das ist zunächst erstmal ein Prozess, den man sich abstrakt – und so macht das ja der Geophysiker – abstrakt zunächst einmal völlig ohne Vulkanismus vorstellen kann. Der Vulkanismus spiegelt einfach die komplizierte Chemie von Silikaten wider, dass natürlich dann hinterher in solchen polymineralischen Gemischen Bestandteile eher ausfrieren oder später ausfrieren. Das heißt, wenn ich jetzt zum Material nahe an die Oberfläche gehe, gibt es einen gewissen Prozentsatz, der natürlich einen leichteren, früheren Schmelzpunkt hat. Der fängt an natürlich leichter erstmal zu schmelzen, bildet vulkanischen Teil davon. Das macht es hinterher petrologisch spannend, macht es hinterher natürlich… |
[01:02:19] | Öl…tralala. Petrologisch. |
[01:02:20] | Genau. Nein, petrologisch im Sinne von Gesteinen. |
[01:02:23] | Ah, ok. |
[01:02:23] | Ja. Also… |
[01:02:25] | Petrifiziert, ja, okay. |
[01:02:26] | Genau, genau, genau. Aber in einer ganz einfachen physikalischen Betrachtungsweise ist es nur so, dass das kalte Erdoberfläche irgendwann gravitativ zu schwer wird, wieder zurück sinkt und natürlich an den Orten, wo dann sozusagen Raum gebildet wird, einfach neues Material vom Inneren nach oben dringt und sich dort auch wieder abkühlt… |
[01:02:49] | …weil da weniger drauf drückt, also kann etwas raus. |
[01:02:50] | Genau, genau. |
[01:02:51] | Das heißt aber sozusagen, Vulkanismus ist jetzt geophysikalisch aus der Perspektive, wie wir es gerade diskutieren, eigentlich egal. |
[01:02:57] | Im Prinzip ja. Muss ich natürlich aufpassen, wenn ich dir das im Blog sage. Natürlich muss ich sagen, dass der Vulkanismus essenziell ist. |
[01:03:04] | Weil du hast Kollegen, die das wichtig finden. |
[01:03:06] | Genau und ich finde das ja auch wichtig. Ja. Aber natürlich, wenn man es ganz einfach unter planetaren Aspekten anschaut und in der großen Dynamik, kann man zunächst erstmal unter dem Aspekt von Dichteunterschieden, Temperaturunterschieden, diese Komplikation ein bisschen weg denken und kann einfach sozusagen außerhalb dessen erstmal fragen: Wie sieht das generell eigentlich in einem strömenden System aus? Und das ist einfach dieser Aspekt der Grenzflächen, an denen eben durch die Konduktion sehr große Temperaturunterschiede – dementsprechend Dichteunterschiede – erzeugt werden, die dann wieder zurück sinken ins Innere des konvektiven Systems. Jetzt gibt es spiegelbildlich dazu genau das Gleiche natürlich an der Kern-Mantel-Grenze. Aber an der Kern-Mantel-Grenze ist es jetzt nicht ein Bereich, der ungewöhnlich kühl ist relativ zum Rest des Mantels, sondern er ist ungewöhnlich heiß relativ zum Rest des Mantels. Weil an der Stelle ist ja der heiße Kern in Kontakt mit dem Mantel und dort geschieht jetzt genau das Gleiche, allerdings eben durch Aufströme. |
[01:04:02] | Das heißt, dort gibt es ebenfalls wieder eine Grenzschicht, auch vermutlich so ungefähr 100 Kilometer weit, in der das Material bis zu 1000 Grad vermutlich heißer ist… |
[01:04:10] | Das Mantelmaterial? |
[01:04:11] | Das Mantelmaterial…als das darüber liegende Mantelmaterial. Und dort führt es dann wiederum ebenfalls zu gravitativen Aufströmen. Auch zunächst nicht unbedingt geschmolzen, vielleicht, aber nicht…das sehen wir als keinen primären Aspekt des Prozesses. Und diese heißen Gesteine haben dann ebenfalls wieder so viel Auftrieb, dass sie sich bis an die Erdoberfläche heraus bringen können. Die sogenannten Plumes, von denen du vielleicht gehört hast, sind genau dieser Aspekt. Also wenn ich mir jetzt Hawaii vorstelle im Pazifik, dann liegt Hawaii gerade über einem Bereich, in dem vermutlich von der Kern-Mantel-Grenze durch den gesamten Mantel im Pazifik durch sich Material bis nach oben arbeitet. Und natürlich, weil es schon signifikant wärmer ist als das umgebende Gestein, dann dort einen lokalen Schmelzprozess bewirkt, so dass sich dann wirklich die hawaiischen Inseln bilden können. In Nordeuropa ist das Äquivalent Island. Dann haben wir so etwas natürlich in den Azoren. Es gibt Réunion, das ist im indischen Ozean, eine Übersee-Provinz von Frankreich. Und so gibt es also mehrere solcher sogenannten Hotspots, die Material vermutlich widerspiegeln, das wirklich von der Kern-Mantel-Grenze bis zu uns an die Oberfläche bringt. |
[01:05:30] | Das heißt, die haben dann auch, wenn man da hin geht und Steine klopft, findet man da anderes Material als in Indien nebendran, zum Beispiel? |
[01:05:35] | Genau. Aber man muss natürlich schon sehr genau gucken. In der Grobchemie, also der sogenannten, der allgemeinen Chemie, sind die Gesteine gar nicht mal so unterschiedlich. Man kann sich aber die Isotopen heraus holen. Und an den Isotopen kann man feststellen, dass dann in diesen Nebenelementen signifikante chemische Unterschiede sind relativ zu dem, was man zum Beispiel am mittelozeanischen Rücken finden würde und kann also auf die Art und Weise auch chemisch darauf rückschließen, dass das doch nochmal eine andere Quelle haben muss als das, was am Rücken stattfindet. |
[01:06:06] | Du hast vorhin leichtsinnigerweise gesagt, Venus und Mars machen das anders. Willst du mit zwei Sätzen kurz sagen, wie? |
[01:06:11] | Ja. Und zwar haben beide Planeten keine Plattentektonik im Sinne der Erde. |
[01:06:15] | Dann sollten wir, glaube ich, erstmal kurz Plattentektonik nochmal erklären. |
[01:06:18] | Gut. |
[01:06:19] | Weil, also, wir haben verstanden, du hast von der afrikanischen, pazifischen Platte geredet. Wenn ich Platten habe, muss ich sie irgendwie abgrenzen, das heißt, da gibt es Risse oder Grenzen oder Gräben oder wie auch immer. |
[01:06:28] | Ja. |
[01:06:29] | Wieso haben wir überhaupt verschiedene Platten? Wieso gibt es da nicht eine homogene Fläche mit random Stellen, wo halt irgendetwas auseinander bricht – haben wir ja gerade gesagt – wo es subduktiert und aufsteigt. Wieso gibt es da identifizierbare Platten? Oder ist das einfach gerade aktuell die zufällige Situation? |
[01:06:44] | Nein, also die Erde hat vermutlich schon relativ lange Plattentektonik. Die Plattentektonik ist aber in meinen Augen auch etwas, was ich oft in der Grundvorlesung sage, eine der komischsten wissenschaftlichen Hypothesen, die wir haben. Und zwar, wenn ich auf den Stachus gehen würde und die Leute frage, ob sie jemals davon gehört haben, würden die meisten vermutlich sagen: Ja. Wenn ich die zehn – sagen wir mal – besten Geophysiker in der Welt in einen Raum setzen würde und frage: “Wissen wir, wie es technisch funktioniert?”, muss die Antwort sein: “Nein”. |
[01:07:11] | Also wir verstehen es nicht wirklich. Die Plattentektonik ist ja zunächst erstmal nur eine kinematische Beschreibung. Die sagt einfach nur: Wenn ich das Geschwindigkeitsfeld an der Oberfläche messe, … |
[01:07:19] | Da fährt irgendetwas in der Gegend rum. |
[01:07:20] | …stelle ich fest, dass das nicht völlig zufällig ist, sondern dass bestimmte Blöcke kohärent sich bewegen. Das ist das Einzige, was eigentlich die Plattentektonik zunächst erstmal sagt. Warum ein Planet es so macht und ein anderer Planet so, ist nicht wirklich klar. Es gibt natürlich relativ gute Ideen dazu. Eine Idee ist, dass gerade in der Erde an der Unterseite der Platten eine Zone besonderer Mobilität besteht, die sogenannte Asthenosphäre. Diese Asthenosphäre ist uns zum Beispiel deswegen bekannt, weil ein großer Teil der Kontinente im isostatischen Gleichgewicht ist. |
[01:07:55] | Was heißt das? |
[01:07:56] | Isostatisch heißt, sie sind einfach eben in einer Tiefe, die einfach ihrem Gewicht entspricht. |
[01:08:00] | Achso, sie schwimmen einfach ganz… |
[01:08:02] | Sie schwimmen. |
[01:08:02] | Ja, okay. |
[01:08:02] | Ja. Das muss aber bedeuten, dass darunter ein Niveau liegt, das eigentlich solche Schwimmbewegungen zulässt. Und wenn man also so eine Asthenosphäre hat, dann ist das vermutlich eine Bedingung, um hinterher sehr sehr großflächig Strömungen auszubilden unterhalb der Platten, die sehr kohärent Spannungsfelder orientieren können. Jetzt spreche ich schon ein bisschen von meiner eigenen Forschung, da kommen wir zum Schluss hin. |
[01:08:31] | Ja, ja, klar. |
[01:08:31] | Aber das ist eigentlich eine sehr attraktive Vorstellung, dass die Erde unter Umständen eben diese Asthenosphäre hat und die anderen Planeten sie unter Umständen nicht haben aus Gründen, die nicht ganz klar sind. |
[01:08:42] | Wollte ich gerade fragen. |
[01:08:43] | Könnte zum Beispiel…eine Möglichkeit, warum die Erde eine Asthenosphäre hat, ist, dass die Subduktion eben Wasser wieder einträgt in den Planeten und Wasseranteile – unser Planet ist ja ein sehr sehr feuchter Planet – … |
[01:08:57] | Ja. Das sind die anderen beiden nicht. |
[01:08:59] | …dass die in diesen Fällen, gerade in den oberen paar hundert Kilometern des Erdmantels oder des Venusmantels oder des Marsmantels, dass sie also bei der Erde dafür sorgen, dass diese obere Zone besonders stabil, mobil, ist. Entschuldigung, besonders mobil ist, da muss ich aufpassen. |
[01:09:18] | Während das unter Umständen bei Venus und Mars nicht der Fall ist. Das ist aber natürlich, jetzt ist man weit in der Forschung drin. |
[01:09:24] | Jetzt ist man also wirklich an dem, was wir eigentlich versuchen zu erforschen. Und wo die Forschungsmeinung noch nicht fertig gebildet ist. |
[01:09:33] | Okay. Gut, also zurück, wir haben diese Platten und wir identifizieren die Zugehörigkeit eines Punktes auf der Erde zu der Platte dadurch, wie sich dieser Punkt im Laufe der Zeit durch Messungen wahrscheinlich… |
[01:09:46] | Genau. |
[01:09:47] | Laser…tralala. Oder? |
[01:09:48] | Ja. Also wenn wir zum Beispiel ein GPS verwenden würden, dann würden wir feststellen, dass überall im Bereich der europäischen Platte dann ein bestimmtes Bewegungsfeld stattfindet. Wenn wir jetzt aber uns über den mittelatlantischen Rücken hinweg bewegen würden, würden wir uns mit der Geschwindigkeit der nordamerikanischen Platte bewegen. |
[01:10:09] | Das heißt, man macht das auch tatsächlich so? Man stellt da einen Messpunkt auf, hängt ein GPS hin und das sind ja Zentimeter pro Jahr… |
[01:10:15] | Genau. |
[01:10:15] | …GPS kann das, wenn man es entsprechend…assisted… |
[01:10:17] | Genau, heutzutage…Genau, heute kann man das also über GPS sogar relativ in Echtzeit nachbilden. Natürlich war das früher sehr viel schwerer, da hätte man natürlich dann einfach die geologischen Hinweise verwendet, die es dazu gab. GPS ist ja auch erst ungefähr seit 10, 15 Jahren da. |
[01:10:35] | Ja. Unverschlüsselt, so dass es auch genau genug ist. |
[01:10:37] | Ja, ja. |
[01:10:38] | Okay. Das beantwortet aber jetzt noch nicht meine Frage. Ich weiß auch gar nicht, ob es da eine Antwort gibt, ob wir die kennen. Warum ist das so, warum gibt es einzelne Platten? Warum gibt es nicht das Ding oder warum gibt es nicht viele viele viele kleine Dinger, die dann gar nicht mehr sinnvoll unterscheidbar sind? |
[01:10:54] | Ja. Genau. Und die Antwort, die ich nennen würde, ist: Weil wir eben auf der Erde die Asthenosphäre haben. Das ist aber meine persönliche Meinung, das heißt also die Asthenosphäre innerhalb der Erde, da gibt es eine ganze Menge Annahmen die man dazu machen kann. Man kann zum Beispiel Computermodelle rechnen, in denen es eine Asthenosphäre gibt und in denen es keine gibt. Und sie führen zu völlig unterschiedlichen Mustern in der Konvektionsströmung. Also das ist schon mal ein sehr interessanter Hinweis, ja. Man kann sich natürlich aber auch überlegen, wie zum Beispiel einfach durch mathematische Analyse die Wellenlängen von konvektiven Instabilitäten verändern würden. Wenn zum Beispiel in einer Flüssigkeit eine ganz ganz leicht deformierbare Lage oben drüber liegt. Auch die geben einem einen Hinweis darauf, das sind sehr sehr schöne Arbeiten von einem sehr berühmten deutschen Kollegen, dem Fritz Busse in Bayreuth. Einer der Mitglieder in der nationalen Akademie of Science in Amerika, der sich also sehr sehr theoretisch damit beschäftigt hat. Und diese Hinweise sind natürlich deswegen spannend, weil sie im Prinzip schon sagen, dass also solche dünnen und sehr mobilen Schichten zu etwas führen, was zunächst erstmal in einer Konvektion ja gar nicht sein sollte. Eine Konvektion ist immer ein Dichteunterschied. Ein Dichteunterschied wird durch die Gravitation immer in eine vertikale Bewegung… |
[01:12:12] | Genau, ja. |
[01:12:12] | Ja. Also zunächst ist erstmal überhaupt gar nicht klar, warum ich horizonal mich bewegen sollte. |
[01:12:16] | …und warum dadurch identifizierbare, abgrenzbare Platten entstehen. |
[01:12:19] | Genau. Und jetzt kannst du dir aber vorstellen, was geschieht, wenn in so einer Strömung nahe der Oberfläche jetzt eine sehr sehr leicht verformbare Schicht besteht. Sagen wir mal 200, 300 Kilometer dick, wie sie vermutlich für die Erde ist. Dort werden die konvektiv bedingten Aufströme und Abströme, vor allem die Aufströme aber, sofort zur Seite abgelenkt, weil das Material zur Seite einfach weg muss. Ja? Und so ein Prozess kann dazu führen, dass die Spannungen kohärent – und das ist der Punkt – kohärent über sehr sehr große Distanzen hinweg aufgebaut werden können. Über sehr große, weite Distanzen hinweg kann ich die Spannungen in ein kohärentes Spannungsfeld umwandeln. Und dann ist es natürlich so, dass die Kohärenz zu einer Aufintegration der Spannungen führt, so dass ich unter Umständen in der Lage bin die Lithosphäre zu brechen. |
[01:13:12] | Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, dass der Planet so etwas nicht hätte, dann würden die Aufströme einfach nur zu vertikalen Spannungen an der Plattenunterseite führen, aber sich nicht groß kohärent über Tausende von Kilometern zum Beispiel in eine bestimmte Richtung ausbreiten können. Und dann wäre die Lithosphäre einfach zu stark, um zerbrochen zu werden. Dann sind zwar Spannungen jederzeit da, die aber sich eigentlich letztendlich zu Null aufaddieren. Und das ist vermutlich eine sehr spannende Überlegung, die man hinterher sich überlegen könnte, dass Plattentektonik wirklich sich auf der Erde so ausbildet. |
[01:13:48] | Also sozusagen die Plattenstruktur und die Grenzen reflektieren die vertikalen Strömungen im Erdmantel oder Aufströmungsverhalten, Austauschbewegungen in gewisser Weise? |
[01:14:00] | Ja. Ja. Und diese Aufströmungen – wie gesagt – führen also zunächst erstmal ganz unmittelbar zu den horizontalen Bewegungen, die die Plattentektonik macht. Aber implizit in dem, was ich gesagt habe, kannst du ja schon feststellen, dass da letztendlich auch eine Vertikalspannung drin stecken muss, weil zunächst muss ja erstmal… |
[01:14:19] | … zum Beispiel steigt so ein Plum innerhalb der Erde auf, irgendwann kommt er in den Bereich der Asthenosphäre, dort wird das Material sehr sehr schnell zur Seite abgegeben, weil es einfach sehr mobil ist. Trotzdem ist aber immer noch ein Auftrieb in dem Bereich drin und dieser Auftrieb kann natürlich hinterher die Oberfläche erheblich auslenken. Und das ist genau das, was uns die Geologen sagen. Ich selber habe in den letzten sechs Jahren ein Schwerpunktprogramm geführt der deutschen Forschungsgemeinschaft über den Südatlantik. Und der Südatlantik ist zum Beispiel ein Bereich, in dem man das ganz ganz eindeutig sieht. Also man merkt, dass der Südatlantik zum Beispiel sowohl auf dem Ozeanboden selber als aber auch zum Beispiel in den darum liegenden Kontinenten erhebliche Vertikalbewegungen durchführt. Also, schau dir zum Beispiel Johannesburg an. Wenn du in Johannesburg landest, landest du in ungefähr einem Kilometer Höhe. Nun ist es aber eigentlich so, dass Kontinente üblicherweise mehr oder weniger in der Nähe vom Meeresniveau liegen sollten, weil sie einfach erodiv abgetragen werden. |
[01:15:14] | Ja. Trotzdem sieht aber das südliche Afrika als etwas aus, was wirklich fast einen Kilometer über dem Meeresspiegel liegt. |
[01:15:21] | Also hier steht gerade so eine überhöhte Erdkugel neben uns. |
[01:15:25] | Genau. |
[01:15:25] | Und du hast gerade darauf gezeigt und das ist alles braun. Braun heißt hoch. |
[01:15:28] | Genau das. Und was wirklich spannend ist, ist: Die Geologen wissen eigentlich aus einer Vielzahl von Beobachtungen, dass das vermutlich gar nicht so alt ist. Vielleicht ist es 40 Millionen Jahre alt, vielleicht ist es 80 Millionen Jahre alt. Aber es gab mit Sicherheit eine Zeit im südlichen Afrika, in der ein Großteil des südlichen Afrikas wesentlich näher am Meeresspiegel war. Zum Beispiel gibt es marine Sedimente in diesen Regionen, die aber jetzt einen Kilometer überhalb vom Meeresspiegel liegen. Das heißt also, die Konvektion des Mantels äußert sich eben nicht nur darin, dass sie Plattentektonik erzeugt. Unter Umständen eben durch diese Bewegungen der Asthenosphäre, die die Spannung kohärent über große Bereiche hinweg ausrichten. Sondern sie äußert sich auch in den Vertikalbewegungen, das heißt also, dass Bereiche angehoben werden, dann aber auch wieder Bereiche abgesenkt werden. Und gerade diese absenkenden Bereiche sind zum Beispiel die Bereiche, die dann als sogenannte Becken sehr sehr viele Sedimente aufnehmen. |
[01:16:24] | In den Sedimenten ist oft organisches Material drin, das heißt also, das sind auch die Bereiche, in denen sehr große Ölförderungen stattfinden. Das heißt also, der Mantel hat da ganz erstaunliche Einflüsse, die zunächst erstmal gar nicht evident sind. Um dir ein Beispiel zu nennen, nun ist ja wieder der Globus neben uns, aber wir erzählen das mal unseren Zuhörern. Vor ungefähr 80 Millionen Jahren konnte man auf dem nordamerikanischen Kontinent von Alaska nach Houston mit dem Schiff durchfahren. Der gesamte Kontinent war mit Ausnahme des westlichsten und östlichsten Teils vom Meer überflutet. |
[01:17:01] | Das sind die ganzen Bereiche, in denen zum Beispiel heute die texanischen Ölförderungen stattfinden. Oklahoma oder, wenn man dann weiter nach Norden geht, die kanadischen Teersande. Das sind alles Bereiche, die in diesem Becken abgelagert wurden mit sehr sehr viel natürlich organischem Material, was heute zu Öl führt. Aber diese Vertikalbewegung von Hunderten von Metern ist zunächst ja sonst gar nicht zu verstehen. Warum soll der Kontinent das tun? Der ist ja im isostatischen Gleichgewicht. Er erfährt aber zusätzlich zu dieser Isostasie Spannungsbewegungen, die aus der Konvektion des Erdmantels selber heraus kommen. Das heißt also, da äußert sich die Konvektion in einer Art und Weise, die gerade für jemanden – wenn man da natürlich auch historische Geologie gehört hat – ich habe in Tübingen sehr viel auch mir Vorlesungen zur historischen Geologie angehört, die eigentlich sehr spannend sind und man hört, dass es also Flachmeere gibt, die die Kontinente überfluten. Und man wundert sich zunächst einmal, warum soll das eigentlich geschehen? |
[01:17:55] | Wo kommt das ganze Wasser her? |
[01:17:56] | Wo kommt das Wasser her? |
[01:17:57] | Aber tatsächlich gehen die Kontinente runter. |
[01:17:59] | Genau und stattdessen aber eigentlich, was geschieht, ist, dass die Kontinente sich einfach vertikal bewegen. |
[01:18:03] | Ja, ja. Okay. |
[01:18:05] | So, und das heißt also, gerade solche Ideen, wie also solche Plattentektonik stattfindet, die sind natürlich sehr sehr schwierig und sind sehr kompliziert. Was vielleicht noch schwieriger ist – ich kann es vielleicht für unsere Zuhörer nur andeuten – ist: Selbst wenn ich mir vorstellen könnte, ich könnte ein Computermodell zur Plattentektonik machen – manche Gruppen versuchen das – dann ist das natürlich besonders schwer zu testen. Denn ich meine, es gibt ja viele Möglichkeiten, wie ich so etwas erzeugen könnte. |
[01:18:32] | Ja, klar. |
[01:18:33] | Nun ist es aber nicht klar, ob die Möglichkeit, die ich gewählt habe, hinterher der tatsächlichen entspricht. Und das heißt also, gerade das Testen von geologischen Modellen wird in der Zukunft gerade für die theoretische Geophysik eine ganz spannende Frage werden, weil wir das wahrscheinlich sehr neu angehen müssen vergleichsweise dem, wie das traditionell gemacht wird. Denn natürlich letztendlich, ein Computermodell ist zunächst erstmal nur eine logisch konsistente Darstellung, es ist nicht unbedingt die richtige. |
[01:19:00] | Die Parametrierung ist halt üblicherweise frei. |
[01:19:01] | Genau. Also in gewisser Weise kann man fast sagen, ist es wie Philosophie auch. Im besten Fall ist sie logisch konsistent. |
[01:19:07] | Ja, ja, genau. |
[01:19:08] | Wenn sie inkonsistent ist, ist sie sowieso falsch. |
[01:19:10] | Aber selbst wenn sie in sich konsistent und stimmig ist, muss sie noch nicht richtig sein. |
[01:19:15] | Ja, ja. |
[01:19:15] | Und diese Art von Testen ist natürlich gerade für die Geophysik schwierig, weil natürlich unsere Beobachtungen in der Vergangenheit liegen. |
[01:19:23] | Ich hätte es jetzt gar nicht mal als Testen bezeichnet, sondern als Verankerung. Also man braucht quasi ein paar Fixpunkte, wo man tatsächlich Daten hat, an denen man dann quasi ansonsten den freien Parameter-Raum irgendwo fixieren kann. |
[01:19:34] | Ja. |
[01:19:35] | So kann man es vielleicht auch sagen. |
[01:19:36] | Ja, ja. Wobei man sich immer überlegen muss: Was tut man eigentlich in einem Modell? In einem Modell sagt man: Es gibt eine bestimmte Art von Physik, die bilde ich durch die Gleichungen ab und dann nehme ich Parameter, von denen ich denke, dass sie sozusagen das Material gut widerspiegeln. |
[01:19:48] | Genau. |
[01:19:49] | Und dann würde ich eine Vorhersage machen und würde sie mit der Beobachtung machen. |
[01:19:52] | Ja, ja, klar. Ja. |
[01:19:53] | Und jetzt habe ich ein Problem, denn zum Beispiel die Vorhersagen, die man innerhalb der Geophysik in der Plattentektonik macht, spielen sich mindestens auf Zeiträumen von Tausenden von Jahren, eigentlich mehr Zehntausende oder Hundertausende von Jahren ab. Das heißt, weder du noch ich sind hier, um je zu wissen, was gerechnet wurde, ob es richtig ist. |
[01:20:10] | Ja, logisch, ja. |
[01:20:11] | So, und dieses Problem wird nicht weg gehen, das heißt da gibt es sehr sehr spannende Fragen – sich zu überlegen: Kann man das unter Umständen anders machen? |
[01:20:18] | Nicht mal EU-Forschungsprojekte gehen so lang. Die dauern zwar auch oft ewig, aber… |
[01:20:24] | Vor allem haben sie sehr viel Papierkram. |
[01:20:26] | Richtig. Vielleicht, wenn man die Beantragungs- und Genehmigungszeit verwenden würde, das würde in diese Größenordnung vielleicht passen. |
[01:20:33] | Genau. Genau. |
[01:20:33] | Die Laufzeit nicht. Sind diese Plattenstrukturen stabil oder ändern die sich über die Zeit? Also ich will sagen: Hatten wir früher mal andere Platten? |
[01:20:40] | Ja. Und zwar, Platten kommen und gehen die ganze Zeit. |
[01:20:44] | Also natürlich… |
[01:20:45] | Achso, muss eigentlich, weil sich die Strömungen ja ändern. |
[01:20:47] | Genau. Nun fangen wir mal mit den ozeanischen Platten an, da ist es am einfachsten. Es gibt gesamte ozeanische Platten, wie zum Beispiel die sogenannte Farallon-Platte. Die Farallon-Platte war fast so groß wie heute die pazifische Platte. Die ist völlig weg. Es gibt ein paar kleine Überreste, zum Beispiel nördlich der Küste von Oregon. Da kommt auch der Name her. Es gibt kleine Inseln vor der Küste von San Francisco, wo du jetzt neulich warst. |
[01:21:13] | Alcatraz. |
[01:21:14] | Die sogenannten…nicht Alcatraz, das ist noch auf der Kontinentsache. Die Farallon-Inseln sind ungefähr 50 Kilometer raus. Aber ziemlich aus der Golden Gate Bridge raus. Und die sind der Namensgeber für diese Platte, die man heute eigentlich nur noch deswegen identifizieren kann, weil natürlich an der Plattentektonik, an einem Rücken, immer ein Spiegelbild entsteht. Eine Platte kreiere ich, aber eine andere kommt ja auch dazu. |
[01:21:38] | Weil sich das quasi so auseinander splittet. |
[01:21:40] | Genau. Und wenn ich heute mir die pazifische Platte anschaue, dann sehe ich, dass eigentlich die Platte sich nur so geformt haben kann, wie sie heute ist, wenn es weiter östlich einen Rücken gab. |
[01:21:49] | Aha, okay. |
[01:21:50] | Und östlich von diesem Rücken muss ja dann die spiegelbildliche Platte gewesen sein. |
[01:21:53] | Und diese Platte ist die Farallon-Platte. Und die ist also riesengroß, oder war riesengroß. Und die ist heute völlig verschwunden. Also da sieht man, dass Platten zum Beispiel völlig kommen und auch wieder gehen können. Die pazifische Platte war vor 150 Millionen Jahren nur ein ganz kleiner Teil des pazifischen Ozeans. Also wirklich nur ein ganz kleiner Splitter-Teil im Zentralbereich des Ozeans. Zumindest nimmt man das durch Rückkonstruktionen an. Und ist heute aber die größte Platte der Erde. Gleichzeitig, bei den Kontinenten ist es ein bisschen kompliziert. Die Kontinente als solche bleiben natürlich an der Oberfläche aufgrund ihrer leichteren Gesteine. Aber man sieht bei den Kontinenten zum Beispiel, dass ja vor 200 Millionen Jahren alle Kontinente im Urkontinent drin waren, im Pangaea. Und auch Pangaea hat sich ja dann heute völlig aufgelöst und ist jetzt in den einzelnen Kontinenten. |
[01:22:48] | Der sogenannte Südkontinent Gondwana ist ein anderes schönes Beispiel dafür, wo also die Einzelteile von Gondwana, zum Beispiel Indien, Antarktika, Australien, Südamerika, Afrika, heute ja einzelne Kontinente darstellen. |
[01:23:01] | Woher wissen wir das? Wie können wir das zurückverfolgen? Sind das Rückrechnungen über die Bewegungen oder kann man da aufgrund der Gesteine, Mineralien, irgendwas zur Zugehörigkeit… |
[01:23:08] | Vieles. Wegener hat ja viel dazu gemacht. Also, heute würden wir natürlich im Wesentlichen versuchen, das über die Magnetisierung der Gesteine zu machen. Und solange der Ozeanboden zwischen zwei auseinander driftenden Kontinenten da ist, kann man das auch sogar sehr sehr genau machen. Schwieriger ist es, wenn man eine Subduktionszone irgendwo drin hat, weil dann ist das Material, was dazu gehört, ja nicht mehr vorhanden. Aber gerade bei Gondwana ist das sehr schön, da kann man also die ganzen Ozeane um Afrika herum ja wieder sozusagen zurück bringen in die ursprüngliche Form. Wegener hat aber sehr viel breiter darüber nachgedacht. Beeindruckend, also das ist ein Buch, was ich wirklich allen Zuhörern empfehle. Wenn man also das Buch durchliest, dann wird man feststellen, dass Wegener also mit vergleichsweise wenig Beobachtungen erstaunlich sorgfältige Rückschlüsse gemacht hat. Das ist eigentlich das, was in meinen Augen besonders beeindruckend ist. Wenn eine Sachlage vollkommen klar ist, dann ist sie natürlich für jeden offensichtlich. Für Wegener waren viele Dinge offensichtlich, obwohl die Sachlage gar nicht so klar war. Das ist eigentlich… |
[01:24:10] | Also hat der nur Glück gehabt mit seinen Vorhersagen, oder… |
[01:24:12] | Nein, also wenn man das Buch liest – und deswegen will ich es auch wirklich sagen, ich nehme es auch manchmal in der Vorlesung für Studenten durch – es wird klar, dass ihm jede dieser Beobachtungen in ihrer Tragweite klar ist. Also zum Beispiel ein Beispiel: Es gibt bestimmte Beobachtungen für Oberflächenwellen, eine oder zwei hatte er damals zur Verfügung, die über den Südatlantik gehen. Aus denen schloss er auf eine Asthenosphäre. Und klar, heute wissen wir das aus Tausenden von Beobachtungen ziemlich offensichtlich, aber dass er damals diesen Rückschluss schon machen konnte, sprach einfach für die Tiefe, mit der er über das Problem nachgedacht hat. Aber Wegener hat auch paleontologische Sachen verwendet, sedimentologische Beobachtungen, Beobachtungen zum Klima, vieles, was er einfach dann zusammen gebracht hat. |
[01:24:57] | Pangaea und Gondwanaland waren ja, wie du gerade gesagt hast, diese Superkontinente. Wenn man so will, so eine Art Platten…das ist völlig beknackt, der Begriff, aber so eine Art plattentektonischer Urknall. Wir können da nicht davor gucken, oder? Weil wir ja nicht wissen können, ob es davor schon mal andere Platten gab, die sich dann zusammen getan haben und diese Megaplatten produziert haben. |
[01:25:17] | Ja, ja. |
[01:25:18] | Das heißt, die Frage, was davor war, kannst du nicht beantworten? |
[01:25:21] | Ja, sagen wir mal so: 30 Prozent der Oberfläche sind ja Kontinente, die bleiben ja. 70 Prozent sind die Ozeane. Das heißt also, wenn ich jetzt vor Pangaea schauen möchte, dann fehlt mir natürlich zu einem allergroßen Teil diese 70 Prozent des Ozeanbodens. Aber das, wo die Kontinente sich zumindest innerhalb des Dipolfeldes im Magnetfeld bewegt haben – das ist natürlich jetzt von der Longitude her nicht bestimmt – aber wenn sie sich zum Beispiel in Nord-Süd-Richtung bewegt haben, das ist natürlich nach wie vor messbar. Und das führt dazu, dass es Spekulationen gibt, dass auch vor Pangaea mindestens ein oder zwei weitere Superkontinente vorhanden waren. Einer trägt den Namen Rodinia, zum Beispiel. |
[01:26:07] | Das heißt also, man kann auch dort – und das wird in der Paleomagnetik auch eigentlich sehr klug gemacht – schon technisch spekulieren, ob es da vorher etwas gab. Und die Antwort ist: Vermutlich ja. |
[01:26:19] | Und entwickelt sich unsere jetzige Kontinentstruktur wieder in Richtung einem Superkontinent oder strömen wir gerade noch auseinander? Oder wie kann man das… |
[01:26:29] | Im Augenblick strömen wir auseinander. Manche Leute würden natürlich sagen, wenn das weiter anhält, wird natürlich alles auf der anderen Seite… |
[01:26:33] | Klar, dann stoßen wir drüben wieder an, klar. |
[01:26:37] | Der Grund, warum ich da mich normalerweise nicht so beteilige, ist: Wir sind ja alle nicht da, um es zu wissen, ob es stimmt. Das heißt, wir könnten Vorhersagen machen, aber da diese Vorhersagen kraft Definitionum ja gar nicht testbar sind – das wären 100 Millionen Jahre von heute – ist das natürlich in gewisser Weise müßig. |
[01:26:56] | Ich hatte letztes Jahr im September eine Episode zu String Theory mit dem Alexander Westphal und da gibt es ja auch viele Dinge, die man gar nicht per Definition testen kann. Und da war eben auch die Frage: Ist es dann überhaupt noch Wissenschaft? Ab wann bezeichnet man es vielleicht nicht mehr so, oder ab wann sollte man sich als Wissenschaftler vielleicht einfach nicht mehr darum kümmern und sagen: Wir wissen es nicht, können wir nicht wissen, Ende der Diskussion? Das ist wieder so ein Punkt hier. |
[01:27:21] | Ja. Und ich halte das einfach deswegen für wichtig, weil natürlich – wie ich vorhin gesagt habe – auch in den Erdwissenschaften wir eben dieses fundamentale Problem haben, dass bestimmte Dinge für uns einfach nicht beobachtbar sind. Offensichtlich Prozesse in der Zukunft, gerade bei solchen langsamen Prozessen, wie wir sie betrachten. Aber auch vieles, was zum Beispiel tief im Erdinneren ist, ist für uns einfach auf absehbare Zeit, wenn nicht absolut Dinge geschehen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können, nicht beobachtbar. Und dann ist es für den Zuhörer wichtig zu sagen, auch an der Stelle können wir einfach ganz grundsätzlich nicht ewarten, dass wir etwas sagen könnten. |
[01:27:54] | Ja. Ich habe noch zwei Fragen, die von einem Hörer kommen, der sich augenscheinlich auskennt mit der Materie. Das Eine ist eine Frage Richtung Antikontinente. |
[01:28:02] | Sehr schön, ja das geht zurück auf einen Kollegen, Wysession, im mittleren Westen, das ist die…also, frag erstmal deine Frage, dann werden wir sehen. |
[01:28:12] | Ja, was ist das, gibt es die wirklich, warum gibt es die, was sind das? Also das hast du richtig angefangen. |
[01:28:16] | Genau, genau, genau. Mein Kollege Mike Wysession, den ich sehr schätze, hat eigentlich mal vor zehn, 15 Jahren eine Serie von Papern darüber geschrieben. Man kann sich ja Kontinente vorstellen, wie im Prinzip das leichte Material, was oben aufströmt. Umgedreht ist es aber natürlich genauso vorstellbar, dass es natürlich auch dichtere Komponenten gibt, einfach chemisch dichtere Komponenten, nicht unbedingt thermisch. Das kann ja kommen und gehen. Aber einfach intrinsisch dicht und die würden früher oder später nach unten absinken. Und diese, denen hat Mike, der sie versucht hat, oder zumindest der in den seismischen Wellen Dinge gesehen hat, die ein bisschen komisch sind, an der Kern-Mantel-Grenze, denen hat er versucht, diesen Begriff zu geben. Das heißt also, schwerere Bereiche, auch vielleicht 100 Kilometer dick auf vielleicht viele Hunderte Kilometer ausgedehnt, die sozusagen auf der Kern-Mantel-Grenze aufschwimmen und die man sich dann sozusagen gedanklich schön mit diesem Begriff vorstellen kann. Also im Prinzip schwere Teile, die im Mantel absinken und dann eben diesen Antikontinent oder mehrere Antikontinente an der Unterseite des Mantels bilden, so wie die Kontinente an der Oberseite des Mantels sind. |
[01:29:26] | Kann man das durch die üblichen seismischen Mittel irgendwie…also war das eine Theorie, oder kann man das irgendwie belegen? |
[01:29:31] | Nein, ursprünglich war es…nein, belegbar ist es natürlich bisher nur sehr schwer, weil natürlich die seismischen Beobachtungen in diesem Bereich immer sehr schwierig machbar sind. Da gibt es viele Fortschritte, da könnten wir lange darüber reden. Von daher denke ich mir, das wird man in Zukunft auch wesentlich besser wissen können. Aber zunächst waren eigentlich die…der Anstoß für das, was Mike Wysession da angeschaut hatte, seismische Beobachtungen. Und dann hat man sich überlegt, okay, diese seismischen Beobachtungen könnten damit zusammen hängen, dass da zum Beispiel chemisch anderes Material ist. |
[01:30:01] | Okay. Also es war quasi ein theoretisches Modell für bestimmte Beobachtungen, die man gemacht hat. |
[01:30:05] | Ja, genau, genau. |
[01:30:06] | Zweite Frage aus dieser Richtung, die ist ein bisschen nahe liegender: Inwiefern führt die Plattentektonik auf der Erde noch zu nennenswerten Änderungen, zum Beispiel bei Gebirgen? Wird der Himalaya mal 10000 Meter hoch, oder…kann man da irgendwie etwas sagen? |
[01:30:27] | Ja, sehr sehr schöne Frage. Und zwar, also natürlich geht die Plattentektonik die ganze Zeit jetzt weiter. Das hört ja nicht auf, das sind einfach nur langsame Geschwindigkeiten. Das heißt also, eigentlich können natürlich an Rändern, wie zum Beispiel zwischen Indien und Asien, wo zwei Platten kollidieren – ich muss das vorsichtig wählen – zumindest, wo sie eben aneinander kommen, wo dann eben solche Gebirge aufgefaltet werden, können natürlich Gebirge weiter hoch gehen. Die Frage ist aber eigentlich schon sehr interessant. Und zwar ist es hier nicht einfach nur eine Frage des Drucks, ja? Komme ich jetzt noch weiter im Druck und kann ich sozusagen noch weiter Dinge aufschieben? Sondern sie hat letztendlich früher oder später etwas mit der mechanischen Festigkeit und wiederum der Isostasie der sogenannten kontinentalen Kruste zu tun. Das heißt also, wenn ich jetzt versuche, extrem hohe Gebirge aufzufalten, dann brauchen diese Gebirge, um natürlich isostatisch ausgeglichen zu sein, und das sind sie, das wissen wir aus der Gravitation, tiefe Wurzeln. Aber diese Wurzeln sind unter Umständen irgendwann so tief, dass sie in Bereiche eindringen, die einfach so heiß sind, dass sie gar nicht mehr stabil bleiben können. |
[01:31:38] | In der Hinsicht interpretiere ich die Frage – und so verwende ich sie auch manchmal in meinen Vorlesungen – als eine Frage, könnte es zu irgendeinem Zeitpunkt in der Erdgeschichte Gebirge gegeben haben, die signifikant anders in der Höhe waren als heute? Und die Antwort ist: Vermutlich nein. |
[01:31:54] | Einfach, weil ihre Krusten das früher oder später, also ihre Wurzeln früher oder später limitieren. |
[01:31:59] | Weil die abschmelzen? |
[01:32:01] | Genau. |
[01:32:04] | Nochmal kurz zu den Messverfahren, das habe ich vorhin vergessen. Auch von einem Hörer, der ganz offensichtlich da schonmal etwas darüber gehört, oder zumindest meint, gelesen zu haben. Er fragt, ob für die Plattentektonik auch VLBI, also Very Large Baseline Interferometry… |
[01:32:18] | Ja. |
[01:32:19] | …willst du da zwei Sätze dazu sagen? Weil ich glaube, außer dem Hörer weiß keiner, was das ist. |
[01:32:24] | Gut, also das ist…auf der einen Seite heißt das das Very Long Baseline Inteferometry. Dazu müssten wir meinen Kollegen Roland Beil drüben in der Geodäsie bei der Technischen Universität fragen. Eines der wenigen Stationen, die es dafür gibt, es gibt ca. zehn, glaube ich, ist hier zum Beispiel in Wettzell, in Bayern, eine der Fundamentalstationen. Man misst dort im Wesentlichen die Wellenausbreitung von ganz weit entfernten sogenannten Quasaren und versucht dann aus der Kohärenz zwischen verschiedenen Stationen und der Phasenunterschied, der dann natürlich im Laufe der Zeit entstehen würde, wenn sich die Stationen selber gegenseitig bewegen, eine Bewegung relativ zueinander heraus zu tun. Das war in den 80ern und 90ern natürlich ein faszinierendes Verfahren. |
[01:33:12] | Wo es noch kein GPS gab. |
[01:33:13] | Aber heute gibt es halt GPS. Und dann ist das natürlich wesentlich leichter über GPS zu machen. |
[01:33:17] | Eine andere Frage, die ich auch vorhin…die hatte ich nicht gut genug sortiert hier. Inwieweit sind denn die…ist der Mond und seine gravitatorischen Auswirkungen auf die Erde und den Erdkern möglicherweise eine Energiequelle für den Kern und die da vorhandene… |
[01:33:35] | Wenig, wenig. |
[01:33:36] | Wenig, kann man auch vergessen. |
[01:33:37] | Ja. |
[01:33:37] | Okay. Also die Gezeiten sind sozusagen…also der Erdkern hat keine Gezeiten. |
[01:33:44] | Ja. |
[01:33:44] | Okay. Gut, dann lass uns mal ein bisschen über dein Spezialgebiet reden. |
[01:33:51] | Gut. |
[01:33:52] | Also, rechnergestützte Verfahren. Ich sehe hier Mathematica-Bücher und so, das ist natürlich schonmal ein Hinweis. |
[01:33:58] | Genau, genau, genau. Und früher hätte ich dich auch in einen großen Rechenbereich mitgenommen. Wir haben drüben auf dem Stockwerk natürlich auch sehr sehr große Rechenanlagen. Wir haben hier am Lehrstuhl sicher sehr sehr weite Rechencluster, nennt man sowas, mit vielen Tausenden von Prozessoren. |
[01:34:17] | Wir sind natürlich auch sehr stark am Leibniz-Rechenzentrum involviert. Das ist also das bundesdeutsche Höchstleistungsrechenzentrum. Die grundsätzliche…was meine Arbeit im Prinzip kennzeichnet, ich bin sozusagen ein theoretischer Geophysiker. Das heißt also, im Gegensatz zu Geophysikern, die sehr viel im Feld sind und messen, ist meine Arbeitsgruppe eine, die sich natürlich im Wesentlichen theoretisch mit den Fragen zusammen beschäftigt. Ich bezeichne uns manchmal im Prinzip als das Äquivalent der Kosmologie. Die Kosmologie hat ja auch den Auftrag in Prinzip all die Beobachtungen, die man über die Sterne macht, in einen Zusammenhang zu bestellen. Das ist eigentlich die Aufgabe der theoretischen Geophysik und ganz spezifisch gibt es dort einen Bereich, der sich mit den Kräften, also wirklich der Dynamik, beschäftigt. Das ist die sogenannte Geodynamik. |
[01:35:01] | Und die Geodynamik hat in den letzten 20 Jahren sehr sehr viel Fortschritt gemacht, weil natürlich geodynamische Prozesse nicht linear sind. Das heißt also, wenn ich zum Beispiel eine bestimmte Kenngröße verändere um den Faktor zwei, dann ist oft das Ergebnis eben nicht um den Faktor zwei anders, sondern um irgendwelche Potenzen davon. Und diese Art von Nichtlinearität lässt sich mit den klassischen, analytischen, mathematischen Verfahren oft nur sehr schwer darstellen. Das heißt also, gerade in Bereichen, die sich mit solchen nichtlinearen Prozessen, wie Konvektion, beschäftigen, haben natürlich in den letzten 20 Jahren von Rechnern enorm profitiert. Ich nenne die Meteorologie… |
[01:35:40] | …natürlich die Ozeanologie, all solche Felder, die davon sehr stark profitieren können. Und das, was natürlich die Geodynamik im Globalen versucht zu tun, ist das Äquivalent eines Zirkulationsmodells, so wie es für die Atmosphäre und die Ozeane besteht. Solche Zirkulationen durchzurechnen war sicher eine der ganz ganz großen Aufgaben in den letzten 30 Jahren, Pi mal Daumen. Man hat vielleicht in den späten 80ern angefangen, 3D-sphärisch rechnen zu können, zunächst natürlich mit sehr groben Auflösungen, ist dann hinterher zu sehr viel feineren Auflösungen gekommen, ist heute an einem Punkt, wo man fast die realen Parameterregime verwenden kann. Und dann in sogenannten Szenario-Simulationen einfach mal versucht zu sagen: Okay, wenn ich zum Beispiel die Temperatur, an der Kern-Mantel-Grenze verändere, was passiert? Oder wenn ich jetzt eine Asthenosphäre ganz spezifisch mit berücksichtige, was passiert im Strömungsmuster? Oder was geschieht, wenn ich mir vorstelle, dass bestimmte Bereiche in der Konvektion chemisch ausgezeichnet und anders sind, was geschieht dann? |
[01:36:45] | Diese Szenario-Simulationen geben einem sehr sehr viel eine Vorstellung davon, wie ein Planet überhaupt funktionieren kann. Was ist möglich, was ist nicht möglich? Zum Beispiel, wenn ich vorhin gesagt habe, dass der Temperaturverlauf innerhalb der Erde vermutlich so einer Z-Kurve entspricht, also sehr sehr starker Anstieg in den oberen 100 Kilometern, dann ein konstanter Bereich über Tausende von Kilometern, dann wieder ein sehr sehr starker Anstieg, da ist natürlich auch vieles an Modellvorstellungen, die da hinein geflossen sind, aus denen man hinterher klar merkt: Aha, das sind die darunter liegenden Prozesse, so muss das eigentlich geschehen. Das ist eigentlich das, was viel in meiner Gruppe über lange Jahre hinweg versucht wurde zu untersuchen. Wir haben uns aber eigentlich in den letzten zehn Jahren aufgrund dieses fundamentalen Problems, was ich am Anfang schon ein bisschen geschildert habe, nämlich, dass es eigentlich schwer ist, Modelle explizit zu testen, versucht, mathematisch in eine neue Richtung zu entwickeln. |
[01:37:41] | Und zwar kann man natürlich anstatt von Szenario-Simulationen, die einfach sagen: Wenn ich das verändere, geschieht das oder wenn ich das verändere, geschieht das, die Frage stellen: Naja, ich weiß ja ganz genau, was der Südatlantik gemacht hat oder ich weiß ja ganz genau, wie sich zum Beispiel Europa in den letzten 30 Millionen Jahren entwickelt hat. Wie viel davon hat jetzt explizit mit Mantelkonvektion zu tun? Das ist aber jetzt eben eine Frage, in der ich wissen muss: Wie ist die Historie der Mantelkonvektion explizit gewesen? Das heißt also, wie sieht der Mantel vor 30 Millionen Jahren aus? Wie sieht der Mantel vor 80 Millionen Jahren aus? Und das ist ganz überraschend, dass man dazu eine mathematische Gleichung aufstellen kann, die ein Problem löst. Die sagt: Wenn der Mantel heute so aussieht, muss er vorher so ausgesehen haben. |
[01:38:28] | Das heißt, man macht im Prinzip…versuchen wir mal den Unterschied zwischen dem Klassischen und dem, was ihr jetzt macht, auf den Punkt zu bringen. |
[01:38:35] | Gut. |
[01:38:35] | Was ist da vom mathematischen Vorgehen her anders? Also, es sind ja, irgendwelche andere Dinge werden als gegeben genommen. |
[01:38:40] | Genau. |
[01:38:40] | Und irgendwas anderes als unbekannt. |
[01:38:42] | Genau. |
[01:38:42] | Ich hab das noch nicht so richtig… |
[01:38:43] | Genau, nein, ist auch richtig. Es ist auch kompliziert. Es ist wirklich kompliziert. Auf den Punkt gebracht, und dann müssten wir es aber nochmal ein bisschen heraus arbeiten. |
[01:38:51] | Es ist der Unterschied zwischen einem sogenannten Vorwärtsproblem und einem sogenannten inversen Problem. |
[01:38:56] | Ah ja, okay. |
[01:38:57] | Das Vorwärtsproblem sagt: Ich kenne die Parameter und ich kriege die Lösung hinterher heraus. |
[01:39:01] | Ja. Okay. Ich fange an einem Startpunkt an, habe Formeln, die sagen: f(x) ist so und so, und ich rechne einfach vorwärts. |
[01:39:09] | Genau. |
[01:39:09] | Und im inversen Problem ist die Frage: Ich kenne den Endzustand, was ist eine Formel, die mir den errechnen kann unter Voraussetzung, ich kenne den Startzustand auch? |
[01:39:17] | Genau das. |
[01:39:18] | Den muss ich natürlich erstmal irgendwoher kennen. |
[01:39:19] | Genau das. So und was motiviert das? Wie gesagt, grundsätzlich wird das natürlich motiviert durch die Tatsache, dass du mir zwar sagen könntest, du glaubst, du weißt alle Parameter und ich würde dann eine Vorhersage machen, wie die Erde in 30 Millionen Jahren aussieht. |
[01:39:33] | Aber wir beide wüssten nie, ob wir jeweils Recht hatten. |
[01:39:36] | Ja, ja. |
[01:39:36] | Ja. Also kann man diesen Weg ganz grundsätzlich nicht gehen. |
[01:39:39] | Der wird früher oder später nicht weiter führen. |
[01:39:43] | Und das gilt für viele Aspekte, einschließlich dessen, dass man auch die Plattentektonik so wird nicht testen können. |
[01:39:50] | Also muss man sich fragen: Was muss ich eigentlich anders angehen, als Theoretiker? Ganz grundsätzlich theoretisch. Und dann setze ich halt das inverse Problem ab und das Schöne ist natürlich, in der Strömungsmechanik, oder einfach grundsätzlich eben, in theoretischen Bereichen der Physik kann man natürlich oft von einem Gebiet zum anderen übertragen. Es gibt ein ganz klassisches Beispiel für dieses Problem. Das kommt aus der Hydrogeologie. Es gibt verseuchtes Grundwasser, drei Tankstellen und die Frage wäre: Wer war jetzt eigentlich derjenige, der das verursacht? Da ist zum Beispiel ein Großteil der Mathematik schon in den 80ern dafür ausgearbeitet worden, die dann einfach iterativ sagt: Zu dem Endzustand und den gegebenen Formeln passen die und die Parameter am besten. Und dann kann ich ja sehen, okay, es war Tankstelle A. |
[01:40:41] | Und dann macht man wahrscheinlich auch so eine Sensitivitätsanalyse, wo man dann sagt: Wir variieren den mal ein bisschen, gucken, ob dann überhaupt im Ergebnis sich etwas ändert und kann damit auch Vertrauen schaffen in das Ergebnis? |
[01:40:52] | Genau das. So und jetzt kannst du dir natürlich vorstellen, es ist natürlich ein Schritt das zu machen von etwas, was vielleicht mehr so im Bereich von zwei, fünf, sieben Kilometern ist, für ein Grundwasserproblem auf einen Planeten zu übertragen. |
[01:41:03] | Das führt zum Beispiel a) dazu, dass wir beliebig viel Rechenleistung aufsaugen können. Also wenn uns das LRZ einen Computer geben würde, der zehnmal so groß ist, würden wir den auch benutzen. |
[01:41:13] | Fünf Jahre. |
[01:41:14] | Genau. Ja. Das ist natürlich für Rechenzentren sehr faszinierend, weil es natürlich wichtig ist, Probleme zu finden, die wirklich ganz große Rechner benutzen können und das ist natürlich eins, wo das eine ganz ganz wichtige Sache ist, wo das halt entsprechend möglich ist. Es führt aber auch natürlich dazu, dass man sich dann hinterher überlegt: Unter den verschiedenen Szenarien, wie die Vergangenheit ausgesehen haben kann, welches dieser Szenarien ist hinterher am ehesten mit unabhängigen anderen Beobachtungen abgleichbar? Vor allem, was ich jetzt vorher schon einmal gesagt habe, den ganzen Vertikalbewegungen, die man an der Oberfläche beobachtet. Und auf diese Art und Weise ist des theoretisch möglich, Planeten rückwärts in der Zeit zu rekonstruieren. Das ist eigentlich die Motivation, die vieles von dem, was wir am Lehrstuhl machen, motiviert, bei denen wir auch weltweit sehr stark mit vielen Gruppen zusammen arbeiten und die natürlich alle möglichen Aspekte beinhaltet. Wir unterhalten uns natürlich sehr viel mit Kollegen in Bayreuth zu Mineralphysik. |
[01:42:12] | Klar, ja. |
[01:42:13] | Wir unterhalten uns sehr viel mit Kollegen, die die seismischen Messungen machen, um genau zu interpretieren: Was bedeutet denn so eine Messung technisch? |
[01:42:21] | Ja. Und hinterher wird vermutlich die Möglichkeit bestehen, zumindest für eine gewisse Zeit, ganze Filme ablaufen lassen zu können, wie die Erde eigentlich ausgesehen haben könnte zu früheren Zeiten. Und dementsprechend dann testen und herausfinden: An welcher Stelle können wir einfach nicht weiter unterscheiden? Also, verschiedene Möglichkeiten, die dann ungefähr gleich ähnlich wären. |
[01:42:43] | Was geht in so ein Modell rein? Welche physikalischen Vorgänge? Also irgendwelche Dichte, Reibungsgeschichten, Temperatur… |
[01:42:49] | Ja. Also zunächst, ganz einfach ausgedrückt, sind das natürlich die sogenannten Erhaltungsgleichungen. |
[01:42:54] | Ja, klar. |
[01:42:55] | Vor allem Erhaltung für den Impuls, es gibt Erhaltung für die Energie, es gibt eine Erhaltung für die Masse. Diese Erhaltungsgleichungen beinhalten natürlich manche der Prozesse, die du schon genannt hast. Also Reibung zum Beispiel wäre natürlich in der Impulserhaltungsgleichung mit drin. |
[01:43:07] | Und diese Gleichungen löst man. Dann gehen natürlich normalerweise in solche Gleichungen Anfangsbedingungen und Randbedingungen hinein. Die Anfangsbedingung ist uns aber zum Beispiel nicht bekannt, wenn wir zum Beispiel aus der Kreidezeit heraus sagen würden: Die Erde sah so in der Tiefe in der Kreide aus und hat sich so weiter fort entwickelt. Diese Information ist uns aber im Erdinneren nicht bekannt. Wir wissen nicht, wie das Erdinnere in der Kreidezeit ausgesehen hat. Wir wissen vielleicht, wie die Erdoberfläche ausgesehen hat, aber nicht unbedingt das Erdinnere. Randbedingungen sind dann natürlich Fragen, ob man zum Beispiel weiß, dass sich die Oberfläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt hat. Naja, dann kann ich natürlich eine Randbedingung wählen, die diese Oberflächengeschwindigkeit wieder mit abbildet. Das ist eine Form von Assimilierung. Man nimmt schon eine gewisse Information zusätzlich in das Modell hinein, weil man sie ja unabhängig davon hat. An der Kern-Mantel-Grenze macht man oft die Annahme, dass die Reibung zwischen Kern und Mantel vernachlässigbar ist, weil der Kern natürlich de facto sehr sehr niedrige Viskositäten hat. |
[01:44:09] | So etwas nennt man dann eine spannungsfreie Randbedingung. Und dann kann man natürlich – und muss – Annahmen zu den Parametern machen, zum Beispiel: Wie hoch ist die Viskosität von Gesteinen? Dazu gibt es Beobachtungen, die zum Beispiel aus dem Abschmelzen der Gletscher gewonnen werden. Also, als die Gletscher abgeschmolzen sind in Skandinavien, haben die natürlich eine Depression hinterlassen. Heute ist das die Ostsee, die natürlich aber auch langsam wieder aufsteigt. Aus den Aufsteigbewegungen kann man eine gewisse Vorstellung für die Mobilität und die Festigkeit des Gesteins ableiten und die Zahl – das ist natürlich für unsere Zuhörer eine sehr abstrakte Zahl – ist 10^21 Pascalsekunden. |
[01:44:49] | Okay. Pascal ist Druck… |
[01:44:50] | Wasser hat ungefähr…Pascal ist natürlich ein Druck und Sekunde ist Zeit. Warum ist das so? Das ist im Prinzip eine Verbindung zwischen einer Spannung und einer Deformationsrate. Und da kommt dann der Proportionalitätskonstant hinein. |
[01:45:08] | Also es ist so eine klassische Einheit, die sich durch Kürzen ergibt? |
[01:45:11] | Genau. |
[01:45:11] | Wenn man es nicht gekürzt hätte, würde wahrscheinlich mehr der Physik aus der Einheit erkennbar werden. |
[01:45:15] | Genau. Genau. Aber der Grund, warum ich es nenne, ist: Diese Einheit für die Viskosität, die wäre zum Beispiel für Wasser im Bereich 10^-1 Pascalsekunden. |
[01:45:23] | Oh, okay. |
[01:45:24] | Also wir sind 20 Größenordnungen weg in der Festigkeit des Materials. Trotzdem kann man aber nominell eine Viskosität definieren und kann dann eben sagen, das wäre eine Annahme, die man im Modell braucht. Man kann natürlich dann sich auch ein Modell überlegen: Was sind zum Beispiel Temperaturen an der Oberfläche? Die kenne ich ja, die kann ich dann reingeben. Was wären die Temperaturen vielleicht an der Kern-Mantel-Grenze? Auch dafür hat man relativ technische Vorstellungen und kann dann einfach rechnen: Was geschieht in solchen Modellen? |
[01:45:54] | Die Mathematik, die da rein geht…du hattest vorhin mal irgendwas von Mathematik erwähnt, ich weiß nicht genau in welchem Zusammenhang, aber ist das irgendwie besonders anspruchsvoll oder wird da jetzt naiv einfach ein Stückchen Raum genommen, so ein Quader, und dann werden einfach diese Gleichungen, die den physikalischen Prozessen, die du gerade erwähnt hast, entsprechen, dort einfach durchgerechnet? |
[01:46:18] | Ja. |
[01:46:18] | Oder ist da mathematisch noch irgend eine mathematische Herausforderung? Es gibt immer drei Aspekte: Es gibt das richtige Modell und Parameter finden, es gibt die Frage: Wie nähere ich diese Dinge an? Und dann: Was muss ich mathematisch noch cleveres tun, damit ich es vereinfache und effizient rechenbar mache? |
[01:46:34] | Ja, ja. Lass mich mal ein bisschen schmunzelnd antworten. Wenn ich in der Grundvorlesung herum gucke, habe ich das Gefühl, naiv ist es nicht. |
[01:46:45] | Also muss man auf die Art und Weise natürlich ein bisschen aufpassen. |
[01:46:47] | Ja, klar. |
[01:46:48] | In gewisser Weise sind das natürlich sehr klassische Erhaltungsgleichungen. Von daher müsste man sagen: Ein Großteil, wie grundsätzlich solche Gleichungen zu formulieren sind, sind natürlich verstanden. Dann kommen natürlich aber sehr spannende Fragen ins Spiel. Also die Frage der Inversion ist zum Beispiel eine, wo ich dir erzählt habe, also, das ist das Problem rückwärts in die Zeit. Dazu publifizieren wir in mathematischen Journalen. Also das ist auch gar nicht mal geophysikalisch, sondern es ist also wirklich zum Beispiel das Journal für Geomathematik, in dem einfach wirklich überlegt wird: Wie sieht so ein inverses Problem aus? Hat es eine eindeutige Lösung? Ist das stabil? Solche Fragen, die man natürlich dann ganz technisch sich überlegen muss. Es gibt natürlich aber auch viele Fragen zur Numerik, also zum Beispiel gibt es bestimmte Verfahren, die besser sind als andere. Die müsste man sich sehr sorgfältig durchlesen. |
[01:47:38] | Aber das ist schon eigentlich eher Grundlagenforschung in der numerischen Simulation, das heißt Analyse, und hat nicht unbedingt ganz dringend etwas mit eurem Problem zu tun? |
[01:47:47] | Genau. Also wir würden nicht unbedingt erwarten, dass die Massenerhaltungsgleichung morgen ganz anders ist. |
[01:47:52] | Ja. Klar, ja. Das heißt also, okay, das heißt, die Formulierung eures physikalischen Problems in mathematischen Gleichungen ist erstmal nicht das Problem, wenn man das richtige Modell mal sich ausgedacht hat. Und dann kann man natürlich – das ist ja das Schöne bei numerischer Mathematik – dass die Lösungsalgorithmen ja relativ entkoppelt sind. Oder die (unverständlich) Algorithmen relativ entkoppelt sind von der… |
[01:48:18] | Genau. Ja. So dass man die im Prinzip sehr weit unabhängig davon betrachten kann… |
[01:48:22] | Genau. |
[01:48:23] | …und dann sagen: Für diese Klasse von Problemen sind diese Lösungsalgorithmen besser geeignet. |
[01:48:27] | Ja. Habt ihr ein Wolkenproblem? Also, was ich damit sagen will, ist: Die Meteorologen, die gerade ja am Klima rumrechnen – oder eigentlich sollte man sagen Klimaforscher – die haben ja oft…oder sind sich, glaube ich, historisch nicht so richtig sicher gewesen, welche Bedeutung Wolkenbildung und die damit vorhandene Reflexion auf die Klimaveränderung hat. Gibt es bei euch auch so Probleme, von denen ihr nicht so richtig wisst, ob und wie weit ihr die mit rein rechnen müsst, um dann zu wissen, ob das Ergebnis stimmt? Weißt du, auf was ich hinaus will? |
[01:48:55] | Ja. Ich übersetze mal, wie ich es vielleicht – wie ich es in meiner Sprache nennen würde. |
[01:48:59] | Ja, ja, ja. |
[01:49:01] | Das Problem in der Meteorologie bei solchen Prozessen ist, dass es Dinge gibt, die auf Skalen stattfinden, die unterhalb der Gitter liegen. |
[01:49:08] | Subskalige Prozesse,… |
[01:49:10] | …die man dann natürlich parametrisiert… |
[01:49:13] | …annähert… |
[01:49:14] | …genau, annähert. Und auf die Art und Weise in gewisser Weise – und das ist ein echtes Problem – zusätzliche Informationen ins Modell hinein steckt. Weil das ist eine Annahme, die in dem Sinne im Modell nicht mehr drin ist. Die muss ich schon hinein geben. Wir haben zum Beispiel Fragestellungen hinsichtlich unterschiedlicher chemischer Vermischungseigenschaften in Gesteinen, die auf diese Art und Weise zum Beispiel eine Frage werden können. Ich glaube, ich hatte auch in einer der Fragen gelesen: Vermischt sich hinterher das Gestein nach einer gewissen Zeit wieder? Das ist natürlich in diesem Falle nicht der Fall, weil das Gestein in dem Sinne überhaupt keine Turbulenzen durchgeht. Diese Strömung ist rein laminar. |
[01:49:58] | Und weil sie natürlich laminar ist, können chemische Anomalien unter Umständen für Hunderte von Millionen Jahren nebeneinander einfach mit hergezogen werden. Die Frage, wie man diese Art von Anomalien im Modell darstellt, ist im Augenblick eine Frage, die auch bei vielen Gruppen gemacht wird. Wo man also zum Beispiel durch sogenannte Partikelmethoden versucht, diese subskaligen Prozesse in den Rechnungen mitzunehmen, obwohl sie im Kontinuum nicht abgebildet ist. |
[01:50:29] | Aber man macht das quasi in einer separaten Rechnung, um damit wieder einen Parameter für die großskalige Rechnung zu kriegen. |
[01:50:35] | Genau. |
[01:50:35] | Alles gemeinsam zu rechnen wäre zu teuer. |
[01:50:36] | Genau. Genau. Und auf diese Art und Weise sind wir eigentlich den Meteorologen dann wiederum gar nicht so unähnlich, auf dieser abstrakten Weise, weil wir natürlich dann diese Fragen auch haben. Wobei man vielleicht immer wieder bei uns betonen soll: Bei uns ist natürlich immer wieder auch die Beobachtung eben der gerade solche feinskaligen Prozesse als solche schon wieder ein Problem. Nun ist es auch für die Meteorologie nicht leicht, Wolken sorgfältig technisch zu beobachten, aber bei uns ist natürlich vieles noch sehr viel indirekter nur erfassbar… |
[01:51:05] | …und hat natürlich dementsprechend wiederum einen Rückfluss dessen, was man überhaupt im Modell rechnen sollte und was nicht. |
[01:51:10] | Willst du nochmal kurz sagen, was das mathematische Problem, oder die mathematische Herausforderung bei inversen Problemen ist? Du sagtest, ihr publiziert in dem Umfeld auch im mathematischen Bereich. |
[01:51:20] | Ja. |
[01:51:21] | Was ist der Knackpunkt, oder warum sind inverse Probleme mathematisch anders zu behandeln als Vorwärtsprobleme? |
[01:51:27] | Ja. Zunächst erstmal ganz grundsätzlich ist natürlich ein inverses Problem immer im Prinzip die Lösung von vielen Vorwärtsproblemen. Das ist einfach erstmal die…das ist also, man bestimmt einen Gradienten. Um einen Gradienten zu bestimmen, muss ich natürlich erstmal an verschiedenen Stellen gerechnet haben. Das ist erstmal ganz grundsätzlich das Problem, warum ein inverses Problem erstmal aufwändiger ist als ein Vorwärtsproblem. Und inverse Probleme gibt es natürlich in vielen Bereichen, also in der Geophysik klassisch ist das die Seismologie, die eben solche inversen Probleme hat. Aber man kann sich natürlich die Frage stellen, ob das inverse Problem für Konvektion überhaupt eine eindeutige Lösung hat. |
[01:52:02] | Also ist das generell das Problem überhaupt erstmal zu wissen, ob es überhaupt eine Lösung gibt? |
[01:52:07] | Genau. Und wir haben uns damit in den letzten Jahren sehr sehr viel damit beschäftigt und das überraschende ist: Die Antwort ist ja. |
[01:52:15] | Und das ist wirklich überraschend, also die meisten meiner Kollegen würden das vermutlich gar nicht mal unbedingt erwarten. |
[01:52:21] | Woher wisst ihr das? Wie seid ihr darauf gekommen? |
[01:52:23] | Ja gut, es gibt natürlich in der Literatur dazu sehr sehr viele ganz grundsätzliche mathematische Analysen und Thesen. Es gibt einen Kollegen in der Mathematik in Amerika in den 50er Jahren, der sich sehr eindeutig damit beschäftigt hat. Das heißt also, damit gibt es eine theoretische Grundlage. Wie wir das in dem Sinne erforschen, ist, dass wir natürlich zum Beispiel mit sehr unterschiedlichen Startannahmen in das inverse Problem hinein gehen und dann schauen, ob die Endergebnisse die gleichen sind. |
[01:52:51] | Auch das Sensitivitätsding. |
[01:52:53] | Genau. Ja. Und auf diese Art und Weise kann man das eigentlich sehr technisch überlegen und dann hinterher Beiträge leisten, in denen solche Fragen heraus gearbeitet werden müssen. |
[01:53:03] | Und das macht es eben einfach sehr neu. Und solche Fragen müssen erstmal ganz grundsätzlich untersucht werden. Da will man noch gar nicht einfach sagen, die Erde sieht zu dem Zeitpunkt so aus… |
[01:53:13] | Ja, klar. |
[01:53:13] | …sondern man sagt einfach nur ganz generell in einem Modell: Wenn ich die Annahmen mache, passiert das und das. Und ich kann unter Umständen eben eine Eindeutigkeit, ich kann eine Stabilität, ich kann andere Dinge dabei festigen, die jetzt zu kompliziert wären, wo ich dann aber sagen würde: Das kann man natürlich in den Papern nachlesen. |
[01:53:28] | Ja, ja, klar, logisch. Kann man vielleicht auch ein paar verlinken. Lassen sich diese Art von Problemen gut parallelisieren? Weil es ist ja heutzutage wichtig, weil Moore’s Law ja nur noch über die Menge der Kerne läuft. |
[01:53:37] | Genau, genau, genau. Die unmittelbare Antwort zunächst muss erstmal lauten: Im Prinzip nicht, denn die entsprechende Bewegungsgleichung, die dahinter steckt, das ist eine sogenannte Stokes-Gleichung, ist eine Gleichung, die sehr weite Bereiche innerhalb der Domäne koppelt. Dementsprechend ist also Parallelisierung erstmal etwas, was in dem Sinne nicht zu erwarten ist. Es gibt aber Verfahren, in denen man zum Beispiel die Domänen aufsplittet in Unterdomänen und dann eben durch Parallelaustausch von Informationen die Domänen dann wieder miteinander koppelt, in denen man das doch noch relativ effizient hinkriegt. |
[01:54:13] | Das heißt also, die Parallelausführbarmachung von dem vielleicht möglicherweise relativ einfachen Algorithmus ist an sich schon eine Herausforderung,… |
[01:54:21] | Ja. |
[01:54:21] | …die ihr dann neben der Modellbildung noch betrachten müsst. |
[01:54:23] | Ja, also es ist nicht das, was man sonst zum Beispiel trivial parallel nennen würde. Es ist nicht einfach, dass ich sozusagen 100 Instanzen gleichzeitig nebeneinander laufen lassen kann, sondern das ist wirklich alles eng gekoppelt. |
[01:54:34] | Ja. Mit welchen Sprachen macht ihr…ich habe vorhin schon gesagt, da steht ein Mathematica-Buch herum, mehrere sogar. Mathematica ist ja erstmal, oder historisch ja vor allem deshalb interessant, weil es analytisch rechnen kann. Das ist jetzt ja hier nur in der Modellbildung vielleicht interessant? |
[01:54:51] | Nein, also was wir natürlich hinterher wirklich tun, ist Hardcore-Rechnen. Und für Hardcore-Rechnen ist nach wie vor eigentlich Fortran… |
[01:55:00] | Immer noch. |
[01:55:00] | …eine der bevorzugten Sprachen. |
[01:55:03] | Ich hatte Hoffnung, weil ich habe kein Buch gefunden hier. Oder gesehen. |
[01:55:06] | Da müsstest du in das andere Zimmer gehen, da stehen die. |
[01:55:09] | Da stehen die Bücher, die du wirklich brauchst. Okay. Okay. Also immer noch. Das ist schade. Okay. Das heißt, in deinem Arbeitsalltag bist du dann durchaus öfter mal am Programmieren, oder machen das deine Mitarbeiter und du bist mehr der Modellbuilder? |
[01:55:28] | Ja, das variiert natürlich im Laufe der Karriere, denn… |
[01:55:31] | Okay, heute. |
[01:55:32] | …als ich…heute bin ich leider natürlich viel in Sitzungen… |
[01:55:36] | Ja, okay. Ja gut, lass… |
[01:55:37] | …und dementsprechend bin ich natürlich heute vielleicht nur noch einmal oder zweimal in der Woche wirklich am Rechner. Als Doktorand hat man natürlich zwölf Stunden am Tag dafür Zeit. |
[01:55:47] | Von daher ist natürlich heute in gewisser Weise meine Aufgabe in der Gruppe mehr die, zu sagen: Das sind die Probleme, die wir machen müssen, hier wäre mein Vorschlag, wie wir es tun würden, ich würde natürlich gegenchecken, aber natürlich hat man eine Familie, ich leite einen Lehrstuhl, natürlich nicht mehr die Zeit, die man hat, als man früher selbstständig als Doktorand an der Promotion arbeitet. |
[01:56:08] | Aber deine Kollegen dann hier in deiner Arbeitsgruppe, die verbringen einen Großteil ihrer Zeit tatsächlich am Rechner, indem sie Algorithmen bauen, parallel, habt ihr das Know-How zur Parallelisierung selber? Oder redet ihr für den Parallelisierungsaspekt auch mit Leuten, zum Beispiel vom Rechenzentrum, die sich dann mit euch zusammen an einen Rechner hinhocken und sagen: Hier haben wir einen Algorithmus, den habt ihr euch ausgedacht, den müssen wir jetzt parallelisieren, das machen wir gemeinsam? |
[01:56:30] | Klassisch immer so. |
[01:56:31] | Immer so, okay. |
[01:56:31] | Das heißt also, auch schon damals, als ich mit solchen Verfahren angefangen habe, vor vielen vielen Jahren, Mitte der 90er, war das natürlich immer im Zusammenhang mit den Informatikern. |
[01:56:44] | Denn man geht dann hin und sagt: Was habt ihr für solche Sachen? Oder oft ist es ja vielleicht sogar umgedreht. Die Informatiker haben im Prinzip schon Dinge ausgearbeitet, die funktionieren könnten und man sieht nachher, im Prinzip ist es eine ähnliche Art von Lösungsstruktur. |
[01:56:55] | Sie suchen einen Anwendungsfall für das Paper? |
[01:56:56] | Genau. Und das ist ja völlig legitim. |
[01:56:58] | Ja, ja, klar. |
[01:56:58] | Ja. Und von daher ist das eine sehr sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Auch jetzt bin ich – oder sind wir eigentlich mit der Gruppe – in einem Schwerpunktprogramm, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat, ein sehr sehr international sichtbares, das nennt sich Exascale Computing, wird also auch in der Welt sehr stark bewundert, weil es natürlich Deutschland mit dem Instrumentarium des Schwerpunktprogramms ein Instrumentarium hat, das in vielen anderen Ländern so gar nicht geht. |
[01:57:22] | Es wird also zentral von der DFG ein Programm in den letzten drei Jahren, jetzt die nächsten drei Jahre, weiter gefördert, in denen vorbereitet werden soll: Wie werden wir auf den Maschinen in den nächsten zehn Jahren rechnen? Also Maschinen, die erst in zehn Jahren überhaupt kommen, die jetzt im Prinzip schon gedanklich natürlich klar sind, wie werden die aussehen, für die wir aber noch gar keine Algorithmen wirklich haben. Also zum Beispiel, es ist ja nicht klar, wie ich ein Computermodell rechnen soll, wenn man auf 100000 Kernen arbeitet. Was passiert, wenn ein Kern ausfällt? |
[01:57:56] | Ja, klar. |
[01:57:56] | Resilienz. Also Fragen, die dann kommen. Und in diesem Projekt, und das rechne ich der DFG sehr hoch an, der Kollege, der das leitet, ist der Kollege Bungartz, der leitet einen Lehrstuhl für Informatik hier an der Technischen Universität, werden also ganz bewusst Computerscientists, Informatiker, Naturwissenschaftler zusammen gebracht, um dann in Verbundprojekten, zum Beispiel für die Astrophysik oder unser Projekt ist eines für die Erdwissenschaften, ganz spezifisch versucht wird, Algorithmen für diese zukünftigen Maschinen schon vorzubereiten. |
[01:58:35] | Cool. Schön, wenn man so ein Thema hat, wo man sowohl an den Grundlagen der Numerik oder der Computerei etwas beitragen, publizieren, contributen kann und aber auch auf einer fachlichen Geschichte. Das ist bestimmt eine spannende Kombination. |
[01:58:48] | Naja also die Geophysik ist, glaube ich, etwas – ich hoffe ja, vielleicht hören auch ein paar junge Kollegen zu oder Zuhörer – die glaube ich, durch ihre Mischung sehr sehr faszinieren. Sie spricht also gerade diejenigen an, die im Prinzip sehr breit denken wollen. Man braucht natürlich auf der einen Seite Grundlagen aus der Geophysik und der Mechanik und der Physik. Man macht natürlich auch sehr viel einfach in der Theorie, die dann zusammen kommt. |
[01:59:11] | Aber es ist letztendlich immer ein Bereich, in dem die Interdisziplinarität einen besonderen Stellenwert hat. Also, wer über verschiedene Grenzen hinweg denken kann, kann eigentlich in der Geophysik im Zweifel immer sehr sehr gut voran kommen. Plus, was natürlich die Geophysik auch bisher spannend macht, ist, das ist ein vergleichsweise Fach. |
[01:59:30] | Und weil sie klein ist, ist sie natürlich sehr international. Also unsere Kollegen, man kann sie vielleicht…Geophysik der tiefen Erde, wenn ich es mal sagen würde, sind vielleicht 5000 Leute. Das heißt, überall auf der Welt kennt man eigentlich fast jeden nach einer gewissen Zeit, was zum Beispiel auch für die Studenten bedeutet: Wenn man einfach mal zum Beispiel in Australien ein Jahr verbringen will, dann ist das für uns ein Telefonanruf und dann ruft man bei den Kollegen in Canberra an und sagt: Habt ihr was? Und dann gibt es meistens irgendetwas. Das macht das Fach natürlich sehr angenehm. In Deutschland ist es ein Fach, was vergleichsweise natürlich oft so einen Orchideen-Charakter hat. Muss man immer ein bisschen gucken, obwohl die Geophysik eigentlich in Deutschland de facto erfunden wurde. Der erste Lehrstuhl für Geophysik war der Lehrstuhl vom Kollegen Wiechert in Göttingen. |
[02:00:19] | Aber natürlich in anderen Ländern, nehmen wir uns Kalifornien an, ist es natürlich ganz offensichtlich… |
[02:00:24] | Naja, die haben da ja auch ganz egoistisch ein Interesse daran. |
[02:00:26] | Genau. Ja. Das heißt also, man sieht da auch, wie das dann natürlich von Ort zu Ort extrem anders ist. Trotzdem ist natürlich die Geophysik in Deutschland eine, die einen sehr sehr hohen Stellenwert und Ruf in der Welt hat. |
[02:00:39] | Cool. Ich habe keine Fragen mehr. |
[02:00:42] | Sehr schön. |
[02:00:43] | Hast du noch ein Wort zum Ausklang, einen Appell an die Weltbevölkerung, der kleine Teil, der zuhört? Keine Ahnung, irgendein… |
[02:00:50] | Also, zunächst erstmal muss ich gestehen, das Gespräch hat mir sehr gut gefallen. |
[02:00:53] | Das ist gut, mir auch. |
[02:00:53] | Ich war natürlich nicht darauf vorbereitet, wie das jetzt alles geht und deswegen mussten wir uns so ein bisschen treiben lassen. Generell, was ich natürlich hier den Zuhörern vermitteln möchte, ist, wie spannend und faszinierend Geophysik ist. Was wirklich in meinen Augen die Geophysik ungewöhnlich macht, ist, dass sie so unintuitiv ist. Viele Dinge, die man normalerweise aus den Längenskalen und Zeitskalen des menschlichen Bewusstseins annimmt, stellen sich auf den Zeitskalen und Längenskalen eines Planeten als falsch heraus. Und das macht die Geophysik so ungewöhnlich. Man muss also wirklich versuchen, sich immer ganz bewusst technisch zu trainieren und über ein Problem nachzudenken und dann oft so ein bisschen wie ein Detektiv versuchen: Wo sind die entsprechenden Beobachtungen, die ich verwenden kann, um dann hinterher zu entscheiden, ob das Eine oder das Andere richtig war? Diese Faszination natürlich auch im Gespräch mit dir ein bisschen rüber zu bringen und natürlich auch da auch wieder mal Interesse zu wecken, ist eigentlich das, was ich ein bisschen hoffe, was unser Gespräch heute erreichen wird. |
[02:01:52] | Ja. Also mir hat es extrem viel Spaß gemacht. Ich fand es echt spannend und mir ging es eben genauso, es war – ich will jetzt nicht sagen interessanter als ich gedacht hätte – wenn ich es nicht interessant gefunden hätte, wäre ich nicht da, aber es ist facettenreicher, als ich geglaubt hätte. Also vielen herzlichen Dank, war echt klasse. |
[02:02:07] | Gerne, du auch. Tschüs. |
Transcript: omega tau XXX – YYY
COPY EPISODE ABSTRACT HERE
[00:02:48] | Mein Name ist Hans-Peter Bunge, ich leite den Lehrstuhl für Geophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Vielleicht sage ich ein bisschen was, wo ich her komme. |
[00:02:58] | Genau. |
[00:02:58] | Ich habe in Tübingen Geologie und Physik studiert, bin dann nach Amerika gegangen, hab dort mit einem Promotionsstipendium an der Universität Berkeley promoviert zu dem damals recht neuen Thema Globale Modelle der Erdmantelkonvektion. Großteil dieser Arbeit hat damals eigentlich stattgefunden am Los Alamos nationalen Labor, ich bin also ziemlich lange in Neu-Mexiko gewesen. Ein sehr schöner Bundesstaat, herrlich zum Leben. Danach bin ich für eine Assistenzprofessur nach Princeton gegangen, war dort also einige Zeit am Lehrkörper und hab dann vor guten 10 Jahren den Lehrstuhl hier in München angenommen. Das ist ungefähr, wo ich so ein bisschen her komme und was auch vielleicht ein bisschen motiviert, dass ich doch relativ lange auch außerhalb von Deutschland gelebt und gearbeitet habe und das natürlich auch heute versuche ein bisschen der Arbeit mitzubringen. |
[00:03:59] | Klar. Genau, und wir wollen uns heute unterhalten über die Erde an sich, also vor allem das unter der Erdoberfläche. Sollen wir mal damit anfangen die Erde von ihren Schichten her – weiß ja jeder, dass es verschiedene Schichten gibt – das mal grob zu strukturieren und dann über die weiter im Detail zu sprechen? |
[00:04:20] | Genau, machen wir. Und zwar, wenn man das klassisch so angeht, schneidet man die Erde so durch wie eine Kugel und dann sieht man, dass eigentlich vielleicht so zwei oder drei große Lagen da sind. Die äußere Lage ist der Erdmantel, Teil des Erdmantels im weiteren Sinne ist natürlich auch die festere äußere Hülle. Da gibt es oft ein bisschen ein Durcheinander, weil man spricht da manchmal von der Kruste, man spricht da manchmal von der Lithosphäre. Wir können das hinterher nochmal genauer aufteilen. Aber das sind eigentlich alles Bereiche, die aus den Gesteinen aufgebaut sind. Da nennen wir das Silikate. |
[00:04:58] | Und die sind auch fest dann? Oder ist es teilweise flüssig? |
[00:05:01] | Nein, eigentlich sind die alle fest. |
[00:05:04] | Das heißt, in der äußeren natürlich lithosphärischen Schicht, da sind sie auch wirklich geologisch fest. In dem darunter liegenden Erdmantel sind sie zwar immer noch fest, also es ist nicht so, dass da alles riesig geschmolzen mit Lavaseen ist, wie man das manchmal auch hört, sondern wir wissen aus seismischen Wellen, die durch das Erdinnere hindurch gehen, dass dort wirklich eine Scherfestigkeit herrscht. Aber natürlich sind die Temperaturen und auch die Drücke hoch genug, dass es über geologische Zeiträume dann nicht mehr fest ist. Das heißt, da muss man den Unterschied in der Zeit machen. Wenn ich jetzt wirklich ganz kurzfristig schaue, könnte man also wirklich solche Gesteine belasten, wenn ich aber vielleicht nach 10000 Jahren wiederkommen würde, hätten sie eine gewisse Verformung hinter sich. |
[00:05:56] | Ungefähr in der Hälfte des Erdradius, also 3000 Kilometer unter unseren Füßen, beginnt aber ein ganz anderes Regime, und zwar wechselt es dort zu den metallischen Stoffen und das ist der so genannte Erdkern, der im Wesentlichen aus Eisen aufgebaut ist. Und dieser Erdkern unterteilt sich dann nochmal ganz spezifisch in einen inneren und einen äußeren Kern. Der äußere Kern ist flüssig und der innere Kern ist dann wirklich fest. Auch das wissen wir wiederum aus Beobachtungen der Seismologie, seismischen Wellen, die durch das Erdinnere gehen. Das sind also sozusagen, die allererste Größenordnung ist im Prinzip ein metallischer innerer Teil unseres Planeten von null bis ungefähr 3000 Kilometer, die Hälfte. Und der ist sozusagen eingebettet in eine äußere Gesteinsschale, die dann die nächsten 3000 Kilometer ausmacht. Und das ist die grobe Struktur des Planeten. |
[00:06:58] | Wie kommt es, dass der innerste Kern fest ist? Man sollte ja denken, dass da aufgrund des wahrscheinlich größten Drucks und der größten Temperatur, da dann eher was flüssig ist. |
[00:07:07] | Ja, gute Frage. Und zwar, es gibt eigentlich immer so einen Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen Druck. Und die Temperatur nimmt natürlich mit der Tiefe nicht unbedingt linear zu, da können wir nachher nochmal schnell drüber gucken, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann, da kann man sehr sehr schnell abschätzen. Die Drücke nehmen aber im Prinzip – man würde dazu sagen – hydrostatisch, also in einer linearen Form gewissermaßen zu, so dass also auch gerade im innersten Teil des Planeten riesig hohe Drücke herrschen und dort dann eben auch wieder das Eisen, was sonst im Rest des Kernes flüssig bleibt, im Zentrum dann doch wieder eine feste Form annimmt. |
[00:07:49] | Aufgrund des Drucks einfach, das gewinnt. Und Eisen ist der Hauptbestandteil, hast du gerade schon gesagt. Was haben wir da sonst noch? Oder ist das vernachlässigbar? |
[00:08:00] | Die anderen sind im Wesentlichen vernachlässigbar. Es ist gar nicht so leicht, die anderen wirklich dingfest zu machen. Es gibt dann also im Prinzip so übliche Verdächtige und dazu gehört natürlich auf der einen Seite Sauerstoff. Der Planet hat viel Sauerstoff. Auf der anderen Seite Schwefel und auf der dritten Seite Silizium, auch Silizium natürlich wieder, weil ein großer Teil des Planeten ja aus Silikaten aufgebaut ist. Das sind so drei Hauptverdächtige, zwischen denen gibt es dann akademische Dispute, wie es so im Einzelnen ist. Und vielleicht für zehn Prozent sind diese Beimischungen im äußeren Kern. |
[00:08:37] | Woher ist das Eisen? Eigentlich im Wesentlichen ist auch das wieder letztendlich eine Frage der Chemie. Unter den schweren Elementen – und wir brauchen eigentlich aus Gravitations- und anderen Analysen einen schweren Kern – ist das Element Eisen natürlich das, was am ehesten wahrscheinlich ist. Man könnte sich ja vorstellen, dass da… |
[00:08:59] | Weil es ein relativ unedles oder ein relativ frühes in der Reaktionskette… |
[00:09:05] | Genau. Es ist ein relativ häufiges Element und von daher wäre es also wesentlich weniger sinnvoll anzunehmen, zum Beispiel, dass es Gold ist. |
[00:09:16] | Wäre wirtschaftlich interessant. |
[00:09:17] | Wäre wirtschaftlich interessant, genau. |
[00:09:19] | Aber so richtig wissen tun wir das demnach dann nicht, sondern wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung? |
[00:09:25] | Wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung und deswegen ist das vielleicht auch eine gute Art, das in unser Gespräch mit hinein zu bringen, weil es zeigt so ein bisschen, wie die Geowissenschaften oft aufgebaut sind. Die Geowissenschaften sind eigentlich ungewöhnlich relativ zu vielen anderen Wissenschaftsgebieten, indem sie sich eigentlich mit einem Thema beschäftigen – der Erde -, das sie weder kontrollieren noch wiederholen können. Das heißt, wir müssen oft im Prinzip sehr indirekte Fragen stellen. Und die Frage z.B. aus welchen Elementen der Kern aufgebaut ist – eine klassische Prüfungsfrage bei uns – denn jedes einzelne Argument, was man voranbringen könnte, ist nicht unbedingt sehr überzeugend. Interessant, aber nicht unbedingt für sich ausschlaggebend. Aber in der Summe wird es dann interessant. Zum Beispiel kann man beim Kern sich überlegen: Von der Dichte her passt Eisen ganz gut. |
[00:10:17] | Damit die Erdmasse zum Radius passt… |
[00:10:20] | Genau. |
[00:10:20] | …unter Berücksichtigung der Dinge, von denen, die oben sind, die wir kennen. |
[00:10:24] | Genau. Gleichzeitig ist Eisen ein relativ häufiges Element. Das passt auch schon mal ganz gut. Zusätzlich ist Eisen etwas, was bei diesen Temperaturen im Schmelzpunkt vorliegen müsste und aus Beobachtungen der seismischen Wellen wissen wir, dass der äußere Erdkern flüssig ist. Wenn man dann also solche Argumente aneinander reiht, dann stellt man fest, dass das vermutlich ein relativ überzeugender Vorschlag ist, aber natürlich bohren oder in irgend einer Form direkt hin gehen, können wir nicht… |
[00:10:54] | …so dass wir eigentlich dann immer auf solche indirekten Formen angewiesen sind. |
[00:10:58] | Das heißt, wie tief kann man denn gerade bohren, wo du es gerade erwähnt hast, wie tief ist so die aktuellste… |
[00:11:04] | Die tiefsten haben die Russen gemacht, das war auf der Kola-Halbinsel, so ungefähr, ich würde mal denken zwölf Kilometer, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe. |
[00:11:12] | In Deutschland gibt es das berühmte Kontinentale Tiefbohrprogramm, das KTB. Das war in Nordbayern, in Windischeschenbach und dort ist man, glaube ich, auf ungefähr knappe zehn Kilometer gekommen. |
[00:11:25] | Okay, also natürlich weit weit weit weit weg… |
[00:11:27] | Völlig jenseits von allem, was dafür relevant wäre. |
[00:11:31] | Und Lava, könnte man jetzt sagen, die Lava kommt von ganz innen, das gucken wir einfach, was da drin ist. Demnach kommt die Lava nicht von ganz innen. |
[00:11:38] | Eben. Sie kommt eben in der Tat nicht von ganz innen. Eigentlich, wir haben ja vorhin schon gesagt, ist in so einem Planeten immer ein Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen dem Druck. Der Druck nimmt relativ gleichmäßig zu. Vergleichbar so, wie wenn man in einem Schwimmbad oder in einem großen Becken abtauchen würde, auch im Ozean. |
[00:11:58] | Ja, das war das Stichwort “hydrostatisch” vorhin. |
[00:11:59] | Genau und das ist ja genau das, wo auch Taucher manchmal aufpassen müssen, dann, wenn sie auch wieder auftauchen. Die Temperatur nimmt in der Tat nicht gleichmäßig zu… |
[00:12:09] | …und hat im Wesentlichen eine Kurve, einen Verlauf, den man praktisch als “Z” sich vorstellen könnte. Und zwar anfänglich eine sehr sehr starke Zunahme, dann eine fast stetige, ja fast konstante Temperatur und dann – ich rede jetzt über den Mantel – wieder an der Unterseite des Mantels wieder eine sehr starke Zunahme. Das kann man aus verschiedenen Dingen sich klar machen. Das Erste ist einfach mal, wenn man sich jetzt ganz normal den oberflächennahen Gradienten anschauen würde der Temperatur, das sind so ungefähr, glaube ich, 30 Grad oder so pro Kilometer, Pi mal Daumen. |
[00:12:50] | Den man zum Beispiel durch Bohrungen dann tatsächlich messen kann. |
[00:12:52] | Bohrungen, in den Bergwerken, vielen anderen Bereichen, misst man sowas. Und jetzt stellen wir uns mal vor, wir würden 1000 Kilometer in die Erde rein gehen, da sind wir ja immer noch gerade höchstens ein Sechstel der Entfernung zum Erdinneren, da wären wir bei 30000 Grad. Die Oberflächentemperatur der Sonne ist 5000 Grad. |
[00:13:11] | Das macht also überhaupt gar keinen Sinn in dieser Art und Weise weiter zu denken. Es hat aber auch einen physikalischen Grund und zwar, wenn man sich jetzt einfach anschaut: Wie kann Wärme transportiert werden? – gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten des Wärmetransports, die wichtig sind. Und zwar, auf der einen Seite kann Wärme dadurch transportiert werden, dass es Temperaturunterschiede gibt. Und das nennen wir die Wärmeleitung, die Konduktion. Ein solcher Wärmetransport braucht immer große Temperaturunterschiede, gerade auch, wenn die Wärmeleitfähigkeit des Materials nicht sehr hoch ist. Im Falle der Erde oder Gesteinsmaterialien haben eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit. |
[00:13:47] | Das, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere an Thermodynamik damals, wird das glaube ich als Q-Punkt bezeichnet. Kann das sein? |
[00:13:53] | Das… |
[00:13:54] | Weiß ich nicht mehr, ist ja auch egal. |
[00:13:55] | Ja, aber die zweite Möglichkeit, wie man natürlich Wärme transportieren kann, ist, indem man einfach das Material selber transportiert. |
[00:14:04] | Das nennt man die Advektion. Und dann stellt es sich heraus, dass eigentlich von den thermischen Eigenschaften von Silikaten, Gesteinen, es unmöglich ist, per Konduktion wirklich tief in einen planetaren Körper einzudringen. Das, dieses klassische Argument, dass eigentlich größere Körper im Sonnensystem überhaupt gar nicht durch Konduktion zu kühlen sind. Sie müssten eigentlich konvektieren. |
[00:14:30] | Also Material austauschen, um es nochmal… |
[00:14:31] | Material austauschen, genau. Und das bedeutet, dass eigentlich unterhalb so einer – im Prinzip – thermischen Grenzschicht nahe der Oberfläche, ungefähr 100 Kilometer tief ist das. Das ist das Wort, was ich vorhin verwendet habe, technisch gesprochen die so genannte Lithosphäre. |
[00:14:46] | Aha, okay. |
[00:14:48] | Dieser Bereich ist der, in dem der Wärmetransport radial, also nach außen… |
[00:14:52] | Also sprich, sie strahlt Wärme ab und kühlt dadurch. |
[00:14:57] | Genau und hat im Prinzip so eine thermische Grenzschicht, die so ein bisschen in den Planeten hinein geht. Nun haben wir – da kommen wir nachher vielleicht noch dazu, zur Plattentektonik. |
[00:15:06] | Ja ja, klar. |
[00:15:06] | Diese Schicht wird natürlich auch regelmäßig wieder durch Subduktion und andere Sachen erneuert, aber zunächst erstmal einfach radial entlang dieser Schicht in den oberen 100 Kilometern wird der Wärmetransport primär über die Konduktion bewerkstelligt. Da drunter über die Advektion. Advektion vermischt aber das Ganze sehr gut, so dass also eigentlich tiefer im Planeten auf einmal die Temperatur gar nicht mehr so stark ansteigen braucht. Ich kann trotzdem alle Wärme, die ich abführen möchte, durch die Konvektionsströme selber abführen. |
[00:15:38] | Durch die Advektionsströme. |
[00:15:39] | Durch die Advektionsströme abführen und krieg dann, wie gesagt, in den oberen 100 Kilometern so eine konduktive Zone, da muss die Temperatur sehr stark anziehen. Dann geht es in den nächsten 3000 Kilometern im Mantelinneren eigentlich mit einem sehr geringen Gradienten weiter, eigentlich im Wesentlichen ist das ein so genannter adiabatischer Gradient, also durch den Druck selber wird das Gestein natürlich noch ein bisschen erhitzt. Und dann, erst wieder an der Grenze zwischen Kern und Mantel, kommt wieder so eine Zone, in der Konduktion stattfindet. |
[00:16:08] | Blöde Frage: Du sprichst gerade die Grenze zwischen Kern und Mantel an. Wodurch entsteht denn diese Grenze überhaupt? Ist es so, dass da die Temperatur sich so verändert, dass dadurch die Kernreaktionen entstehen? Nicht Kernreaktion im Sinne von Atom, sondern das physikalische Vorgehen im Erdkern. Oder ist es andersrum, dass quasi erst der Kern da war mit seinem flüssigen Eisen an der Stelle wahrscheinlich und dadurch dann die Temperatur sich ändert? Also wie kommt es da überhaupt zu dieser Grenze, die man da fest macht? |
[00:16:36] | Sehr sehr schöne Frage! Und zwar, der Kern ist wesentlich dichter als der Mantel und man kann das sich sehr leicht klar machen. An den Ozeanböden haben wir einen großen Dichteunterschied. Die Dichte von Wasser ist, sagen wir mal eins, Stein ist ungefähr drei, jetzt mal Pi mal Daumen genommen. Das heißt, hätte einen Dichteunterschied von zwei. Aber die Dichteunterschiede zwischen den Tiefengesteinen im Mantel selber, wo es so ungefähr fünf Gramm pro Kubikzentimeter sind, und dem Kern, wo es so ungefähr zehn sind, ist fünf Gramm pro Kubikzentimeter. Das heißt also, der größte Dichtesprung, den wir überhaupt irgendwo im Planeten haben, ist gar nicht zwischen Ozeanboden und Wasser, sondern eigentlich zwischen Kern und dem darüber liegenden Mantel. |
[00:17:21] | Aber warum ist da ein Sprung? |
[00:17:23] | Weil das Material natürlich anders ist. |
[00:17:24] | Und warum ist das Material anders? |
[00:17:25] | Ja, weil das, wie soll ich das sagen? Wenn man einen Planeten baut, hat man natürlich immer alle möglichen Komponenten dabei. Also man hat ein Eisen dabei, man hat Silikate, Sauerstoff, alles mögliche dabei. Die leichten Dinge wandern langsam nach oben, die schweren Dinge wandern nach unten, das heißt also, selbst wenn man die Erde mal ursprünglich gebaut hätte, wir wissen nicht genau, wie sie natürlich ursprünglich zusammen gekommen ist. |
[00:17:49] | Ja, klar. |
[00:17:50] | Aber dann müsste früher oder später sich das schwere Eisen einfach im Kern sammeln. Und dementsprechend bleibt natürlich dem Kern gar nichts weiter übrig, als gegenüber dem Mantel einen relativ hohen Temperaturunterschied aufzubauen, weil der Kern seine Wärme ja nicht durch Advektion in den Mantel abgeben kann. Er kann ja nicht rein konvektieren. |
[00:18:09] | Weil das leichte Zeug halt, weil das schwere Zeug ja unten bleibt. |
[00:18:12] | Genau das, ja. Und dementsprechend hast du genau das Gleiche wie an der Oberfläche auch. Die Erde kann ihre Temperatur ans Äußere ja nicht abgeben, indem sozusagen die Erde ins Universum hinaus advektiert, sondern nur noch, indem an der Oberseite sich eine Zone mit hohem Temperaturgradienten ausbildet. Und entlang des Gradienten kann ich dann die Wärme ableiten. Das Gleiche gilt für den Kern. Der Kern kann eigentlich seine Temperatur und seine Energie wirklich nur in den Mantel abgeben, indem sich an der Unterseite des Mantels jetzt wiederum eine solche Zone hoher Wärmeleitung, also Konduktion, ausbildet. |
[00:18:45] | Also sprich, indem der Kern abstrahlt. |
[00:18:47] | Indem der Kern dann da abstrahlt, genau das. |
[00:18:50] | Das heißt also, die Größe des Kerns hat nix damit zu tun, erstmal, wie da halt die Drücke sind, sondern hat mit der Menge an Eisen im Planet zu tun? |
[00:18:59] | Genau. |
[00:19:00] | Und dementsprechend gibt es natürlich manche Planeten, an denen wir denken, dass der Bereich des Eisens viel größer ist. Zum Beispiel die Vorstellungen für den Merkur sind, dass er einen wesentlich größeren prozentualen Anteil hat. Und bei der Erde ist es halt ungefähr so, dass man eben auf halbem Wege ins Erdinnere hinein eben den Kern hat. Das ist ungefähr das, was vom Volumen her dann für den Kern da war. |
[00:19:23] | Ja. Dieser Unterschied zwischen innerem und äußerem Kern, flüssig nach fest, der stand wahrscheinlich aber nicht sprunghaft, sondern das ist ein Kontinuum, das sich dann, weil ja da dann alles Eisen ist und damit quasi elementar gleich, da ändert sich dann eben nur der Druck. Und irgendwann mal gewinnt halt der Druck, wie wir vorhin gesagt haben. |
[00:19:40] | Ja, vermutlich. Wobei das im Prinzip mehr eine Erwartung ist, denn genau diese Zone des Überganges zu beproben, zum Beispiel durch seismische Wellen, ist extrem schwer. Das heißt also, wenn überhaupt, können wir das nur zu den Wellenlängen hin wissen und die Wellenlängen sind im Bereich von Zehnern von Kilometern. Das heißt, wir wüssten gar nicht, mit den Beobachtungen, die uns zur Verfügung stehen, ob solche Sachen noch viel schärfer oder nicht wären. Dementsprechend gibt es dazu alle möglichen Spekulationen. |
[00:20:13] | Okay. Ganz kurz zu dem Thema Experimente mit seismischen Wellen. Sollten wir vielleicht ganz kurz erklären, wie es funktioniert. Prinzipiell ist die Idee die, dass man irgendwo eine Welle einbringt, durch irgendeinen Stempel, Kompressor, Explosion, und die dann an verschiedenen Stellen an der Erde wieder einsammelt, darauf hört, sich das Wellenbild im Unterschied zum Original anguckt. Soweit ist glaube ich klar. |
[00:20:37] | Genau. Genau. |
[00:20:38] | Vielleicht auch mit natürlich auftretenden Explosionen, wenn man den Ort kennt, woher sie kommen. Die Frage ist jetzt: Wie kann man das ohne Bild halbwegs beschreiben, wie man aus solchen empfangenen Wellen jetzt irgendwas lernt über, zum Beispiel, flüssig, was ist fest, wie interpretiert man so was? |
[00:20:58] | Genau. Und zwar, also, wenn man die seismischen Wellen ein bisschen genauer hinweg anschaut, dann wird man feststellen, dass es im Wesentlichen vier Arten von Wellen gibt. Und zwar ist zum Ersten die Unterscheidung zwischen Oberflächenwellen und Raumwellen. Die Raumwellen können sich durch den ganzen Körper hinweg ausbreiten. Die Oberflächenwellen brauchen eine Oberfläche. In diesem Falle zum Beispiel die Erdoberfläche. Nun ist es aber auch so, dass diese beiden Wellen unterschieden werden können in Wellen, die primär Scheranteile haben und solche, die Kompressionsanteile haben. Wir nennen das bei den Raumwellen die so genannten P-Wellen und die so genannten S-Wellen. |
[00:21:36] | Scherwelle heißt in dem Fall, wenn wir mal auf der Erdoberfläche gucken, links – rechts quasi? |
[00:21:41] | Genau, die Welle breitet sich, sagen wir mal, in eine Richtung aus, aber die Bewegung innerhalb der Welle geht senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. |
[00:21:49] | Aha. |
[00:21:51] | Eine solche Welle braucht schlichtweg eine Scherfestigkeit im Körper, sonst kann sie sich nicht ausbreiten. |
[00:21:56] | Weil es sonst zu labberig wäre. |
[00:21:57] | Genau, es wäre einfach zu labberig. Die Welle hat gar keine Möglichkeit sich im Prinzip an irgendetwas aufzuhängen. Eine Druckwelle braucht das, die komprimiert einfach das Material. |
[00:22:06] | Die gibt es ja auch in Wasser und in Luft. |
[00:22:07] | Genau. Das heißt also, wenn wir uns zum Beispiel beide unterhalten, unterhalten wir uns nicht mehr in einer Scherwelle. |
[00:22:13] | Und dann ist es natürlich hinterher für einen Seismologen möglich, gerade wenn man…Wir haben vorhin gesagt, welche Quellen kann man nehmen? Die Quellen, die du angesprochen hast, sind menschliche Quellen, zum Beispiel indem man auf irgendetwas drauf haut oder zum Beispiel mit einem großen Fahrzeug versucht Vibrationen auszutun. Das wird im Augenblick gerade hier in München gemacht. Dann ist das natürlich etwas, was von der Energie her sehr gering ist. |
[00:22:39] | Die Wellen, die wir verwenden, um tief ins Erdinnere hinein zu schauen, sind eigentlich die großen Erdbeben. Wirklich also den großen Erdbeben, gerade den Erdbeben jenseits von fünf, sechs, sieben, kann man natürlich sehr viel über die tiefe Erde auch lernen. Wenn man sich dann solche Wellen anschaut, kann man zum Beispiel feststellen, dass in bestimmten Entfernungen, sogenannten Winkelentfernungen, epizentrale Distanzen, man muss sich das ja immer in einem Körper vorstellen bei der Erde, der ja rund ist. |
[00:23:06] | Ja, also sprich: Europa versus Afrika am gleichen Längengrad und wir messen an verschiedenen Breitengraden. |
[00:23:12] | Ja, ja, genau. Und da wäre es ja dann 30 Grad schon in der Winkelentfernung weg oder mehr. Und dann kann man zum Beispiel bei den Scherwellen Schattenzonen feststellen. Es gibt für bestimmte epizentrale Distanzen Bereiche, in denen dann einfach keine Scherwelle mehr ankommt, obwohl eine P-Welle zum Beispiel ankommt oder obwohl ich bei einer anderen epizentralen Distanz für das gleiche Erdbeben eine Scherwelle beobachte. Das war eine der frühen Beobachtungshinweise, dass es tief im Erdinneren einen Bereich geben muss, in dem sich Scherwellen nicht ausbreiten. |
[00:23:42] | Sprich: es kann nicht fest sein. |
[00:23:45] | Genau. |
[00:23:45] | Und wie kann ich jetzt nochmal von Winkelentfernung zurückschließen, in welcher Tiefe die Reflexion stattgefunden haben muss? Weil das hast du ja im Prinzip gerade gesagt. Wie, wo… |
[00:23:57] | Die Wellen gehen natürlich ins Erdinnere hinein, aber wie bei jedem anderen optischen Medium auch, wenn die Geschwindigkeiten mit der Tiefe zunehmen, dann werden die Wellen wieder heraus gebogen. |
[00:24:10] | Wie aus einem optischen Medium auch. Und dementsprechend sind also die Wellen, die in das Erdinnere hinein dringen, Wellen, die eigentlich immer wieder aus der Erde heraus gebogen werden. Sie gehen…zum Beispiel, hätten wir jetzt ein Erdbeben hier in München, dann würden sie sich also zum Beispiel ins Erdinnere hinein bringen, würden aber gleich wiederum aus dem Erdinneren heraus gebrochen werden an die Oberfläche und zum Beispiel irgendwo in Moskau raus kommen oder irgendwo in Nordafrika oder an anderen Orten. Und je weiter ich jetzt weg gehe, epizentral in der Distanz, umso mehr schaue ich auf Erdbebenwellen, die tiefer eingedrungen sind. |
[00:24:47] | Da muss ich aber irgendetwas über den Brechungsindex mit der Tiefe wissen. |
[00:24:49] | Genau. Das müsste ich dann heraus finden und das haben Seismologen in den letzten 100 Jahren sehr gut gemacht. Das heißt, man kann ja dann sehr systematisch vermessen. Wenn ich eine bestimmte Quelle habe, gucke ich mir eben bei jeder epizentralen Distanz die Ankunftszeit heraus und kann dann eigentlich ein Problem aufstellen, das ich auch lösen kann. Dass ich sagen muss: Wie muss die Tiefengeschwindigkeitsverteilung sein, damit ich das hinterher heraus kriege? |
[00:25:11] | Und die hängt letztendlich unter anderem vom Material, von seiner Dichte ab. Und dieses Scherwellen-versus-P-Wellen-Ding hat halt damit zu tun, dass, wenn ich Scherwellen gar nicht empfange, dann muss da irgendwo was sein, was flüssigkeitsmäßig… |
[00:25:23] | Genau. Und um das eben noch mal ganz deutlich zu sagen: Im Erdmantel ist eigentlich nichts flüssig. Mit ganz ganz wenigen Ausnahmen ist dort alles fest. Und wenn wir also von dieser Schattenzone sprechen, dann meinen wir wirklich den äußeren Kern. |
[00:25:36] | Okay. Okay. Die künstlichen Wellen, die wir mit Explosionen oder mit irgendwelchen Unimogs mit Stempeln dran produzieren, wie weit kommen wir da ungefähr runter? Eine Hausnummer? |
[00:25:46] | Vielleicht ein paar Kilometer. |
[00:25:48] | Also auch eigentlich Kindergarten für die geophysikalischen… |
[00:25:51] | Das macht man eigentlich, wenn überhaupt, eben für die Erdölexploration. Im Augenblick ist natürlich sehr viel für die Geothermie. Das heißt, da sind viele Sachen, in denen man natürlich dann da genau schauen kann. Nun tut man natürlich gerade bei solchen obeflächennahen Prospektionen oft natürlich sehr viel genauer anschauen. Das heißt, man nimmt höherfrequente Wellen. Die können dann natürlich viel feiner etwas abbilden, aber natürlich sind die Energien einfach nicht so hoch, dass sie dann sehr tief eindringen. |
[00:26:19] | Ja, okay. Wir haben schon gesagt, dass der Kern später mäßig, also vor allem, was seine Eigenschaften angeht, eben dominant aus Eisen besteht. Drastisch sozusagen mehr oder weniger egal. Aus was bestehen dann die weiter außen liegenden Schichten? Also haben wir schon gesagt: Silikate, Steine. Kann man das näher… |
[00:26:43] | Man kann es jetzt näher natürlich aufbringen. Also zunächst erstmal wichtig, die dominanten chemischen Komponenten sind Silizium, Magnesium, Sauerstoff. Die Mineralnamen, die man dafür verwenden könnte, zum Beispiel in den oberen paar hundert Kilometern in der Erde sind das zum Beispiel Minerale wie die sogenannten Olivine. Es gibt auch sogennante Pyroxene. Diese Minerale sind eigentlich das, was auch sonst zum Beispiel bei uns zu finden wäre an der Erdoberfläche. Wenn ich jetzt aber weiter ins Erdinnere hinein gehe, sind diese Kristallstrukturen nicht mehr stabil. Das heißt also, was eigentlich ab bestimmten Tiefen zu erwarten ist, ist, dass die Kristallstrukturen zusammen brechen, sich umformen, andere Strukturen annehmen. |
[00:27:33] | Ist das temperaturbedingt dann wieder, oder…? |
[00:27:35] | Druck. Vor allem druckbedingt. Und aus sehr vielen Vergleichen von seismischen Beobachtungen und dann Experimenten im Labor, in denen man zum Beispiel Olivine oder Pyroxene nimmt und sie zum Beispiel hohen Drücken aussetzt, hat man daraus gelernt, dass dann eine Mineralphase auftaucht, die wir das sogenannte Pyroxen nennen. Und das Pyroxen ist dann das, was eigentlich den allergrößten Volumenanteil des Mantels ausmacht, nämlich alles mehr oder weniger unterhalb von 600 Kilometern. Von 600 Kilometern bis zur Kern-Mantel-Grenze liegen dann eigentlich diese Vielzahl von anderen Mineralformen, die wir näher an der Oberfläche sonst stabil halten können, in diesen Pyroxen-Formen vor. |
[00:28:19] | Okay. Die nächste offensichtliche Frage ist natürlich die der Struktur des Mantels. Das wird ja keine homogene Masse ohne jedwede weitere Struktur sein. Aber ich würde das nochmal ein bisschen verschieben wollen und nochmal auf den Kern zurück kommen. Ich hatte eine Frage von einem Hörer: Was den Kern antreibt? Also, die Hitze, die da entsteht. Und, das ist glaube ich klar, dass das keine Radio-Atom-Reaktion ist wie in der Sonne. |
[00:28:50] | Sagen wir mal so, es ist nicht ganz klar. |
[00:28:53] | Okay. Dann ist es doch gar nicht so blöd, dass ich die Frage doch stelle. Ich wollte es gerade sagen, es ist halt der Druck und die Hitze und der macht halt das Eisen flüssig oder hart und das war es dann. |
[00:29:00] | Ja gut, aber damit ist man natürlich…hat man ja noch keine Energiequelle. Damit hat man ja nur gesagt: Ich war jetzt unter hohem Druck und sehr großer Wärme, aber der Kern muss ja in gewisser Weise auch sozusagen den Energieverlust, den er zum Erdmantel hin hätte, versuchen auszugleichen. |
[00:29:16] | Ich hätte jetzt einfach naiv gesagt, der verliert einfach Energie und irgendwann in 3,5 Millionen Jahren ist die Erde halt erkaltet und gut. Aber das ist vielleicht falsch. |
[00:29:23] | Ja und dafür gibt es natürlich eine Menge von sehr interessanten geophysikalischen Fragen, Aspekten und Beobachtungen. Und ich nenne mal ein paar. Das Eine ist natürlich, was könnte denn überhaupt den Kern antreiben? Was gibt es alles mögliches? |
[00:29:39] | Das Eine ist natürlich, da kann es eine Entmischung geben, denn natürlich die leichten Elemente im Proto-Kern, als es noch keinen inneren Kern gibt, sind natürlich überall gleichmäßig verteilt. Irgendwann natürlich fängt der innere Kern an sich auszubilden. Als Konsequenz geht natürlich auch dort jetzt wieder eine gravitative Entmischung vor. |
[00:30:00] | Ja, Sortierung nach Dichte oder Gewicht. |
[00:30:02] | Genau. Und das heißt also, eine der Ideen ist, dass das zum Beispiel ein wichtiger Anteil sein kann für das, was eigentlich den Kern sozusagen antreibt. Das Zweite ist, dass man natürlich sich auch genauso vorstellen kann, bei jeder Phasenreaktion sind natürlich auch latente Wärmen, die frei werden. |
[00:30:20] | Exotherm. |
[00:30:21] | Und das heißt also einfach: Indem ich einen festen Kern, einen festen inneren Kern erzeuge, wird natürlich auch da wieder latente Wärme frei. |
[00:30:29] | Weil sich das flüssige Eisen zum Beispiel zu Eisen-irgendwas-Oxid umwandelt. Ich habe keine Ahnung von dem Zeug. Das war gerade… |
[00:30:35] | Genau. Nicht Eisenoxid, aber einfach zu einem festen Eisen. |
[00:30:38] | Aber festes Eisen, passiert da, ist es nicht einfach so, dass es durch die…was passiert da eigentlich? Also was passiert, wenn Eisen aus flüssiger…ist das nicht eine Änderung vom Aggregatzustand? Warum passiert da…aber warum passiert da, was hat das mit der chemischen Reaktion zu tun? |
[00:30:50] | Was hat das…nein, nicht mit einer chemischen Reaktion, sondern mit einer latenten Wärme. Da wird ja eine latente Wärme frei. |
[00:30:55] | Weil es abkühlt. Dadurch wird es fest, ja okay, klar, so rum. Ja, okay. |
[00:30:58] | Und auch das könnte einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus ist es nicht geklärt, ob zum Beispiel nicht doch radioaktive Elemente im inneren Kern, nein im äußeren Kern wichtig sind, also ob einfach auch eine erhebliche Energiemenge dadurch geleistet wird, dass eben dort Zerfallsprodukte bestehen. Das ist eine relativ schwierige Frage zu beantworten, weil es natürlich chemische Betrachtungen gibt. Die Chemiker sagen uns, es ist eigentlich von der Art der Verbindungen her unwahrscheinlich, dass sich zum Beispiel die typischen radioaktiven Elemente Potassium oder Uran oder anderes überhaupt in den Kern hinein bringt. Das ist aber eine schwierige Frage, weil es damit zu tun hat, hat sich der Kern unter flüssigen Bedingungen gebildet oder unter festen Bedingungen? Das ist eigentlich, wenn man da hinein bohrt, eine sehr sehr spannende Frage. |
[00:31:48] | Im übertragenen Sinne “hinein bohren”. |
[00:31:50] | Genau. Im übertragenen Sinne. |
[00:31:51] | Gefährlich. |
[00:31:52] | Ich will damit einfach nur sagen: Das ist eigentlich eine sehr spannende Frage, bei der sehr viele sehr kluge Gedanken geäußert werden. Es gibt aber gerade zum inneren Kern in meinen Augen eine sehr sehr schöne Sache, die ich auch immer in der Vorlesung nenne. Und zwar kann man sich ja ein bisschen fragen: Wenn es einen inneren Erdkern gibt, hat sich dann eigentlich zu dem Zeitpunkt die Temperatur im Kern selber dramatisch verändert seit dem Zeitpunkt, dass es den inneren Kern gibt? Und die Antwort ist erstaunlicherweise nein. Und zwar ganz einfach: Wenn man morgens zum Beispiel Wasser kocht über dem Ofen, dann verdampft natürlich eine mögliche Menge von Wasser, während man das tut. Trotzdem bleibt aber die Temperatur innerhalb des Topfes bei 100 Grad. |
[00:32:36] | Bis der Phasenübergang abgeschlossen ist. Der Kern befindet sich im Prinzip in einem äquivalenten Zustand. Er hat beide Phasen da, er hat das Flüssige und er hat das Feste. Und so lange dieser Phasenübergang nicht vollständig abgeschlossen wird, also sozusagen der gesamte Kern fest geworden ist, bleibt eigentlich die Temperatur zunächst erstmal wirklich an diesem Fixpunkt aufgehängt. |
[00:32:58] | Mit einer leichten Korrektur für eine Adiabate, die man sich da hinein denken muss. Aber im Prinzip bedeutet das, dass eigentlich, solange der innere Erdkern besteht, sich die Temperatur des Kernes selber gar nicht so viel verändert haben kann. Jetzt kommt man aber natürlich auf die Frage, die stelle ich mal einfach für dich: Wie lange gibt es den inneren Kern? |
[00:33:16] | Genau, wie lange gibt es den schon? |
[00:33:17] | Und die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Es gibt sehr sehr unterschiedliche Vorschläge. Es gibt zum Beispiel auf der einen Seite Betrachtungen zur Energie, die würden dann was sagen. Wenn ich im Augenblick sehr sehr viel Wärme aus dem Kern heraus nehme, die muss ja dann zum Beispiel durch latente Wärme oder anderes eben auch wieder erneuert werden. Dann würde das zu einem sehr schnellen Wachsen des inneren Kerns und umgekehrt aus der Schlussfolgerung dann zu einem jungen Alter führen. Es gibt aber auch Vorstellungen, das ist auch genauso interessant und spannend, dass man sagt, dass eigentlich für die Form des Magnetfeldes, vor allem diesen starken Dipol, den die Erde hat, ein innerer Kern notwendig ist. Nun gibt es aber Beobachtungen, zum Beispiel von sehr alten Gesteinen aus Bereichen, die weit weit in die Erdgeschichte zurück gehen, die sagen, dass es auch schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ein im Prinzip dem heutigen Feld nicht unähnliches Erdmagnetfeld gab. Daraus würde man jetzt umgedreht wieder schließen, dass der innere Kern gar nicht mal so jung ist, sondern im Gegenteil relativ alt sein muss. |
[00:34:18] | Also sprich: Eine langsame Reaktion stattfinden muss. |
[00:34:20] | Genau. Und da steht im Augenblick die Forschung. Wir wissen es nicht wirklich, aber beide Sachen haben interessante Argumente jeweils für sich. |
[00:34:29] | Da muss ich an drei Stellen kurz nachhaken. Erstens: Woher wissen wir irgendwas über das Erdmagnetfeld? Indem wir Steine angucken? Hast du gerade erwähnt. |
[00:34:36] | Genau. Wir schauen im Wesentlichen Gesteine an, Gesteine frieren das Erdmagnetfeld ein durch etwas, was wir die so genannte Curie-Temperatur nennen. Und zwar, wenn ein Gestein sehr heiß ist, dann hat es natürlich so viel innere Molekularbewegung, dass es natürlich das Magnetfeld nicht wirklich einfrieren kann, auch wenn es natürlich jeweils sozusagen sich in einem Feld befindet. Aber ab einer bestimmten Temperatur, unterhalb der kann es das jeweils umgebende Magnetfeld einfrieren. Das sind ungefähr so 500-600 Grad für typische Gesteine. |
[00:35:10] | Da richtet sich irgendwas irgendwie aus. |
[00:35:12] | Genau. Und dann kann so etwas potenziell über geologische Zeiträume erhalten bleiben. Hier in München am Lehrstuhl haben wir eine sehr sehr lange Tradition durch meinen Vorgänger Professor Soffel, der sich sehr sehr stark mit Gesteinsmagnetismus beschäftigt hat. Es gibt auch ein Observatorium hier in München, das sich sehr stark mit dem Erdmagnetfeld beschäftigt. Auch Laboratorien, in denen das sehr genau untersucht wird. Und diese Art von Gesteinsuntersuchungen haben ja unter anderem auch damals in den 60er-Jahren, als die Plattentektonik sozusagen revolutionär anerkannt wurde, zu einem großen Teil darauf beruht, dass man merkte, dass der Ozeanboden zum Beispiel diese regelmäßigen Abfolgen von verschiedenen Magnetisierungen hat. Positiv – negativ – positiv – negativ. Man nennt das so ein bisschen Tonbandstruktur auf dem Ozeanboden, die einfach dadurch stattfindet, dass natürlich Ozeanboden sich am Rücken bildet, zur Seite weg wandert, das Feld dreht sich zwischenzeitlich um und dementsprechend wird eine andere Polarität eingefroren. Und das ist also etwas, was man sehr sorgfältig untersuchen kann. In Ozeanen ist das vergleichsweise jung. Die Ozeane sind ja im Schnitt nicht viel mehr als 100-200 Millionen Jahre alt von ihren Gesteinen her. Die Kontinente sind wesentlich älter. Es gibt Bereiche in den Kontinenten, die gehen bis zweieinhalb oder drei Milliarden Jahre zurück. Auch in solchen sehr alten Teilen des Kontinents findet man magnetisierte Gesteine und aus denen kann man dann natürlich Rückschlüsse über das Magnetfeld zu sehr frühen Zeiträumen machen. |
[00:36:48] | Jetzt können wir natürlich fragen: Woher wissen wir, dass Steine alt sind? Und können dann damit den Zeitstempel für das Magnetfeld definieren. Aber wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht völlig vom Hundertsten ins Tausendste kommen. |
[00:36:57] | Dann sagen wir dazu nur ganz kurz, dass man das natürlich über solche sogenannten radioaktiven Zerfallsreihen sagen kann. |
[00:37:02] | Okay, alles klar. Und ich glaube, das Stichwort sagt den meisten was. |
[00:37:04] | Genau und dann wissen die meisten auch wahrscheinlich, wo das hingehen wird. |
[00:37:06] | Nochmal ganz kurz zum Kern. Du sagtest: “…den Kern antreiben”. Was passiert da außer dieser Advektion, wie wir gesagt haben, wo sich Material austauscht und wo sich auch aufgrund der Dichteunterschiede das Leichte nach außen…der innere Kern wird fetter. Das ist das, was da passiert. |
[00:37:22] | Genau. Das ist im Wesentlichen eine große Konvektionsströmung, so nehmen wir das an. Also auch nicht viel anders als im Prinzip in den Ozeanen auch. Dichteunterschiede treiben da sehr sehr große Konvektionsströme an. Vielleicht der Unterschied natürlich zu den Ozeanen. Zwei sind natürlich evident. Das Eine ist: Der Ozean ist für seine räumliche Ausdehnung vergleichsweise flach. Die Ozeane sind tausende von Kilometern weit, aber natürlich nur im Schnitt vielleicht zwei, drei, vier Kilometer tief. Der Kern ist fast genauso tief, wie er sich räumlich ausdehnt. Das Zweite ist, dass natürlich der Kern, dadurch, dass er elektrisch leitend ist, da natürlich auch elektromagnetische Kräfte aushalten muss. |
[00:38:01] | …die er sich selber quasi auferlegt. |
[00:38:03] | …die er sich…genau, die er sich selber auferlegt. |
[00:38:06] | Und natürlich auch Ursache für das Erdmagnetfeld ist. Das kommt später nochmal, deshalb frage ich da jetzt auch nicht weiter. Das heißt, wir gehen jetzt in unserem Gespräch davon aus, dass da innen drin radioaktive Reaktionen stattfinden, oder nicht? |
[00:38:21] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:22] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:23] | Wir wissen einfach nur, dass es vermutlich – nicht vermutlich, es ist offensichtlich – offensichtlich gibt es genug Energiequellen, die die Konvektionsströme anhalten oder antreiben können, so dass das Magnetfeld als solches erhalten bleibt. Denn wenn ich jetzt die Konvektionsströme ausstellen würde, also wenn sich ab morgen jetzt nichts mehr bewegen würde, dann würde natürlich auch das Magnetfeld langsam abklingen. Es würde nicht sofort abklingen, es würde also nicht sofort zu Null gehen, sondern der Kern hat natürlich ein gewisses Erinnerungsvermögen, vor allem dadurch, dass die Magnetfelder natürlich in den inneren Kern hinein diffundieren. Und dort würden sie natürlich eine Weile lang sozusagen wiederhallen, bis dann natürlich auch dort das dann langsam weg diffundiert. Das sind ungefähr Zeitgrößen von der Größenordnung vielleicht ein paar Tausend Jahre. |
[00:39:09] | Da frage ich jetzt nicht weiter, weil wir kommen später nochmal auf das Magnetfeld zurück. Die Frage, warum ich gerade nochmal Richtung Nuklearreaktionen gekommen bin, war eben eine Folgefrage, hier wo die Spaltprodukte, sofern es denn welche gibt, wo die hingehen? Sprich: Ist der Kern radioaktiv? Es gibt ja Radon-Gas, das da irgendwie ja nach oben geht. Frage ist aber: Kommt das aus dem Kern oder kommt das aus anderen Schichten? |
[00:39:31] | Nein, also das Radon-Gas, was man an der Oberfläche sieht, das ist vergleichsweise immer in sehr oberflächennahen Schichten der Kruste. Weil man eben immer sagen muss: Die Kruste ist der Teil, der eben chemisch leichter ist als der darunter liegende Mantel. Auch das ist in der Grundvorlesung immer für die Studenten ein gewisser Hiccup. Die Lithosphäre wird definiert rein über eine Temperatur und eine Festigkeit. Da mache ich keinen Unterschied, ob das im Prinzip ein leichtes Gestein ist oder ein schweres Gestein. Die Kruste ist eine Definition nur über die Dichte. |
[00:40:02] | Was ist nochmal das größere? Die Lithosphäre ist ein Teil der Kruste oder die Kruste ein Teil der Lithosphäre? |
[00:40:05] | Die Kruste ist ein Teil der Lithosphäre. |
[00:40:06] | Okay, alles klar. |
[00:40:07] | Das heißt: Innerhalb der Lithosphäre gibt es dann die Kontinente. Also, zum Beispiel, wenn wir uns die afrikanische Platte anschauen, dann sehen wir, dass die afrikanische Platte umgeben ist von vielen ozeanischen Bereichen. Die sind immer noch Teil derselben afrikanischen Lithosphäre, nur im Zentrum steckt der afrikanische Kontinent und dieser Kontinent kann deswegen an der Oberfläche so lange bleiben, weil sein Material wirklich leichter ist. So und in diesen Krustenmaterialien sind natürlich radioaktive Elemente etwas angereichert. Und der Zerfall dieser Elemente führt dann natürlich zum Rausgeben von Radon-Gas. Vermutlich müssten und wären Spaltprodukte auch im Kern vorhanden, nur sind halt so weit von uns weg, dass wir…wir würden es nie wissen. |
[00:40:51] | Ja. Wie schnell sind denn diese advektiven Strömungen? Kann man sich das irgendwie vorstellen? |
[00:40:57] | Das ist eine sehr schöne Frage. Und zwar müssten oder könnten wir unterscheiden, ob man die advektiven Ströme im Mantel anschaut oder die advektiven Ströme im Kern. |
[00:41:07] | Gucken wir gerade mal im Kern, über den reden wir glaube ich gerade mehr oder weniger. Und dann… |
[00:41:10] | Genau und im Kern ist es zunächst erst mal überhaupt nicht einfach, irgendetwas dazu zu sagen. Denn die Frage, die Geschwindigkeiten von solchen advektiven Strömungen haben müssten, ist natürlich eine Frage: Wie hoch ist die Viskosität? |
[00:41:24] | Ja, genau. |
[00:41:25] | Und die Viskosität, also die Scherfestigkeit… |
[00:41:28] | Der Widerstand… |
[00:41:28] | …der Widerstand zur Deformation, der ist natürlich für Eisen unter diesen Temperaturen und unter diesen Drücken gar nicht mal so leicht wirklich quantitativ feststellbar. Man kann aber natürlich sagen, das Eisen wäre geschmolzen. Und dann wäre es vielleicht so wie geschmolzenes Eisen an der Oberfläche auch. Das ist aber nicht klar, ob das unter den Drücken wirklich der Fall wäre. Dementsprechend muss man zunächst erst mal definieren, dass es gar nicht klar ist, wie hoch die Viskosität wäre. Das ist eine sehr spannende geodynamische Frage, die wir eigentlich nicht wirklich beantworten können. |
[00:41:56] | Es gibt aber ein ganz faszinierendes Phänomen. Und zwar das, dass das Erdmagnetfeld auf den – sozusagen neben dem großen Dipolfeld Unterstrukturen aufweist, die auch sehr genau kartiert sind. Also sogenannte räumliche Variationen, die dann nicht mehr axensymmetrisch sind. Und diese räumlichen Bewegungen wurden relativ früh, als die Menschen sich in der Aufklärung mit dem Magnetfeld beschäftigt haben, festgestellt. Und dabei hat man festgestellt, dass manche dieser räumlichen Anomalien sich bewegen. Gerade auf der afrikanischen Hemisphäre bewegen sie sich nach Westen. Und es gibt mehrere solcher Anomalien, die man also ganz eindeutig im Laufe der Hunderten von Jahren westwärts hat sehen können. |
[00:42:48] | Jetzt kann natürlich der Hörer fragen: Woher wissen wir das? Die britische Marine hat im 17. und 18. Jahrhundert versucht, diese Art von Anomalie zur Navigation zu verwenden. Und hat dementsprechend systematisch Protokolle geführt für jedes Schiff, was irgendwo hin ging. Jeden Tag wurde eine Magnetfeldmessung gemacht. |
[00:43:07] | Und heute macht das das Militär zum U-Boote-Erkennen. |
[00:43:09] | Genau. |
[00:43:09] | MADs. |
[00:43:10] | Und diese Aufzeichnungen sind nach wie vor vorhanden und sind von Kollegen, wie zum Beispiel meinem Kollegen Bloxham an der Harvard Universität, dazu verwendet worden, diese Magnetfeldbewegungen in der Zeit rückwärts zu rekonstruieren. Und aus den Bewegungsraten würde man schließen, dass das sich im Bereich von Zehnern von Kilometern, vielleicht Hundert von Kilometern pro Jahr sein müssen. |
[00:43:36] | Okay, das ist ganz schön ordentlich. |
[00:43:37] | Also das ist schon ganz schön ordentlich. |
[00:43:39] | Okay. Die Drücke im Kern simulieren oder hier auf der Erde erzeugen mit irgendwelchen Pressen, Experimenten, irgendwas, können wir vergessen? |
[00:43:48] | Im Kern ist es wirklich schwer. Für den Rest des Erdinneren, gerade für den Mantel, sind in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden. Und zwar ist ja ein Druck zunächst nichts weiter als eine Kraft pro Fläche. |
[00:44:04] | Das heißt also, wenn ich die Fläche klein mache, kann ich auch für relativ gegebene Kräfte hohe Drücke erzeugen. Eines der berühmtesten Institutionen dafür überhaupt in der Welt ist das Bayerische Institut für Geowissenschaften, das BGI in Bayreuth. Dort sind sehr große Pressen, entweder wirklich große Pressen, in denen man dann auch relativ voluminöse Proben vielleicht zu einem Kubikzentimeter hinweg hohen Drücken aussetzen kann. Ansonsten macht man das in sogenannten Diamantstempelzellen, in denen man also Diamanten aufeinander drückt und dann vielleicht so im Bereich von ein paar Mikrometern versucht, Proben auseinander zu nehmen. Und dort kann man dann wirklich Drücke erzeugen, die, sagen wir mal, im Bereich von 1000, 2000, 2500 Kilometer Tiefe entsprechen. Und viele unserer Vorstellungen, wie die Mineralogie im Erdinneren funktioniert, basieren auf solchen Experimenten. |
[00:45:00] | Okay, also man kann da sozusagen Reaktionen auf diesem kleinen Raum simulieren und dann eben die Mineralogie verstehen, aber irgendwelche dynamischen Prozesse gehen mit solchen kleinen Zellen natürlich nicht. |
[00:45:13] | Ja. Und zwar, A natürlich, weil die dynamischen Prozesse auf viel viel größeren Räumen hinweg ablaufen. Das ist das Eine. Das Zweite ist natürlich auch: Diese Deformationen, denen man dort solche Materialien aussetzen würde, sind natürlich jenseits von allen Deformationsraten, die geologisch sinnvoll sind. |
[00:45:31] | Ah ja, klar. |
[00:45:32] | Das ist immer das, was auch einen erwischt, dass man im Prinzip denkt: Naja, ich kann doch jetzt so ein Ding mal einfach kurz zusammen pressen. Das ist aber nicht, was in der Erde stattfinden würde. Die Erde würde sich dazu eine Millionen Jahre Zeit nehmen und dann würden unter Umständen andere Deformationsmechanismen… |
[00:45:45] | …weil sich gewisse Dinge ausgleichen können und ausrichten. |
[00:45:48] | …genau das. Ja. Und deswegen sind viele dieser Experimente immer nur sehr indirekt übertragbar auf das, was wirklich stattfindet. Das ist eigentlich der Grund, wenn wir hinterher zum Schluss noch hin kommen, warum man Computersimulationen macht. Weil natürlich hinter solchen Sachen wirklich letztendlich in den entsprechenden Parameter-Regimen irgendwann numerisch abgehandelt werden müssen. |
[00:46:09] | Nochmal ganz kurz die Frage zu diesen magnetischen Anomalien in der Erde, wo ich kurz erwähnt habe, dass das Millitär diese Daten ganz gern hätte um dann Störungen in diesem Feld wieder als Signal für U-Boote zu identifizieren. Gibt das Militär diese Daten raus? Also gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Militär und Geologen, um dieses zu kartieren? |
[00:46:32] | Normalerweise wenig. Denn also, viele solcher Sachen sind natürlich zurecht unter Verschluss. Manchmal hört man natürlich was, aber das ist etwas, in dem natürlich in gewisser Weise Forschung und militärische Anwendung schon relativ strikt getrennt sind. |
[00:46:47] | Okay. Das heißt im Endeffekt Doppelarbeit. Die Forscher machen das Gleiche, um…ja, okay, alles klar. |
[00:46:51] | Ja. |
[00:46:53] | Lass uns mal ein bisschen über das Erdmagnetfeld reden. Das haben wir jetzt schon so oft erwähnt, ich kann es nicht weiter verschieben. Es entsteht dadurch… |
[00:47:01] | Oh! Es…ja. Also, ich kann eine im Prinzip abweisende Antwort geben. Es entsteht dadurch, dass es Gleichungen gibt, die das Magnetfeld schlichtweg aus der Bewegung heraus hervorsagen. |
[00:47:15] | Also das ist irgendwie hier da der Kollege Lorentz, oder? |
[00:47:17] | Genau. Das heißt also, letztendlich bewegen sich natürlich dort wie bei den Lorentz-Kräften auch, hinterher elektrische Leiter und damit wird dann durch einen komplizierten Dynamo-Prozess, wie am Fahrrad auch, ein Dynamo erzeugt. Letztendlich ist es nicht sehr intuitiv, das wirklich zu beschreiben. Man muss im Prinzip eine Lösung der Gleichungen herbeiführen. |
[00:47:38] | Aber es ist genau der Prozess einfach. Es bewegen sich geladene Teilchen, die produzieren ein Magnetfeld. Das steht im Physikbuch, warum das so ist. |
[00:47:44] | Genau. Ja. Und erst dann spezifisch durchzuteilen ist im Prinzip letztendlich das Ergebnis der letzten 20 Jahre. Vor ungefähr 20 Jahren, ziemlich genau, ich glaube 1995, war einer meiner Doktorväter, der Herr Glatzmaier, einer der Ersten, der in einem 3D-sphärischen Computermodell ganz selbstkonsistent ein Magnetfeld für den Erdkern hat berechnen können. Das dann einfach aufgrund der Strömung…es gibt also eine Energiequelle, die führt zu Strömungen, die Strömungen erzeugen dann die Bewegungen. Diese Bewegungen führen dann über Lorentz-Kräfte und anderes dazu, dass sich das Magnetfeld entwickelt. Das war also damals eine ganz ganz beeindruckende Leistung, die auch sicher für später im Prinzip in den Bereich von Nobelpreisen gehört. Auch Einstein hat damals eigentlich im 20. Jahrhundert gesagt, das Verständnis des Magnetfelds ist eines der zehn wichtigsten physikalischen Probleme des 20. Jahrhunderts. Und war also natürlich eine ganz außergewöhnliche Leistung. |
[00:48:44] | Heute gibt es natürlich viele von solchen Computermodellen, in denen man versucht, genaue Einzelheiten dieser Magnetfeldentstehung zu machen. Das ist aber ein relativ komplexer Prozess, der nicht so einfach intuitiv zu verstehen ist. |
[00:48:56] | Aber ohne flüssigen Kern kein Magnetfeld, weil ohne Bewegung kein Magnetfeld. |
[00:49:00] | Genau. Genau das. Das braucht man. Das heißt also, man braucht wirklich Strömungsbewegungen innerhalb eines relativ großen planetaren Körpers, um dann hinterher solche Magnetfelder zu erzeugen. |
[00:49:10] | Und die Tatsache, dass das Magnetfeld eine Ausrichtung hat und sich nicht durch viele kleine Magnetfelder irgendwie wieder auflöst – aufhebt, wollte ich sagen – heißt ja, dass die Strömung in irgendeiner Art und Weise im Kern gerichtet sein muss. |
[00:49:22] | Genau. Da gibt es auch ein paar Sachen, die vielleicht wiederum etwas überraschend und unintuitiv sind. Wir beobachten das Magnetfeld ja eigentlich aus einer erheblichen Entfernung. Wir sind ja 3000 Kilometer weg. |
[00:49:34] | Und das heißt also, wenn man jetzt eine mathematische Analyse anwenden würde, indem man zum Beispiel jetzt einfach extrapoliert, wie das Magnetfeld zunehmen müsste pro Kugelfunktionsgrad – das ist jetzt ein technisches Wort, was ich verwende. Aber im Prinzip pro Struktur. Dann nimmt das für die verschiedenen Komponenten im Magnetfeld, die feinen und die langwelligen, unterschiedlich stark zu. Und wenn ich das jetzt extrapoliere direkt an die Kern-Mantel-Grenze, ist an der Kern-Mantel-Grenze wesentlich mehr feinskalige Struktur. Das ist zum Beispiel das Erste, was man sich klar machen muss. Wir sehen diesen großen Dipolanteil des Feldes nur deswegen so dominant, weil wir eben 3000 Kilometer weg sind und viele dieser kleineren Anteile sind eigentlich da schon… |
[00:50:18] | …haben sich schon ausgeglichen. |
[00:50:19] | …haben sich schon ausgeglichen, ja. |
[00:50:21] | Und dann ist natürlich das Zweite, dass es natürlich im Kern auch im Prinzip eine gewisse Motivation gibt, große Ströme auszubilden, weil der Kern die Rotation der Erde sehr deutlich mitkriegt. |
[00:50:32] | Ah ja klar, logisch. |
[00:50:34] | Und dann kommen natürlich Rotationsbewegungen hinein, die im Prinzip zu einer gewissen Überorganisation der Konvektionsströme führen, die dann wiederum helfen, lange Strukturen eben besonders auszubilden. |
[00:50:47] | Ist dann vielleicht die Rotation ein Teil der Energie, die da im Kern dann halt verbraten wird? Weil da wird ja durch die Rotation Reibung erzeugt und so weiter. |
[00:50:54] | Die Reibungen sind aber zu vernachlässigen. |
[00:50:56] | Das ist einfach was, was an Reibungskräften im Kern drin ist, ist so gering, dass das hinterher eigentlich dafür keine wirkliche Rolle spielt. Aber die Rotation ist natürlich wichtig für die Art, welche Geometrien von Konvektionsströmen sich überhaupt ausbilden können. |
[00:51:11] | Die Tatsache, dass wir da flüssiges Material haben, das sozusagen schwappt – sage ich mal – bremst das die Rotation dann mit ab oder ist das aufgrund des gleichen Arguments mit der irrelevanten Bewegung auch egal? |
[00:51:22] | Das ist vergleichsweise irrelevant. |
[00:51:23] | Okay. Wenn jetzt der innere Kern, der feste, größer wäre, dann würde weniger flüssiges Zeug da in der Gegend herum advektieren. Das würde bedeuten, wir hätten ein kleineres Magnetfeld? |
[00:51:35] | Ja. Also wenn man einfach die Stärke, das ist natürlich nicht ganz offensichtlich, aber wenn man jetzt mal naiv sagen würde, das hängt im Prinzip mit dem Volumenanteil zusammen. Wenn natürlich erstmal der gesamte Volumenanteil aufgebraucht ist und es gibt nur noch einen festen Kern, dann gibt es natürlich auch kein Magnetfeld. |
[00:51:50] | Und dieses Rumdrehen des Erdmagnetfeldes und das Wandern des Pols…als Flieger weiß man, dass man alle paar Jahre neue Missweisungstabellen haben muss, weil sich wieder irgendwas verschoben hat. |
[00:52:02] | Genau, genau. |
[00:52:02] | Woher kommt das? Hängt das auch damit zusammen, dass da irgendwas anders strömt und dadurch sich das Magnetfeld anders ausrichtet? |
[00:52:09] | Also auf der einen Seite gibt es diese sogenannten säkularen Variationen. Also der Winkel des Magnetfeldes relativ zur Rotationsachse varriert so ein bisschen, so ungefähr zehn Grad oder so etwas. Das ist das, was du vorhin angesprochen hast. Das hat einfach damit zu tun, dass eben die Konvektionsströme sich ein bisschen verändern. Die Umpolarisierung des Feldes, dass also Nord Süd wird und Süd wird Nord, ist zunächst erstmal nicht unbedingt mit einer Umorientierung der Strömungen in Verbindung zu bringen, weil natürlich die Lösung, die mathematische Lösung der Gleichung ist für B- oder B+ … B ist das Magnetfeld – hinterher genau das Gleiche. Das heißt also, es ist erstmal nicht unbedingt zu erwarten…da muss man natürlich vorsichtig sein, das muss man natürlich im Computermodell auch noch mehr verifizieren, dass erstmal die Strömungen sich dramatisch umändern, sondern leichte Veränderungen in der Strömung können dann einfach dazu führen, dass auf einmal B- hinterher eine gleiche Lösung darstellen würde, wie es vorher B+ getan hätte. |
[00:53:12] | Das heißt, man kann auch nicht wirklich vorhersagen, wann oder wie oft sich das Erdmagnetfeld rumdreht? |
[00:53:19] | Nein, man kann natürlich in die Vergangenheit zurück gucken und… |
[00:53:21] | …wieder Steine, tralala. |
[00:53:23] | Genau. Und da sieht man, dass das so im Schnitt typischerweise so 100000 oder 1 Million Jahre für lange Zeiten hinweg war. Es gibt dann ganz besondere Perioden, die sind nicht besonders gut verstanden, die sogenannten Super-Chrons – Chron ist eine Zeiteinheit -, in denen sich das Magnetfeld manchmal für 30, 40 Millionen Jahre nicht mehr umpolt. Die letzte berühmte solche fand in der Kreidezeit statt, also als die Dinosaurier noch auf der Erde waren, gab es einen gewissen Zeitraum, in dem 30, 40 Millionen Jahre lang sich das Erdmagnetfeld überhaupt nicht mehr umgepolt hat. Die Vermutung, woran das liegt, ist, dass sich zum Beispiel an der Kern-Mantel-Grenze dort bestimmte Zustände ausbilden, die dann besonders begünstigen, dass das Magnetfeld stabil ist. Das ist aber auch nicht gut verstanden. |
[00:54:11] | Gibt es Vermutungen, wann sich jetzt quasi aus unserer Sicht das nächste Mal die Kompasse umkehren müssen? |
[00:54:18] | Nein, man müsste im Prinzip natürlich sagen, wenn ich es jetzt weiter extrapoliere von den vergangenen Raten, könnte ich sagen, wann ich es erwarten würde. Auch dort gibt es zum Beispiel etwas, was oft in den Nachrichten genannt wird. Es gibt im Augenblick eine relativ starke Abnahme des Magnetfelds, das hast du vielleicht auch mal gelesen, dass das zum Beispiel in den Zeitungen drin steht. Diese Abnahme kann man natürlich quantifizieren und kann sich fragen: Hat die einfach damit zu tun, dass das Magnetfeld zum Beispiel irgendwie seine Energie verloren hat und das klingt jetzt nur noch ab? |
[00:54:49] | Achso, dass gar kein neues entsteht? |
[00:54:53] | Genau. Das wäre ja eine Hypothese, die man machen könnte. Dem ist aber nicht so. Die Abfallrate ist so stark, dass das eigentlich ein aktiver Prozess sein muss und das heißt also, das Magnetfeld nimmt im Augenblick in der Amplitude einfach nur deswegen ab, weil der Dipolanteil – also Nord-Süd – sich im Augenblick versucht unter Umständen umzudrehen. Das geschieht aber so häufig und selten klappt es dann wirklich, dass es nicht klar ist, ob dieser Prozess einfach vielleicht nach 100 Jahren auch wieder aufhören wird. |
[00:55:18] | Sprich, das ist kein sicheres Anzeichen dafür, dass wir… |
[00:55:20] | Es ist nicht klar, dass das hinterher eine volle Umpolung werden wird. So etwas nennt man dann manchmal die sogenannten Exkursionen. Das heißt, das Magnetfeld versucht, so eben in der Exkursionsform auf die andere Seite zu kommen, schafft es aber nicht und geht dann wieder zurück. |
[00:55:34] | Okay. Aber es ist kein akutes Thema? |
[00:55:37] | Ich würde es nicht als akut nennen. Mit einer Ausnahme, und zwar, wenn man sich zum Beispiel dann die Raumfahrtprogramme anschaut. Der Ort, an dem das besonders dramatisch im Augenblick geschieht, ist der Südatlantik. Und zum Beispiel die Astronauten – ich unterrichte auch ein bisschen manchmal Geophysik für die europäischen Astronauten… |
[00:55:59] | Cool. |
[00:56:00] | …dass man da also zum Beispiel besonders aufpassen muss für die Einwirkung von elektrischen Strahlungen auf entweder die Satelliten selber oder die Raumschiffe selber. |
[00:56:10] | Weil das Magnetfeld die natürlich weg hält. |
[00:56:12] | Genau. Und an dieser Stelle im Südatlantik ist der halt besonders gering und da hat es ganz praktische unmittelbare Auswirkungen, wo man auch dran denken muss, wo auch zum Beispiel regelmäßig bei der Planung von Satellitenbahnen dran gedacht wird: Wie muss man das bauen, dass das eben unter Umständen solche Sachen aushalten kann? Und dieser Bereich, gerade im Südatlantik, der ist also sehr sehr bekannt und sehr berühmt. |
[00:56:34] | Interessant. Lass uns mal über den Mantel reden, über den Kittel, die Jacke, haha. Was passiert da? Erstmal vielleicht die Struktur, haben wir ja gesagt, es gibt Kontinente, es gibt diese großen Platten. Fang du mal an mit der Struktur. |
[00:56:50] | Ja, ja. Gut. Zunächst erstmal natürlich muss man sich überlegen: Was wissen wir über den Mantel und woher wissen wir es? |
[00:56:57] | Das meiste, was wir eigentlich über den Mantel wissen, ist aus der Seismologie. Das Ausbreiten von seismischen Wellen. Und diese seismischen Wellen geben uns natürlich hinterher im Zusammenhang mit Überlegungen – Welche Mineralien könnten das denn überhaupt sein? – eine gewisse Vorstellung über die Drücke und die Temperaturen. Aus dem kann man abnehmen, dass ein großer Teil des Mantels in gewisser Weise erster Größenordnung eine im Prinzip gut durchmischte Chemie hat. Das heißt also, das ist ziemlich uniform. Dieses sogenannte Pyrolit, was ich vorhin gerade genannt hatte. |
[00:57:33] | Nun müssten aber eigentlich in so einer Struktur – ich habe vorhin schonmal naiv gesagt – Planeten sind einfach zu groß, um ihre Temperaturen einfach oder ihre Energie über Konduktion, Wärmeleitung, abzugeben. Sie müssten eigentlich konvektieren. Jetzt kann man ein bisschen genauer darüber nachdenken: Wie geschieht so etwas eigentlich? Und dazu hat man natürlich lange immer Laborexperimente gemacht. Heute macht man natürlich viel auch Computerexperimente. Und da kann man ein bisschen besser verstehen, wie das eigentlich technisch ablaufen muss. Und zwar, direkt an der Oberfläche, wo natürlich die Erde im Kontakt mit dem Universum ist, da ist natürlich eine Zone sehr sehr kalter Temperatur. Und das nennen wir dann hinterher die tektonischen Platten. Und diese ungefähr 100 Kilometer des äußersten Teils der Erde sind natürlich durch ihre tiefe Temperatur dann vergleichsweise dicht und werden gravitativ unstabil und sinken eben früher oder später einfach zurück in den Planeten. |
[00:58:34] | Das geschieht auf der Erde und da muss man die Erde natürlich unterscheiden von den anderen Planeten Venus und Mars, die machen das anders. An den Stellen, wo das zurück sinkt, ist das dieser sogenannte Subduktionsprozess. |
[00:58:48] | Und jetzt muss man sich aber vorstellen, dass das also doch wirklich große große Mengen an Gesteinen sind. Also zum Beispiel das Äquivalent des gesamten Pazifiks, also die Hälfte der Erdoberfläche ist ungefähr in den letzten 150 Millionen Jahren um den Pazifik herum, also in den Subduktionszonen des sogenannten Feuerrings wieder in die Erde hinein gegangen. Also die halbe Erdoberfläche hat sich alleine an der Hemisphäre völlig erneuert. |
[00:59:19] | Und das war in 150 Millionen Jahren… |
[00:59:23] | 150 Millionen Jahren. |
[00:59:24] | …das sind ungefähr wie viel Prozent der Erdexistenz? Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf. |
[00:59:28] | Genau. Sagen wir mal, wir machen es der Einfachheit halber mit 4,5 Milliarden Jahre. 450 Millionen Jahre wären 10%. Und jetzt haben wir ein Drittel davon. |
[00:59:36] | Also 3%, die Hälfte der Erd… |
[00:59:37] | Drei Prozent. |
[00:59:38] | Okay. Das ist dann schon Dynamik. |
[00:59:40] | Ja. Also da geschieht wirklich viel. Und diese Platten, die sinken natürlich dann immer weiter ab. Und jetzt kann man sich natürlich fragen: Gibt es bestimmte Bereiche, an denen sie sozusagen aufgehalten werden? Gibt es etwas, was das Ganze stoppt beim Absinken? Das hat sehr sehr viel zu geophysikalischen Forschungen in den 70ern, 80ern, beigetragen. Und eigentlich entwickelt sich so ein Konsens, zu sagen: Nein, im Prinzip gehen diese Platten letztendlich früher oder später bis zur Kern-Mantel-Grenze runter. Mit Geschwindigkeiten, die vermutlich so ungefähr plattentektonische Geschwindigkeiten sind, also ein paar Zentimeter pro Jahr. Und dann kannst du dir ja überlegen, wie lange das dauern müsste. Wenn ich also ein paar Zentimeter pro Jahr 3000 Kilometer gehen will, brauche ich 100 Millionen Jahre. |
[01:00:25] | Und das ist erstmal natürlich ein riesiger Antreiber, denn, also diese äußere Schicht, also man nennt so etwas eine thermische Grenzschicht, diese äußere thermische Grenzschicht des konvektierenden Mantelsystems, die erneuert sich halt die ganze Zeit. Irgendwo, wo Platten einsinken, muss natürlich das Äquivalent an anderen Stellen, am mittelozeanischen Rücken, neu gebildet werden und dementsprechend erneuern sich die Ozeanböden permanent, die ganze Zeit. |
[01:00:48] | Und ist das dann alles vulkanische Aktivität? Also, ich habe verstanden, das Zeug, was jetzt oben ist, sinkt einfach nach unten. Damit ist es quasi weg. Wie kommt jetzt etwas anderes nach oben? Ist das einfach auch so ein…taucht da, bildlich gesprochen, etwas auf? Oder sind das Vulkane, Lava, die dadurch Material wieder abladen? |
[01:01:08] | Nein, im Prinzip kann man sich das so ein bisschen wie einen passiven Prozess vorstellen. Zunächst erstmal in dieser allgemeinen Betrachtung der Erneuerung der Oberfläche ist der Vulkanismus gar nicht mal besonders ausgezeichnet, sondern einfach nur an der Stelle, wo der Mantel sozusagen jetzt freigelegt würde, indem zum Beispiel – nehmen wir uns den mittelatlantischen Rücken vor – die beiden Platten würden auseinander gehen, im Zentrum kommt natürlich dann neues Material nach oben. |
[01:01:33] | Das Material kühlt sich sofort aus und wird dann sofort der Platte angegliedert, wird also Teil der Platte. Das ist zunächst erstmal ein Prozess, den man sich abstrakt – und so macht das ja der Geophysiker – abstrakt zunächst einmal völlig ohne Vulkanismus vorstellen kann. Der Vulkanismus spiegelt einfach die komplizierte Chemie von Silikaten wider, dass natürlich dann hinterher in solchen polymineralischen Gemischen Bestandteile eher ausfrieren oder später ausfrieren. Das heißt, wenn ich jetzt zum Material nahe an die Oberfläche gehe, gibt es einen gewissen Prozentsatz, der natürlich einen leichteren, früheren Schmelzpunkt hat. Der fängt an natürlich leichter erstmal zu schmelzen, bildet vulkanischen Teil davon. Das macht es hinterher petrologisch spannend, macht es hinterher natürlich… |
[01:02:19] | Öl…tralala. Petrologisch. |
[01:02:20] | Genau. Nein, petrologisch im Sinne von Gesteinen. |
[01:02:23] | Ah, ok. |
[01:02:23] | Ja. Also… |
[01:02:25] | Petrifiziert, ja, okay. |
[01:02:26] | Genau, genau, genau. Aber in einer ganz einfachen physikalischen Betrachtungsweise ist es nur so, dass das kalte Erdoberfläche irgendwann gravitativ zu schwer wird, wieder zurück sinkt und natürlich an den Orten, wo dann sozusagen Raum gebildet wird, einfach neues Material vom Inneren nach oben dringt und sich dort auch wieder abkühlt… |
[01:02:49] | …weil da weniger drauf drückt, also kann etwas raus. |
[01:02:50] | Genau, genau. |
[01:02:51] | Das heißt aber sozusagen, Vulkanismus ist jetzt geophysikalisch aus der Perspektive, wie wir es gerade diskutieren, eigentlich egal. |
[01:02:57] | Im Prinzip ja. Muss ich natürlich aufpassen, wenn ich dir das im Blog sage. Natürlich muss ich sagen, dass der Vulkanismus essenziell ist. |
[01:03:04] | Weil du hast Kollegen, die das wichtig finden. |
[01:03:06] | Genau und ich finde das ja auch wichtig. Ja. Aber natürlich, wenn man es ganz einfach unter planetaren Aspekten anschaut und in der großen Dynamik, kann man zunächst erstmal unter dem Aspekt von Dichteunterschieden, Temperaturunterschieden, diese Komplikation ein bisschen weg denken und kann einfach sozusagen außerhalb dessen erstmal fragen: Wie sieht das generell eigentlich in einem strömenden System aus? Und das ist einfach dieser Aspekt der Grenzflächen, an denen eben durch die Konduktion sehr große Temperaturunterschiede – dementsprechend Dichteunterschiede – erzeugt werden, die dann wieder zurück sinken ins Innere des konvektiven Systems. Jetzt gibt es spiegelbildlich dazu genau das Gleiche natürlich an der Kern-Mantel-Grenze. Aber an der Kern-Mantel-Grenze ist es jetzt nicht ein Bereich, der ungewöhnlich kühl ist relativ zum Rest des Mantels, sondern er ist ungewöhnlich heiß relativ zum Rest des Mantels. Weil an der Stelle ist ja der heiße Kern in Kontakt mit dem Mantel und dort geschieht jetzt genau das Gleiche, allerdings eben durch Aufströme. |
[01:04:02] | Das heißt, dort gibt es ebenfalls wieder eine Grenzschicht, auch vermutlich so ungefähr 100 Kilometer weit, in der das Material bis zu 1000 Grad vermutlich heißer ist… |
[01:04:10] | Das Mantelmaterial? |
[01:04:11] | Das Mantelmaterial…als das darüber liegende Mantelmaterial. Und dort führt es dann wiederum ebenfalls zu gravitativen Aufströmen. Auch zunächst nicht unbedingt geschmolzen, vielleicht, aber nicht…das sehen wir als keinen primären Aspekt des Prozesses. Und diese heißen Gesteine haben dann ebenfalls wieder so viel Auftrieb, dass sie sich bis an die Erdoberfläche heraus bringen können. Die sogenannten Plumes, von denen du vielleicht gehört hast, sind genau dieser Aspekt. Also wenn ich mir jetzt Hawaii vorstelle im Pazifik, dann liegt Hawaii gerade über einem Bereich, in dem vermutlich von der Kern-Mantel-Grenze durch den gesamten Mantel im Pazifik durch sich Material bis nach oben arbeitet. Und natürlich, weil es schon signifikant wärmer ist als das umgebende Gestein, dann dort einen lokalen Schmelzprozess bewirkt, so dass sich dann wirklich die hawaiischen Inseln bilden können. In Nordeuropa ist das Äquivalent Island. Dann haben wir so etwas natürlich in den Azoren. Es gibt Réunion, das ist im indischen Ozean, eine Übersee-Provinz von Frankreich. Und so gibt es also mehrere solcher sogenannten Hotspots, die Material vermutlich widerspiegeln, das wirklich von der Kern-Mantel-Grenze bis zu uns an die Oberfläche bringt. |
[01:05:30] | Das heißt, die haben dann auch, wenn man da hin geht und Steine klopft, findet man da anderes Material als in Indien nebendran, zum Beispiel? |
[01:05:35] | Genau. Aber man muss natürlich schon sehr genau gucken. In der Grobchemie, also der sogenannten, der allgemeinen Chemie, sind die Gesteine gar nicht mal so unterschiedlich. Man kann sich aber die Isotopen heraus holen. Und an den Isotopen kann man feststellen, dass dann in diesen Nebenelementen signifikante chemische Unterschiede sind relativ zu dem, was man zum Beispiel am mittelozeanischen Rücken finden würde und kann also auf die Art und Weise auch chemisch darauf rückschließen, dass das doch nochmal eine andere Quelle haben muss als das, was am Rücken stattfindet. |
[01:06:06] | Du hast vorhin leichtsinnigerweise gesagt, Venus und Mars machen das anders. Willst du mit zwei Sätzen kurz sagen, wie? |
[01:06:11] | Ja. Und zwar haben beide Planeten keine Plattentektonik im Sinne der Erde. |
[01:06:15] | Dann sollten wir, glaube ich, erstmal kurz Plattentektonik nochmal erklären. |
[01:06:18] | Gut. |
[01:06:19] | Weil, also, wir haben verstanden, du hast von der afrikanischen, pazifischen Platte geredet. Wenn ich Platten habe, muss ich sie irgendwie abgrenzen, das heißt, da gibt es Risse oder Grenzen oder Gräben oder wie auch immer. |
[01:06:28] | Ja. |
[01:06:29] | Wieso haben wir überhaupt verschiedene Platten? Wieso gibt es da nicht eine homogene Fläche mit random Stellen, wo halt irgendetwas auseinander bricht – haben wir ja gerade gesagt – wo es subduktiert und aufsteigt. Wieso gibt es da identifizierbare Platten? Oder ist das einfach gerade aktuell die zufällige Situation? |
[01:06:44] | Nein, also die Erde hat vermutlich schon relativ lange Plattentektonik. Die Plattentektonik ist aber in meinen Augen auch etwas, was ich oft in der Grundvorlesung sage, eine der komischsten wissenschaftlichen Hypothesen, die wir haben. Und zwar, wenn ich auf den Stachus gehen würde und die Leute frage, ob sie jemals davon gehört haben, würden die meisten vermutlich sagen: Ja. Wenn ich die zehn – sagen wir mal – besten Geophysiker in der Welt in einen Raum setzen würde und frage: “Wissen wir, wie es technisch funktioniert?”, muss die Antwort sein: “Nein”. |
[01:07:11] | Also wir verstehen es nicht wirklich. Die Plattentektonik ist ja zunächst erstmal nur eine kinematische Beschreibung. Die sagt einfach nur: Wenn ich das Geschwindigkeitsfeld an der Oberfläche messe, … |
[01:07:19] | Da fährt irgendetwas in der Gegend rum. |
[01:07:20] | …stelle ich fest, dass das nicht völlig zufällig ist, sondern dass bestimmte Blöcke kohärent sich bewegen. Das ist das Einzige, was eigentlich die Plattentektonik zunächst erstmal sagt. Warum ein Planet es so macht und ein anderer Planet so, ist nicht wirklich klar. Es gibt natürlich relativ gute Ideen dazu. Eine Idee ist, dass gerade in der Erde an der Unterseite der Platten eine Zone besonderer Mobilität besteht, die sogenannte Asthenosphäre. Diese Asthenosphäre ist uns zum Beispiel deswegen bekannt, weil ein großer Teil der Kontinente im isostatischen Gleichgewicht ist. |
[01:07:55] | Was heißt das? |
[01:07:56] | Isostatisch heißt, sie sind einfach eben in einer Tiefe, die einfach ihrem Gewicht entspricht. |
[01:08:00] | Achso, sie schwimmen einfach ganz… |
[01:08:02] | Sie schwimmen. |
[01:08:02] | Ja, okay. |
[01:08:02] | Ja. Das muss aber bedeuten, dass darunter ein Niveau liegt, das eigentlich solche Schwimmbewegungen zulässt. Und wenn man also so eine Asthenosphäre hat, dann ist das vermutlich eine Bedingung, um hinterher sehr sehr großflächig Strömungen auszubilden unterhalb der Platten, die sehr kohärent Spannungsfelder orientieren können. Jetzt spreche ich schon ein bisschen von meiner eigenen Forschung, da kommen wir zum Schluss hin. |
[01:08:31] | Ja, ja, klar. |
[01:08:31] | Aber das ist eigentlich eine sehr attraktive Vorstellung, dass die Erde unter Umständen eben diese Asthenosphäre hat und die anderen Planeten sie unter Umständen nicht haben aus Gründen, die nicht ganz klar sind. |
[01:08:42] | Wollte ich gerade fragen. |
[01:08:43] | Könnte zum Beispiel…eine Möglichkeit, warum die Erde eine Asthenosphäre hat, ist, dass die Subduktion eben Wasser wieder einträgt in den Planeten und Wasseranteile – unser Planet ist ja ein sehr sehr feuchter Planet – … |
[01:08:57] | Ja. Das sind die anderen beiden nicht. |
[01:08:59] | …dass die in diesen Fällen, gerade in den oberen paar hundert Kilometern des Erdmantels oder des Venusmantels oder des Marsmantels, dass sie also bei der Erde dafür sorgen, dass diese obere Zone besonders stabil, mobil, ist. Entschuldigung, besonders mobil ist, da muss ich aufpassen. |
[01:09:18] | Während das unter Umständen bei Venus und Mars nicht der Fall ist. Das ist aber natürlich, jetzt ist man weit in der Forschung drin. |
[01:09:24] | Jetzt ist man also wirklich an dem, was wir eigentlich versuchen zu erforschen. Und wo die Forschungsmeinung noch nicht fertig gebildet ist. |
[01:09:33] | Okay. Gut, also zurück, wir haben diese Platten und wir identifizieren die Zugehörigkeit eines Punktes auf der Erde zu der Platte dadurch, wie sich dieser Punkt im Laufe der Zeit durch Messungen wahrscheinlich… |
[01:09:46] | Genau. |
[01:09:47] | Laser…tralala. Oder? |
[01:09:48] | Ja. Also wenn wir zum Beispiel ein GPS verwenden würden, dann würden wir feststellen, dass überall im Bereich der europäischen Platte dann ein bestimmtes Bewegungsfeld stattfindet. Wenn wir jetzt aber uns über den mittelatlantischen Rücken hinweg bewegen würden, würden wir uns mit der Geschwindigkeit der nordamerikanischen Platte bewegen. |
[01:10:09] | Das heißt, man macht das auch tatsächlich so? Man stellt da einen Messpunkt auf, hängt ein GPS hin und das sind ja Zentimeter pro Jahr… |
[01:10:15] | Genau. |
[01:10:15] | …GPS kann das, wenn man es entsprechend…assisted… |
[01:10:17] | Genau, heutzutage…Genau, heute kann man das also über GPS sogar relativ in Echtzeit nachbilden. Natürlich war das früher sehr viel schwerer, da hätte man natürlich dann einfach die geologischen Hinweise verwendet, die es dazu gab. GPS ist ja auch erst ungefähr seit 10, 15 Jahren da. |
[01:10:35] | Ja. Unverschlüsselt, so dass es auch genau genug ist. |
[01:10:37] | Ja, ja. |
[01:10:38] | Okay. Das beantwortet aber jetzt noch nicht meine Frage. Ich weiß auch gar nicht, ob es da eine Antwort gibt, ob wir die kennen. Warum ist das so, warum gibt es einzelne Platten? Warum gibt es nicht das Ding oder warum gibt es nicht viele viele viele kleine Dinger, die dann gar nicht mehr sinnvoll unterscheidbar sind? |
[01:10:54] | Ja. Genau. Und die Antwort, die ich nennen würde, ist: Weil wir eben auf der Erde die Asthenosphäre haben. Das ist aber meine persönliche Meinung, das heißt also die Asthenosphäre innerhalb der Erde, da gibt es eine ganze Menge Annahmen die man dazu machen kann. Man kann zum Beispiel Computermodelle rechnen, in denen es eine Asthenosphäre gibt und in denen es keine gibt. Und sie führen zu völlig unterschiedlichen Mustern in der Konvektionsströmung. Also das ist schon mal ein sehr interessanter Hinweis, ja. Man kann sich natürlich aber auch überlegen, wie zum Beispiel einfach durch mathematische Analyse die Wellenlängen von konvektiven Instabilitäten verändern würden. Wenn zum Beispiel in einer Flüssigkeit eine ganz ganz leicht deformierbare Lage oben drüber liegt. Auch die geben einem einen Hinweis darauf, das sind sehr sehr schöne Arbeiten von einem sehr berühmten deutschen Kollegen, dem Fritz Busse in Bayreuth. Einer der Mitglieder in der nationalen Akademie of Science in Amerika, der sich also sehr sehr theoretisch damit beschäftigt hat. Und diese Hinweise sind natürlich deswegen spannend, weil sie im Prinzip schon sagen, dass also solche dünnen und sehr mobilen Schichten zu etwas führen, was zunächst erstmal in einer Konvektion ja gar nicht sein sollte. Eine Konvektion ist immer ein Dichteunterschied. Ein Dichteunterschied wird durch die Gravitation immer in eine vertikale Bewegung… |
[01:12:12] | Genau, ja. |
[01:12:12] | Ja. Also zunächst ist erstmal überhaupt gar nicht klar, warum ich horizonal mich bewegen sollte. |
[01:12:16] | …und warum dadurch identifizierbare, abgrenzbare Platten entstehen. |
[01:12:19] | Genau. Und jetzt kannst du dir aber vorstellen, was geschieht, wenn in so einer Strömung nahe der Oberfläche jetzt eine sehr sehr leicht verformbare Schicht besteht. Sagen wir mal 200, 300 Kilometer dick, wie sie vermutlich für die Erde ist. Dort werden die konvektiv bedingten Aufströme und Abströme, vor allem die Aufströme aber, sofort zur Seite abgelenkt, weil das Material zur Seite einfach weg muss. Ja? Und so ein Prozess kann dazu führen, dass die Spannungen kohärent – und das ist der Punkt – kohärent über sehr sehr große Distanzen hinweg aufgebaut werden können. Über sehr große, weite Distanzen hinweg kann ich die Spannungen in ein kohärentes Spannungsfeld umwandeln. Und dann ist es natürlich so, dass die Kohärenz zu einer Aufintegration der Spannungen führt, so dass ich unter Umständen in der Lage bin die Lithosphäre zu brechen. |
[01:13:12] | Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, dass der Planet so etwas nicht hätte, dann würden die Aufströme einfach nur zu vertikalen Spannungen an der Plattenunterseite führen, aber sich nicht groß kohärent über Tausende von Kilometern zum Beispiel in eine bestimmte Richtung ausbreiten können. Und dann wäre die Lithosphäre einfach zu stark, um zerbrochen zu werden. Dann sind zwar Spannungen jederzeit da, die aber sich eigentlich letztendlich zu Null aufaddieren. Und das ist vermutlich eine sehr spannende Überlegung, die man hinterher sich überlegen könnte, dass Plattentektonik wirklich sich auf der Erde so ausbildet. |
[01:13:48] | Also sozusagen die Plattenstruktur und die Grenzen reflektieren die vertikalen Strömungen im Erdmantel oder Aufströmungsverhalten, Austauschbewegungen in gewisser Weise? |
[01:14:00] | Ja. Ja. Und diese Aufströmungen – wie gesagt – führen also zunächst erstmal ganz unmittelbar zu den horizontalen Bewegungen, die die Plattentektonik macht. Aber implizit in dem, was ich gesagt habe, kannst du ja schon feststellen, dass da letztendlich auch eine Vertikalspannung drin stecken muss, weil zunächst muss ja erstmal… |
[01:14:19] | … zum Beispiel steigt so ein Plum innerhalb der Erde auf, irgendwann kommt er in den Bereich der Asthenosphäre, dort wird das Material sehr sehr schnell zur Seite abgegeben, weil es einfach sehr mobil ist. Trotzdem ist aber immer noch ein Auftrieb in dem Bereich drin und dieser Auftrieb kann natürlich hinterher die Oberfläche erheblich auslenken. Und das ist genau das, was uns die Geologen sagen. Ich selber habe in den letzten sechs Jahren ein Schwerpunktprogramm geführt der deutschen Forschungsgemeinschaft über den Südatlantik. Und der Südatlantik ist zum Beispiel ein Bereich, in dem man das ganz ganz eindeutig sieht. Also man merkt, dass der Südatlantik zum Beispiel sowohl auf dem Ozeanboden selber als aber auch zum Beispiel in den darum liegenden Kontinenten erhebliche Vertikalbewegungen durchführt. Also, schau dir zum Beispiel Johannesburg an. Wenn du in Johannesburg landest, landest du in ungefähr einem Kilometer Höhe. Nun ist es aber eigentlich so, dass Kontinente üblicherweise mehr oder weniger in der Nähe vom Meeresniveau liegen sollten, weil sie einfach erodiv abgetragen werden. |
[01:15:14] | Ja. Trotzdem sieht aber das südliche Afrika als etwas aus, was wirklich fast einen Kilometer über dem Meeresspiegel liegt. |
[01:15:21] | Also hier steht gerade so eine überhöhte Erdkugel neben uns. |
[01:15:25] | Genau. |
[01:15:25] | Und du hast gerade darauf gezeigt und das ist alles braun. Braun heißt hoch. |
[01:15:28] | Genau das. Und was wirklich spannend ist, ist: Die Geologen wissen eigentlich aus einer Vielzahl von Beobachtungen, dass das vermutlich gar nicht so alt ist. Vielleicht ist es 40 Millionen Jahre alt, vielleicht ist es 80 Millionen Jahre alt. Aber es gab mit Sicherheit eine Zeit im südlichen Afrika, in der ein Großteil des südlichen Afrikas wesentlich näher am Meeresspiegel war. Zum Beispiel gibt es marine Sedimente in diesen Regionen, die aber jetzt einen Kilometer überhalb vom Meeresspiegel liegen. Das heißt also, die Konvektion des Mantels äußert sich eben nicht nur darin, dass sie Plattentektonik erzeugt. Unter Umständen eben durch diese Bewegungen der Asthenosphäre, die die Spannung kohärent über große Bereiche hinweg ausrichten. Sondern sie äußert sich auch in den Vertikalbewegungen, das heißt also, dass Bereiche angehoben werden, dann aber auch wieder Bereiche abgesenkt werden. Und gerade diese absenkenden Bereiche sind zum Beispiel die Bereiche, die dann als sogenannte Becken sehr sehr viele Sedimente aufnehmen. |
[01:16:24] | In den Sedimenten ist oft organisches Material drin, das heißt also, das sind auch die Bereiche, in denen sehr große Ölförderungen stattfinden. Das heißt also, der Mantel hat da ganz erstaunliche Einflüsse, die zunächst erstmal gar nicht evident sind. Um dir ein Beispiel zu nennen, nun ist ja wieder der Globus neben uns, aber wir erzählen das mal unseren Zuhörern. Vor ungefähr 80 Millionen Jahren konnte man auf dem nordamerikanischen Kontinent von Alaska nach Houston mit dem Schiff durchfahren. Der gesamte Kontinent war mit Ausnahme des westlichsten und östlichsten Teils vom Meer überflutet. |
[01:17:01] | Das sind die ganzen Bereiche, in denen zum Beispiel heute die texanischen Ölförderungen stattfinden. Oklahoma oder, wenn man dann weiter nach Norden geht, die kanadischen Teersande. Das sind alles Bereiche, die in diesem Becken abgelagert wurden mit sehr sehr viel natürlich organischem Material, was heute zu Öl führt. Aber diese Vertikalbewegung von Hunderten von Metern ist zunächst ja sonst gar nicht zu verstehen. Warum soll der Kontinent das tun? Der ist ja im isostatischen Gleichgewicht. Er erfährt aber zusätzlich zu dieser Isostasie Spannungsbewegungen, die aus der Konvektion des Erdmantels selber heraus kommen. Das heißt also, da äußert sich die Konvektion in einer Art und Weise, die gerade für jemanden – wenn man da natürlich auch historische Geologie gehört hat – ich habe in Tübingen sehr viel auch mir Vorlesungen zur historischen Geologie angehört, die eigentlich sehr spannend sind und man hört, dass es also Flachmeere gibt, die die Kontinente überfluten. Und man wundert sich zunächst einmal, warum soll das eigentlich geschehen? |
[01:17:55] | Wo kommt das ganze Wasser her? |
[01:17:56] | Wo kommt das Wasser her? |
[01:17:57] | Aber tatsächlich gehen die Kontinente runter. |
[01:17:59] | Genau und stattdessen aber eigentlich, was geschieht, ist, dass die Kontinente sich einfach vertikal bewegen. |
[01:18:03] | Ja, ja. Okay. |
[01:18:05] | So, und das heißt also, gerade solche Ideen, wie also solche Plattentektonik stattfindet, die sind natürlich sehr sehr schwierig und sind sehr kompliziert. Was vielleicht noch schwieriger ist – ich kann es vielleicht für unsere Zuhörer nur andeuten – ist: Selbst wenn ich mir vorstellen könnte, ich könnte ein Computermodell zur Plattentektonik machen – manche Gruppen versuchen das – dann ist das natürlich besonders schwer zu testen. Denn ich meine, es gibt ja viele Möglichkeiten, wie ich so etwas erzeugen könnte. |
[01:18:32] | Ja, klar. |
[01:18:33] | Nun ist es aber nicht klar, ob die Möglichkeit, die ich gewählt habe, hinterher der tatsächlichen entspricht. Und das heißt also, gerade das Testen von geologischen Modellen wird in der Zukunft gerade für die theoretische Geophysik eine ganz spannende Frage werden, weil wir das wahrscheinlich sehr neu angehen müssen vergleichsweise dem, wie das traditionell gemacht wird. Denn natürlich letztendlich, ein Computermodell ist zunächst erstmal nur eine logisch konsistente Darstellung, es ist nicht unbedingt die richtige. |
[01:19:00] | Die Parametrierung ist halt üblicherweise frei. |
[01:19:01] | Genau. Also in gewisser Weise kann man fast sagen, ist es wie Philosophie auch. Im besten Fall ist sie logisch konsistent. |
[01:19:07] | Ja, ja, genau. |
[01:19:08] | Wenn sie inkonsistent ist, ist sie sowieso falsch. |
[01:19:10] | Aber selbst wenn sie in sich konsistent und stimmig ist, muss sie noch nicht richtig sein. |
[01:19:15] | Ja, ja. |
[01:19:15] | Und diese Art von Testen ist natürlich gerade für die Geophysik schwierig, weil natürlich unsere Beobachtungen in der Vergangenheit liegen. |
[01:19:23] | Ich hätte es jetzt gar nicht mal als Testen bezeichnet, sondern als Verankerung. Also man braucht quasi ein paar Fixpunkte, wo man tatsächlich Daten hat, an denen man dann quasi ansonsten den freien Parameter-Raum irgendwo fixieren kann. |
[01:19:34] | Ja. |
[01:19:35] | So kann man es vielleicht auch sagen. |
[01:19:36] | Ja, ja. Wobei man sich immer überlegen muss: Was tut man eigentlich in einem Modell? In einem Modell sagt man: Es gibt eine bestimmte Art von Physik, die bilde ich durch die Gleichungen ab und dann nehme ich Parameter, von denen ich denke, dass sie sozusagen das Material gut widerspiegeln. |
[01:19:48] | Genau. |
[01:19:49] | Und dann würde ich eine Vorhersage machen und würde sie mit der Beobachtung machen. |
[01:19:52] | Ja, ja, klar. Ja. |
[01:19:53] | Und jetzt habe ich ein Problem, denn zum Beispiel die Vorhersagen, die man innerhalb der Geophysik in der Plattentektonik macht, spielen sich mindestens auf Zeiträumen von Tausenden von Jahren, eigentlich mehr Zehntausende oder Hundertausende von Jahren ab. Das heißt, weder du noch ich sind hier, um je zu wissen, was gerechnet wurde, ob es richtig ist. |
[01:20:10] | Ja, logisch, ja. |
[01:20:11] | So, und dieses Problem wird nicht weg gehen, das heißt da gibt es sehr sehr spannende Fragen – sich zu überlegen: Kann man das unter Umständen anders machen? |
[01:20:18] | Nicht mal EU-Forschungsprojekte gehen so lang. Die dauern zwar auch oft ewig, aber… |
[01:20:24] | Vor allem haben sie sehr viel Papierkram. |
[01:20:26] | Richtig. Vielleicht, wenn man die Beantragungs- und Genehmigungszeit verwenden würde, das würde in diese Größenordnung vielleicht passen. |
[01:20:33] | Genau. Genau. |
[01:20:33] | Die Laufzeit nicht. Sind diese Plattenstrukturen stabil oder ändern die sich über die Zeit? Also ich will sagen: Hatten wir früher mal andere Platten? |
[01:20:40] | Ja. Und zwar, Platten kommen und gehen die ganze Zeit. |
[01:20:44] | Also natürlich… |
[01:20:45] | Achso, muss eigentlich, weil sich die Strömungen ja ändern. |
[01:20:47] | Genau. Nun fangen wir mal mit den ozeanischen Platten an, da ist es am einfachsten. Es gibt gesamte ozeanische Platten, wie zum Beispiel die sogenannte Farallon-Platte. Die Farallon-Platte war fast so groß wie heute die pazifische Platte. Die ist völlig weg. Es gibt ein paar kleine Überreste, zum Beispiel nördlich der Küste von Oregon. Da kommt auch der Name her. Es gibt kleine Inseln vor der Küste von San Francisco, wo du jetzt neulich warst. |
[01:21:13] | Alcatraz. |
[01:21:14] | Die sogenannten…nicht Alcatraz, das ist noch auf der Kontinentsache. Die Farallon-Inseln sind ungefähr 50 Kilometer raus. Aber ziemlich aus der Golden Gate Bridge raus. Und die sind der Namensgeber für diese Platte, die man heute eigentlich nur noch deswegen identifizieren kann, weil natürlich an der Plattentektonik, an einem Rücken, immer ein Spiegelbild entsteht. Eine Platte kreiere ich, aber eine andere kommt ja auch dazu. |
[01:21:38] | Weil sich das quasi so auseinander splittet. |
[01:21:40] | Genau. Und wenn ich heute mir die pazifische Platte anschaue, dann sehe ich, dass eigentlich die Platte sich nur so geformt haben kann, wie sie heute ist, wenn es weiter östlich einen Rücken gab. |
[01:21:49] | Aha, okay. |
[01:21:50] | Und östlich von diesem Rücken muss ja dann die spiegelbildliche Platte gewesen sein. |
[01:21:53] | Und diese Platte ist die Farallon-Platte. Und die ist also riesengroß, oder war riesengroß. Und die ist heute völlig verschwunden. Also da sieht man, dass Platten zum Beispiel völlig kommen und auch wieder gehen können. Die pazifische Platte war vor 150 Millionen Jahren nur ein ganz kleiner Teil des pazifischen Ozeans. Also wirklich nur ein ganz kleiner Splitter-Teil im Zentralbereich des Ozeans. Zumindest nimmt man das durch Rückkonstruktionen an. Und ist heute aber die größte Platte der Erde. Gleichzeitig, bei den Kontinenten ist es ein bisschen kompliziert. Die Kontinente als solche bleiben natürlich an der Oberfläche aufgrund ihrer leichteren Gesteine. Aber man sieht bei den Kontinenten zum Beispiel, dass ja vor 200 Millionen Jahren alle Kontinente im Urkontinent drin waren, im Pangaea. Und auch Pangaea hat sich ja dann heute völlig aufgelöst und ist jetzt in den einzelnen Kontinenten. |
[01:22:48] | Der sogenannte Südkontinent Gondwana ist ein anderes schönes Beispiel dafür, wo also die Einzelteile von Gondwana, zum Beispiel Indien, Antarktika, Australien, Südamerika, Afrika, heute ja einzelne Kontinente darstellen. |
[01:23:01] | Woher wissen wir das? Wie können wir das zurückverfolgen? Sind das Rückrechnungen über die Bewegungen oder kann man da aufgrund der Gesteine, Mineralien, irgendwas zur Zugehörigkeit… |
[01:23:08] | Vieles. Wegener hat ja viel dazu gemacht. Also, heute würden wir natürlich im Wesentlichen versuchen, das über die Magnetisierung der Gesteine zu machen. Und solange der Ozeanboden zwischen zwei auseinander driftenden Kontinenten da ist, kann man das auch sogar sehr sehr genau machen. Schwieriger ist es, wenn man eine Subduktionszone irgendwo drin hat, weil dann ist das Material, was dazu gehört, ja nicht mehr vorhanden. Aber gerade bei Gondwana ist das sehr schön, da kann man also die ganzen Ozeane um Afrika herum ja wieder sozusagen zurück bringen in die ursprüngliche Form. Wegener hat aber sehr viel breiter darüber nachgedacht. Beeindruckend, also das ist ein Buch, was ich wirklich allen Zuhörern empfehle. Wenn man also das Buch durchliest, dann wird man feststellen, dass Wegener also mit vergleichsweise wenig Beobachtungen erstaunlich sorgfältige Rückschlüsse gemacht hat. Das ist eigentlich das, was in meinen Augen besonders beeindruckend ist. Wenn eine Sachlage vollkommen klar ist, dann ist sie natürlich für jeden offensichtlich. Für Wegener waren viele Dinge offensichtlich, obwohl die Sachlage gar nicht so klar war. Das ist eigentlich… |
[01:24:10] | Also hat der nur Glück gehabt mit seinen Vorhersagen, oder… |
[01:24:12] | Nein, also wenn man das Buch liest – und deswegen will ich es auch wirklich sagen, ich nehme es auch manchmal in der Vorlesung für Studenten durch – es wird klar, dass ihm jede dieser Beobachtungen in ihrer Tragweite klar ist. Also zum Beispiel ein Beispiel: Es gibt bestimmte Beobachtungen für Oberflächenwellen, eine oder zwei hatte er damals zur Verfügung, die über den Südatlantik gehen. Aus denen schloss er auf eine Asthenosphäre. Und klar, heute wissen wir das aus Tausenden von Beobachtungen ziemlich offensichtlich, aber dass er damals diesen Rückschluss schon machen konnte, sprach einfach für die Tiefe, mit der er über das Problem nachgedacht hat. Aber Wegener hat auch paleontologische Sachen verwendet, sedimentologische Beobachtungen, Beobachtungen zum Klima, vieles, was er einfach dann zusammen gebracht hat. |
[01:24:57] | Pangaea und Gondwanaland waren ja, wie du gerade gesagt hast, diese Superkontinente. Wenn man so will, so eine Art Platten…das ist völlig beknackt, der Begriff, aber so eine Art plattentektonischer Urknall. Wir können da nicht davor gucken, oder? Weil wir ja nicht wissen können, ob es davor schon mal andere Platten gab, die sich dann zusammen getan haben und diese Megaplatten produziert haben. |
[01:25:17] | Ja, ja. |
[01:25:18] | Das heißt, die Frage, was davor war, kannst du nicht beantworten? |
[01:25:21] | Ja, sagen wir mal so: 30 Prozent der Oberfläche sind ja Kontinente, die bleiben ja. 70 Prozent sind die Ozeane. Das heißt also, wenn ich jetzt vor Pangaea schauen möchte, dann fehlt mir natürlich zu einem allergroßen Teil diese 70 Prozent des Ozeanbodens. Aber das, wo die Kontinente sich zumindest innerhalb des Dipolfeldes im Magnetfeld bewegt haben – das ist natürlich jetzt von der Longitude her nicht bestimmt – aber wenn sie sich zum Beispiel in Nord-Süd-Richtung bewegt haben, das ist natürlich nach wie vor messbar. Und das führt dazu, dass es Spekulationen gibt, dass auch vor Pangaea mindestens ein oder zwei weitere Superkontinente vorhanden waren. Einer trägt den Namen Rodinia, zum Beispiel. |
[01:26:07] | Das heißt also, man kann auch dort – und das wird in der Paleomagnetik auch eigentlich sehr klug gemacht – schon technisch spekulieren, ob es da vorher etwas gab. Und die Antwort ist: Vermutlich ja. |
[01:26:19] | Und entwickelt sich unsere jetzige Kontinentstruktur wieder in Richtung einem Superkontinent oder strömen wir gerade noch auseinander? Oder wie kann man das… |
[01:26:29] | Im Augenblick strömen wir auseinander. Manche Leute würden natürlich sagen, wenn das weiter anhält, wird natürlich alles auf der anderen Seite… |
[01:26:33] | Klar, dann stoßen wir drüben wieder an, klar. |
[01:26:37] | Der Grund, warum ich da mich normalerweise nicht so beteilige, ist: Wir sind ja alle nicht da, um es zu wissen, ob es stimmt. Das heißt, wir könnten Vorhersagen machen, aber da diese Vorhersagen kraft Definitionum ja gar nicht testbar sind – das wären 100 Millionen Jahre von heute – ist das natürlich in gewisser Weise müßig. |
[01:26:56] | Ich hatte letztes Jahr im September eine Episode zu String Theory mit dem Alexander Westphal und da gibt es ja auch viele Dinge, die man gar nicht per Definition testen kann. Und da war eben auch die Frage: Ist es dann überhaupt noch Wissenschaft? Ab wann bezeichnet man es vielleicht nicht mehr so, oder ab wann sollte man sich als Wissenschaftler vielleicht einfach nicht mehr darum kümmern und sagen: Wir wissen es nicht, können wir nicht wissen, Ende der Diskussion? Das ist wieder so ein Punkt hier. |
[01:27:21] | Ja. Und ich halte das einfach deswegen für wichtig, weil natürlich – wie ich vorhin gesagt habe – auch in den Erdwissenschaften wir eben dieses fundamentale Problem haben, dass bestimmte Dinge für uns einfach nicht beobachtbar sind. Offensichtlich Prozesse in der Zukunft, gerade bei solchen langsamen Prozessen, wie wir sie betrachten. Aber auch vieles, was zum Beispiel tief im Erdinneren ist, ist für uns einfach auf absehbare Zeit, wenn nicht absolut Dinge geschehen, die wir uns überhaupt nicht vorstellen können, nicht beobachtbar. Und dann ist es für den Zuhörer wichtig zu sagen, auch an der Stelle können wir einfach ganz grundsätzlich nicht ewarten, dass wir etwas sagen könnten. |
[01:27:54] | Ja. Ich habe noch zwei Fragen, die von einem Hörer kommen, der sich augenscheinlich auskennt mit der Materie. Das Eine ist eine Frage Richtung Antikontinente. |
[01:28:02] | Sehr schön, ja das geht zurück auf einen Kollegen, Wysession, im mittleren Westen, das ist die…also, frag erstmal deine Frage, dann werden wir sehen. |
[01:28:12] | Ja, was ist das, gibt es die wirklich, warum gibt es die, was sind das? Also das hast du richtig angefangen. |
[01:28:16] | Genau, genau, genau. Mein Kollege Mike Wysession, den ich sehr schätze, hat eigentlich mal vor zehn, 15 Jahren eine Serie von Papern darüber geschrieben. Man kann sich ja Kontinente vorstellen, wie im Prinzip das leichte Material, was oben aufströmt. Umgedreht ist es aber natürlich genauso vorstellbar, dass es natürlich auch dichtere Komponenten gibt, einfach chemisch dichtere Komponenten, nicht unbedingt thermisch. Das kann ja kommen und gehen. Aber einfach intrinsisch dicht und die würden früher oder später nach unten absinken. Und diese, denen hat Mike, der sie versucht hat, oder zumindest der in den seismischen Wellen Dinge gesehen hat, die ein bisschen komisch sind, an der Kern-Mantel-Grenze, denen hat er versucht, diesen Begriff zu geben. Das heißt also, schwerere Bereiche, auch vielleicht 100 Kilometer dick auf vielleicht viele Hunderte Kilometer ausgedehnt, die sozusagen auf der Kern-Mantel-Grenze aufschwimmen und die man sich dann sozusagen gedanklich schön mit diesem Begriff vorstellen kann. Also im Prinzip schwere Teile, die im Mantel absinken und dann eben diesen Antikontinent oder mehrere Antikontinente an der Unterseite des Mantels bilden, so wie die Kontinente an der Oberseite des Mantels sind. |
[01:29:26] | Kann man das durch die üblichen seismischen Mittel irgendwie…also war das eine Theorie, oder kann man das irgendwie belegen? |
[01:29:31] | Nein, ursprünglich war es…nein, belegbar ist es natürlich bisher nur sehr schwer, weil natürlich die seismischen Beobachtungen in diesem Bereich immer sehr schwierig machbar sind. Da gibt es viele Fortschritte, da könnten wir lange darüber reden. Von daher denke ich mir, das wird man in Zukunft auch wesentlich besser wissen können. Aber zunächst waren eigentlich die…der Anstoß für das, was Mike Wysession da angeschaut hatte, seismische Beobachtungen. Und dann hat man sich überlegt, okay, diese seismischen Beobachtungen könnten damit zusammen hängen, dass da zum Beispiel chemisch anderes Material ist. |
[01:30:01] | Okay. Also es war quasi ein theoretisches Modell für bestimmte Beobachtungen, die man gemacht hat. |
[01:30:05] | Ja, genau, genau. |
[01:30:06] | Zweite Frage aus dieser Richtung, die ist ein bisschen nahe liegender: Inwiefern führt die Plattentektonik auf der Erde noch zu nennenswerten Änderungen, zum Beispiel bei Gebirgen? Wird der Himalaya mal 10000 Meter hoch, oder…kann man da irgendwie etwas sagen? |
[01:30:27] | Ja, sehr sehr schöne Frage. Und zwar, also natürlich geht die Plattentektonik die ganze Zeit jetzt weiter. Das hört ja nicht auf, das sind einfach nur langsame Geschwindigkeiten. Das heißt also, eigentlich können natürlich an Rändern, wie zum Beispiel zwischen Indien und Asien, wo zwei Platten kollidieren – ich muss das vorsichtig wählen – zumindest, wo sie eben aneinander kommen, wo dann eben solche Gebirge aufgefaltet werden, können natürlich Gebirge weiter hoch gehen. Die Frage ist aber eigentlich schon sehr interessant. Und zwar ist es hier nicht einfach nur eine Frage des Drucks, ja? Komme ich jetzt noch weiter im Druck und kann ich sozusagen noch weiter Dinge aufschieben? Sondern sie hat letztendlich früher oder später etwas mit der mechanischen Festigkeit und wiederum der Isostasie der sogenannten kontinentalen Kruste zu tun. Das heißt also, wenn ich jetzt versuche, extrem hohe Gebirge aufzufalten, dann brauchen diese Gebirge, um natürlich isostatisch ausgeglichen zu sein, und das sind sie, das wissen wir aus der Gravitation, tiefe Wurzeln. Aber diese Wurzeln sind unter Umständen irgendwann so tief, dass sie in Bereiche eindringen, die einfach so heiß sind, dass sie gar nicht mehr stabil bleiben können. |
[01:31:38] | In der Hinsicht interpretiere ich die Frage – und so verwende ich sie auch manchmal in meinen Vorlesungen – als eine Frage, könnte es zu irgendeinem Zeitpunkt in der Erdgeschichte Gebirge gegeben haben, die signifikant anders in der Höhe waren als heute? Und die Antwort ist: Vermutlich nein. |
[01:31:54] | Einfach, weil ihre Krusten das früher oder später, also ihre Wurzeln früher oder später limitieren. |
[01:31:59] | Weil die abschmelzen? |
[01:32:01] | Genau. |
[01:32:04] | Nochmal kurz zu den Messverfahren, das habe ich vorhin vergessen. Auch von einem Hörer, der ganz offensichtlich da schonmal etwas darüber gehört, oder zumindest meint, gelesen zu haben. Er fragt, ob für die Plattentektonik auch VLBI, also Very Large Baseline Interferometry… |
[01:32:18] | Ja. |
[01:32:19] | …willst du da zwei Sätze dazu sagen? Weil ich glaube, außer dem Hörer weiß keiner, was das ist. |
[01:32:24] | Gut, also das ist…auf der einen Seite heißt das das Very Long Baseline Inteferometry. Dazu müssten wir meinen Kollegen Roland Beil drüben in der Geodäsie bei der Technischen Universität fragen. Eines der wenigen Stationen, die es dafür gibt, es gibt ca. zehn, glaube ich, ist hier zum Beispiel in Wettzell, in Bayern, eine der Fundamentalstationen. Man misst dort im Wesentlichen die Wellenausbreitung von ganz weit entfernten sogenannten Quasaren und versucht dann aus der Kohärenz zwischen verschiedenen Stationen und der Phasenunterschied, der dann natürlich im Laufe der Zeit entstehen würde, wenn sich die Stationen selber gegenseitig bewegen, eine Bewegung relativ zueinander heraus zu tun. Das war in den 80ern und 90ern natürlich ein faszinierendes Verfahren. |
[01:33:12] | Wo es noch kein GPS gab. |
[01:33:13] | Aber heute gibt es halt GPS. Und dann ist das natürlich wesentlich leichter über GPS zu machen. |
[01:33:17] | Eine andere Frage, die ich auch vorhin…die hatte ich nicht gut genug sortiert hier. Inwieweit sind denn die…ist der Mond und seine gravitatorischen Auswirkungen auf die Erde und den Erdkern möglicherweise eine Energiequelle für den Kern und die da vorhandene… |
[01:33:35] | Wenig, wenig. |
[01:33:36] | Wenig, kann man auch vergessen. |
[01:33:37] | Ja. |
[01:33:37] | Okay. Also die Gezeiten sind sozusagen…also der Erdkern hat keine Gezeiten. |
[01:33:44] | Ja. |
[01:33:44] | Okay. Gut, dann lass uns mal ein bisschen über dein Spezialgebiet reden. |
[01:33:51] | Gut. |
[01:33:52] | Also, rechnergestützte Verfahren. Ich sehe hier Mathematica-Bücher und so, das ist natürlich schonmal ein Hinweis. |
[01:33:58] | Genau, genau, genau. Und früher hätte ich dich auch in einen großen Rechenbereich mitgenommen. Wir haben drüben auf dem Stockwerk natürlich auch sehr sehr große Rechenanlagen. Wir haben hier am Lehrstuhl sicher sehr sehr weite Rechencluster, nennt man sowas, mit vielen Tausenden von Prozessoren. |
[01:34:17] | Wir sind natürlich auch sehr stark am Leibniz-Rechenzentrum involviert. Das ist also das bundesdeutsche Höchstleistungsrechenzentrum. Die grundsätzliche…was meine Arbeit im Prinzip kennzeichnet, ich bin sozusagen ein theoretischer Geophysiker. Das heißt also, im Gegensatz zu Geophysikern, die sehr viel im Feld sind und messen, ist meine Arbeitsgruppe eine, die sich natürlich im Wesentlichen theoretisch mit den Fragen zusammen beschäftigt. Ich bezeichne uns manchmal im Prinzip als das Äquivalent der Kosmologie. Die Kosmologie hat ja auch den Auftrag in Prinzip all die Beobachtungen, die man über die Sterne macht, in einen Zusammenhang zu bestellen. Das ist eigentlich die Aufgabe der theoretischen Geophysik und ganz spezifisch gibt es dort einen Bereich, der sich mit den Kräften, also wirklich der Dynamik, beschäftigt. Das ist die sogenannte Geodynamik. |
[01:35:01] | Und die Geodynamik hat in den letzten 20 Jahren sehr sehr viel Fortschritt gemacht, weil natürlich geodynamische Prozesse nicht linear sind. Das heißt also, wenn ich zum Beispiel eine bestimmte Kenngröße verändere um den Faktor zwei, dann ist oft das Ergebnis eben nicht um den Faktor zwei anders, sondern um irgendwelche Potenzen davon. Und diese Art von Nichtlinearität lässt sich mit den klassischen, analytischen, mathematischen Verfahren oft nur sehr schwer darstellen. Das heißt also, gerade in Bereichen, die sich mit solchen nichtlinearen Prozessen, wie Konvektion, beschäftigen, haben natürlich in den letzten 20 Jahren von Rechnern enorm profitiert. Ich nenne die Meteorologie… |
[01:35:40] | …natürlich die Ozeanologie, all solche Felder, die davon sehr stark profitieren können. Und das, was natürlich die Geodynamik im Globalen versucht zu tun, ist das Äquivalent eines Zirkulationsmodells, so wie es für die Atmosphäre und die Ozeane besteht. Solche Zirkulationen durchzurechnen war sicher eine der ganz ganz großen Aufgaben in den letzten 30 Jahren, Pi mal Daumen. Man hat vielleicht in den späten 80ern angefangen, 3D-sphärisch rechnen zu können, zunächst natürlich mit sehr groben Auflösungen, ist dann hinterher zu sehr viel feineren Auflösungen gekommen, ist heute an einem Punkt, wo man fast die realen Parameterregime verwenden kann. Und dann in sogenannten Szenario-Simulationen einfach mal versucht zu sagen: Okay, wenn ich zum Beispiel die Temperatur, an der Kern-Mantel-Grenze verändere, was passiert? Oder wenn ich jetzt eine Asthenosphäre ganz spezifisch mit berücksichtige, was passiert im Strömungsmuster? Oder was geschieht, wenn ich mir vorstelle, dass bestimmte Bereiche in der Konvektion chemisch ausgezeichnet und anders sind, was geschieht dann? |
[01:36:45] | Diese Szenario-Simulationen geben einem sehr sehr viel eine Vorstellung davon, wie ein Planet überhaupt funktionieren kann. Was ist möglich, was ist nicht möglich? Zum Beispiel, wenn ich vorhin gesagt habe, dass der Temperaturverlauf innerhalb der Erde vermutlich so einer Z-Kurve entspricht, also sehr sehr starker Anstieg in den oberen 100 Kilometern, dann ein konstanter Bereich über Tausende von Kilometern, dann wieder ein sehr sehr starker Anstieg, da ist natürlich auch vieles an Modellvorstellungen, die da hinein geflossen sind, aus denen man hinterher klar merkt: Aha, das sind die darunter liegenden Prozesse, so muss das eigentlich geschehen. Das ist eigentlich das, was viel in meiner Gruppe über lange Jahre hinweg versucht wurde zu untersuchen. Wir haben uns aber eigentlich in den letzten zehn Jahren aufgrund dieses fundamentalen Problems, was ich am Anfang schon ein bisschen geschildert habe, nämlich, dass es eigentlich schwer ist, Modelle explizit zu testen, versucht, mathematisch in eine neue Richtung zu entwickeln. |
[01:37:41] | Und zwar kann man natürlich anstatt von Szenario-Simulationen, die einfach sagen: Wenn ich das verändere, geschieht das oder wenn ich das verändere, geschieht das, die Frage stellen: Naja, ich weiß ja ganz genau, was der Südatlantik gemacht hat oder ich weiß ja ganz genau, wie sich zum Beispiel Europa in den letzten 30 Millionen Jahren entwickelt hat. Wie viel davon hat jetzt explizit mit Mantelkonvektion zu tun? Das ist aber jetzt eben eine Frage, in der ich wissen muss: Wie ist die Historie der Mantelkonvektion explizit gewesen? Das heißt also, wie sieht der Mantel vor 30 Millionen Jahren aus? Wie sieht der Mantel vor 80 Millionen Jahren aus? Und das ist ganz überraschend, dass man dazu eine mathematische Gleichung aufstellen kann, die ein Problem löst. Die sagt: Wenn der Mantel heute so aussieht, muss er vorher so ausgesehen haben. |
[01:38:28] | Das heißt, man macht im Prinzip…versuchen wir mal den Unterschied zwischen dem Klassischen und dem, was ihr jetzt macht, auf den Punkt zu bringen. |
[01:38:35] | Gut. |
[01:38:35] | Was ist da vom mathematischen Vorgehen her anders? Also, es sind ja, irgendwelche andere Dinge werden als gegeben genommen. |
[01:38:40] | Genau. |
[01:38:40] | Und irgendwas anderes als unbekannt. |
[01:38:42] | Genau. |
[01:38:42] | Ich hab das noch nicht so richtig… |
[01:38:43] | Genau, nein, ist auch richtig. Es ist auch kompliziert. Es ist wirklich kompliziert. Auf den Punkt gebracht, und dann müssten wir es aber nochmal ein bisschen heraus arbeiten. |
[01:38:51] | Es ist der Unterschied zwischen einem sogenannten Vorwärtsproblem und einem sogenannten inversen Problem. |
[01:38:56] | Ah ja, okay. |
[01:38:57] | Das Vorwärtsproblem sagt: Ich kenne die Parameter und ich kriege die Lösung hinterher heraus. |
[01:39:01] | Ja. Okay. Ich fange an einem Startpunkt an, habe Formeln, die sagen: f(x) ist so und so, und ich rechne einfach vorwärts. |
[01:39:09] | Genau. |
[01:39:09] | Und im inversen Problem ist die Frage: Ich kenne den Endzustand, was ist eine Formel, die mir den errechnen kann unter Voraussetzung, ich kenne den Startzustand auch? |
[01:39:17] | Genau das. |
[01:39:18] | Den muss ich natürlich erstmal irgendwoher kennen. |
[01:39:19] | Genau das. So und was motiviert das? Wie gesagt, grundsätzlich wird das natürlich motiviert durch die Tatsache, dass du mir zwar sagen könntest, du glaubst, du weißt alle Parameter und ich würde dann eine Vorhersage machen, wie die Erde in 30 Millionen Jahren aussieht. |
[01:39:33] | Aber wir beide wüssten nie, ob wir jeweils Recht hatten. |
[01:39:36] | Ja, ja. |
[01:39:36] | Ja. Also kann man diesen Weg ganz grundsätzlich nicht gehen. |
[01:39:39] | Der wird früher oder später nicht weiter führen. |
[01:39:43] | Und das gilt für viele Aspekte, einschließlich dessen, dass man auch die Plattentektonik so wird nicht testen können. |
[01:39:50] | Also muss man sich fragen: Was muss ich eigentlich anders angehen, als Theoretiker? Ganz grundsätzlich theoretisch. Und dann setze ich halt das inverse Problem ab und das Schöne ist natürlich, in der Strömungsmechanik, oder einfach grundsätzlich eben, in theoretischen Bereichen der Physik kann man natürlich oft von einem Gebiet zum anderen übertragen. Es gibt ein ganz klassisches Beispiel für dieses Problem. Das kommt aus der Hydrogeologie. Es gibt verseuchtes Grundwasser, drei Tankstellen und die Frage wäre: Wer war jetzt eigentlich derjenige, der das verursacht? Da ist zum Beispiel ein Großteil der Mathematik schon in den 80ern dafür ausgearbeitet worden, die dann einfach iterativ sagt: Zu dem Endzustand und den gegebenen Formeln passen die und die Parameter am besten. Und dann kann ich ja sehen, okay, es war Tankstelle A. |
[01:40:41] | Und dann macht man wahrscheinlich auch so eine Sensitivitätsanalyse, wo man dann sagt: Wir variieren den mal ein bisschen, gucken, ob dann überhaupt im Ergebnis sich etwas ändert und kann damit auch Vertrauen schaffen in das Ergebnis? |
[01:40:52] | Genau das. So und jetzt kannst du dir natürlich vorstellen, es ist natürlich ein Schritt das zu machen von etwas, was vielleicht mehr so im Bereich von zwei, fünf, sieben Kilometern ist, für ein Grundwasserproblem auf einen Planeten zu übertragen. |
[01:41:03] | Das führt zum Beispiel a) dazu, dass wir beliebig viel Rechenleistung aufsaugen können. Also wenn uns das LRZ einen Computer geben würde, der zehnmal so groß ist, würden wir den auch benutzen. |
[01:41:13] | Fünf Jahre. |
[01:41:14] | Genau. Ja. Das ist natürlich für Rechenzentren sehr faszinierend, weil es natürlich wichtig ist, Probleme zu finden, die wirklich ganz große Rechner benutzen können und das ist natürlich eins, wo das eine ganz ganz wichtige Sache ist, wo das halt entsprechend möglich ist. Es führt aber auch natürlich dazu, dass man sich dann hinterher überlegt: Unter den verschiedenen Szenarien, wie die Vergangenheit ausgesehen haben kann, welches dieser Szenarien ist hinterher am ehesten mit unabhängigen anderen Beobachtungen abgleichbar? Vor allem, was ich jetzt vorher schon einmal gesagt habe, den ganzen Vertikalbewegungen, die man an der Oberfläche beobachtet. Und auf diese Art und Weise ist des theoretisch möglich, Planeten rückwärts in der Zeit zu rekonstruieren. Das ist eigentlich die Motivation, die vieles von dem, was wir am Lehrstuhl machen, motiviert, bei denen wir auch weltweit sehr stark mit vielen Gruppen zusammen arbeiten und die natürlich alle möglichen Aspekte beinhaltet. Wir unterhalten uns natürlich sehr viel mit Kollegen in Bayreuth zu Mineralphysik. |
[01:42:12] | Klar, ja. |
[01:42:13] | Wir unterhalten uns sehr viel mit Kollegen, die die seismischen Messungen machen, um genau zu interpretieren: Was bedeutet denn so eine Messung technisch? |
[01:42:21] | Ja. Und hinterher wird vermutlich die Möglichkeit bestehen, zumindest für eine gewisse Zeit, ganze Filme ablaufen lassen zu können, wie die Erde eigentlich ausgesehen haben könnte zu früheren Zeiten. Und dementsprechend dann testen und herausfinden: An welcher Stelle können wir einfach nicht weiter unterscheiden? Also, verschiedene Möglichkeiten, die dann ungefähr gleich ähnlich wären. |
[01:42:43] | Was geht in so ein Modell rein? Welche physikalischen Vorgänge? Also irgendwelche Dichte, Reibungsgeschichten, Temperatur… |
[01:42:49] | Ja. Also zunächst, ganz einfach ausgedrückt, sind das natürlich die sogenannten Erhaltungsgleichungen. |
[01:42:54] | Ja, klar. |
[01:42:55] | Vor allem Erhaltung für den Impuls, es gibt Erhaltung für die Energie, es gibt eine Erhaltung für die Masse. Diese Erhaltungsgleichungen beinhalten natürlich manche der Prozesse, die du schon genannt hast. Also Reibung zum Beispiel wäre natürlich in der Impulserhaltungsgleichung mit drin. |
[01:43:07] | Und diese Gleichungen löst man. Dann gehen natürlich normalerweise in solche Gleichungen Anfangsbedingungen und Randbedingungen hinein. Die Anfangsbedingung ist uns aber zum Beispiel nicht bekannt, wenn wir zum Beispiel aus der Kreidezeit heraus sagen würden: Die Erde sah so in der Tiefe in der Kreide aus und hat sich so weiter fort entwickelt. Diese Information ist uns aber im Erdinneren nicht bekannt. Wir wissen nicht, wie das Erdinnere in der Kreidezeit ausgesehen hat. Wir wissen vielleicht, wie die Erdoberfläche ausgesehen hat, aber nicht unbedingt das Erdinnere. Randbedingungen sind dann natürlich Fragen, ob man zum Beispiel weiß, dass sich die Oberfläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt hat. Naja, dann kann ich natürlich eine Randbedingung wählen, die diese Oberflächengeschwindigkeit wieder mit abbildet. Das ist eine Form von Assimilierung. Man nimmt schon eine gewisse Information zusätzlich in das Modell hinein, weil man sie ja unabhängig davon hat. An der Kern-Mantel-Grenze macht man oft die Annahme, dass die Reibung zwischen Kern und Mantel vernachlässigbar ist, weil der Kern natürlich de facto sehr sehr niedrige Viskositäten hat. |
[01:44:09] | So etwas nennt man dann eine spannungsfreie Randbedingung. Und dann kann man natürlich – und muss – Annahmen zu den Parametern machen, zum Beispiel: Wie hoch ist die Viskosität von Gesteinen? Dazu gibt es Beobachtungen, die zum Beispiel aus dem Abschmelzen der Gletscher gewonnen werden. Also, als die Gletscher abgeschmolzen sind in Skandinavien, haben die natürlich eine Depression hinterlassen. Heute ist das die Ostsee, die natürlich aber auch langsam wieder aufsteigt. Aus den Aufsteigbewegungen kann man eine gewisse Vorstellung für die Mobilität und die Festigkeit des Gesteins ableiten und die Zahl – das ist natürlich für unsere Zuhörer eine sehr abstrakte Zahl – ist 10^21 Pascalsekunden. |
[01:44:49] | Okay. Pascal ist Druck… |
[01:44:50] | Wasser hat ungefähr…Pascal ist natürlich ein Druck und Sekunde ist Zeit. Warum ist das so? Das ist im Prinzip eine Verbindung zwischen einer Spannung und einer Deformationsrate. Und da kommt dann der Proportionalitätskonstant hinein. |
[01:45:08] | Also es ist so eine klassische Einheit, die sich durch Kürzen ergibt? |
[01:45:11] | Genau. |
[01:45:11] | Wenn man es nicht gekürzt hätte, würde wahrscheinlich mehr der Physik aus der Einheit erkennbar werden. |
[01:45:15] | Genau. Genau. Aber der Grund, warum ich es nenne, ist: Diese Einheit für die Viskosität, die wäre zum Beispiel für Wasser im Bereich 10^-1 Pascalsekunden. |
[01:45:23] | Oh, okay. |
[01:45:24] | Also wir sind 20 Größenordnungen weg in der Festigkeit des Materials. Trotzdem kann man aber nominell eine Viskosität definieren und kann dann eben sagen, das wäre eine Annahme, die man im Modell braucht. Man kann natürlich dann sich auch ein Modell überlegen: Was sind zum Beispiel Temperaturen an der Oberfläche? Die kenne ich ja, die kann ich dann reingeben. Was wären die Temperaturen vielleicht an der Kern-Mantel-Grenze? Auch dafür hat man relativ technische Vorstellungen und kann dann einfach rechnen: Was geschieht in solchen Modellen? |
[01:45:54] | Die Mathematik, die da rein geht…du hattest vorhin mal irgendwas von Mathematik erwähnt, ich weiß nicht genau in welchem Zusammenhang, aber ist das irgendwie besonders anspruchsvoll oder wird da jetzt naiv einfach ein Stückchen Raum genommen, so ein Quader, und dann werden einfach diese Gleichungen, die den physikalischen Prozessen, die du gerade erwähnt hast, entsprechen, dort einfach durchgerechnet? |
[01:46:18] | Ja. |
[01:46:18] | Oder ist da mathematisch noch irgend eine mathematische Herausforderung? Es gibt immer drei Aspekte: Es gibt das richtige Modell und Parameter finden, es gibt die Frage: Wie nähere ich diese Dinge an? Und dann: Was muss ich mathematisch noch cleveres tun, damit ich es vereinfache und effizient rechenbar mache? |
[01:46:34] | Ja, ja. Lass mich mal ein bisschen schmunzelnd antworten. Wenn ich in der Grundvorlesung herum gucke, habe ich das Gefühl, naiv ist es nicht. |
[01:46:45] | Also muss man auf die Art und Weise natürlich ein bisschen aufpassen. |
[01:46:47] | Ja, klar. |
[01:46:48] | In gewisser Weise sind das natürlich sehr klassische Erhaltungsgleichungen. Von daher müsste man sagen: Ein Großteil, wie grundsätzlich solche Gleichungen zu formulieren sind, sind natürlich verstanden. Dann kommen natürlich aber sehr spannende Fragen ins Spiel. Also die Frage der Inversion ist zum Beispiel eine, wo ich dir erzählt habe, also, das ist das Problem rückwärts in die Zeit. Dazu publifizieren wir in mathematischen Journalen. Also das ist auch gar nicht mal geophysikalisch, sondern es ist also wirklich zum Beispiel das Journal für Geomathematik, in dem einfach wirklich überlegt wird: Wie sieht so ein inverses Problem aus? Hat es eine eindeutige Lösung? Ist das stabil? Solche Fragen, die man natürlich dann ganz technisch sich überlegen muss. Es gibt natürlich aber auch viele Fragen zur Numerik, also zum Beispiel gibt es bestimmte Verfahren, die besser sind als andere. Die müsste man sich sehr sorgfältig durchlesen. |
[01:47:38] | Aber das ist schon eigentlich eher Grundlagenforschung in der numerischen Simulation, das heißt Analyse, und hat nicht unbedingt ganz dringend etwas mit eurem Problem zu tun? |
[01:47:47] | Genau. Also wir würden nicht unbedingt erwarten, dass die Massenerhaltungsgleichung morgen ganz anders ist. |
[01:47:52] | Ja. Klar, ja. Das heißt also, okay, das heißt, die Formulierung eures physikalischen Problems in mathematischen Gleichungen ist erstmal nicht das Problem, wenn man das richtige Modell mal sich ausgedacht hat. Und dann kann man natürlich – das ist ja das Schöne bei numerischer Mathematik – dass die Lösungsalgorithmen ja relativ entkoppelt sind. Oder die (unverständlich) Algorithmen relativ entkoppelt sind von der… |
[01:48:18] | Genau. Ja. So dass man die im Prinzip sehr weit unabhängig davon betrachten kann… |
[01:48:22] | Genau. |
[01:48:23] | …und dann sagen: Für diese Klasse von Problemen sind diese Lösungsalgorithmen besser geeignet. |
[01:48:27] | Ja. Habt ihr ein Wolkenproblem? Also, was ich damit sagen will, ist: Die Meteorologen, die gerade ja am Klima rumrechnen – oder eigentlich sollte man sagen Klimaforscher – die haben ja oft…oder sind sich, glaube ich, historisch nicht so richtig sicher gewesen, welche Bedeutung Wolkenbildung und die damit vorhandene Reflexion auf die Klimaveränderung hat. Gibt es bei euch auch so Probleme, von denen ihr nicht so richtig wisst, ob und wie weit ihr die mit rein rechnen müsst, um dann zu wissen, ob das Ergebnis stimmt? Weißt du, auf was ich hinaus will? |
[01:48:55] | Ja. Ich übersetze mal, wie ich es vielleicht – wie ich es in meiner Sprache nennen würde. |
[01:48:59] | Ja, ja, ja. |
[01:49:01] | Das Problem in der Meteorologie bei solchen Prozessen ist, dass es Dinge gibt, die auf Skalen stattfinden, die unterhalb der Gitter liegen. |
[01:49:08] | Subskalige Prozesse,… |
[01:49:10] | …die man dann natürlich parametrisiert… |
[01:49:13] | …annähert… |
[01:49:14] | …genau, annähert. Und auf die Art und Weise in gewisser Weise – und das ist ein echtes Problem – zusätzliche Informationen ins Modell hinein steckt. Weil das ist eine Annahme, die in dem Sinne im Modell nicht mehr drin ist. Die muss ich schon hinein geben. Wir haben zum Beispiel Fragestellungen hinsichtlich unterschiedlicher chemischer Vermischungseigenschaften in Gesteinen, die auf diese Art und Weise zum Beispiel eine Frage werden können. Ich glaube, ich hatte auch in einer der Fragen gelesen: Vermischt sich hinterher das Gestein nach einer gewissen Zeit wieder? Das ist natürlich in diesem Falle nicht der Fall, weil das Gestein in dem Sinne überhaupt keine Turbulenzen durchgeht. Diese Strömung ist rein laminar. |
[01:49:58] | Und weil sie natürlich laminar ist, können chemische Anomalien unter Umständen für Hunderte von Millionen Jahren nebeneinander einfach mit hergezogen werden. Die Frage, wie man diese Art von Anomalien im Modell darstellt, ist im Augenblick eine Frage, die auch bei vielen Gruppen gemacht wird. Wo man also zum Beispiel durch sogenannte Partikelmethoden versucht, diese subskaligen Prozesse in den Rechnungen mitzunehmen, obwohl sie im Kontinuum nicht abgebildet ist. |
[01:50:29] | Aber man macht das quasi in einer separaten Rechnung, um damit wieder einen Parameter für die großskalige Rechnung zu kriegen. |
[01:50:35] | Genau. |
[01:50:35] | Alles gemeinsam zu rechnen wäre zu teuer. |
[01:50:36] | Genau. Genau. Und auf diese Art und Weise sind wir eigentlich den Meteorologen dann wiederum gar nicht so unähnlich, auf dieser abstrakten Weise, weil wir natürlich dann diese Fragen auch haben. Wobei man vielleicht immer wieder bei uns betonen soll: Bei uns ist natürlich immer wieder auch die Beobachtung eben der gerade solche feinskaligen Prozesse als solche schon wieder ein Problem. Nun ist es auch für die Meteorologie nicht leicht, Wolken sorgfältig technisch zu beobachten, aber bei uns ist natürlich vieles noch sehr viel indirekter nur erfassbar… |
[01:51:05] | …und hat natürlich dementsprechend wiederum einen Rückfluss dessen, was man überhaupt im Modell rechnen sollte und was nicht. |
[01:51:10] | Willst du nochmal kurz sagen, was das mathematische Problem, oder die mathematische Herausforderung bei inversen Problemen ist? Du sagtest, ihr publiziert in dem Umfeld auch im mathematischen Bereich. |
[01:51:20] | Ja. |
[01:51:21] | Was ist der Knackpunkt, oder warum sind inverse Probleme mathematisch anders zu behandeln als Vorwärtsprobleme? |
[01:51:27] | Ja. Zunächst erstmal ganz grundsätzlich ist natürlich ein inverses Problem immer im Prinzip die Lösung von vielen Vorwärtsproblemen. Das ist einfach erstmal die…das ist also, man bestimmt einen Gradienten. Um einen Gradienten zu bestimmen, muss ich natürlich erstmal an verschiedenen Stellen gerechnet haben. Das ist erstmal ganz grundsätzlich das Problem, warum ein inverses Problem erstmal aufwändiger ist als ein Vorwärtsproblem. Und inverse Probleme gibt es natürlich in vielen Bereichen, also in der Geophysik klassisch ist das die Seismologie, die eben solche inversen Probleme hat. Aber man kann sich natürlich die Frage stellen, ob das inverse Problem für Konvektion überhaupt eine eindeutige Lösung hat. |
[01:52:02] | Also ist das generell das Problem überhaupt erstmal zu wissen, ob es überhaupt eine Lösung gibt? |
[01:52:07] | Genau. Und wir haben uns damit in den letzten Jahren sehr sehr viel damit beschäftigt und das überraschende ist: Die Antwort ist ja. |
[01:52:15] | Und das ist wirklich überraschend, also die meisten meiner Kollegen würden das vermutlich gar nicht mal unbedingt erwarten. |
[01:52:21] | Woher wisst ihr das? Wie seid ihr darauf gekommen? |
[01:52:23] | Ja gut, es gibt natürlich in der Literatur dazu sehr sehr viele ganz grundsätzliche mathematische Analysen und Thesen. Es gibt einen Kollegen in der Mathematik in Amerika in den 50er Jahren, der sich sehr eindeutig damit beschäftigt hat. Das heißt also, damit gibt es eine theoretische Grundlage. Wie wir das in dem Sinne erforschen, ist, dass wir natürlich zum Beispiel mit sehr unterschiedlichen Startannahmen in das inverse Problem hinein gehen und dann schauen, ob die Endergebnisse die gleichen sind. |
[01:52:51] | Auch das Sensitivitätsding. |
[01:52:53] | Genau. Ja. Und auf diese Art und Weise kann man das eigentlich sehr technisch überlegen und dann hinterher Beiträge leisten, in denen solche Fragen heraus gearbeitet werden müssen. |
[01:53:03] | Und das macht es eben einfach sehr neu. Und solche Fragen müssen erstmal ganz grundsätzlich untersucht werden. Da will man noch gar nicht einfach sagen, die Erde sieht zu dem Zeitpunkt so aus… |
[01:53:13] | Ja, klar. |
[01:53:13] | …sondern man sagt einfach nur ganz generell in einem Modell: Wenn ich die Annahmen mache, passiert das und das. Und ich kann unter Umständen eben eine Eindeutigkeit, ich kann eine Stabilität, ich kann andere Dinge dabei festigen, die jetzt zu kompliziert wären, wo ich dann aber sagen würde: Das kann man natürlich in den Papern nachlesen. |
[01:53:28] | Ja, ja, klar, logisch. Kann man vielleicht auch ein paar verlinken. Lassen sich diese Art von Problemen gut parallelisieren? Weil es ist ja heutzutage wichtig, weil Moore’s Law ja nur noch über die Menge der Kerne läuft. |
[01:53:37] | Genau, genau, genau. Die unmittelbare Antwort zunächst muss erstmal lauten: Im Prinzip nicht, denn die entsprechende Bewegungsgleichung, die dahinter steckt, das ist eine sogenannte Stokes-Gleichung, ist eine Gleichung, die sehr weite Bereiche innerhalb der Domäne koppelt. Dementsprechend ist also Parallelisierung erstmal etwas, was in dem Sinne nicht zu erwarten ist. Es gibt aber Verfahren, in denen man zum Beispiel die Domänen aufsplittet in Unterdomänen und dann eben durch Parallelaustausch von Informationen die Domänen dann wieder miteinander koppelt, in denen man das doch noch relativ effizient hinkriegt. |
[01:54:13] | Das heißt also, die Parallelausführbarmachung von dem vielleicht möglicherweise relativ einfachen Algorithmus ist an sich schon eine Herausforderung,… |
[01:54:21] | Ja. |
[01:54:21] | …die ihr dann neben der Modellbildung noch betrachten müsst. |
[01:54:23] | Ja, also es ist nicht das, was man sonst zum Beispiel trivial parallel nennen würde. Es ist nicht einfach, dass ich sozusagen 100 Instanzen gleichzeitig nebeneinander laufen lassen kann, sondern das ist wirklich alles eng gekoppelt. |
[01:54:34] | Ja. Mit welchen Sprachen macht ihr…ich habe vorhin schon gesagt, da steht ein Mathematica-Buch herum, mehrere sogar. Mathematica ist ja erstmal, oder historisch ja vor allem deshalb interessant, weil es analytisch rechnen kann. Das ist jetzt ja hier nur in der Modellbildung vielleicht interessant? |
[01:54:51] | Nein, also was wir natürlich hinterher wirklich tun, ist Hardcore-Rechnen. Und für Hardcore-Rechnen ist nach wie vor eigentlich Fortran… |
[01:55:00] | Immer noch. |
[01:55:00] | …eine der bevorzugten Sprachen. |
[01:55:03] | Ich hatte Hoffnung, weil ich habe kein Buch gefunden hier. Oder gesehen. |
[01:55:06] | Da müsstest du in das andere Zimmer gehen, da stehen die. |
[01:55:09] | Da stehen die Bücher, die du wirklich brauchst. Okay. Okay. Also immer noch. Das ist schade. Okay. Das heißt, in deinem Arbeitsalltag bist du dann durchaus öfter mal am Programmieren, oder machen das deine Mitarbeiter und du bist mehr der Modellbuilder? |
[01:55:28] | Ja, das variiert natürlich im Laufe der Karriere, denn… |
[01:55:31] | Okay, heute. |
[01:55:32] | …als ich…heute bin ich leider natürlich viel in Sitzungen… |
[01:55:36] | Ja, okay. Ja gut, lass… |
[01:55:37] | …und dementsprechend bin ich natürlich heute vielleicht nur noch einmal oder zweimal in der Woche wirklich am Rechner. Als Doktorand hat man natürlich zwölf Stunden am Tag dafür Zeit. |
[01:55:47] | Von daher ist natürlich heute in gewisser Weise meine Aufgabe in der Gruppe mehr die, zu sagen: Das sind die Probleme, die wir machen müssen, hier wäre mein Vorschlag, wie wir es tun würden, ich würde natürlich gegenchecken, aber natürlich hat man eine Familie, ich leite einen Lehrstuhl, natürlich nicht mehr die Zeit, die man hat, als man früher selbstständig als Doktorand an der Promotion arbeitet. |
[01:56:08] | Aber deine Kollegen dann hier in deiner Arbeitsgruppe, die verbringen einen Großteil ihrer Zeit tatsächlich am Rechner, indem sie Algorithmen bauen, parallel, habt ihr das Know-How zur Parallelisierung selber? Oder redet ihr für den Parallelisierungsaspekt auch mit Leuten, zum Beispiel vom Rechenzentrum, die sich dann mit euch zusammen an einen Rechner hinhocken und sagen: Hier haben wir einen Algorithmus, den habt ihr euch ausgedacht, den müssen wir jetzt parallelisieren, das machen wir gemeinsam? |
[01:56:30] | Klassisch immer so. |
[01:56:31] | Immer so, okay. |
[01:56:31] | Das heißt also, auch schon damals, als ich mit solchen Verfahren angefangen habe, vor vielen vielen Jahren, Mitte der 90er, war das natürlich immer im Zusammenhang mit den Informatikern. |
[01:56:44] | Denn man geht dann hin und sagt: Was habt ihr für solche Sachen? Oder oft ist es ja vielleicht sogar umgedreht. Die Informatiker haben im Prinzip schon Dinge ausgearbeitet, die funktionieren könnten und man sieht nachher, im Prinzip ist es eine ähnliche Art von Lösungsstruktur. |
[01:56:55] | Sie suchen einen Anwendungsfall für das Paper? |
[01:56:56] | Genau. Und das ist ja völlig legitim. |
[01:56:58] | Ja, ja, klar. |
[01:56:58] | Ja. Und von daher ist das eine sehr sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Auch jetzt bin ich – oder sind wir eigentlich mit der Gruppe – in einem Schwerpunktprogramm, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat, ein sehr sehr international sichtbares, das nennt sich Exascale Computing, wird also auch in der Welt sehr stark bewundert, weil es natürlich Deutschland mit dem Instrumentarium des Schwerpunktprogramms ein Instrumentarium hat, das in vielen anderen Ländern so gar nicht geht. |
[01:57:22] | Es wird also zentral von der DFG ein Programm in den letzten drei Jahren, jetzt die nächsten drei Jahre, weiter gefördert, in denen vorbereitet werden soll: Wie werden wir auf den Maschinen in den nächsten zehn Jahren rechnen? Also Maschinen, die erst in zehn Jahren überhaupt kommen, die jetzt im Prinzip schon gedanklich natürlich klar sind, wie werden die aussehen, für die wir aber noch gar keine Algorithmen wirklich haben. Also zum Beispiel, es ist ja nicht klar, wie ich ein Computermodell rechnen soll, wenn man auf 100000 Kernen arbeitet. Was passiert, wenn ein Kern ausfällt? |
[01:57:56] | Ja, klar. |
[01:57:56] | Resilienz. Also Fragen, die dann kommen. Und in diesem Projekt, und das rechne ich der DFG sehr hoch an, der Kollege, der das leitet, ist der Kollege Bungartz, der leitet einen Lehrstuhl für Informatik hier an der Technischen Universität, werden also ganz bewusst Computerscientists, Informatiker, Naturwissenschaftler zusammen gebracht, um dann in Verbundprojekten, zum Beispiel für die Astrophysik oder unser Projekt ist eines für die Erdwissenschaften, ganz spezifisch versucht wird, Algorithmen für diese zukünftigen Maschinen schon vorzubereiten. |
[01:58:35] | Cool. Schön, wenn man so ein Thema hat, wo man sowohl an den Grundlagen der Numerik oder der Computerei etwas beitragen, publizieren, contributen kann und aber auch auf einer fachlichen Geschichte. Das ist bestimmt eine spannende Kombination. |
[01:58:48] | Naja also die Geophysik ist, glaube ich, etwas – ich hoffe ja, vielleicht hören auch ein paar junge Kollegen zu oder Zuhörer – die glaube ich, durch ihre Mischung sehr sehr faszinieren. Sie spricht also gerade diejenigen an, die im Prinzip sehr breit denken wollen. Man braucht natürlich auf der einen Seite Grundlagen aus der Geophysik und der Mechanik und der Physik. Man macht natürlich auch sehr viel einfach in der Theorie, die dann zusammen kommt. |
[01:59:11] | Aber es ist letztendlich immer ein Bereich, in dem die Interdisziplinarität einen besonderen Stellenwert hat. Also, wer über verschiedene Grenzen hinweg denken kann, kann eigentlich in der Geophysik im Zweifel immer sehr sehr gut voran kommen. Plus, was natürlich die Geophysik auch bisher spannend macht, ist, das ist ein vergleichsweise Fach. |
[01:59:30] | Und weil sie klein ist, ist sie natürlich sehr international. Also unsere Kollegen, man kann sie vielleicht…Geophysik der tiefen Erde, wenn ich es mal sagen würde, sind vielleicht 5000 Leute. Das heißt, überall auf der Welt kennt man eigentlich fast jeden nach einer gewissen Zeit, was zum Beispiel auch für die Studenten bedeutet: Wenn man einfach mal zum Beispiel in Australien ein Jahr verbringen will, dann ist das für uns ein Telefonanruf und dann ruft man bei den Kollegen in Canberra an und sagt: Habt ihr was? Und dann gibt es meistens irgendetwas. Das macht das Fach natürlich sehr angenehm. In Deutschland ist es ein Fach, was vergleichsweise natürlich oft so einen Orchideen-Charakter hat. Muss man immer ein bisschen gucken, obwohl die Geophysik eigentlich in Deutschland de facto erfunden wurde. Der erste Lehrstuhl für Geophysik war der Lehrstuhl vom Kollegen Wiechert in Göttingen. |
[02:00:19] | Aber natürlich in anderen Ländern, nehmen wir uns Kalifornien an, ist es natürlich ganz offensichtlich… |
[02:00:24] | Naja, die haben da ja auch ganz egoistisch ein Interesse daran. |
[02:00:26] | Genau. Ja. Das heißt also, man sieht da auch, wie das dann natürlich von Ort zu Ort extrem anders ist. Trotzdem ist natürlich die Geophysik in Deutschland eine, die einen sehr sehr hohen Stellenwert und Ruf in der Welt hat. |
[02:00:39] | Cool. Ich habe keine Fragen mehr. |
[02:00:42] | Sehr schön. |
[02:00:43] | Hast du noch ein Wort zum Ausklang, einen Appell an die Weltbevölkerung, der kleine Teil, der zuhört? Keine Ahnung, irgendein… |
[02:00:50] | Also, zunächst erstmal muss ich gestehen, das Gespräch hat mir sehr gut gefallen. |
[02:00:53] | Das ist gut, mir auch. |
[02:00:53] | Ich war natürlich nicht darauf vorbereitet, wie das jetzt alles geht und deswegen mussten wir uns so ein bisschen treiben lassen. Generell, was ich natürlich hier den Zuhörern vermitteln möchte, ist, wie spannend und faszinierend Geophysik ist. Was wirklich in meinen Augen die Geophysik ungewöhnlich macht, ist, dass sie so unintuitiv ist. Viele Dinge, die man normalerweise aus den Längenskalen und Zeitskalen des menschlichen Bewusstseins annimmt, stellen sich auf den Zeitskalen und Längenskalen eines Planeten als falsch heraus. Und das macht die Geophysik so ungewöhnlich. Man muss also wirklich versuchen, sich immer ganz bewusst technisch zu trainieren und über ein Problem nachzudenken und dann oft so ein bisschen wie ein Detektiv versuchen: Wo sind die entsprechenden Beobachtungen, die ich verwenden kann, um dann hinterher zu entscheiden, ob das Eine oder das Andere richtig war? Diese Faszination natürlich auch im Gespräch mit dir ein bisschen rüber zu bringen und natürlich auch da auch wieder mal Interesse zu wecken, ist eigentlich das, was ich ein bisschen hoffe, was unser Gespräch heute erreichen wird. |
[02:01:52] | Ja. Also mir hat es extrem viel Spaß gemacht. Ich fand es echt spannend und mir ging es eben genauso, es war – ich will jetzt nicht sagen interessanter als ich gedacht hätte – wenn ich es nicht interessant gefunden hätte, wäre ich nicht da, aber es ist facettenreicher, als ich geglaubt hätte. Also vielen herzlichen Dank, war echt klasse. |
[02:02:07] | Gerne, du auch. Tschüs. |
Transcript: omega tau XXX – YYY
COPY EPISODE ABSTRACT HERE
[00:02:48] | Mein Name ist Hans-Peter Bunge, ich leite den Lehrstuhl für Geophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Vielleicht sage ich ein bisschen was, wo ich her komme. |
[00:02:58] | Genau. |
[00:02:58] | Ich habe in Tübingen Geologie und Physik studiert, bin dann nach Amerika gegangen, hab dort mit einem Promotionsstipendium an der Universität Berkeley promoviert zu dem damals recht neuen Thema Globale Modelle der Erdmantelkonvektion. Großteil dieser Arbeit hat damals eigentlich stattgefunden am Los Alamos nationalen Labor, ich bin also ziemlich lange in Neu-Mexiko gewesen. Ein sehr schöner Bundesstaat, herrlich zum Leben. Danach bin ich für eine Assistenzprofessur nach Princeton gegangen, war dort also einige Zeit am Lehrkörper und hab dann vor guten 10 Jahren den Lehrstuhl hier in München angenommen. Das ist ungefähr, wo ich so ein bisschen her komme und was auch vielleicht ein bisschen motiviert, dass ich doch relativ lange auch außerhalb von Deutschland gelebt und gearbeitet habe und das natürlich auch heute versuche ein bisschen der Arbeit mitzubringen. |
[00:03:59] | Klar. Genau, und wir wollen uns heute unterhalten über die Erde an sich, also vor allem das unter der Erdoberfläche. Sollen wir mal damit anfangen die Erde von ihren Schichten her – weiß ja jeder, dass es verschiedene Schichten gibt – das mal grob zu strukturieren und dann über die weiter im Detail zu sprechen? |
[00:04:20] | Genau, machen wir. Und zwar, wenn man das klassisch so angeht, schneidet man die Erde so durch wie eine Kugel und dann sieht man, dass eigentlich vielleicht so zwei oder drei große Lagen da sind. Die äußere Lage ist der Erdmantel, Teil des Erdmantels im weiteren Sinne ist natürlich auch die festere äußere Hülle. Da gibt es oft ein bisschen ein Durcheinander, weil man spricht da manchmal von der Kruste, man spricht da manchmal von der Lithosphäre. Wir können das hinterher nochmal genauer aufteilen. Aber das sind eigentlich alles Bereiche, die aus den Gesteinen aufgebaut sind. Da nennen wir das Silikate. |
[00:04:58] | Und die sind auch fest dann? Oder ist es teilweise flüssig? |
[00:05:01] | Nein, eigentlich sind die alle fest. |
[00:05:04] | Das heißt, in der äußeren natürlich lithosphärischen Schicht, da sind sie auch wirklich geologisch fest. In dem darunter liegenden Erdmantel sind sie zwar immer noch fest, also es ist nicht so, dass da alles riesig geschmolzen mit Lavaseen ist, wie man das manchmal auch hört, sondern wir wissen aus seismischen Wellen, die durch das Erdinnere hindurch gehen, dass dort wirklich eine Scherfestigkeit herrscht. Aber natürlich sind die Temperaturen und auch die Drücke hoch genug, dass es über geologische Zeiträume dann nicht mehr fest ist. Das heißt, da muss man den Unterschied in der Zeit machen. Wenn ich jetzt wirklich ganz kurzfristig schaue, könnte man also wirklich solche Gesteine belasten, wenn ich aber vielleicht nach 10000 Jahren wiederkommen würde, hätten sie eine gewisse Verformung hinter sich. |
[00:05:56] | Ungefähr in der Hälfte des Erdradius, also 3000 Kilometer unter unseren Füßen, beginnt aber ein ganz anderes Regime, und zwar wechselt es dort zu den metallischen Stoffen und das ist der so genannte Erdkern, der im Wesentlichen aus Eisen aufgebaut ist. Und dieser Erdkern unterteilt sich dann nochmal ganz spezifisch in einen inneren und einen äußeren Kern. Der äußere Kern ist flüssig und der innere Kern ist dann wirklich fest. Auch das wissen wir wiederum aus Beobachtungen der Seismologie, seismischen Wellen, die durch das Erdinnere gehen. Das sind also sozusagen, die allererste Größenordnung ist im Prinzip ein metallischer innerer Teil unseres Planeten von null bis ungefähr 3000 Kilometer, die Hälfte. Und der ist sozusagen eingebettet in eine äußere Gesteinsschale, die dann die nächsten 3000 Kilometer ausmacht. Und das ist die grobe Struktur des Planeten. |
[00:06:58] | Wie kommt es, dass der innerste Kern fest ist? Man sollte ja denken, dass da aufgrund des wahrscheinlich größten Drucks und der größten Temperatur, da dann eher was flüssig ist. |
[00:07:07] | Ja, gute Frage. Und zwar, es gibt eigentlich immer so einen Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen Druck. Und die Temperatur nimmt natürlich mit der Tiefe nicht unbedingt linear zu, da können wir nachher nochmal schnell drüber gucken, dass das eigentlich gar nicht stimmen kann, da kann man sehr sehr schnell abschätzen. Die Drücke nehmen aber im Prinzip – man würde dazu sagen – hydrostatisch, also in einer linearen Form gewissermaßen zu, so dass also auch gerade im innersten Teil des Planeten riesig hohe Drücke herrschen und dort dann eben auch wieder das Eisen, was sonst im Rest des Kernes flüssig bleibt, im Zentrum dann doch wieder eine feste Form annimmt. |
[00:07:49] | Aufgrund des Drucks einfach, das gewinnt. Und Eisen ist der Hauptbestandteil, hast du gerade schon gesagt. Was haben wir da sonst noch? Oder ist das vernachlässigbar? |
[00:08:00] | Die anderen sind im Wesentlichen vernachlässigbar. Es ist gar nicht so leicht, die anderen wirklich dingfest zu machen. Es gibt dann also im Prinzip so übliche Verdächtige und dazu gehört natürlich auf der einen Seite Sauerstoff. Der Planet hat viel Sauerstoff. Auf der anderen Seite Schwefel und auf der dritten Seite Silizium, auch Silizium natürlich wieder, weil ein großer Teil des Planeten ja aus Silikaten aufgebaut ist. Das sind so drei Hauptverdächtige, zwischen denen gibt es dann akademische Dispute, wie es so im Einzelnen ist. Und vielleicht für zehn Prozent sind diese Beimischungen im äußeren Kern. |
[00:08:37] | Woher ist das Eisen? Eigentlich im Wesentlichen ist auch das wieder letztendlich eine Frage der Chemie. Unter den schweren Elementen – und wir brauchen eigentlich aus Gravitations- und anderen Analysen einen schweren Kern – ist das Element Eisen natürlich das, was am ehesten wahrscheinlich ist. Man könnte sich ja vorstellen, dass da… |
[00:08:59] | Weil es ein relativ unedles oder ein relativ frühes in der Reaktionskette… |
[00:09:05] | Genau. Es ist ein relativ häufiges Element und von daher wäre es also wesentlich weniger sinnvoll anzunehmen, zum Beispiel, dass es Gold ist. |
[00:09:16] | Wäre wirtschaftlich interessant. |
[00:09:17] | Wäre wirtschaftlich interessant, genau. |
[00:09:19] | Aber so richtig wissen tun wir das demnach dann nicht, sondern wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung? |
[00:09:25] | Wir nehmen das an aus der Schlussfolgerung und deswegen ist das vielleicht auch eine gute Art, das in unser Gespräch mit hinein zu bringen, weil es zeigt so ein bisschen, wie die Geowissenschaften oft aufgebaut sind. Die Geowissenschaften sind eigentlich ungewöhnlich relativ zu vielen anderen Wissenschaftsgebieten, indem sie sich eigentlich mit einem Thema beschäftigen – der Erde -, das sie weder kontrollieren noch wiederholen können. Das heißt, wir müssen oft im Prinzip sehr indirekte Fragen stellen. Und die Frage z.B. aus welchen Elementen der Kern aufgebaut ist – eine klassische Prüfungsfrage bei uns – denn jedes einzelne Argument, was man voranbringen könnte, ist nicht unbedingt sehr überzeugend. Interessant, aber nicht unbedingt für sich ausschlaggebend. Aber in der Summe wird es dann interessant. Zum Beispiel kann man beim Kern sich überlegen: Von der Dichte her passt Eisen ganz gut. |
[00:10:17] | Damit die Erdmasse zum Radius passt… |
[00:10:20] | Genau. |
[00:10:20] | …unter Berücksichtigung der Dinge, von denen, die oben sind, die wir kennen. |
[00:10:24] | Genau. Gleichzeitig ist Eisen ein relativ häufiges Element. Das passt auch schon mal ganz gut. Zusätzlich ist Eisen etwas, was bei diesen Temperaturen im Schmelzpunkt vorliegen müsste und aus Beobachtungen der seismischen Wellen wissen wir, dass der äußere Erdkern flüssig ist. Wenn man dann also solche Argumente aneinander reiht, dann stellt man fest, dass das vermutlich ein relativ überzeugender Vorschlag ist, aber natürlich bohren oder in irgend einer Form direkt hin gehen, können wir nicht… |
[00:10:54] | …so dass wir eigentlich dann immer auf solche indirekten Formen angewiesen sind. |
[00:10:58] | Das heißt, wie tief kann man denn gerade bohren, wo du es gerade erwähnt hast, wie tief ist so die aktuellste… |
[00:11:04] | Die tiefsten haben die Russen gemacht, das war auf der Kola-Halbinsel, so ungefähr, ich würde mal denken zwölf Kilometer, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe. |
[00:11:12] | In Deutschland gibt es das berühmte Kontinentale Tiefbohrprogramm, das KTB. Das war in Nordbayern, in Windischeschenbach und dort ist man, glaube ich, auf ungefähr knappe zehn Kilometer gekommen. |
[00:11:25] | Okay, also natürlich weit weit weit weit weg… |
[00:11:27] | Völlig jenseits von allem, was dafür relevant wäre. |
[00:11:31] | Und Lava, könnte man jetzt sagen, die Lava kommt von ganz innen, das gucken wir einfach, was da drin ist. Demnach kommt die Lava nicht von ganz innen. |
[00:11:38] | Eben. Sie kommt eben in der Tat nicht von ganz innen. Eigentlich, wir haben ja vorhin schon gesagt, ist in so einem Planeten immer ein Wettbewerb zwischen Temperatur und zwischen dem Druck. Der Druck nimmt relativ gleichmäßig zu. Vergleichbar so, wie wenn man in einem Schwimmbad oder in einem großen Becken abtauchen würde, auch im Ozean. |
[00:11:58] | Ja, das war das Stichwort “hydrostatisch” vorhin. |
[00:11:59] | Genau und das ist ja genau das, wo auch Taucher manchmal aufpassen müssen, dann, wenn sie auch wieder auftauchen. Die Temperatur nimmt in der Tat nicht gleichmäßig zu… |
[00:12:09] | …und hat im Wesentlichen eine Kurve, einen Verlauf, den man praktisch als “Z” sich vorstellen könnte. Und zwar anfänglich eine sehr sehr starke Zunahme, dann eine fast stetige, ja fast konstante Temperatur und dann – ich rede jetzt über den Mantel – wieder an der Unterseite des Mantels wieder eine sehr starke Zunahme. Das kann man aus verschiedenen Dingen sich klar machen. Das Erste ist einfach mal, wenn man sich jetzt ganz normal den oberflächennahen Gradienten anschauen würde der Temperatur, das sind so ungefähr, glaube ich, 30 Grad oder so pro Kilometer, Pi mal Daumen. |
[00:12:50] | Den man zum Beispiel durch Bohrungen dann tatsächlich messen kann. |
[00:12:52] | Bohrungen, in den Bergwerken, vielen anderen Bereichen, misst man sowas. Und jetzt stellen wir uns mal vor, wir würden 1000 Kilometer in die Erde rein gehen, da sind wir ja immer noch gerade höchstens ein Sechstel der Entfernung zum Erdinneren, da wären wir bei 30000 Grad. Die Oberflächentemperatur der Sonne ist 5000 Grad. |
[00:13:11] | Das macht also überhaupt gar keinen Sinn in dieser Art und Weise weiter zu denken. Es hat aber auch einen physikalischen Grund und zwar, wenn man sich jetzt einfach anschaut: Wie kann Wärme transportiert werden? – gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten des Wärmetransports, die wichtig sind. Und zwar, auf der einen Seite kann Wärme dadurch transportiert werden, dass es Temperaturunterschiede gibt. Und das nennen wir die Wärmeleitung, die Konduktion. Ein solcher Wärmetransport braucht immer große Temperaturunterschiede, gerade auch, wenn die Wärmeleitfähigkeit des Materials nicht sehr hoch ist. Im Falle der Erde oder Gesteinsmaterialien haben eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit. |
[00:13:47] | Das, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere an Thermodynamik damals, wird das glaube ich als Q-Punkt bezeichnet. Kann das sein? |
[00:13:53] | Das… |
[00:13:54] | Weiß ich nicht mehr, ist ja auch egal. |
[00:13:55] | Ja, aber die zweite Möglichkeit, wie man natürlich Wärme transportieren kann, ist, indem man einfach das Material selber transportiert. |
[00:14:04] | Das nennt man die Advektion. Und dann stellt es sich heraus, dass eigentlich von den thermischen Eigenschaften von Silikaten, Gesteinen, es unmöglich ist, per Konduktion wirklich tief in einen planetaren Körper einzudringen. Das, dieses klassische Argument, dass eigentlich größere Körper im Sonnensystem überhaupt gar nicht durch Konduktion zu kühlen sind. Sie müssten eigentlich konvektieren. |
[00:14:30] | Also Material austauschen, um es nochmal… |
[00:14:31] | Material austauschen, genau. Und das bedeutet, dass eigentlich unterhalb so einer – im Prinzip – thermischen Grenzschicht nahe der Oberfläche, ungefähr 100 Kilometer tief ist das. Das ist das Wort, was ich vorhin verwendet habe, technisch gesprochen die so genannte Lithosphäre. |
[00:14:46] | Aha, okay. |
[00:14:48] | Dieser Bereich ist der, in dem der Wärmetransport radial, also nach außen… |
[00:14:52] | Also sprich, sie strahlt Wärme ab und kühlt dadurch. |
[00:14:57] | Genau und hat im Prinzip so eine thermische Grenzschicht, die so ein bisschen in den Planeten hinein geht. Nun haben wir – da kommen wir nachher vielleicht noch dazu, zur Plattentektonik. |
[00:15:06] | Ja ja, klar. |
[00:15:06] | Diese Schicht wird natürlich auch regelmäßig wieder durch Subduktion und andere Sachen erneuert, aber zunächst erstmal einfach radial entlang dieser Schicht in den oberen 100 Kilometern wird der Wärmetransport primär über die Konduktion bewerkstelligt. Da drunter über die Advektion. Advektion vermischt aber das Ganze sehr gut, so dass also eigentlich tiefer im Planeten auf einmal die Temperatur gar nicht mehr so stark ansteigen braucht. Ich kann trotzdem alle Wärme, die ich abführen möchte, durch die Konvektionsströme selber abführen. |
[00:15:38] | Durch die Advektionsströme. |
[00:15:39] | Durch die Advektionsströme abführen und krieg dann, wie gesagt, in den oberen 100 Kilometern so eine konduktive Zone, da muss die Temperatur sehr stark anziehen. Dann geht es in den nächsten 3000 Kilometern im Mantelinneren eigentlich mit einem sehr geringen Gradienten weiter, eigentlich im Wesentlichen ist das ein so genannter adiabatischer Gradient, also durch den Druck selber wird das Gestein natürlich noch ein bisschen erhitzt. Und dann, erst wieder an der Grenze zwischen Kern und Mantel, kommt wieder so eine Zone, in der Konduktion stattfindet. |
[00:16:08] | Blöde Frage: Du sprichst gerade die Grenze zwischen Kern und Mantel an. Wodurch entsteht denn diese Grenze überhaupt? Ist es so, dass da die Temperatur sich so verändert, dass dadurch die Kernreaktionen entstehen? Nicht Kernreaktion im Sinne von Atom, sondern das physikalische Vorgehen im Erdkern. Oder ist es andersrum, dass quasi erst der Kern da war mit seinem flüssigen Eisen an der Stelle wahrscheinlich und dadurch dann die Temperatur sich ändert? Also wie kommt es da überhaupt zu dieser Grenze, die man da fest macht? |
[00:16:36] | Sehr sehr schöne Frage! Und zwar, der Kern ist wesentlich dichter als der Mantel und man kann das sich sehr leicht klar machen. An den Ozeanböden haben wir einen großen Dichteunterschied. Die Dichte von Wasser ist, sagen wir mal eins, Stein ist ungefähr drei, jetzt mal Pi mal Daumen genommen. Das heißt, hätte einen Dichteunterschied von zwei. Aber die Dichteunterschiede zwischen den Tiefengesteinen im Mantel selber, wo es so ungefähr fünf Gramm pro Kubikzentimeter sind, und dem Kern, wo es so ungefähr zehn sind, ist fünf Gramm pro Kubikzentimeter. Das heißt also, der größte Dichtesprung, den wir überhaupt irgendwo im Planeten haben, ist gar nicht zwischen Ozeanboden und Wasser, sondern eigentlich zwischen Kern und dem darüber liegenden Mantel. |
[00:17:21] | Aber warum ist da ein Sprung? |
[00:17:23] | Weil das Material natürlich anders ist. |
[00:17:24] | Und warum ist das Material anders? |
[00:17:25] | Ja, weil das, wie soll ich das sagen? Wenn man einen Planeten baut, hat man natürlich immer alle möglichen Komponenten dabei. Also man hat ein Eisen dabei, man hat Silikate, Sauerstoff, alles mögliche dabei. Die leichten Dinge wandern langsam nach oben, die schweren Dinge wandern nach unten, das heißt also, selbst wenn man die Erde mal ursprünglich gebaut hätte, wir wissen nicht genau, wie sie natürlich ursprünglich zusammen gekommen ist. |
[00:17:49] | Ja, klar. |
[00:17:50] | Aber dann müsste früher oder später sich das schwere Eisen einfach im Kern sammeln. Und dementsprechend bleibt natürlich dem Kern gar nichts weiter übrig, als gegenüber dem Mantel einen relativ hohen Temperaturunterschied aufzubauen, weil der Kern seine Wärme ja nicht durch Advektion in den Mantel abgeben kann. Er kann ja nicht rein konvektieren. |
[00:18:09] | Weil das leichte Zeug halt, weil das schwere Zeug ja unten bleibt. |
[00:18:12] | Genau das, ja. Und dementsprechend hast du genau das Gleiche wie an der Oberfläche auch. Die Erde kann ihre Temperatur ans Äußere ja nicht abgeben, indem sozusagen die Erde ins Universum hinaus advektiert, sondern nur noch, indem an der Oberseite sich eine Zone mit hohem Temperaturgradienten ausbildet. Und entlang des Gradienten kann ich dann die Wärme ableiten. Das Gleiche gilt für den Kern. Der Kern kann eigentlich seine Temperatur und seine Energie wirklich nur in den Mantel abgeben, indem sich an der Unterseite des Mantels jetzt wiederum eine solche Zone hoher Wärmeleitung, also Konduktion, ausbildet. |
[00:18:45] | Also sprich, indem der Kern abstrahlt. |
[00:18:47] | Indem der Kern dann da abstrahlt, genau das. |
[00:18:50] | Das heißt also, die Größe des Kerns hat nix damit zu tun, erstmal, wie da halt die Drücke sind, sondern hat mit der Menge an Eisen im Planet zu tun? |
[00:18:59] | Genau. |
[00:19:00] | Und dementsprechend gibt es natürlich manche Planeten, an denen wir denken, dass der Bereich des Eisens viel größer ist. Zum Beispiel die Vorstellungen für den Merkur sind, dass er einen wesentlich größeren prozentualen Anteil hat. Und bei der Erde ist es halt ungefähr so, dass man eben auf halbem Wege ins Erdinnere hinein eben den Kern hat. Das ist ungefähr das, was vom Volumen her dann für den Kern da war. |
[00:19:23] | Ja. Dieser Unterschied zwischen innerem und äußerem Kern, flüssig nach fest, der stand wahrscheinlich aber nicht sprunghaft, sondern das ist ein Kontinuum, das sich dann, weil ja da dann alles Eisen ist und damit quasi elementar gleich, da ändert sich dann eben nur der Druck. Und irgendwann mal gewinnt halt der Druck, wie wir vorhin gesagt haben. |
[00:19:40] | Ja, vermutlich. Wobei das im Prinzip mehr eine Erwartung ist, denn genau diese Zone des Überganges zu beproben, zum Beispiel durch seismische Wellen, ist extrem schwer. Das heißt also, wenn überhaupt, können wir das nur zu den Wellenlängen hin wissen und die Wellenlängen sind im Bereich von Zehnern von Kilometern. Das heißt, wir wüssten gar nicht, mit den Beobachtungen, die uns zur Verfügung stehen, ob solche Sachen noch viel schärfer oder nicht wären. Dementsprechend gibt es dazu alle möglichen Spekulationen. |
[00:20:13] | Okay. Ganz kurz zu dem Thema Experimente mit seismischen Wellen. Sollten wir vielleicht ganz kurz erklären, wie es funktioniert. Prinzipiell ist die Idee die, dass man irgendwo eine Welle einbringt, durch irgendeinen Stempel, Kompressor, Explosion, und die dann an verschiedenen Stellen an der Erde wieder einsammelt, darauf hört, sich das Wellenbild im Unterschied zum Original anguckt. Soweit ist glaube ich klar. |
[00:20:37] | Genau. Genau. |
[00:20:38] | Vielleicht auch mit natürlich auftretenden Explosionen, wenn man den Ort kennt, woher sie kommen. Die Frage ist jetzt: Wie kann man das ohne Bild halbwegs beschreiben, wie man aus solchen empfangenen Wellen jetzt irgendwas lernt über, zum Beispiel, flüssig, was ist fest, wie interpretiert man so was? |
[00:20:58] | Genau. Und zwar, also, wenn man die seismischen Wellen ein bisschen genauer hinweg anschaut, dann wird man feststellen, dass es im Wesentlichen vier Arten von Wellen gibt. Und zwar ist zum Ersten die Unterscheidung zwischen Oberflächenwellen und Raumwellen. Die Raumwellen können sich durch den ganzen Körper hinweg ausbreiten. Die Oberflächenwellen brauchen eine Oberfläche. In diesem Falle zum Beispiel die Erdoberfläche. Nun ist es aber auch so, dass diese beiden Wellen unterschieden werden können in Wellen, die primär Scheranteile haben und solche, die Kompressionsanteile haben. Wir nennen das bei den Raumwellen die so genannten P-Wellen und die so genannten S-Wellen. |
[00:21:36] | Scherwelle heißt in dem Fall, wenn wir mal auf der Erdoberfläche gucken, links – rechts quasi? |
[00:21:41] | Genau, die Welle breitet sich, sagen wir mal, in eine Richtung aus, aber die Bewegung innerhalb der Welle geht senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. |
[00:21:49] | Aha. |
[00:21:51] | Eine solche Welle braucht schlichtweg eine Scherfestigkeit im Körper, sonst kann sie sich nicht ausbreiten. |
[00:21:56] | Weil es sonst zu labberig wäre. |
[00:21:57] | Genau, es wäre einfach zu labberig. Die Welle hat gar keine Möglichkeit sich im Prinzip an irgendetwas aufzuhängen. Eine Druckwelle braucht das, die komprimiert einfach das Material. |
[00:22:06] | Die gibt es ja auch in Wasser und in Luft. |
[00:22:07] | Genau. Das heißt also, wenn wir uns zum Beispiel beide unterhalten, unterhalten wir uns nicht mehr in einer Scherwelle. |
[00:22:13] | Und dann ist es natürlich hinterher für einen Seismologen möglich, gerade wenn man…Wir haben vorhin gesagt, welche Quellen kann man nehmen? Die Quellen, die du angesprochen hast, sind menschliche Quellen, zum Beispiel indem man auf irgendetwas drauf haut oder zum Beispiel mit einem großen Fahrzeug versucht Vibrationen auszutun. Das wird im Augenblick gerade hier in München gemacht. Dann ist das natürlich etwas, was von der Energie her sehr gering ist. |
[00:22:39] | Die Wellen, die wir verwenden, um tief ins Erdinnere hinein zu schauen, sind eigentlich die großen Erdbeben. Wirklich also den großen Erdbeben, gerade den Erdbeben jenseits von fünf, sechs, sieben, kann man natürlich sehr viel über die tiefe Erde auch lernen. Wenn man sich dann solche Wellen anschaut, kann man zum Beispiel feststellen, dass in bestimmten Entfernungen, sogenannten Winkelentfernungen, epizentrale Distanzen, man muss sich das ja immer in einem Körper vorstellen bei der Erde, der ja rund ist. |
[00:23:06] | Ja, also sprich: Europa versus Afrika am gleichen Längengrad und wir messen an verschiedenen Breitengraden. |
[00:23:12] | Ja, ja, genau. Und da wäre es ja dann 30 Grad schon in der Winkelentfernung weg oder mehr. Und dann kann man zum Beispiel bei den Scherwellen Schattenzonen feststellen. Es gibt für bestimmte epizentrale Distanzen Bereiche, in denen dann einfach keine Scherwelle mehr ankommt, obwohl eine P-Welle zum Beispiel ankommt oder obwohl ich bei einer anderen epizentralen Distanz für das gleiche Erdbeben eine Scherwelle beobachte. Das war eine der frühen Beobachtungshinweise, dass es tief im Erdinneren einen Bereich geben muss, in dem sich Scherwellen nicht ausbreiten. |
[00:23:42] | Sprich: es kann nicht fest sein. |
[00:23:45] | Genau. |
[00:23:45] | Und wie kann ich jetzt nochmal von Winkelentfernung zurückschließen, in welcher Tiefe die Reflexion stattgefunden haben muss? Weil das hast du ja im Prinzip gerade gesagt. Wie, wo… |
[00:23:57] | Die Wellen gehen natürlich ins Erdinnere hinein, aber wie bei jedem anderen optischen Medium auch, wenn die Geschwindigkeiten mit der Tiefe zunehmen, dann werden die Wellen wieder heraus gebogen. |
[00:24:10] | Wie aus einem optischen Medium auch. Und dementsprechend sind also die Wellen, die in das Erdinnere hinein dringen, Wellen, die eigentlich immer wieder aus der Erde heraus gebogen werden. Sie gehen…zum Beispiel, hätten wir jetzt ein Erdbeben hier in München, dann würden sie sich also zum Beispiel ins Erdinnere hinein bringen, würden aber gleich wiederum aus dem Erdinneren heraus gebrochen werden an die Oberfläche und zum Beispiel irgendwo in Moskau raus kommen oder irgendwo in Nordafrika oder an anderen Orten. Und je weiter ich jetzt weg gehe, epizentral in der Distanz, umso mehr schaue ich auf Erdbebenwellen, die tiefer eingedrungen sind. |
[00:24:47] | Da muss ich aber irgendetwas über den Brechungsindex mit der Tiefe wissen. |
[00:24:49] | Genau. Das müsste ich dann heraus finden und das haben Seismologen in den letzten 100 Jahren sehr gut gemacht. Das heißt, man kann ja dann sehr systematisch vermessen. Wenn ich eine bestimmte Quelle habe, gucke ich mir eben bei jeder epizentralen Distanz die Ankunftszeit heraus und kann dann eigentlich ein Problem aufstellen, das ich auch lösen kann. Dass ich sagen muss: Wie muss die Tiefengeschwindigkeitsverteilung sein, damit ich das hinterher heraus kriege? |
[00:25:11] | Und die hängt letztendlich unter anderem vom Material, von seiner Dichte ab. Und dieses Scherwellen-versus-P-Wellen-Ding hat halt damit zu tun, dass, wenn ich Scherwellen gar nicht empfange, dann muss da irgendwo was sein, was flüssigkeitsmäßig… |
[00:25:23] | Genau. Und um das eben noch mal ganz deutlich zu sagen: Im Erdmantel ist eigentlich nichts flüssig. Mit ganz ganz wenigen Ausnahmen ist dort alles fest. Und wenn wir also von dieser Schattenzone sprechen, dann meinen wir wirklich den äußeren Kern. |
[00:25:36] | Okay. Okay. Die künstlichen Wellen, die wir mit Explosionen oder mit irgendwelchen Unimogs mit Stempeln dran produzieren, wie weit kommen wir da ungefähr runter? Eine Hausnummer? |
[00:25:46] | Vielleicht ein paar Kilometer. |
[00:25:48] | Also auch eigentlich Kindergarten für die geophysikalischen… |
[00:25:51] | Das macht man eigentlich, wenn überhaupt, eben für die Erdölexploration. Im Augenblick ist natürlich sehr viel für die Geothermie. Das heißt, da sind viele Sachen, in denen man natürlich dann da genau schauen kann. Nun tut man natürlich gerade bei solchen obeflächennahen Prospektionen oft natürlich sehr viel genauer anschauen. Das heißt, man nimmt höherfrequente Wellen. Die können dann natürlich viel feiner etwas abbilden, aber natürlich sind die Energien einfach nicht so hoch, dass sie dann sehr tief eindringen. |
[00:26:19] | Ja, okay. Wir haben schon gesagt, dass der Kern später mäßig, also vor allem, was seine Eigenschaften angeht, eben dominant aus Eisen besteht. Drastisch sozusagen mehr oder weniger egal. Aus was bestehen dann die weiter außen liegenden Schichten? Also haben wir schon gesagt: Silikate, Steine. Kann man das näher… |
[00:26:43] | Man kann es jetzt näher natürlich aufbringen. Also zunächst erstmal wichtig, die dominanten chemischen Komponenten sind Silizium, Magnesium, Sauerstoff. Die Mineralnamen, die man dafür verwenden könnte, zum Beispiel in den oberen paar hundert Kilometern in der Erde sind das zum Beispiel Minerale wie die sogenannten Olivine. Es gibt auch sogennante Pyroxene. Diese Minerale sind eigentlich das, was auch sonst zum Beispiel bei uns zu finden wäre an der Erdoberfläche. Wenn ich jetzt aber weiter ins Erdinnere hinein gehe, sind diese Kristallstrukturen nicht mehr stabil. Das heißt also, was eigentlich ab bestimmten Tiefen zu erwarten ist, ist, dass die Kristallstrukturen zusammen brechen, sich umformen, andere Strukturen annehmen. |
[00:27:33] | Ist das temperaturbedingt dann wieder, oder…? |
[00:27:35] | Druck. Vor allem druckbedingt. Und aus sehr vielen Vergleichen von seismischen Beobachtungen und dann Experimenten im Labor, in denen man zum Beispiel Olivine oder Pyroxene nimmt und sie zum Beispiel hohen Drücken aussetzt, hat man daraus gelernt, dass dann eine Mineralphase auftaucht, die wir das sogenannte Pyroxen nennen. Und das Pyroxen ist dann das, was eigentlich den allergrößten Volumenanteil des Mantels ausmacht, nämlich alles mehr oder weniger unterhalb von 600 Kilometern. Von 600 Kilometern bis zur Kern-Mantel-Grenze liegen dann eigentlich diese Vielzahl von anderen Mineralformen, die wir näher an der Oberfläche sonst stabil halten können, in diesen Pyroxen-Formen vor. |
[00:28:19] | Okay. Die nächste offensichtliche Frage ist natürlich die der Struktur des Mantels. Das wird ja keine homogene Masse ohne jedwede weitere Struktur sein. Aber ich würde das nochmal ein bisschen verschieben wollen und nochmal auf den Kern zurück kommen. Ich hatte eine Frage von einem Hörer: Was den Kern antreibt? Also, die Hitze, die da entsteht. Und, das ist glaube ich klar, dass das keine Radio-Atom-Reaktion ist wie in der Sonne. |
[00:28:50] | Sagen wir mal so, es ist nicht ganz klar. |
[00:28:53] | Okay. Dann ist es doch gar nicht so blöd, dass ich die Frage doch stelle. Ich wollte es gerade sagen, es ist halt der Druck und die Hitze und der macht halt das Eisen flüssig oder hart und das war es dann. |
[00:29:00] | Ja gut, aber damit ist man natürlich…hat man ja noch keine Energiequelle. Damit hat man ja nur gesagt: Ich war jetzt unter hohem Druck und sehr großer Wärme, aber der Kern muss ja in gewisser Weise auch sozusagen den Energieverlust, den er zum Erdmantel hin hätte, versuchen auszugleichen. |
[00:29:16] | Ich hätte jetzt einfach naiv gesagt, der verliert einfach Energie und irgendwann in 3,5 Millionen Jahren ist die Erde halt erkaltet und gut. Aber das ist vielleicht falsch. |
[00:29:23] | Ja und dafür gibt es natürlich eine Menge von sehr interessanten geophysikalischen Fragen, Aspekten und Beobachtungen. Und ich nenne mal ein paar. Das Eine ist natürlich, was könnte denn überhaupt den Kern antreiben? Was gibt es alles mögliches? |
[00:29:39] | Das Eine ist natürlich, da kann es eine Entmischung geben, denn natürlich die leichten Elemente im Proto-Kern, als es noch keinen inneren Kern gibt, sind natürlich überall gleichmäßig verteilt. Irgendwann natürlich fängt der innere Kern an sich auszubilden. Als Konsequenz geht natürlich auch dort jetzt wieder eine gravitative Entmischung vor. |
[00:30:00] | Ja, Sortierung nach Dichte oder Gewicht. |
[00:30:02] | Genau. Und das heißt also, eine der Ideen ist, dass das zum Beispiel ein wichtiger Anteil sein kann für das, was eigentlich den Kern sozusagen antreibt. Das Zweite ist, dass man natürlich sich auch genauso vorstellen kann, bei jeder Phasenreaktion sind natürlich auch latente Wärmen, die frei werden. |
[00:30:20] | Exotherm. |
[00:30:21] | Und das heißt also einfach: Indem ich einen festen Kern, einen festen inneren Kern erzeuge, wird natürlich auch da wieder latente Wärme frei. |
[00:30:29] | Weil sich das flüssige Eisen zum Beispiel zu Eisen-irgendwas-Oxid umwandelt. Ich habe keine Ahnung von dem Zeug. Das war gerade… |
[00:30:35] | Genau. Nicht Eisenoxid, aber einfach zu einem festen Eisen. |
[00:30:38] | Aber festes Eisen, passiert da, ist es nicht einfach so, dass es durch die…was passiert da eigentlich? Also was passiert, wenn Eisen aus flüssiger…ist das nicht eine Änderung vom Aggregatzustand? Warum passiert da…aber warum passiert da, was hat das mit der chemischen Reaktion zu tun? |
[00:30:50] | Was hat das…nein, nicht mit einer chemischen Reaktion, sondern mit einer latenten Wärme. Da wird ja eine latente Wärme frei. |
[00:30:55] | Weil es abkühlt. Dadurch wird es fest, ja okay, klar, so rum. Ja, okay. |
[00:30:58] | Und auch das könnte einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinaus ist es nicht geklärt, ob zum Beispiel nicht doch radioaktive Elemente im inneren Kern, nein im äußeren Kern wichtig sind, also ob einfach auch eine erhebliche Energiemenge dadurch geleistet wird, dass eben dort Zerfallsprodukte bestehen. Das ist eine relativ schwierige Frage zu beantworten, weil es natürlich chemische Betrachtungen gibt. Die Chemiker sagen uns, es ist eigentlich von der Art der Verbindungen her unwahrscheinlich, dass sich zum Beispiel die typischen radioaktiven Elemente Potassium oder Uran oder anderes überhaupt in den Kern hinein bringt. Das ist aber eine schwierige Frage, weil es damit zu tun hat, hat sich der Kern unter flüssigen Bedingungen gebildet oder unter festen Bedingungen? Das ist eigentlich, wenn man da hinein bohrt, eine sehr sehr spannende Frage. |
[00:31:48] | Im übertragenen Sinne “hinein bohren”. |
[00:31:50] | Genau. Im übertragenen Sinne. |
[00:31:51] | Gefährlich. |
[00:31:52] | Ich will damit einfach nur sagen: Das ist eigentlich eine sehr spannende Frage, bei der sehr viele sehr kluge Gedanken geäußert werden. Es gibt aber gerade zum inneren Kern in meinen Augen eine sehr sehr schöne Sache, die ich auch immer in der Vorlesung nenne. Und zwar kann man sich ja ein bisschen fragen: Wenn es einen inneren Erdkern gibt, hat sich dann eigentlich zu dem Zeitpunkt die Temperatur im Kern selber dramatisch verändert seit dem Zeitpunkt, dass es den inneren Kern gibt? Und die Antwort ist erstaunlicherweise nein. Und zwar ganz einfach: Wenn man morgens zum Beispiel Wasser kocht über dem Ofen, dann verdampft natürlich eine mögliche Menge von Wasser, während man das tut. Trotzdem bleibt aber die Temperatur innerhalb des Topfes bei 100 Grad. |
[00:32:36] | Bis der Phasenübergang abgeschlossen ist. Der Kern befindet sich im Prinzip in einem äquivalenten Zustand. Er hat beide Phasen da, er hat das Flüssige und er hat das Feste. Und so lange dieser Phasenübergang nicht vollständig abgeschlossen wird, also sozusagen der gesamte Kern fest geworden ist, bleibt eigentlich die Temperatur zunächst erstmal wirklich an diesem Fixpunkt aufgehängt. |
[00:32:58] | Mit einer leichten Korrektur für eine Adiabate, die man sich da hinein denken muss. Aber im Prinzip bedeutet das, dass eigentlich, solange der innere Erdkern besteht, sich die Temperatur des Kernes selber gar nicht so viel verändert haben kann. Jetzt kommt man aber natürlich auf die Frage, die stelle ich mal einfach für dich: Wie lange gibt es den inneren Kern? |
[00:33:16] | Genau, wie lange gibt es den schon? |
[00:33:17] | Und die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Es gibt sehr sehr unterschiedliche Vorschläge. Es gibt zum Beispiel auf der einen Seite Betrachtungen zur Energie, die würden dann was sagen. Wenn ich im Augenblick sehr sehr viel Wärme aus dem Kern heraus nehme, die muss ja dann zum Beispiel durch latente Wärme oder anderes eben auch wieder erneuert werden. Dann würde das zu einem sehr schnellen Wachsen des inneren Kerns und umgekehrt aus der Schlussfolgerung dann zu einem jungen Alter führen. Es gibt aber auch Vorstellungen, das ist auch genauso interessant und spannend, dass man sagt, dass eigentlich für die Form des Magnetfeldes, vor allem diesen starken Dipol, den die Erde hat, ein innerer Kern notwendig ist. Nun gibt es aber Beobachtungen, zum Beispiel von sehr alten Gesteinen aus Bereichen, die weit weit in die Erdgeschichte zurück gehen, die sagen, dass es auch schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ein im Prinzip dem heutigen Feld nicht unähnliches Erdmagnetfeld gab. Daraus würde man jetzt umgedreht wieder schließen, dass der innere Kern gar nicht mal so jung ist, sondern im Gegenteil relativ alt sein muss. |
[00:34:18] | Also sprich: Eine langsame Reaktion stattfinden muss. |
[00:34:20] | Genau. Und da steht im Augenblick die Forschung. Wir wissen es nicht wirklich, aber beide Sachen haben interessante Argumente jeweils für sich. |
[00:34:29] | Da muss ich an drei Stellen kurz nachhaken. Erstens: Woher wissen wir irgendwas über das Erdmagnetfeld? Indem wir Steine angucken? Hast du gerade erwähnt. |
[00:34:36] | Genau. Wir schauen im Wesentlichen Gesteine an, Gesteine frieren das Erdmagnetfeld ein durch etwas, was wir die so genannte Curie-Temperatur nennen. Und zwar, wenn ein Gestein sehr heiß ist, dann hat es natürlich so viel innere Molekularbewegung, dass es natürlich das Magnetfeld nicht wirklich einfrieren kann, auch wenn es natürlich jeweils sozusagen sich in einem Feld befindet. Aber ab einer bestimmten Temperatur, unterhalb der kann es das jeweils umgebende Magnetfeld einfrieren. Das sind ungefähr so 500-600 Grad für typische Gesteine. |
[00:35:10] | Da richtet sich irgendwas irgendwie aus. |
[00:35:12] | Genau. Und dann kann so etwas potenziell über geologische Zeiträume erhalten bleiben. Hier in München am Lehrstuhl haben wir eine sehr sehr lange Tradition durch meinen Vorgänger Professor Soffel, der sich sehr sehr stark mit Gesteinsmagnetismus beschäftigt hat. Es gibt auch ein Observatorium hier in München, das sich sehr stark mit dem Erdmagnetfeld beschäftigt. Auch Laboratorien, in denen das sehr genau untersucht wird. Und diese Art von Gesteinsuntersuchungen haben ja unter anderem auch damals in den 60er-Jahren, als die Plattentektonik sozusagen revolutionär anerkannt wurde, zu einem großen Teil darauf beruht, dass man merkte, dass der Ozeanboden zum Beispiel diese regelmäßigen Abfolgen von verschiedenen Magnetisierungen hat. Positiv – negativ – positiv – negativ. Man nennt das so ein bisschen Tonbandstruktur auf dem Ozeanboden, die einfach dadurch stattfindet, dass natürlich Ozeanboden sich am Rücken bildet, zur Seite weg wandert, das Feld dreht sich zwischenzeitlich um und dementsprechend wird eine andere Polarität eingefroren. Und das ist also etwas, was man sehr sorgfältig untersuchen kann. In Ozeanen ist das vergleichsweise jung. Die Ozeane sind ja im Schnitt nicht viel mehr als 100-200 Millionen Jahre alt von ihren Gesteinen her. Die Kontinente sind wesentlich älter. Es gibt Bereiche in den Kontinenten, die gehen bis zweieinhalb oder drei Milliarden Jahre zurück. Auch in solchen sehr alten Teilen des Kontinents findet man magnetisierte Gesteine und aus denen kann man dann natürlich Rückschlüsse über das Magnetfeld zu sehr frühen Zeiträumen machen. |
[00:36:48] | Jetzt können wir natürlich fragen: Woher wissen wir, dass Steine alt sind? Und können dann damit den Zeitstempel für das Magnetfeld definieren. Aber wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht völlig vom Hundertsten ins Tausendste kommen. |
[00:36:57] | Dann sagen wir dazu nur ganz kurz, dass man das natürlich über solche sogenannten radioaktiven Zerfallsreihen sagen kann. |
[00:37:02] | Okay, alles klar. Und ich glaube, das Stichwort sagt den meisten was. |
[00:37:04] | Genau und dann wissen die meisten auch wahrscheinlich, wo das hingehen wird. |
[00:37:06] | Nochmal ganz kurz zum Kern. Du sagtest: “…den Kern antreiben”. Was passiert da außer dieser Advektion, wie wir gesagt haben, wo sich Material austauscht und wo sich auch aufgrund der Dichteunterschiede das Leichte nach außen…der innere Kern wird fetter. Das ist das, was da passiert. |
[00:37:22] | Genau. Das ist im Wesentlichen eine große Konvektionsströmung, so nehmen wir das an. Also auch nicht viel anders als im Prinzip in den Ozeanen auch. Dichteunterschiede treiben da sehr sehr große Konvektionsströme an. Vielleicht der Unterschied natürlich zu den Ozeanen. Zwei sind natürlich evident. Das Eine ist: Der Ozean ist für seine räumliche Ausdehnung vergleichsweise flach. Die Ozeane sind tausende von Kilometern weit, aber natürlich nur im Schnitt vielleicht zwei, drei, vier Kilometer tief. Der Kern ist fast genauso tief, wie er sich räumlich ausdehnt. Das Zweite ist, dass natürlich der Kern, dadurch, dass er elektrisch leitend ist, da natürlich auch elektromagnetische Kräfte aushalten muss. |
[00:38:01] | …die er sich selber quasi auferlegt. |
[00:38:03] | …die er sich…genau, die er sich selber auferlegt. |
[00:38:06] | Und natürlich auch Ursache für das Erdmagnetfeld ist. Das kommt später nochmal, deshalb frage ich da jetzt auch nicht weiter. Das heißt, wir gehen jetzt in unserem Gespräch davon aus, dass da innen drin radioaktive Reaktionen stattfinden, oder nicht? |
[00:38:21] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:22] | Wir wissen es nicht. |
[00:38:23] | Wir wissen einfach nur, dass es vermutlich – nicht vermutlich, es ist offensichtlich – offensichtlich gibt es genug Energiequellen, die die Konvektionsströme anhalten oder antreiben können, so dass das Magnetfeld als solches erhalten bleibt. Denn wenn ich jetzt die Konvektionsströme ausstellen würde, also wenn sich ab morgen jetzt nichts mehr bewegen würde, dann würde natürlich auch das Magnetfeld langsam abklingen. Es würde nicht sofort abklingen, es würde also nicht sofort zu Null gehen, sondern der Kern hat natürlich ein gewisses Erinnerungsvermögen, vor allem dadurch, dass die Magnetfelder natürlich in den inneren Kern hinein diffundieren. Und dort würden sie natürlich eine Weile lang sozusagen wiederhallen, bis dann natürlich auch dort das dann langsam weg diffundiert. Das sind ungefähr Zeitgrößen von der Größenordnung vielleicht ein paar Tausend Jahre. |
[00:39:09] | Da frage ich jetzt nicht weiter, weil wir kommen später nochmal auf das Magnetfeld zurück. Die Frage, warum ich gerade nochmal Richtung Nuklearreaktionen gekommen bin, war eben eine Folgefrage, hier wo die Spaltprodukte, sofern es denn welche gibt, wo die hingehen? Sprich: Ist der Kern radioaktiv? Es gibt ja Radon-Gas, das da irgendwie ja nach oben geht. Frage ist aber: Kommt das aus dem Kern oder kommt das aus anderen Schichten? |
[00:39:31] | Nein, also das Radon-Gas, was man an der Oberfläche sieht, das ist vergleichsweise immer in sehr oberflächennahen Schichten der Kruste. Weil man eben immer sagen muss: Die Kruste ist der Teil, der eben chemisch leichter ist als der darunter liegende Mantel. Auch das ist in der Grundvorlesung immer für die Studenten ein gewisser Hiccup. Die Lithosphäre wird definiert rein über eine Temperatur und eine Festigkeit. Da mache ich keinen Unterschied, ob das im Prinzip ein leichtes Gestein ist oder ein schweres Gestein. Die Kruste ist eine Definition nur über die Dichte. |
[00:40:02] | Was ist nochmal das größere? Die Lithosphäre ist ein Teil der Kruste oder die Kruste ein Teil der Lithosphäre? |
[00:40:05] | Die Kruste ist ein Teil der Lithosphäre. |
[00:40:06] | Okay, alles klar. |
[00:40:07] | Das heißt: Innerhalb der Lithosphäre gibt es dann die Kontinente. Also, zum Beispiel, wenn wir uns die afrikanische Platte anschauen, dann sehen wir, dass die afrikanische Platte umgeben ist von vielen ozeanischen Bereichen. Die sind immer noch Teil derselben afrikanischen Lithosphäre, nur im Zentrum steckt der afrikanische Kontinent und dieser Kontinent kann deswegen an der Oberfläche so lange bleiben, weil sein Material wirklich leichter ist. So und in diesen Krustenmaterialien sind natürlich radioaktive Elemente etwas angereichert. Und der Zerfall dieser Elemente führt dann natürlich zum Rausgeben von Radon-Gas. Vermutlich müssten und wären Spaltprodukte auch im Kern vorhanden, nur sind halt so weit von uns weg, dass wir…wir würden es nie wissen. |
[00:40:51] | Ja. Wie schnell sind denn diese advektiven Strömungen? Kann man sich das irgendwie vorstellen? |
[00:40:57] | Das ist eine sehr schöne Frage. Und zwar müssten oder könnten wir unterscheiden, ob man die advektiven Ströme im Mantel anschaut oder die advektiven Ströme im Kern. |
[00:41:07] | Gucken wir gerade mal im Kern, über den reden wir glaube ich gerade mehr oder weniger. Und dann… |
[00:41:10] | Genau und im Kern ist es zunächst erst mal überhaupt nicht einfach, irgendetwas dazu zu sagen. Denn die Frage, die Geschwindigkeiten von solchen advektiven Strömungen haben müssten, ist natürlich eine Frage: Wie hoch ist die Viskosität? |
[00:41:24] | Ja, genau. |
[00:41:25] | Und die Viskosität, also die Scherfestigkeit… |
[00:41:28] | Der Widerstand… |
[00:41:28] | …der Widerstand zur Deformation, der ist natürlich für Eisen unter diesen Temperaturen und unter diesen Drücken gar nicht mal so leicht wirklich quantitativ feststellbar. Man kann aber natürlich sagen, das Eisen wäre geschmolzen. Und dann wäre es vielleicht so wie geschmolzenes Eisen an der Oberfläche auch. Das ist aber nicht klar, ob das unter den Drücken wirklich der Fall wäre. Dementsprechend muss man zunächst erst mal definieren, dass es gar nicht klar ist, wie hoch die Viskosität wäre. Das ist eine sehr spannende geodynamische Frage, die wir eigentlich nicht wirklich beantworten können. |
[00:41:56] | Es gibt aber ein ganz faszinierendes Phänomen. Und zwar das, dass das Erdmagnetfeld auf den – sozusagen neben dem großen Dipolfeld Unterstrukturen aufweist, die auch sehr genau kartiert sind. Also sogenannte räumliche Variationen, die dann nicht mehr axensymmetrisch sind. Und diese räumlichen Bewegungen wurden relativ früh, als die Menschen sich in der Aufklärung mit dem Magnetfeld beschäftigt haben, festgestellt. Und dabei hat man festgestellt, dass manche dieser räumlichen Anomalien sich bewegen. Gerade auf der afrikanischen Hemisphäre bewegen sie sich nach Westen. Und es gibt mehrere solcher Anomalien, die man also ganz eindeutig im Laufe der Hunderten von Jahren westwärts hat sehen können. |
[00:42:48] | Jetzt kann natürlich der Hörer fragen: Woher wissen wir das? Die britische Marine hat im 17. und 18. Jahrhundert versucht, diese Art von Anomalie zur Navigation zu verwenden. Und hat dementsprechend systematisch Protokolle geführt für jedes Schiff, was irgendwo hin ging. Jeden Tag wurde eine Magnetfeldmessung gemacht. |
[00:43:07] | Und heute macht das das Militär zum U-Boote-Erkennen. |
[00:43:09] | Genau. |
[00:43:09] | MADs. |
[00:43:10] | Und diese Aufzeichnungen sind nach wie vor vorhanden und sind von Kollegen, wie zum Beispiel meinem Kollegen Bloxham an der Harvard Universität, dazu verwendet worden, diese Magnetfeldbewegungen in der Zeit rückwärts zu rekonstruieren. Und aus den Bewegungsraten würde man schließen, dass das sich im Bereich von Zehnern von Kilometern, vielleicht Hundert von Kilometern pro Jahr sein müssen. |
[00:43:36] | Okay, das ist ganz schön ordentlich. |
[00:43:37] | Also das ist schon ganz schön ordentlich. |
[00:43:39] | Okay. Die Drücke im Kern simulieren oder hier auf der Erde erzeugen mit irgendwelchen Pressen, Experimenten, irgendwas, können wir vergessen? |
[00:43:48] | Im Kern ist es wirklich schwer. Für den Rest des Erdinneren, gerade für den Mantel, sind in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden. Und zwar ist ja ein Druck zunächst nichts weiter als eine Kraft pro Fläche. |
[00:44:04] | Das heißt also, wenn ich die Fläche klein mache, kann ich auch für relativ gegebene Kräfte hohe Drücke erzeugen. Eines der berühmtesten Institutionen dafür überhaupt in der Welt ist das Bayerische Institut für Geowissenschaften, das BGI in Bayreuth. Dort sind sehr große Pressen, entweder wirklich große Pressen, in denen man dann auch relativ voluminöse Proben vielleicht zu einem Kubikzentimeter hinweg hohen Drücken aussetzen kann. Ansonsten macht man das in sogenannten Diamantstempelzellen, in denen man also Diamanten aufeinander drückt und dann vielleicht so im Bereich von ein paar Mikrometern versucht, Proben auseinander zu nehmen. Und dort kann man dann wirklich Drücke erzeugen, die, sagen wir mal, im Bereich von 1000, 2000, 2500 Kilometer Tiefe entsprechen. Und viele unserer Vorstellungen, wie die Mineralogie im Erdinneren funktioniert, basieren auf solchen Experimenten. |
[00:45:00] | Okay, also man kann da sozusagen Reaktionen auf diesem kleinen Raum simulieren und dann eben die Mineralogie verstehen, aber irgendwelche dynamischen Prozesse gehen mit solchen kleinen Zellen natürlich nicht. |
[00:45:13] | Ja. Und zwar, A natürlich, weil die dynamischen Prozesse auf viel viel größeren Räumen hinweg ablaufen. Das ist das Eine. Das Zweite ist natürlich auch: Diese Deformationen, denen man dort solche Materialien aussetzen würde, sind natürlich jenseits von allen Deformationsraten, die geologisch sinnvoll sind. |
[00:45:31] | Ah ja, klar. |
[00:45:32] | Das ist immer das, was auch einen erwischt, dass man im Prinzip denkt: Naja, ich kann doch jetzt so ein Ding mal einfach kurz zusammen pressen. Das ist aber nicht, was in der Erde stattfinden würde. Die Erde würde sich dazu eine Millionen Jahre Zeit nehmen und dann würden unter Umständen andere Deformationsmechanismen… |
[00:45:45] | …weil sich gewisse Dinge ausgleichen können und ausrichten. |
[00:45:48] | …genau das. Ja. Und deswegen sind viele dieser Experimente immer nur sehr indirekt übertragbar auf das, was wirklich stattfindet. Das ist eigentlich der Grund, wenn wir hinterher zum Schluss noch hin kommen, warum man Computersimulationen macht. Weil natürlich hinter solchen Sachen wirklich letztendlich in den entsprechenden Parameter-Regimen irgendwann numerisch abgehandelt werden müssen. |
[00:46:09] | Nochmal ganz kurz die Frage zu diesen magnetischen Anomalien in der Erde, wo ich kurz erwähnt habe, dass das Millitär diese Daten ganz gern hätte um dann Störungen in diesem Feld wieder als Signal für U-Boote zu identifizieren. Gibt das Militär diese Daten raus? Also gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Militär und Geologen, um dieses zu kartieren? |
[00:46:32] | Normalerweise wenig. Denn also, viele solcher Sachen sind natürlich zurecht unter Verschluss. Manchmal hört man natürlich was, aber das ist etwas, in dem natürlich in gewisser Weise Forschung und militärische Anwendung schon relativ strikt getrennt sind. |
[00:46:47] | Okay. Das heißt im Endeffekt Doppelarbeit. Die Forscher machen das Gleiche, um…ja, okay, alles klar. |
[00:46:51] | Ja. |
[00:46:53] | Lass uns mal ein bisschen über das Erdmagnetfeld reden. Das haben wir jetzt schon so oft erwähnt, ich kann es nicht weiter verschieben. Es entsteht dadurch… |
[00:47:01] | Oh! Es…ja. Also, ich kann eine im Prinzip abweisende Antwort geben. Es entsteht dadurch, dass es Gleichungen gibt, die das Magnetfeld schlichtweg aus der Bewegung heraus hervorsagen. |
[00:47:15] | Also das ist irgendwie hier da der Kollege Lorentz, oder? |
[00:47:17] | Genau. Das heißt also, letztendlich bewegen sich natürlich dort wie bei den Lorentz-Kräften auch, hinterher elektrische Leiter und damit wird dann durch einen komplizierten Dynamo-Prozess, wie am Fahrrad auch, ein Dynamo erzeugt. Letztendlich ist es nicht sehr intuitiv, das wirklich zu beschreiben. Man muss im Prinzip eine Lösung der Gleichungen herbeiführen. |
[00:47:38] | Aber es ist genau der Prozess einfach. Es bewegen sich geladene Teilchen, die produzieren ein Magnetfeld. Das steht im Physikbuch, warum das so ist. |
[00:47:44] | Genau. Ja. Und erst dann spezifisch durchzuteilen ist im Prinzip letztendlich das Ergebnis der letzten 20 Jahre. Vor ungefähr 20 Jahren, ziemlich genau, ich glaube 1995, war einer meiner Doktorväter, der Herr Glatzmaier, einer der Ersten, der in einem 3D-sphärischen Computermodell ganz selbstkonsistent ein Magnetfeld für den Erdkern hat berechnen können. Das dann einfach aufgrund der Strömung…es gibt also eine Energiequelle, die führt zu Strömungen, die Strömungen erzeugen dann die Bewegungen. Diese Bewegungen führen dann über Lorentz-Kräfte und anderes dazu, dass sich das Magnetfeld entwickelt. Das war also damals eine ganz ganz beeindruckende Leistung, die auch sicher für später im Prinzip in den Bereich von Nobelpreisen gehört. Auch Einstein hat damals eigentlich im 20. Jahrhundert gesagt, das Verständnis des Magnetfelds ist eines der zehn wichtigsten physikalischen Probleme des 20. Jahrhunderts. Und war also natürlich eine ganz außergewöhnliche Leistung. |
[00:48:44] | Heute gibt es natürlich viele von solchen Computermodellen, in denen man versucht, genaue Einzelheiten dieser Magnetfeldentstehung zu machen. Das ist aber ein relativ komplexer Prozess, der nicht so einfach intuitiv zu verstehen ist. |
[00:48:56] | Aber ohne flüssigen Kern kein Magnetfeld, weil ohne Bewegung kein Magnetfeld. |
[00:49:00] | Genau. Genau das. Das braucht man. Das heißt also, man braucht wirklich Strömungsbewegungen innerhalb eines relativ großen planetaren Körpers, um dann hinterher solche Magnetfelder zu erzeugen. |
[00:49:10] | Und die Tatsache, dass das Magnetfeld eine Ausrichtung hat und sich nicht durch viele kleine Magnetfelder irgendwie wieder auflöst – aufhebt, wollte ich sagen – heißt ja, dass die Strömung in irgendeiner Art und Weise im Kern gerichtet sein muss. |
[00:49:22] | Genau. Da gibt es auch ein paar Sachen, die vielleicht wiederum etwas überraschend und unintuitiv sind. Wir beobachten das Magnetfeld ja eigentlich aus einer erheblichen Entfernung. Wir sind ja 3000 Kilometer weg. |
[00:49:34] | Und das heißt also, wenn man jetzt eine mathematische Analyse anwenden würde, indem man zum Beispiel jetzt einfach extrapoliert, wie das Magnetfeld zunehmen müsste pro Kugelfunktionsgrad – das ist jetzt ein technisches Wort, was ich verwende. Aber im Prinzip pro Struktur. Dann nimmt das für die verschiedenen Komponenten im Magnetfeld, die feinen und die langwelligen, unterschiedlich stark zu. Und wenn ich das jetzt extrapoliere direkt an die Kern-Mantel-Grenze, ist an der Kern-Mantel-Grenze wesentlich mehr feinskalige Struktur. Das ist zum Beispiel das Erste, was man sich klar machen muss. Wir sehen diesen großen Dipolanteil des Feldes nur deswegen so dominant, weil wir eben 3000 Kilometer weg sind und viele dieser kleineren Anteile sind eigentlich da schon… |
[00:50:18] | …haben sich schon ausgeglichen. |
[00:50:19] | …haben sich schon ausgeglichen, ja. |
[00:50:21] | Und dann ist natürlich das Zweite, dass es natürlich im Kern auch im Prinzip eine gewisse Motivation gibt, große Ströme auszubilden, weil der Kern die Rotation der Erde sehr deutlich mitkriegt. |
[00:50:32] | Ah ja klar, logisch. |
[00:50:34] | Und dann kommen natürlich Rotationsbewegungen hinein, die im Prinzip zu einer gewissen Überorganisation der Konvektionsströme führen, die dann wiederum helfen, lange Strukturen eben besonders auszubilden. |
[00:50:47] | Ist dann vielleicht die Rotation ein Teil der Energie, die da im Kern dann halt verbraten wird? Weil da wird ja durch die Rotation Reibung erzeugt und so weiter. |
[00:50:54] | Die Reibungen sind aber zu vernachlässigen. |
[00:50:56] | Das ist einfach was, was an Reibungskräften im Kern drin ist, ist so gering, dass das hinterher eigentlich dafür keine wirkliche Rolle spielt. Aber die Rotation ist natürlich wichtig für die Art, welche Geometrien von Konvektionsströmen sich überhaupt ausbilden können. |
[00:51:11] | Die Tatsache, dass wir da flüssiges Material haben, das sozusagen schwappt – sage ich mal – bremst das die Rotation dann mit ab oder ist das aufgrund des gleichen Arguments mit der irrelevanten Bewegung auch egal? |
[00:51:22] | Das ist vergleichsweise irrelevant. |
[00:51:23] | Okay. Wenn jetzt der innere Kern, der feste, größer wäre, dann würde weniger flüssiges Zeug da in der Gegend herum advektieren. Das würde bedeuten, wir hätten ein kleineres Magnetfeld? |
[00:51:35] | Ja. Also wenn man einfach die Stärke, das ist natürlich nicht ganz offensichtlich, aber wenn man jetzt mal naiv sagen würde, das hängt im Prinzip mit dem Volumenanteil zusammen. Wenn natürlich erstmal der gesamte Volumenanteil aufgebraucht ist und es gibt nur noch einen festen Kern, dann gibt es natürlich auch kein Magnetfeld. |
[00:51:50] | Und dieses Rumdrehen des Erdmagnetfeldes und das Wandern des Pols…als Flieger weiß man, dass man alle paar Jahre neue Missweisungstabellen haben muss, weil sich wieder irgendwas verschoben hat. |
[00:52:02] | Genau, genau. |
[00:52:02] | Woher kommt das? Hängt das auch damit zusammen, dass da irgendwas anders strömt und dadurch sich das Magnetfeld anders ausrichtet? |
[00:52:09] | Also auf der einen Seite gibt es diese sogenannten säkularen Variationen. Also der Winkel des Magnetfeldes relativ zur Rotationsachse varriert so ein bisschen, so ungefähr zehn Grad oder so etwas. Das ist das, was du vorhin angesprochen hast. Das hat einfach damit zu tun, dass eben die Konvektionsströme sich ein bisschen verändern. Die Umpolarisierung des Feldes, dass also Nord Süd wird und Süd wird Nord, ist zunächst erstmal nicht unbedingt mit einer Umorientierung der Strömungen in Verbindung zu bringen, weil natürlich die Lösung, die mathematische Lösung der Gleichung ist für B- oder B+ … B ist das Magnetfeld – hinterher genau das Gleiche. Das heißt also, es ist erstmal nicht unbedingt zu erwarten…da muss man natürlich vorsichtig sein, das muss man natürlich im Computermodell auch noch mehr verifizieren, dass erstmal die Strömungen sich dramatisch umändern, sondern leichte Veränderungen in der Strömung können dann einfach dazu führen, dass auf einmal B- hinterher eine gleiche Lösung darstellen würde, wie es vorher B+ getan hätte. |
[00:53:12] | Das heißt, man kann auch nicht wirklich vorhersagen, wann oder wie oft sich das Erdmagnetfeld rumdreht? |
[00:53:19] | Nein, man kann natürlich in die Vergangenheit zurück gucken und… |
[00:53:21] | …wieder Steine, tralala. |
[00:53:23] | Genau. Und da sieht man, dass das so im Schnitt typischerweise so 100000 oder 1 Million Jahre für lange Zeiten hinweg war. Es gibt dann ganz besondere Perioden, die sind nicht besonders gut verstanden, die sogenannten Super-Chrons – Chron ist eine Zeiteinheit -, in denen sich das Magnetfeld manchmal für 30, 40 Millionen Jahre nicht mehr umpolt. Die letzte berühmte solche fand in der Kreidezeit statt, also als die Dinosaurier noch auf der Erde waren, gab es einen gewissen Zeitraum, in dem 30, 40 Millionen Jahre lang sich das Erdmagnetfeld überhaupt nicht mehr umgepolt hat. Die Vermutung, woran das liegt, ist, dass sich zum Beispiel an der Kern-Mantel-Grenze dort bestimmte Zustände ausbilden, die dann besonders begünstigen, dass das Magnetfeld stabil ist. Das ist aber auch nicht gut verstanden. |
[00:54:11] | Gibt es Vermutungen, wann sich jetzt quasi aus unserer Sicht das nächste Mal die Kompasse umkehren müssen? |
[00:54:18] | Nein, man müsste im Prinzip natürlich sagen, wenn ich es jetzt weiter extrapoliere von den vergangenen Raten, könnte ich sagen, wann ich es erwarten würde. Auch dort gibt es zum Beispiel etwas, was oft in den Nachrichten genannt wird. Es gibt im Augenblick eine relativ starke Abnahme des Magnetfelds, das hast du vielleicht auch mal gelesen, dass das zum Beispiel in den Zeitungen drin steht. Diese Abnahme kann man natürlich quantifizieren und kann sich fragen: Hat die einfach damit zu tun, dass das Magnetfeld zum Beispiel irgendwie seine Energie verloren hat und das klingt jetzt nur noch ab? |
[00:54:49] | Achso, dass gar kein neues entsteht? |
[00:54:53] | Genau. Das wäre ja eine Hypothese, die man machen könnte. Dem ist aber nicht so. Die Abfallrate ist so stark, dass das eigentlich ein aktiver Prozess sein muss und das heißt also, das Magnetfeld nimmt im Augenblick in der Amplitude einfach nur deswegen ab, weil der Dipolanteil – also Nord-Süd – sich im Augenblick versucht unter Umständen umzudrehen. Das geschieht aber so häufig und selten klappt es dann wirklich, dass es nicht klar ist, ob dieser Prozess einfach vielleicht nach 100 Jahren auch wieder aufhören wird. |
[00:55:18] | Sprich, das ist kein sicheres Anzeichen dafür, dass wir… |
[00:55:20] | Es ist nicht klar, dass das hinterher eine volle Umpolung werden wird. So etwas nennt man dann manchmal die sogenannten Exkursionen. Das heißt, das Magnetfeld versucht, so eben in der Exkursionsform auf die andere Seite zu kommen, schafft es aber nicht und geht dann wieder zurück. |
[00:55:34] | Okay. Aber es ist kein akutes Thema? |
[00:55:37] | Ich würde es nicht als akut nennen. Mit einer Ausnahme, und zwar, wenn man sich zum Beispiel dann die Raumfahrtprogramme anschaut. Der Ort, an dem das besonders dramatisch im Augenblick geschieht, ist der Südatlantik. Und zum Beispiel die Astronauten – ich unterrichte auch ein bisschen manchmal Geophysik für die europäischen Astronauten… |
[00:55:59] | Cool. |
[00:56:00] | …dass man da also zum Beispiel besonders aufpassen muss für die Einwirkung von elektrischen Strahlungen auf entweder die Satelliten selber oder die Raumschiffe selber. |
[00:56:10] | Weil das Magnetfeld die natürlich weg hält. |
[00:56:12] | Genau. Und an dieser Stelle im Südatlantik ist der halt besonders gering und da hat es ganz praktische unmittelbare Auswirkungen, wo man auch dran denken muss, wo auch zum Beispiel regelmäßig bei der Planung von Satellitenbahnen dran gedacht wird: Wie muss man das bauen, dass das eben unter Umständen solche Sachen aushalten kann? Und dieser Bereich, gerade im Südatlantik, der ist also sehr sehr bekannt und sehr berühmt. |
[00:56:34] | Interessant. Lass uns mal über den Mantel reden, über den Kittel, die Jacke, haha. Was passiert da? Erstmal vielleicht die Struktur, haben wir ja gesagt, es gibt Kontinente, es gibt diese großen Platten. Fang du mal an mit der Struktur. |
[00:56:50] | Ja, ja. Gut. Zunächst erstmal natürlich muss man sich überlegen: Was wissen wir über den Mantel und woher wissen wir es? |
[00:56:57] | Das meiste, was wir eigentlich über den Mantel wissen, ist aus der Seismologie. Das Ausbreiten von seismischen Wellen. Und diese seismischen Wellen geben uns natürlich hinterher im Zusammenhang mit Überlegungen – Welche Mineralien könnten das denn überhaupt sein? – eine gewisse Vorstellung über die Drücke und die Temperaturen. Aus dem kann man abnehmen, dass ein großer Teil des Mantels in gewisser Weise erster Größenordnung eine im Prinzip gut durchmischte Chemie hat. Das heißt also, das ist ziemlich uniform. Dieses sogenannte Pyrolit, was ich vorhin gerade genannt hatte. |
[00:57:33] | Nun müssten aber eigentlich in so einer Struktur – ich habe vorhin schonmal naiv gesagt – Planeten sind einfach zu groß, um ihre Temperaturen einfach oder ihre Energie über Konduktion, Wärmeleitung, abzugeben. Sie müssten eigentlich konvektieren. Jetzt kann man ein bisschen genauer darüber nachdenken: Wie geschieht so etwas eigentlich? Und dazu hat man natürlich lange immer Laborexperimente gemacht. Heute macht man natürlich viel auch Computerexperimente. Und da kann man ein bisschen besser verstehen, wie das eigentlich technisch ablaufen muss. Und zwar, direkt an der Oberfläche, wo natürlich die Erde im Kontakt mit dem Universum ist, da ist natürlich eine Zone sehr sehr kalter Temperatur. Und das nennen wir dann hinterher die tektonischen Platten. Und diese ungefähr 100 Kilometer des äußersten Teils der Erde sind natürlich durch ihre tiefe Temperatur dann vergleichsweise dicht und werden gravitativ unstabil und sinken eben früher oder später einfach zurück in den Planeten. |
[00:58:34] | Das geschieht auf der Erde und da muss man die Erde natürlich unterscheiden von den anderen Planeten Venus und Mars, die machen das anders. An den Stellen, wo das zurück sinkt, ist das dieser sogenannte Subduktionsprozess. |
[00:58:48] | Und jetzt muss man sich aber vorstellen, dass das also doch wirklich große große Mengen an Gesteinen sind. Also zum Beispiel das Äquivalent des gesamten Pazifiks, also die Hälfte der Erdoberfläche ist ungefähr in den letzten 150 Millionen Jahren um den Pazifik herum, also in den Subduktionszonen des sogenannten Feuerrings wieder in die Erde hinein gegangen. Also die halbe Erdoberfläche hat sich alleine an der Hemisphäre völlig erneuert. |
[00:59:19] | Und das war in 150 Millionen Jahren… |
[00:59:23] | 150 Millionen Jahren. |
[00:59:24] | …das sind ungefähr wie viel Prozent der Erdexistenz? Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf. |
[00:59:28] | Genau. Sagen wir mal, wir machen es der Einfachheit halber mit 4,5 Milliarden Jahre. 450 Millionen Jahre wären 10%. Und jetzt haben wir ein Drittel davon. |
[00:59:36] | Also 3%, die Hälfte der Erd… |
[00:59:37] | Drei Prozent. |
[00:59:38] | Okay. Das ist dann schon Dynamik. |
[00:59:40] | Ja. Also da geschieht wirklich viel. Und diese Platten, die sinken natürlich dann immer weiter ab. Und jetzt kann man sich natürlich fragen: Gibt es bestimmte Bereiche, an denen sie sozusagen aufgehalten werden? Gibt es etwas, was das Ganze stoppt beim Absinken? Das hat sehr sehr viel zu geophysikalischen Forschungen in den 70ern, 80ern, beigetragen. Und eigentlich entwickelt sich so ein Konsens, zu sagen: Nein, im Prinzip gehen diese Platten letztendlich früher oder später bis zur Kern-Mantel-Grenze runter. Mit Geschwindigkeiten, die vermutlich so ungefähr plattentektonische Geschwindigkeiten sind, also ein paar Zentimeter pro Jahr. Und dann kannst du dir ja überlegen, wie lange das dauern müsste. Wenn ich also ein paar Zentimeter pro Jahr 3000 Kilometer gehen will, brauche ich 100 Millionen Jahre. |
[01:00:25] | Und das ist erstmal natürlich ein riesiger Antreiber, denn, also diese äußere Schicht, also man nennt so etwas eine thermische Grenzschicht, diese äußere thermische Grenzschicht des konvektierenden Mantelsystems, die erneuert sich halt die ganze Zeit. Irgendwo, wo Platten einsinken, muss natürlich das Äquivalent an anderen Stellen, am mittelozeanischen Rücken, neu gebildet werden und dementsprechend erneuern sich die Ozeanböden permanent, die ganze Zeit. |
[01:00:48] | Und ist das dann alles vulkanische Aktivität? Also, ich habe verstanden, das Zeug, was jetzt oben ist, sinkt einfach nach unten. Damit ist es quasi weg. Wie kommt jetzt etwas anderes nach oben? Ist das einfach auch so ein…taucht da, bildlich gesprochen, etwas auf? Oder sind das Vulkane, Lava, die dadurch Material wieder abladen? |
[01:01:08] | Nein, im Prinzip kann man sich das so ein bisschen wie einen passiven Prozess vorstellen. Zunächst erstmal in dieser allgemeinen Betrachtung der Erneuerung der Oberfläche ist der Vulkanismus gar nicht mal besonders ausgezeichnet, sondern einfach nur an der Stelle, wo der Mantel sozusagen jetzt freigelegt würde, indem zum Beispiel – nehmen wir uns den mittelatlantischen Rücken vor – die beiden Platten würden auseinander gehen, im Zentrum kommt natürlich dann neues Material nach oben. |
[01:01:33] | Das Material kühlt sich sofort aus und wird dann sofort der Platte angegliedert, wird also Teil der Platte. Das ist zunächst erstmal ein Prozess, den man sich abstrakt – und so macht das ja der Geophysiker – abstrakt zunächst einmal völlig ohne Vulkanismus vorstellen kann. Der Vulkanismus spiegelt einfach die komplizierte Chemie von Silikaten wider, dass natürlich dann hinterher in solchen polymineralischen Gemischen Bestandteile eher ausfrieren oder später ausfrieren. Das heißt, wenn ich jetzt zum Material nahe an die Oberfläche gehe, gibt es einen gewissen Prozentsatz, der natürlich einen leichteren, früheren Schmelzpunkt hat. Der fängt an natürlich leichter erstmal zu schmelzen, bildet vulkanischen Teil davon. Das macht es hinterher petrologisch spannend, macht es hinterher natürlich… |
[01:02:19] | Öl…tralala. Petrologisch. |
[01:02:20] | Genau. Nein, petrologisch im Sinne von Gesteinen. |
[01:02:23] | Ah, ok. |
[01:02:23] | Ja. Also… |
[01:02:25] | Petrifiziert, ja, okay. |
[01:02:26] | Genau, genau, genau. Aber in einer ganz einfachen physikalischen Betrachtungsweise ist es nur so, dass das kalte Erdoberfläche irgendwann gravitativ zu schwer wird, wieder zurück sinkt und natürlich an den Orten, wo dann sozusagen Raum gebildet wird, einfach neues Material vom Inneren nach oben dringt und sich dort auch wieder abkühlt… |
[01:02:49] | …weil da weniger drauf drückt, also kann etwas raus. |
[01:02:50] | Genau, genau. |
[01:02:51] | Das heißt aber sozusagen, Vulkanismus ist jetzt geophysikalisch aus der Perspektive, wie wir es gerade diskutieren, eigentlich egal. |
[01:02:57] | Im Prinzip ja. Muss ich natürlich aufpassen, wenn ich dir das im Blog sage. Natürlich muss ich sagen, dass der Vulkanismus essenziell ist. |
[01:03:04] | Weil du hast Kollegen, die das wichtig finden. |
[01:03:06] | Genau und ich finde das ja auch wichtig. Ja. Aber natürlich, wenn man es ganz einfach unter planetaren Aspekten anschaut und in der großen Dynamik, kann man zunächst erstmal unter dem Aspekt von Dichteunterschieden, Temperaturunterschieden, diese Komplikation ein bisschen weg denken und kann einfach sozusagen außerhalb dessen erstmal fragen: Wie sieht das generell eigentlich in einem strömenden System aus? Und das ist einfach dieser Aspekt der Grenzflächen, an denen eben durch die Konduktion sehr große Temperaturunterschiede – dementsprechend Dichteunterschiede – erzeugt werden, die dann wieder zurück sinken ins Innere des konvektiven Systems. Jetzt gibt es spiegelbildlich dazu genau das Gleiche natürlich an der Kern-Mantel-Grenze. Aber an der Kern-Mantel-Grenze ist es jetzt nicht ein Bereich, der ungewöhnlich kühl ist relativ zum Rest des Mantels, sondern er ist ungewöhnlich heiß relativ zum Rest des Mantels. Weil an der Stelle ist ja der heiße Kern in Kontakt mit dem Mantel und dort geschieht jetzt genau das Gleiche, allerdings eben durch Aufströme. |
[01:04:02] | Das heißt, dort gibt es ebenfalls wieder eine Grenzschicht, auch vermutlich so ungefähr 100 Kilometer weit, in der das Material bis zu 1000 Grad vermutlich heißer ist… |
[01:04:10] | Das Mantelmaterial? |
[01:04:11] | Das Mantelmaterial…als das darüber liegende Mantelmaterial. Und dort führt es dann wiederum ebenfalls zu gravitativen Aufströmen. Auch zunächst nicht unbedingt geschmolzen, vielleicht, aber nicht…das sehen wir als keinen primären Aspekt des Prozesses. Und diese heißen Gesteine haben dann ebenfalls wieder so viel Auftrieb, dass sie sich bis an die Erdoberfläche heraus bringen können. Die sogenannten Plumes, von denen du vielleicht gehört hast, sind genau dieser Aspekt. Also wenn ich mir jetzt Hawaii vorstelle im Pazifik, dann liegt Hawaii gerade über einem Bereich, in dem vermutlich von der Kern-Mantel-Grenze durch den gesamten Mantel im Pazifik durch sich Material bis nach oben arbeitet. Und natürlich, weil es schon signifikant wärmer ist als das umgebende Gestein, dann dort einen lokalen Schmelzprozess bewirkt, so dass sich dann wirklich die hawaiischen Inseln bilden können. In Nordeuropa ist das Äquivalent Island. Dann haben wir so etwas natürlich in den Azoren. Es gibt Réunion, das ist im indischen Ozean, eine Übersee-Provinz von Frankreich. Und so gibt es also mehrere solcher sogenannten Hotspots, die Material vermutlich widerspiegeln, das wirklich von der Kern-Mantel-Grenze bis zu uns an die Oberfläche bringt. |
[01:05:30] | Das heißt, die haben dann auch, wenn man da hin geht und Steine klopft, findet man da anderes Material als in Indien nebendran, zum Beispiel? |
[01:05:35] | Genau. Aber man muss natürlich schon sehr genau gucken. In der Grobchemie, also der sogenannten, der allgemeinen Chemie, sind die Gesteine gar nicht mal so unterschiedlich. Man kann sich aber die Isotopen heraus holen. Und an den Isotopen kann man feststellen, dass dann in diesen Nebenelementen signifikante chemische Unterschiede sind relativ zu dem, was man zum Beispiel am mittelozeanischen Rücken finden würde und kann also auf die Art und Weise auch chemisch darauf rückschließen, dass das doch nochmal eine andere Quelle haben muss als das, was am Rücken stattfindet. |
[01:06:06] | Du hast vorhin leichtsinnigerweise gesagt, Venus und Mars machen das anders. Willst du mit zwei Sätzen kurz sagen, wie? |
[01:06:11] | Ja. Und zwar haben beide Planeten keine Plattentektonik im Sinne der Erde. |
[01:06:15] | Dann sollten wir, glaube ich, erstmal kurz Plattentektonik nochmal erklären. |
[01:06:18] | Gut. |
[01:06:19] | Weil, also, wir haben verstanden, du hast von der afrikanischen, pazifischen Platte geredet. Wenn ich Platten habe, muss ich sie irgendwie abgrenzen, das heißt, da gibt es Risse oder Grenzen oder Gräben oder wie auch immer. |
[01:06:28] | Ja. |
[01:06:29] | Wieso haben wir überhaupt verschiedene Platten? Wieso gibt es da nicht eine homogene Fläch |